Der Reichtum der Stadt spiegelt sich auch im Design der Detroiter Automobile wider. Nie waren sie größer und prunkvoller als in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Mit den Automobilen wachsen auch die obligatorischen Chrom-Schriftzüge an Cadillac und Co. immer weiter in die Breite und so entwickelt die Automobilindustrie nebenbei auch eine völlig eigenständige Form der Schriftgestaltung. Denn da die schweren Embleme nach wie vor aus einem zusammenhängenden Stück Metall gefertigt werden, müssen die Buchstaben auf der Grundlinie beziehungsweise x-Höhe mit einer stabile Verbindung versehen werden. Die »Streamline-Schriften« sind geboren und entwickeln sich rasch zu einem repräsentativen Designelement der Zeit, das sich später auch auf anderen Produkten wieder findet, etwa auf Plattenspielern, Staubsaugern und Kühlschränken.
Doch auf den raschen Aufstieg der Stadt folgt ein ebenso dramatischer Abstieg. In den 1960er Jahren kommt es durch steigende Arbeitslosigkeit zu schweren Rassenunruhen, die schließlich dazu führen, dass sich der überwiegende Teil der weißen Bevölkerung aus der Stadt in die Vororte flüchtet. Als später auch die Automobilhersteller ihre Fabriken in die Vororte verlegen, verkommt die Innenstadt Detroit fast zu einer Geisterstadt, die nur noch durch Amerikas höchste Mordrate und die jährliche Devil’s Night Schlagzeilen macht, wenn in der Nacht vor Halloween hunderte von Häusern in der Innenstadt in Brand gesetzt werden.
Die Grafikdesigner Franziska Jähnke, Dörte Wächter und Ralf Herrmann verbrachten einige Monate in der Innenstadt von Detroit und erkundeten die noch immer allgegenwärtigen Relikte der Detroiter Glanzzeit. Die verlassenen Fabriken der berühmten Automobilhersteller stehen noch immer – es fehlt schlicht das Geld sie abzureißen oder anderweitig zu nutzen. Auch die alten Autos gehören noch immer zum Straßenbild. Sie werden so lange gefahren, bis sie buchstäblich auseinander fallen. Die Detroiter nennen solche Schrottkarren liebevoll »Hooptie«. Wenn sie dann doch den Geist aufgeben, werden sie einfach am Straßenrand stehen gelassen und rosten dort über Jahrzehnte vor sich hin.
Der ausgefallene Schriftstil der Chromschriftzüge an den Detroiter Autos der 1930er bis 1950er Jahre erweckte sofort das Interesse von Ralf Herrmann, der basierend auf diesem Stil eine Serie von Fonts mit dem Namen Hooptie Script entwickelte.
Schriften dieser Art waren mit den früheren Fontformaten nicht zufriedenstellend umsetzbar, da jeder Buchstabe an passender Stelle mit den jeweiligen Nachbarbuchstaben legiert werden muss. Hat das »o« einen Abstrich auf x-Höhe verbindet es sich perfekt mit einem nachfolgenden »f«, doch nicht mit einem »s«, das eine Verbindung auf der Grundlinie erfordert. So sieht man bei der Anwendung von Retro-Schreibschriften sehr oft, dass Buchtstaben an den falschen Stellen zusammenstoßen oder schlicht gar nicht verbunden sind. Das Problem lässt sich übrigens auch nicht mit Ligaturen lösen. Denn jede eingesetzte Ligatur muss sich ja ihrerseits auf beiden Seiten mit den angrenzenden Buchstaben verbinden …
Mit der OpenType-Technologie war es hier erstmals möglich, einen Streamline-Font zu erstellen, der durch OpenType-Klassen, Alternativzeichen und kontextbedingte Ersetzungen vollautomatisch für jede beliebige Buchstabenkombination die passende Verbindung erzeugt.
Das jeweils nachfolgende Zeichen in einem Buchstabenpaar »kennt« seine optimale Verbindung zu seinem Vorgänger und dieser wird, wenn nötig, automatisch ausgewechselt.
Es ist sogar möglich, die Wörter durch Einsatz des Unterstrichs zu verlängern und noch »stromlinienförmiger« darzustellen. Auch dabei werden vollautomatisch die optimalen Alternativbuchstaben ausgewählt.
Zusätzlich zu den beiden Grundschnitten Hooptie Script und Hooptie Script Star Chief gibt es auch eine Oblique, eine »Rusted« mit rauer Outline sowie einen Schwungbuchstabenschnitt, der einige handgezeichnete Alternativbuchstaben enthält.
Weitere Details finden sich im PDF-Schriftmuster der Hooptie Script. Die Schriften kann man sich über fonts.info und MyFonts lizenzieren lassen. Bis 15. November sind die Fonts zu einem Einführungspreis mit 30 Prozent Rabatt verfügbar.
Doch Detroit und seine Geschichte hinterließen auf die drei Designer eine so nachhaltigen Eindruck, dass schnell die Idee geboren wurde, die Schriften zusammen mit einem Buch herauszubringen, das die eindrucksvolle Geschichte der Motor City als Wiege der Automobilindustrie schildert. Das Buch fungiert dabei auch als Schriftmuster, ist aber weit mehr als nur ein »Verkaufsprospekt«. Schriften und Schriftmuster sind gleichwertige, miteinander verbundene Teile einer Arbeit, die sich gegenseitig befruchten. Die folgende Zeichnung, die als Doppelseite für das Buch angefertigt wurde, stand später für die Entwicklung der Schwungschriftbuchstaben Pate. Einigen Detroiter gefiel dieses Motiv sogar so gut, dass sie es sich tätowieren ließen.
Die üblichen Blindtexte sucht man in diesem Buch also vergeblich. Die Texte erzählen die spannende Geschichte von Cadillac, Pontiac, Chevrolet, Ford und vielen anderen Persönlichkeiten sowie vom Aufstieg und Einbruch der Stadt im Verlauf des 21. Jahrhunderts. Eine gekürzte Fassung des Buches kann nun begleitend zur Schriftveröffentlichung online und im Vollbildmodus betrachtet werden: http://www.hooptie.de
Zugehörige Links:
Hooptie Script bei fonts.info Hooptie Script bei MyFonts Homepage des Motor-City-Buchs anschauen http://vg08.met.vgwort.de/na/e22bdf6205644f998b32270f5c5130f4" width="1" height="1" alt="">