Schriftlizenzierung ist Alltag im professionellen Design. Doch die Details lernt man leider auch in einer Ausbildung oder einem Studium in diesem Fachbereich nicht. In unserem früheren Artikel Mythos Schriftlizenzen haben wir bereits einige Grundlagen zu diesem Thema vermittelt. Dabei ging es vor allem ganz praxisbezogen um das »Wie« – und weniger um das »Warum«. Um letzteres ranken sich jedoch ebenfalls viele Gerüchte. Wer sich zum Thema Schriftlizenzen im Internet informieren möchte, findet dabei eine Fülle von abenteuerlichen Aussagen. Mit einer Serie von Artikeln soll hier nun etwas Licht ins Dunkel gebracht werden.
Als erstes soll es schlicht und ergreifend um die Frage gehen, warum Schriften überhaupt lizenziert werden. Denn immer wieder wird von einzelnen der Eindruck erweckt, das Prinzip der Lizenzierung und dessen Anwendung in der Praxis wären ein Konstrukt, dass sich die Schrifthersteller künstlich und zu Lasten der Schriftnutzer erschaffen hätten. Die Lizenzbedingungen werden als unlautere Einschränkungen verstanden und manch einer wähnt sogar, dass Fonts im Rechtssinne überhaupt nicht lizenzierbar wären …
Dabei ist die Sache eigentlich schnell erklärt:
Digitale Schriften (»Fonts«) werden nicht gekauft, sondern lizenziert, denn das Rechtssystem bietet zur Nutzbarmachung von immateriellen Gütern schlicht gar keine Alternativen. Wenn man also das System der Schriftlizenzierung anzweifelt, beweist man allenfalls rechtliche Unkenntnis. Dazu zwei Beispiele, die sich bei der Suche zum Thema Schriftlizenzen finden lassen:
ZitatDas heißt aber nicht, dass gut zubereitete Qualitätsschriften nichts kosten dürfen. Quid pro quo! Aber keinesfalls über Lizenzen, Page Views oder sonstige auflagen- oder medienbezogene Abrechnungssysteme. W. B. auf Typografie.info
Zitat»Schriften werden wider der Annahme in dem Beitrag [Mythos Schriftlizenzen auf Typografie.info] im Regelfall nicht lizenziert, sondern schlicht gekauft. Man erwirbt kein Nutzungsrecht an den Fonts, sondern Eigentum.« D. B. auf internet-law.de
Insbesondere die zweite Aussage, die offenbar von einem Anwalt stammt, überrascht. Dass dieser das einfache und im BGB klar definierte Prinzip des Eigentums nicht verstanden hat, ist erstaunlich. Denn der deutsche Begriff des Eigentums als »absolutes Herrschaftsrecht« kann sich ausschließlich auf eine Sache beziehen – und dabei ist eine Körperlichkeit eine zwingende Vorraussetzung, etwas als Sache einzustufen:
ZitatBGB § 90 Begriff der Sache: Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.
Wenn Sie etwa ein Buch kaufen, werden Sie Eigentümer dieses Buches bzw. dieser Sache. Ist der Text aktuell urheberrechtlich geschützt, dürfen sie den Inhalt zwar nicht vervielfältigen, aber als Eigentümer dürfen Sie mit der Sache selbst ansonsten machen, was sie möchten. Sie können Ihr Buch also auch an Dritte weitergeben oder weiterverkaufen. Der Anbieter der Sache kann Ihre persönliche Nutzung nicht einschränken, sofern dies keine anderen Rechte berührt.
Kein Eigentum am eBook
Ganz anders verhält es sich aber, wenn Sie das gleiche Buch als eBook erwerben. Das elektronische Buch hat keine Körperlichkeit und ist daher nach geltendem Recht keine Sache. Sie können also folglich auch kein Eigentümer der Sache werden. Dieses Prinzip ist auf immaterielle Güter, die zum Beispiel in elektronischer Form ausgeliefert werden, schlicht nicht anwendbar. Denn diese ließen sich einfach kopieren – hat der Eigentümer damit eine neue Sache aus dem Nichts geschaffen? Und da er als Eigentümer ja mit seinem Eigentum machen kann, was er möchte, kann er also seine einmal gekaufte Sache millionenfach vermehren, wie es ja mit Eigentum gesetztlich möglich ist? Muss sich also für einen neuen MP3-Song oder ein neues eBook nur ein einziger Käufer finden und dieser darf dann sein Eigentum millionenfach weitergeben?
Das Gedankenbeispiel zeigt, dass dies so nicht funktioniert. Immaterielle Güter sind keine Sachen und man kann daher kein Eigentum an ihnen erwerben. Der gesamte Rechtsbegriff des »Sachen-Eigentums« mit all seinen Folgen ist nicht anwendbar. Und daher werden sämtlichen immateriellen Güter (Musik, Fotos, Illustrationen, Computerprogramme und eben auch Fonts) immer lizenziert und niemals verkauft.
Schriftlizenzen. Seit über 20 Jahren unabdingbar
Der rechtlich also notwendige Sprung vom Eigentum eines Buches zur Nutzungslizenz eines eBooks hat sich bei Schriften schon vor längerem abgespielt. Solange Schriften in Blei oder auf Fotosatz-Scheiben ausgeliefert wurden, war der Nutzer ebenfalls Eigentümer der Schriften. Oder genauer gesagt: Er war Eigentümer der Schriftenträger.
Von einer Fotosatzscheibe konnte man Eigentümer werden
Mit der Auslieferung auf Disketten und CD-ROMs, wie es etwa in den 1990er Jahren noch üblich war, befanden sich die Schriften dann in einer Übergangsphase. Zwar gab es einen physischen Datenträgen (also eine körperliche Sache), aber der Datenträger war dabei lediglich ein Transportmittel. Das eigentlich Gut war bereits immateriell und damit keine Sache mehr. Man konnte die Schrift ja vom Datenträger auf beliebige Computer kopieren und die Körperlichkeit als Vorraussetzung der Einstufung als Sache war somit trotz physischem Datenträgen schon nicht mehr gegeben.
Man beachte den feinen, aber klaren Unterschied: eine Fotosatz-Scheibe und eine Font-Diskette sind beides physische Schriftträger, aber bei ersterem ist das Gut (die Schriftzeichen) selbst physisch untrennbar mit der Sache verbunden, bei letzterem hingegen ist der Datenträger als Sache lediglich eine technische Notwendigkeit bzw. Möglichkeit das immaterielle Gut zu transportieren. Da das gleiche Gut aber genauso auch über das Internet auf den Rechner des Nutzers gelangen kann, macht es rechtlich keinen Sinn, zwischen beiden Formen zu unterscheiden. Ob der Font über das Telefonkabel oder das Kabel des CD-ROM-Laufwerkes auf die Festplatte gekommen ist, kann ja nicht dazu führen, dass einmal Eigentum entstanden ist und einmal nicht.
Digital kopierbare Schriften mussten also zwangsläufig von Anfang an lizenziert werden. Dies ist eine notwendige Folge der fehlenden Körperlichkeit. Es ist jedoch kein Trick aus Habgier der Schriftanbieter (wie einige mutmaßen), mit dem Schriftanwendern künstliche Einschränkungen und zusätzliche Kosten auferlegt werden sollen. Schriftlizenzen sind schlicht der einzig mögliche rechtliche Rahmen, indem Schriftanbieter und Schriftanwender eine Nutzung vereinbaren können.
Ausblick
Bei digitalen Schriften wird also eine Lizenz zur Nutzung des immateriellen Gutes eingeräumt. Der Anbieter des Gutes bestimmt in den zugehörigen Nutzungsbedingungen (EULA, »End User License Agreement«) unter welchen Bedingungen diese Nutzung erfolgt. Um zu verstehen, warum es dabei heute so viele verschiedene Lizenzen für Print, Web, eBooks und Apps gibt, muss man zunächst den Begriff der Fontnutzung näher beleuchten. Dies wird in der zweiten Folge dieser Serie geschehen.