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Ralf Herrmann

Typografie.info-Mitglied Burkhard Liermann von Protondesign in Völklingen hat das neue Leitsystem für die Marienhausklinik Kohlhof im Saarland entwickelt. Über Typografie.info fand er die passende Schrift für sein Projekt. Wir führten dazu ein Interview mit dem Designer.

Du bist ja schon seit Jahren im Bereich Werbung tätig. Gehört eigentlich der Bereich Beschilderung und Leuchtwerbung automatisch dazu?

Moderne Werbekonzepte müssen natürlich alle Bereiche berücksichtigen, und es zeichnet einen guten Designer aus, wenn er vielseitig ist. Deshalb gehören Schilder und Beschilderungen dazu und damit auch die Leuchtwerbung. Geschäftskunden legen heutzutage großen Wert darauf, dass sie alles aus einer Hand bekommen können. Die klassische Werbung mit Logo, Homepage, Flyern und Briefpapier ist noch immer wichtig, aber immer öfter habe ich in den letzten Jahren gehört: »Ich brauche da noch eine Schaufensterbeschriftung ...« Wenn ich ein Werbekonzept für ein Restaurant erstelle, dann gehört neben der Speisekarte eben auch die Leuchtwerbung dazu, vielleicht zusätzlich ein beschrifteter Pylon im Eingangsbereich. Für mich ist es jedenfalls eine selbstverständliche Serviceleistung, dass ich meine Kunden auch im Hinblick auf die Gestaltung von Leuchtwerbung und Beschilderung kompetent und effektiv beraten kann.

 

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Inzwischen kann ich mit meinen Partnern auch Sonderlösungen – wie mit zwei Radien gebogene Schriftzüge, gebogene Fronten mit dekupiert und durchgesteckten Acrylglasbuchstaben sowie tief- oder hochgezogene Logos etc. realisieren. Durch den Fortschritt der LED-Technik, durch die Vielfalt der zur Verfügung stehenden Maschinen und Elektronik ist in diesem Bereich nahezu alles möglich – auch computergesteuerte Leit- und Orientierungssysteme.


Wie kam es zum Auftrag für die Gestaltung der Marienhausklinik Kohlhof und in welchem zeitlichen Rahmen wird so ein Projekt bearbeitet?

 

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Der Auftrag wurde mit Fördergeldern realisiert, und die öffentliche Ausschreibung war auf bekannten Ausschreibungsportalen hinterlegt. Ein Anruf beim Architekten, der als Ansprechpartner genannt war, brachte mir einen ersten Kontakt und zusätzlich viele Hinweise zu meinen Fragen. Solche Kontakte zu Entscheidern, Auftraggebern und Generalunternehmern sind -auch schon im Vorfeld-immens wichtig.
Im Normalfall sollte man vier bis sechs Monate für die Vorbereitung einplanen. Je nach Anzahl der Entscheider, Gremien, Arbeitsgruppen etc. kann sich so ein Projekt schon im Vorfeld ziemlich hinziehen. Es sind viele Absprachen und Entscheidungen mit vielen unterschiedlichen Beteiligten nötig. Bei solchen Runder-Tisch-Gesprächen sollte man die Meilensteine der Projektphasen genau im Kopf (oder auf Papier) haben, um so viel Fragen wie möglich zu klären.

Mit welchen Parteien arbeitet ein Designer bei so einem Projekt zusammen?

In der Regel gibt es direkte und indirekte Ansprechpartner. Je nach Auftrag sind hier zu nennen: der Generalunternehmer, der Architekt, der Projektsteuerer, der Endkunde mit seinen diversen internen Gremien oder Arbeitsgruppen (Direktorium, Chefärzte, Ärzte, Personal, technische Leitung etc). Wichtig ist es, von Anfang an einen einzigen Hauptansprechpartner und Entscheider zu finden, den man dann in allen Belangen konsultieren kann.

 

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Wo liegen typische Probleme und Stolperfallen?

Als ich angefangen habe, in diesem Bereich tätig zu werden, war es besonders problematisch für mich, wenn sich ein Projekt verselbstständigt hat und untergeordnete Gruppen bei wichtigen Entscheidungen mitreden wollten. Damals habe ich gelernt: Um das Projekt im Auftragsrahmen zu halten, müssen konsequent die vereinbarten Regeln eingehalten werden. Sonst kann das ganze Projekt gefährdet sein. Das gezielte und sorgfältige Projektmanagement vor Beginn der Bauphase hat also oberste Priorität. Fehler wie falsche Maße, Schätzungen und nicht sorgfältig ausgeführte Aufmaße, können in der Ausführungsphase zu Problemen führen, die dann nebenbei auch noch gelöst werden müssen. In der Hochphase gilt es, zu kontrollieren, abzugleichen, Monteure zu unterrichten, zu motivieren und immer den Überblick zu behalten. Des Weiteren müssen jederzeit die Budgetkontrolle, Arbeitsstundenkalkulationen etc. im Blickfeld bleiben.

 

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Was ist das Besondere an der Beschilderung von Krankenhäusern?

Im Gegensatz zu offen gestalteten Räumen wie Bahnhöfe sind Krankenhäuser berühmt für ihre langen, möglicherweise noch verschachtelten Gänge, in denen man schnell die Orientierung verliert. Hinzu kommt, dass die Besucher und das Personal unterschiedliche Ziele haben können. Also heißt die Herausforderung: Wie findet man die typischen Laufwege der Benutzer? Und wie gestaltet man die Beschilderung an den Entscheidungspunkten so, dass sie für alle Benutzer funktioniert?
Grundsätzlich gilt: Ein Leitsystem muss durch Konsequenz überzeugen, durch eine klare Struktur und einheitliche grafische Merkmale, die Hinweisgeber (Schilder und Zeichen) müssen eine einheitliche Zeichensprache und Formgebung haben. In der Marienhausklinik haben wir uns für eine Gliederung entschieden, die wir in eine »vertikale Linie« (4 Etagen) und eine »horizontale Linie« (innerhalb der Etagen bzw. Fachabteilungen) eingeteilt haben.
Die vertikale Linie umfasst zunächst Etagenwegweiser in den Fahrstühlen selbst und gegenüber den Fahrstühlen in den Etagen. Gegenüber den Treppenhausausgängen befinden sich jeweils DIN A3-Schilder mit einer Kurzbeschreibung der nächsten Ziele rechts und links.
In der horizontalen Linie wurden zunächst Deckenwegweiser verteilt. Sie dienen der groben Richtungsweisung in die Fachabteilungen (z. B. Neuropädiatrie, Geburtshilfe etc). Zusätzlich wurden die Türen mit Klartext (ausgeschriebenen Abteilungsnamen) gekennzeichnet.


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Und wie muss man sich das praktisch vorstellen?

Auf dem Weg zu den Abteilungen befinden sich Fahnenwegweiser an bestimmten wichtigen Punkten (z.B. Anmeldung, Untersuchungsraum, WC, etc). Die Feininformation befindet sich dann auf den Türschildern (Abteilung, Name, Zusatzhinweise, wie Öffnungszeiten, Sekretariat etc.). Innerhalb einer Station/Abteilung wurde der jeweilige Stützpunkt durch ein neu entwickeltes Logo mittels eines kleinen Deckenabhängers gekennzeichnet. Hier findet der Patient/Besucher Ansprechpartner, die im persönlichen Kontakt die Weitervermittlung übernehmen. Beispielsweise kann man dort eine Schwester ansprechen, die bei der Suche nach einem bestimmten Patienten oder einer Fachabteilung hilfreich zur Seite steht.
Mit dieser dreistufigen Gliederung ist sowohl die Orientierung als auch die Leitung möglich. Der Rückweg ist auf allen Deckenwegweisern konsequent gekennzeichnet, so dass die Hauptziele, wie Ausgang, Information, Bistro jederzeit ersichtlich sind.

 

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Warst Du denn auch für das Datenmanagement zuständig? Das muss ja eine riesige Datenflut gewesen sein.

Ja, die Verwaltung der Daten gehörte ebenfalls zu meinen Aufgaben. Dieses Datenmanagement erfordert ein Höchstmaß an Konzentration und Sorgfalt. Es beginnt mit Musterseiten für die Positionierung des Logos, der Textinhalte, der Namen und der Raumnummern bis hin zur späteren Bestückung der Schilder. Ich habe mittels InDesign und Platzhaltern über eine XML-Ansteuerung aus Excel die Informationen, die ich vom Kunden erhielt, automatisiert in entworfene Layouts eingebunden. Das hatte den Vorteil, dass ich Änderungen schnell durchführen konnte. Die PDF-Dateien wurden dann an die Druckerei gesendet und die Schilder manuell bestückt.


Welche grafischen oder technischen Vorgaben bzw. Einschränkungen gab es bezüglich der Gestaltung des Leitsystems?

Es existierte eine grobe Corporate-Design-Vorgabe in Bezug auf Logo und Farbe. Im Gespräch mit Kunden und Architekt wurden Layout und Textpositionen bestimmt. Jedoch erwiesen sich geometrische Festlegungen, Formatierung und die Darstellungen von Richtungspfeilen als kleine Zeitbomben. Teilweise mussten drei bis vier Zeilen auf kleinstem Raum untergebracht werden, was zu neuerlichen Layout- und Typografie-Anpassungen führte. Ein Beispiel: das Wort »Unfall-, Hand- und Plastische Chirurgie«. Ich kann verraten, dass sich hier die Schriftenfrage als besondere Herausforderung herausstellte.

Welche Rolle nimmt die Schrift in so einem Leitsystem ein? Welche Fonts hast du getestet und was hat schlussendlich dazu geführt, dich für die Wayfinding Sans als Schrift zu entscheiden?

Auf der Schrift lag zu Beginn unser Hauptaugenmerk. Auf Grund von Platzvorgaben, Abständen und Anordnung auf allen Schildern musste eine klar erkennbare, extrem gut leserliche und flexibel einsetzbare Schrift gefunden werden. Es kamen alle möglichen Schrifttypen zum Einsatz. Wir haben getestet, verworfen und erneut geprüft. Im Forum von Typografie.info wurden Ideen vorgestellt, diskutiert und fachmännisch beurteilt.
Die »üblichen Verdächtigen« wurden dabei ins Auge gefasst. FF Info, Frutiger etc., um nur einige zu nennen. Jede Schrift hatte ihre Vor- und Nachteile, bis wir schließlich die richtige Lösung fanden: die Wayfinding Sans von Ralf Herrmann. Diese Schrift bestand alle Anforderungen mit Bravour und stellte sich als die ultimative Universallösung heraus.


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[headline=3]In wieweit hast Du bei der Beschilderung auf die architektonische Gestaltung bzw. auf die Innenarchitektur des Gebäudes Rücksicht nehmen müssen?[/headline]Wenn es nur nach dem Architekten gegangen wäre, hätten einige Schilder nicht montiert werden dürfen. Ich bin aber der Ansicht: Ein gutes System integriert sich in die Architektur, unterstreicht die Eleganz und Klarheit der Raum- und Flurplanung. Die Beschilderung sollte unauffällig, aber wirksam sein. Bei der Positionierung der vielen verschiedenen Schilder waren Ausnahmen die Regel und Sonderlösungen an der Tagesordnung. Da hängt am idealen Standort für ein Schild ein Feuerlöscher an der Wand oder ein Bild beansprucht den besten Platz für die Wegeführung. Dort, wo gebohrt werden muss, liegt ein Kabel unter Putz, oder ein Feuermelder blockiert den längst festgelegten Wandbereich. Trotz genauester Vorplanung kann man nie alle Unwägbarkeiten berücksichtigen. Und einen guten Projektmanager erkennt man auch daran, dass er mit diesen Herausforderungen flexibel umgehen kann.

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