Siebzig Jahre nach de Reichskristallnacht ist es immer noch eine Gratwanderung, ein Buch zur Corporate Identity der Nationalsozialisten zu machen. In sachlicher Distanz setzt sich Andreas Koop seit Jahren mit der Gestaltung der Macht und dem Erscheinungsbild des Nationalsozialismus im Speziellen auseinander. In NSCI dokumentiert er nüchtern eine der best durchdeklinierten CIs: Von den gesellschaftlichen Trends und dem Boden für Blut und Boden , über die Sprache bis zum Logodesign. Von den Medien über Organigramme und Gruppierungen bis zu den Uniformen. Von den Events über die Architektur bis zu den Zeichen der Macht in Schrift, Typografie und Farbe. Aus der Maschinerie der Gleichschaltung in allen Bestandteilen der Corporate Identity des Schreckens kann und sollte man lernen! (Klappentext)
Andreas Koop ist Kommunikationsdesigner und führt seit 1995 ein Designbüro im Allgäu. Corporate Design ist ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Im Buch NSCI verknüpft er dieses Thema mit einer historisch-visuellen Dokumentation. Trotz der Abkürzung CI im Buchtitel werden jedoch nicht alle Identitätsaspekte besprochen, sondern das Buch dreht sich vor allem um Grafikdesign. Nach einer Einführung zur »völkischen Bewegung« und der Schrift und Sprache der Zeit gliedert sich der Hauptteil des Buches in zwei Bereiche. Im ersten Teil werden die einzelnen Elemente des Erscheinungsbildes beleuchtet: Hakenkreuz, Reichsadler, Reichsflagge, Partei- und Nationalfarben sowie Schrift und Typografie. Im zweiten Teil geht es um Printmedien, Embleme und Uniformen sowie die Inszenierung im »öffentlichen Raum«.
Auch wenn es für dieses Thema ungewöhnlich erscheint: NSCI untersucht das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten wie das Corporate Design eines Unternehmens. Entsprechend ist es bebildert und entsprechend werden alle Themen wie Bausteine eines Corporate Designs erklärt und soweit es möglich ist historisch eingeordnet. Zu tief steigt Andreas Koop in einem 160-seitigen Buch jedoch dabei jeweils nicht ein. Letztlich böte fast jedes Kapitel Raum für ein eigenständiges Buch. Der Überblick ist aber dennoch rund und gelungen.
Der Autor bewegt sich mit diesem Buch auf einem schmalen Grat zwischen zwei Welten: Geschichtswissenschaft und Grafikdesign. Dennoch meistert er dies meiner Meinung nach sehr gut. Die Analysen sind mit historischem Sachverstand und dem nötigem Abstand geschrieben. Dennoch: wie auch der Autor im Vorwort selbst einräumt, werden Historiker und Politologen eher Probleme mit so einem Buch haben, da Koop die komplexen historischen Zusammenhänge nur anreißen kann und sich stattdessen vor allem auf rein visuelle Dinge stützt. Für Grafikdesigner ist so eine Auseinandersetzung der symbolstarken Mittel des Designs für politische Zwecke jedoch äußerst interessant. In diesem Sinne wurde in der zweiten Auflage (2012) der Fokus auch noch einmal ein wenig in diese Richtung verschoben. Die in Tafeln dargestellten, verkürzt aufgelisteten historischen Abläufe verschwanden und dafür kamen über 50 neue Abbildungen hinzu.
Ein treffendes Fazit von Ruedi Baur zum Buch, dem ich gern anschließen kann: Wenn ein Designer die Geschichte interpretiert, nehmen die Zeichen ihre wahre Rolle ein. Sie zeigen, dass sie ein Teil der Macht sind – und Gestalter Verantwortung tragen. Die Konfrontation mit dem visuellen Konstruktionen dieser Diktatur zeigt zudem, wie nahe sich viele anerkannte und übliche Formen der »Marketing-Propaganda« nach dem Krieg bewegen. Das Buch zeigt deshalb eindrucksvoll, welche Erkenntnisse eine visuelle Forschung gewinnen kann.
Inzwischen gibt es seit 2017 eine dritte Auflage, die auf 176 Seiten vermehrt wurde.
Untertitel: Das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten 1920–1945
Autor(en): Andreas Koop
veröffentlicht: 2012
Sprache: deutsch
Seiten: 160
ISBN: 9783874398152
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