1918 veröffentlichte die Schriftgießerei Gebrüder Klingspor in Offenbach das Buch »Die Schriftgießerei im Schattenbild«. Darin wird in von Rudolf Koch geschnittenen Bildern die Entstehung einer Druckschrift im Hause Klingspor präsentiert. Heute, fast 100 Jahre später, hat sich die Entwicklung und der Vertrieb von Schriften gänzlich gewandelt. Umso mehr ist dieses Buch ein bemerkenswertes Stück typografischer Zeitgeschichte, das Typografie.info hiermit in Wort und Bild zur Verfügung stellt.
Was der Zeichner erfand in jahrelang mühvoller Übung,
ſoll es dem Drucker erſtehn in der beweglichen Form,
Fügen muß es ſich erſt in des Handwerks notwendige Grenzen,
daß in die Wirklichkeit trete ſeine freie Idee.–
Mächtig fördert das Werk mit tiefem Verſtändnis der Meiſter,
lobt und tadelt zugleich, zweifelt, verwirft und erwägt,
Treibt den Armen dadurch zu immer erneuter Bemühung
bis die Zeichnung am Schluß doch beide lobet zugleich.
Um nun der fertigen Zeichnung die richtige Größe zu geben
ſiehst du den Lichtbildkünſtler hier walten im ſtattlichen Raum,
Wenn er nicht in der Kammer heimliches Dunkel entflohen iſt,
dorten bei rötlichem Schein entſteht das verkleinerte Bild
Unter der fleißigen Hand. – Doch vorher in mächtigem Kaſten
fängt er die Strahlen des Lichts durch der Linſe brechende Kraft.
Die Übertragung der Zeichnung auf das Metall zu erleichtern
gießt man die ätzende Säure über die Platte aus Zink.
Gierig frißt ſie den Grund und läßt nur die Buchſtaben ſtehen,
die nun der Stempelſchneider abdruckt nach ſeinem Bedarf.
Zierlich iſt ſeine Kunst. In Blei und Stahl nach der Zeichnung,
den Stichel in ſicherer Hand, ſchafft er das plaſtiſche Bild.
Für den Gießer die Form zu ſchaffen, prägt er den Stempel
in das rötliche Kupfer oder das ſchimmernde Erz.
Jener prägt nur den Stempel aus Stahl, der weichere Bleiſchnitt
kommt zur Erzielung der Form in das galvaniſche Bad.
Wochenlang hängt er in bläulicher Flut und ſtärker und ſtärker
wachſen Kupfer und Nickel wie die Korallen im Meer.
Daß das Schriftenmetall ſich vor allem leicht ſchmelzbar erweiſe,
doch im erkalteten Zustand zäh wird und Feſtigkeit zeigt,
Miſcht man hier in dem Raum nach ſorgſam erprobten Rezepten
Weichblei mit Zinn und dazu einen Teil Antimon.
Wie der Wiſent, der Walfiſch und der bengaliſche Löwe,
langſam ſtirbt er uns aus vor der haſtenden Zeit.
Mit dem ehrwürdigen Werkzeug Gutenbergs, Fuſtens und Schöffers
ſelten nur trifft man ihn an im ſtillen, weiträumigen Saal.
Spritzendes Blei erfüllet die Form und ſauber gehobelt,
fix und fertig, verläßt mit Tauſenden gleicher Gestalt,
Stoßweiſe weiterrückend, der Buchſtabe ſeinen Geburtsort,
blank liegt er da und erkaltet – eh er ſichs ſelber verſieht. –
Zögernd betrittſt du den Raum mit der Reihe ſolcher Maſchinen,
ſengende Hitze erſtrahlt aus den Schmelztiegeln dir ins Geſicht.
Ungehört verhallet im Trubel dein ſchreiender Anruf –
in gelaſſener Ruhe waltet dies ſtarke Geſchlecht.
Die glänzenden Lettern entlang mit kundigem Blick durch die Lupe
prüft er die fertige Arbeit treulich ſeit manchem Jahrzehnt.
Lang ſchon trägt in Geduld er des Amtes vielfältige Bürde,
immer ſucht man ihn da, wo er gerade nicht iſt.
Wie die Böcklein im Mai auf blumiger Wieſe ſich tummeln,
lärmen ſie laut, mißachtend des Meiſters grämlichen Blick,
Machen ſie ſonſt auch alles verkehrt, bei der Arbeit des Frühſtücks
ſind ſie flink und geſchickt, ernſthaft und gründlich zugleich.
Zwischen den ſtillen Regalen des Lagers führt er ſein Leben
als ein Charakter in Ruhe, wie oft auch der Fernſprecher ruft.
Aus der Großväter Zeiten hat mancher Buchdrucker heut noch
eine beſondere Höhe der Schriften. Daß nun die neuen
Mit den älteren ſtimmen, muß man ſie ſonderlich hobeln –
dies nun verrichtet der Mann hier geduldig, jahraus und jahrein.
Daß der Drucker die Schrift in gerechter Verteilung erhalte
ſetzt ſie die Buchſtaben ein, richtig vom A bis zum Z,
Macht ein Paketchen daraus, doch legt ſie zuvor einen Zettel
oben darauf mit der Zahl und drunter mit Schwung ſetzt ſie kühn,
Wie der Künſtler es tut, ihren ſelbſteigenen Namen,
der nun reiſt, wills das Glück, bis an die Ufer des Nils.
Wie die beweglichen Lettern mit gutem Geſchmack zu verwenden,
zeigt dieſer Meiſter hier an, rüſtig entwirft er im Geist
Muster, zierlich und neu und von gefälligen Farben,
und es wirket ſein Beiſpiel weithin über das Land.
Wie dunkler Tannen würzigen Harzduft,
wie wenn die Amſel weithin durch den Abend ruft,
wie des Wieſengraſes leichtſchwankende Zierlichkeit,
herrlichſte, deutſcheſte Schrift,
ſo lieben wir dich ſeit langer Zeit.
Ernſte, Gemeſſene du,
klaſſiſchen Geiſtes erhabene Künderin,
vieler Jahrhunderte Lauf Überwinderin
Alters und Neues Verbindende, du –
wie ſollten wir dein nicht gedenken
in Ehrfurcht?
Sind die Stempel geſchnitten, ſo macht der hurtige Setzer
mit der Gußprobe hier den allererſten Verſuch.
Oftmals erkennt man erſt dann des Entwurfs unvollkommene Faſſung,
und es macht ſich, ſchwer ſeufzend der Zeichner wieder ans Werk. –
Aber auch von den fertigen Schriften druckt er hier Proben,
daß man am Beiſpiel erkenne die Schönheit des neuen Produkts.
Tauſendfach um den Zylinder der langſam rollenden Preſſe
eilen die großen Bogen des blütenweißen Papiers.
Sorgſam achtet der Meiſter auf Farbe und Gleichmaß des Druckes,
daß jeder Buchſtabe ſchwarz und ſcharf umriſſen ſich zeigt.
Weitaus am längſten von allen wirkt hier der treuliche Alte,
wie ein Spinoza mißtraut er des Lebens äußerem Glanz.
Iſt nun die Kiſte gepackt, ſo birgt ſie an Fleiß wohl und Mühe
mehr als manch ein Gebilde anſpruchsvollerer Kunſt.
Aber was hilft uns die Kunſt, wenn nicht der rechnende Kaufmann
klaren Blicks überſchauend des Geſchäftes Ordnung erhält,
Draußen im Lande den Kunden die neuen Erzeugniſſe anzeigt,
daß das vollendete Werk finde den Weg in die Welt.