In unserem Artikel Die Top 10 der missverstandenen Typografie-Fachbegriffe haben wir uns bereits mit einigen typischen Verständnisproblemen unseres Fachbereiches auseinandergesetzt. Einige Leser haben weitere Begriffe vorgeschlagen, die ihrer Meinung nach häufig falsch verstanden bzw. benutzt werden. Viele der Vorschläge drehten sich dabei um Buchstabenabstände. Die betreffenden Bezeichnungen entstammen meist dem Bleisatz und die genaue Definition in der computergestützten Typografie ist nicht immer ganz klar. Erschwerend kommt hinzu, dass zunehmend die englischen Entsprechungen Anwendung finden und sich dann auch bei der Zuordnung der deutschen und englischen Begriffe Fehler einschleichen. In diesem Artikel werden diese Begriffe deshalb zusätzlich zu unseren einzelnen Wiki-Artikeln noch einmal im Zusammenhang erklärt.
Zurichtung oder Spationierung — englisch: Spacing
Zurichtung kann als allgemeiner Begriff verwendet werden, der die Anpassung und Optimierung von Buchstabenabständen beschreibt. Der Begriff kann dabei sowohl die Voreinstellungen des Schriftgestalters bezeichnen, als auch die Anpassungen der Buchstabenabstände durch den Schriftanwender.
Schriftgestalter versehen ihre Schriften gemäß des anvisierten Einsatzes bereits mit einer möglichst passenden Zurichtung – also bestimmten Abständen vor und nach dem eigentlichen Buchstabenbild. Man spricht daher von der Vor- und Nachbreite eines Buchstabens. Bei digitalen Schriften können diese Abstände auch negativ sein. Der Buchstabe ragt dann aus seinem unsichtbaren Begrenzungsrahmen — dem virtuellen Schriftkegel — heraus und überlappt die Kegel benachbarter Buchstaben.
Der Begriff der Spationierung entstammt der Technik des Bleisatzes. Dort wurden und werden schmale Streifen (so genannte »Spatien«) zwischen die Buchstaben geschoben und der Text somit »spationiert«. Der Begriff der Spationierung hat sich auch bei der digitalen Typografie erhalten. Er beschreibt hier nun – etwas anders als im Bleisatz – jegliche Feinjustierung der Buchstabenabstände und kann somit synonym zum Begriff der Zurichtung verwendet werden. Beispiel: »Die Zurichtung/die Spationierung der Überschrift muss noch verbessert werden.«
Verbesserte Zurichtung (zweite Zeile)
Laufweite und Sperrung — englisch: Tracking/Letter-Spacing
Einerseits ist Laufweite ein Parameter bei der elektronischen Textverarbeitung. Standardmäßig folgt jeder virtuelle Buchstabenkegel ohne Abstand dem nächsten. Ändert man nun die Laufweite, wird jedem Buchstaben ein positiver oder negativer Abstand hinzugefügt, ohne das Buchstabenbild zu ändern. Die optimale Laufweite hängt von der Anwendung ab. Je kleiner der Text bzw. je weiter er vom Betrachter weg ist, umso größer sollte die Laufweite sein. Umso größer bzw. näher der Text erscheint, umso stärker kann die Laufweite verringert werden.
Andererseits wird der Begriff Laufweite heute auch für die Beschreibung des generellen horizontalen Platzbedarfes einer Schrift gebraucht. Beispiel: »Die Times New Roman läuft schmaler als die Palatino«.
Wird die Laufweite bestimmter Textstellen gleichmäßig und deutlich sichtbar erhöht, spricht man von gesperrtem Text oder von Sperrsatz. Die Sperrung kann aus stilistischen Gründen erfolgen oder dient der Auszeichnung von Textstellen. Im Satz mit gebrochenen Schriften war die Sperrung die am meisten eingesetzte Auszeichnungsart.
Unterschneidung — englisch: Kerning
Die Standard-Vor- und Nachbreite eines Buchstabens ergeben nicht für jedes Buchstabenpaar ein optimales Ergebnis. Greift man dann gezielt in den Abstand zwischen zwei Buchstaben ein, wird dies Unterschneidung genannt. Die meisten digitalen Schriften besitzen bereits von Hause aus entsprechende Unterschneidungspaare, die lediglich aktiviert werden müssen. In InDesign erfolgt dies über die Einstellung »Kerning: metrisch«. In den gängigen Textverarbeitungs- und Layoutprogrammen kann der Anwender die Unterschneidung einzelner Buchstabenpaare aber auch selbst anpassen.
Ohne Unterschneidung (links) und mit aktivierten Kerning-Werten der Schrift (rechts)
Der Begriff der Unterschneidung rührt noch vom physischen Beschnitt der einzelnen Bleilettern her, der die Buchstabenbilder im Druck näher zusammenrücken ließ. In der digitalen Typografie können die Unterschneidungswerte jedoch beliebige positive und negative Werte annehmen.
Die Differenzierung zwischen Laufweite und Unterschneidung mag manchmal schwierig erscheinen, da beide Einstellungen Buchstabenabstände vergrößern oder verkleinern. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass sich die Unterschneidung immer nur auf konkrete Abstände zwischen zwei Buchstaben bezieht, während die Laufweite eine gleichmäßige Anpassung der Buchstabenabstände von Worten, Wortgruppen oder ganze Absätzen bezeichnet. In InDesign sind Änderungen der Unterschneidungswerte folgerichtig auch nur möglich, wenn die Einfügemarke zwischen zwei Buchstaben steht. Markiert man dagegen mindestens einen Buchstaben, lassen sich nur noch die Werte für die Laufweite anpassen.
Durchschuss – englisch: interlinear space
Schließen die Buchstabenkegel einer Zeile im Bleisatz direkt an die Kegel der vorangegangen Zeile an, spricht man von kompressem Satz. Sollen die Abstände zwischen den Zeilen vergrößert werden, erfolgt dies durch Einfügen von Durchschuss. Der Begriff bezeichnet also die Höhe des so gebildeten Zwischenraums (bzw. im Bleisatz auch das dafür vorgesehene Material).
Zeilenabstand — englisch: leading, line-height
Die Höhe der Buchstabenkegel zuzüglich des optionalen Durchschusses ergibt den Zeilenabstand, der im Digitalsatz von Grundlinie zu Grundlinie aufeinander folgender Zeilen gemessen wird. Schriftgröße und Zeilenabstand sind maßgebliche Parameter des Schriftsatzes und werden oft gemeinsam angegeben. Die Schreibung »10/13« würde bedeuten, dass die Schriftgröße 10 Punkt beträgt und der Zeilenabstand 13 Punkt. Die Zeilen sind also mit 3 Punkt durchschossen.
Soweit die Erklärungen der Fachbegriffe zu Abständen. Weitere Begriffserklärungen finden sich in unserem Typo-Wiki.