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Interview mit LiebeFonts

Ralf Herrmann

Ulrike Wilhelm aus Berlin verbindet Schrift und Illustration auf höchst interessante Weise und der Erfolg gibt ihr Recht. Ihre erste vollständige Schrift, die LiebeErika, wurde unter die besten MyFonts-Schriftveröffentlichungen des Jahres 2010 gewählt. Im nachfolgenden Interview verrät Ulrike etwas mehr über ihre Schriften und ihre Arbeitsweise.


Wie bist Du zum Typedesign gekommen?

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Eigentlich eher nebenbei. Ich habe zwar im Studium an der FH Potsdam zwei, drei Mal den Schriftgestaltungskurs von Luc(as) de Groot besucht. Aber eigentlich haben mich spontane, analoge Arbeitsweisen wie Illustration und Kalligrafie immer mehr interessiert als das stundenlange Optimieren von Bézierkurven. Im Abschlussprojekt meines Kommunikationsdesign-Studiums habe ich sogar versucht, eine universelle Schrift ohne Buchstaben – nur mit Piktogrammen – zu gestalten. Das hat natürlich nicht so richtig geklappt und ist sowieso mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Aus diesen piktogrammartigen, handgezeichneten Illustrationen ist dann auch die Idee entstanden, die Illustrationen in eine Fontdatei zu pressen und bei MyFonts zu verkaufen. Das hat Spaß gemacht und wurde auch ganz gut angenommen, deshalb kamen immer mehr Piktogrammfonts dazu. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass es keine Schrift gab, die hundertprozentig zu meinen Illustrationen und Piktogrammen passte. Deshalb habe ich mich letztes Jahr an meine erste »richtige« Schrift gewagt: LiebeErika.


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Zeichnest Du per Hand am Computer oder zuerst auf Papier?

Unterschiedlich. Es fängt aber immer analog an. Die ersten Skizzen landen immer auf Papier. Ich arbeite auch gerne mit meinem Zeichentablett in Photoshop, weil ich da sauberer und präziser arbeiten kann als mit gescannten Zeichnungen. Den Schritt zur Vektorgrafik mache ich erst, wenn die wichtigsten formalen Entscheidungen getroffen sind. Ich versuche auch, nicht zu viel Vektorkosmetik zu betreiben. Schließlich leben meine Fonts von den handgemachten Unregelmäßigkeiten. Manchmal mache ich auch nachträglich Abschlüsse noch etwas dicker oder Striche etwas wackeliger, um einen unregelmäßigen Tintenfluß zu simulieren.
In LiebeErika und LiebeDoni gibt es etliche kontextabhängige Alternativformen, so dass zwei aufeinanderfolgende identische Buchstaben nicht genau gleich aussehen. Das hilft in meinen Augen sehr, das »Handgemachte« glaubwürdiger rüberzubringen.

 

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Was hat es mit der »Liebe« im Namen Deiner Fonts auf sich?

Wie ich genau darauf kam, weiß ich gar nicht mehr. Ich finde aber, dass der Name ganz gut zu den liebevoll gezeichneten und irgendwie lieb aussehenden Fonts passt. Es ist auch ziemlich praktisch: Wenn ich eine neue Schrift mache, ist die Hälfte des Namens schon fertig. Mir war es auch wichtig, dass meine Marke ein Stück Herkunft kommuniziert, deshalb kam ein komplett englischer Name nicht in Frage. Und der Name funktioniert international erstaunlich gut.


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LiebeDoni – die eigentlich so strenge Bodoni mit handgezeichneter Charakter umgesetzt. Wie kamst Du auf diese Idee?

Ich mochte Bodoni schon immer gerne, besonders in fett und groß. Deshalb hatte ich auch in meinem Font LiebeMenuLettering einige Wörter in einer Art Bodoni gezeichnet. Daraufhin habe ich viele Anfragen bekommen, ob es denn die Buchstaben auch einzeln gebe. LiebeDoni ist auch ein schöner Kontrast zu LiebeErika: Die eine fett, breit und mit Serifen, die andere filigran, schmal und serifenlos.

 

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Schriften wie Deine LiebeDoni haben einen umfangreichen Zeichenausbau. Wie lange dauert die Entwicklung Deiner Schriften von den ersten Skizzen bis zum verkäuflichen OpenType-Font?

Die »richtigen« Schriften sind wesentlich aufwendiger als die Piktogramm-Fonts. An LiebeDoni habe ich alles in allem ungefähr ein halbes Jahr gearbeitet, allerdings nicht Vollzeit. LiebeErika ging etwas schneller, vermutlich weil man bei der geringen Strichstärke und dem fehlenden Kontrast schneller zu harmonischen Wortbildern kommt. Wahrscheinlich würde alles schneller gehen, wenn ich mich nicht so im Detail verlieren würde. Aber ich kann es nicht lassen, mir immer wieder doch noch eine weitere lustige Ligatur oder Alternativformen auszudenken. Ich bin auch sehr geduldig und diszipliniert. Ich glaube, das ist wichtig, wenn man Schriften gestalten will.


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Du vertreibst Deine Schrift selbst über MyFonts und bist also neben dem Entwurf auch für das technische Mastering, Marketing, Kundenbetreuung und so weiter zuständig. Betrachtet du diese Arbeitsweise eher als Fluch oder Segen? Wie organisierst Du Deine Arbeit um Dich nicht in diesen vielen Arbeitsbereichen zu verzetteln?

Ich genieße die Freiheit, alles selbst machen zu können. Ich freue mich bei jedem Arbeitsschritt schon auf den nächsten. Ich mache mir beim Zeichnen der Buchstaben immer schon Gedanken darüber, wie die Anwendungsbeispiele aussehen könnten. Und wenn ich später beim Gestalten der Marketing-Materialien noch Probleme finde, kann ich einen Schritt zurückgehen und einzelne Buchstaben noch im Detail korrigieren.


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Ich habe außerdem jemanden zu Hause, der von dem Thema Ahnung hat, jede Zeichnung kritisch betrachtet und auch ein gutes Gespür fürs Marketing hat. Und einige Tester im Freundeskreis werden mit Betaversionen versorgt, so dass ich schon vor der Veröffentlichung wertvolles Feedback bekomme.


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Hast Du Vorbilder im Bereich Schrift oder Illustration? 

Die Schule von Luc(as) de Groot hinterlässt wohl bei jedem seiner Studenten sichtbare Spuren. Hohe Ansprüche an die Lesbarkeit und gewisse humanistische Konstruktion sind dann einfach so drin, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt. Ich schaue mir auch sehr gerne die Arbeiten von Jessica Hische und Seb Lester an.

 

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Deine Fonts enthalten ein Versal-Eszett. Wie ist Deine persönliche Meinung zu diesem derzeit kontrovers diskutierten Thema?

Ich sehe schon, dass das Versal-Eszett bei Eigennamen sehr sinnvoll sein kann. Dass das Versal-Eszett in meinen Schriften vorhanden ist, hat aber weniger etwas mit meiner Haltung zum Thema zu tun. Ich finde es auch sehr schwierig, diesen noch sehr ungewohnten Buchstaben so hinzubekommen, dass es nicht absurd aussieht.


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Welche Font-Projekte können wir in Zukunft von Dir erwarten? Weitere Ornamente, Schriften oder etwas ganz anderes?

Momentan arbeite ich intensiv an einem noch geheimen Projekt. Es ist eine Art Touchscreen-Kinderbuch, so viel kann ich verraten. Parallel entwerfe ich auch schon die nächste Schrift, die wieder in eine andere Richtung geht als die ersten beiden: eine geschriebene, verbundene Schwungschrift.
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