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Wie ich Bücher gestalte

Rezension von Martin Z. Schröder

Noch vor zwanzig Jahren gab es in jedem größeren Verlag nicht nur eine ganze Abteilung für die Buchentwürfe, sondern auch einen Künstlerischen Leiter, der für einen möglichst hohen Entwurfsstandard und besonders schöne Bücher sorgte. Mancher trug einen langen weißen Seidenschal, damit man ihn gleich erkannte. Heute sind nicht nur die Seidenschalträger verschwunden, es gibt in den Verlagen gleich gar niemanden mehr, dessen Arbeit ausschließlich darin besteht, Büchern ein schönes Gewand zu geben. Die verlagseigene Buchästhetik wurde zur Verschwendung erklärt und ausgelagert. Damit haben sich die Verlage auch der Sachverständigkeit entledigt, Schönheit im Buch überhaupt zu erkennen. Die Kriterien für ein gut hergestelltes Buch liegen in den großen Verlagen heute weitgehend im Dunkeln, das technische Vokabular ist nur noch rudimentär vorhanden. Grafikdesign- und Werbeagenturen werden mit der Druckvorlagenproduktion beauftragt, Handelsagenten entscheiden über die Umschläge nach Marktüberlegungen, und die wichtigsten Kriterien für die Auftragsvergabe bestehen in Preis und Geschwindigkeit. Und so sehen die meisten Bücher aus: außen bunt, innen beliebig und insgesamt lieblos gemacht.

Es gibt aber Ausnahmen. Wenn der Buchgestalter Friedrich Forssman bei Suhrkamp, Weidle, Reclam, zu Klampen oder dem Wallstein-Verlag auftaucht, wo nun ein Werkstattbericht über seine Arbeit erschienen ist, kommt der Seidenschal in die Bücherwelt zurück (»FF« hat ein bekanntes Monogramm, raucht Pfeife und fährt einen Oldtimer) und mit ihm die ganze herrliche Ausstattungskultur vergangener Zeiten in einer frischen Blüte.

Nun darf man nicht denken, hier werde einem Dandy gehuldigt. Friedrich Forssman war an zwei umfangreichen Standardwerken beteiligt, in denen das gesamte Handwerkswissen von Buchgestaltung und Schriftsatz, soweit das möglich ist, zusammengefaßt wurde und die stets in aktualisierten Auflagen lieferbar sind: »Lesetypografie« (1997, mit Hans Peter Willberg) und »Detailtypografie« (2003, mit Ralf de Jong). Als bedeutendste Referenz für seine Buchentwürfe und sein Können als Schriftsetzer dürften die Arbeiten für die Arno-Schmidt-Stiftung gelten, für die er seit 1990 alle Bücher und Drucksachen entwirft, namentlich »Zettel’s Traum«.

In seinem nun erschienenen Werkstattbericht von achtzig Seiten, einem von außen wie eine Kladde aussehenden Heft, wird klar, welchen Anspruch Forssman an seine Arbeit stellt und worauf sich Verleger, die schöne Bücher lieben, einlassen, wenn sie ihn mit Entwürfen beauftragen. Forssman irrt allerdings, wenn er meint, die Buchbranche sei »eine recht heile Welt«, deren Bewohnern er die Liebe zum Buch bescheinigt. Denn die meisten großen Verlage kann er damit kaum meinen. In seinem Essay gibt er über seine Haltung Auskunft. Forssman stellt klar, daß es in einem ausdiskutierten Entwurfskonflikt nur eine entscheidende Instanz geben sollte­­: »Wer dem Gestalter nicht vertrauen kann, ist kein guter Auftraggeber; wer als Gestalter wider besseres Wissen klein beigibt, ist kein guter Gestalter.« Dieser Standpunkt dürfte in behördenähnlich auf Konfliktfreiheit getrimmten Bestsellerverlagsstuben wenig Aussicht auf Verständnis finden; die kleineren Verlage profitieren aber davon, wenn sie den Buchentwurf und vor allem die Typografie als Unterscheidungsmerkmal etablieren.

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Wie Friedrich Forssman aus einem Text ein Buch formt, wie er den Entwurf aus dem Text ableitet, um dem Leser einen Gegenstand in die Hand zu geben, dessen Gestalt als angenehm empfunden wird, beschreibt er detailliert und an Beispielen. Diesem praktischen und persönlich gehaltenen Teil des Aufsatzes ist der meiste Platz eingeräumt, so daß Lesern wie Verlagsleuten und auch dem Nachwuchs empfohlen werden kann, sich mit diesem Werkstattbericht einen erhellenden Zugang zur Arbeitsweise eines herausragenden Buchgestalters zu verschaffen. Forssman behandelt grundsätzliche Fragen wie die des Buchformates und stellt dar, wie er sich seine Position als interpretierender Diener des Textes schrittweise erarbeitet: in der Wahl der Schrift, der Beurteilung ihres Klanges, ihrer Abstimmung durch Größe, Zeilenlänge, Zeilenabstand und Einrichtung von Buchstaben- und Wortabständen. Die Druckschrift versetzt einen Text in eine charakteristische Stimmung, die dem Leser nicht als Mißklang auffallen darf; in den meisten Büchern darf er ihre Form gar nicht bemerken, weil nicht die Übertragung der Gedanken selbst wichtig ist, sondern der Text ohne Überwindung typografischer Barrieren in die Vorstellung des Lesers dringen, im Ton des Textes aber mitschwingen soll. Ebenso geht der Buchgestalter mit Papier und Farbe um, auch mit Bildern.

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Für den typografischen Kenner ergibt sich bei der Lektüre auch Überraschendes: »Es gibt viele Satzspiegelkonstruktionen; ich habe nie eine davon angewandt, fand ihr Studium aber lehrreich.« Das ist ein beachtliches Statement für einen Buchgestalter, dem die Konvention im Buch so wichtig ist, weil er das Gewohnheitsrecht der Leser nicht nur respektiert, sondern zur vernünftigen Grundlage seiner Arbeit erklärt. Dabei wirkt auch das vorliegende Werk mit seinem wohlproportionierten Satzspiegel und den Marginalien im besten Sinne klassisch aufgebaut. Erklären läßt sich das mit dem Scharfblick eines Typografen, der sich seit seiner Jugend für Bücher und ihre Form interessiert und derart einen so sicheren Blick für Maßverhältnisse gewonnen hat, daß er keine Geometrie mehr braucht. Das vermögen nur wenige, und so klar und schön darüber schreiben gegenwärtig wohl niemand außer Friedrich Forssman.

Martin Z. Schröder

zuerst erschienen im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung am 15. Dezember 2015, hier die Manuskriptfassung


Untertitel: Ästhetik des Buches

Autor(en): Friedrich Forssman

veröffentlicht: 2015

Verlag: Wallstein Verlag, Göttingen

Sprache: , deutsch,

Seiten: 80

ISBN: 978-3-8353-1591-4

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