Die Klassizistischen Schriften entwickelten sich im Laufe des 18. Jahrhunderts vor allem in Frankreich (Fournier, Didot) und Italien (Bodoni). In Deutschland blieb indes die gebrochene Schrift vorherrschend. Doch die deutschen Gelehrten der Zeit fanden zunehmend Gefallen an der besonderen Anmutung des klassizistischen Schriftstiles. Johann Friedrich Unger hatte eine besondere Vorliebe für sie und vertrieb die Lettern von Didot in Deutschland. Wenig überraschend machten sich aber auch rasch deutsche Stempelschneider daran, die Didot’schen Lettern in mehr oder weniger abgewandelter Form herzustellen. Zu ihnen gehörte zum Beispiel der Jenaer Schriftgießer Johann Carl Ludwig Prillwitz. Prillwitz war in der Universitätsstadt Jena gut im Geschäft. Er bestückte gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Allgemeine Literaturzeitung mit seinen Lettern, die mit Autoren wie Goethe, Schiller, Kant, Fichte und Humboldt zur auflagenstärksten Zeitung ihrer Art und Zeit wurde. Im Intelligenzblatt des Journals des Luxus und der Moden des Weimarer Verlegers Friedrich Justin Bertuch ließ Prillwitz 1790 annoncieren:
»Die Beförderung der Typographischen Schönheit war von jeher der Zweck meiner Bemühungen und Arbeiten; zu welcher mich immer die Betrachtung der schönen Schriften von Baskerville, Bodoni und Didot, deren Anblick dem Auge so wohl thut, aufmunterte; ich fürchtete aber immer daß die teutschen Druckereyen einem Schriftgießer den sehr beträchtlichen Aufwand, den er an ein vollständiges Sortiment Schriften in diesem Geschmacke wagen müsse, nicht vergüten möchten. Die Erfahrung aber hat meine Furcht widerlegt, da ich sehe, daß sowohl unser geehrtes Publicum als unsere Herren Buchhändler und Buchdrucker Geschmak daran finden, so habe ich es gewagt, und ein vollständiges Sortiment neuer Didotscher Lettern, als in keiner teutschen Schriftgießerey noch existiert, geschnitten, lege hierbey die Proben davon dem hochzuehrenden Publico dar, und offerire sämtl. Herren Buchhändlern und Buchdruckern meine neuen Didotschen Schriften um folgende gewiß sehr billige Preise […]«
Über die tatsächliche Qualität der Prillwitz-Typen stritt man sich damals wie heute. Unger, der hierzulande das exklusive Vertriebsrecht für die Didot-Lettern besaß, waren die Prillwitz-Typen, die auch noch ausdrücklich als Didot’sche Lettern angepriesen wurden, verständlicherweise ein Dorn im Auge. Er schickte eigens Prillwitz-Proben zu Didot, um sich von ihm eine mangelhafte Qualität bescheinigen zu lassen. Die Antwort, die erwartungsgemäß wenig Gutes über die Prillwitz-Lettern enthielt, ließ Unger als Warnung an Verleger, Buchdrucker und »Nachahmer« unter den Stempelschneidern in verschiedenen Blättern – darunter auch der Allgemeinen Literaturzeitung – abdrucken.
Andere Stimmen lobten dagegen die Arbeit von Prillwitz im Speziellen und auch die Bestrebungen im Allgemeinen, den Stil der Didot’schen Lettern von deutschen Stempelschneidern nachempfinden zu lassen. Neben Bertuch in Weimar ließ auch der bekannte Verleger Joachim Göschen in Leipzig in Prillwitz-Typen drucken. Über die von ihm verlegten Sämmtlichen Werke von Wieland ließ er in einer Annonce verlauten: »Die schönen lateinischen und dem Auge wolthuenden Lettern sind von Herrn Prillwitz in Jena geschnitten und gegossen.«
Nach dem Einzug Napoleons ebbt die Begeisterung für die mit Frankreich assoziierten Lettern Anfang des 19. Jahrhunderts schlagartig ab und die Lettern von Prillwitz und Zeitgenossen wie Walbaum geraten in Vergessenheit. Im 20. Jahrhundert wird zunächst die Walbaum wiederentdeckt und erlangt durch Berthold große Verbreitung. Eine Neuinterpretation der Prillwitz nehmen Albert Kapr und Werner Schulze für den Fotosatz bei Typoart in Angriff. Sie wird in drei Schnitten (mager, kursiv, halbfett) ausgeführt. Als Digitalisierung sind die Fonts heute in zwei optischen Größen über Elsner + Flake erhältlich.
Eine umfassende Neuinterpretation, ausgehend von den Prillwitz-Originalmustern, nahm auch Ingo Preuß vor. Die Preußtype-Prillwitz wurde in drei echten optischen Größen (Book, Regular und Display) angelegt. Der als NP (NewsPrint) bezeichnete Schnitt ist speziell für einen Druck in kleinen Größen auf Zeitungspapier geschaffen und wurde aus der Display entwickelt. Für die Regular – und stärker noch die Book – wurde eine weiche und sehr lesefreundliche Outline durch eine s. g. Verschmitzung erreicht und in zahlreichen Testdrucken optimiert. Die Scharfkantigkeit und der übliche maximale Strichstärkenkontrast bekannter klassizistischer Schriften (Didot, Bodoni) wurde durch das Studium der originalen Drucke zugunsten einer sehr guten Lesbarkeit auch in kleinen Schriftgraden überarbeitet.
Die Schrift-Familie enthält alle wichtigen Zeichen für effizientes und typographisch hochwertiges Arbeiten: Kapitälchen mit entsprechenden Ziffern in Kapitälchenhöhe (tabellarisch und proportional), Minuskel- und Mediävalziffern (tabellarisch und proportional), Bruchziffern und einen kompletten Akzentsatz für alle lateinischen Schriften.