Gast Geschrieben Juli 5, 2005 Geschrieben Juli 5, 2005 Hallo, ich habe da mal eine Frage. Einige meiner Professoren verwenden als Null das kleine o, z. B. bei Angaben von Datum oder Uhrzeit. (19.oo Uhr) Ich denke mal, dass sie Mediävalziffern zu benutzen glauben. Was haltet ihr davon? Ich nämlich eigentlich gar nichts, denn bei Medivälziffern sind ja alle Ziffern anders als bei den Tabellenziffern, nicht nur die Null. Sie haben ja einen Stil von Gemeinen. Ich bin halt vorsichtig, weil der eine unterrichtet Typografie. Ach noch was anderes, was er vor kurzem sagte und ich anzweifle: Ligaturen hatten früher (Bleisatz) nie einen ästhetischen, sondern nur einen handwerklichen Zweck, nämlich dann, wenn die Zeile nicht in die Zeile passte, wurde gesucht, ob man eine Buchstabenkombination durch eine engere ersetzen konnte. Ich finde gerade den ästhetischen Wert entscheidend und verwende gerne Ligaturen. Gruß, Martin
Dieter Stockert Geschrieben Juli 5, 2005 Geschrieben Juli 5, 2005 Die Null und das o sind nicht nur Zeichen mit unterschiedlicher Bedeutung, sondern sie sehen auch unterschiedlich aus. Wenn ein Typografieprofessor so etwas macht, dann würde ich das eher für einen Spleen halten (oder vielleicht auch für ein Relikt aus Schreibmaschinenzeiten, oder für beides). Was die Ligaturen angeht: Ich habe mal gelesen, daß es bei Gutenberg zig davon gegeben hat. Die These, daß es ums Platzsparen oder besser Ausschießen ging, könnte durchaus zutreffen.
Ralf Herrmann Geschrieben Juli 5, 2005 Geschrieben Juli 5, 2005 Einige meiner Professoren verwenden als Null das kleine o, z. B. bei Angaben von Datum oder Uhrzeit. (19.oo Uhr) »Spleen« ist sicher eine gute Bezeichnung dafür. Man sieht ja schon hier an deinem Beispiel, dass das überhaupt nicht funktioniert. Aber frag sie doch mal! Vielleicht hat es ja irgendeinen sinnvollen Hintergrund – auf die Schnelle fällt mir da aber absolut nix ein. Ligaturen hatten früher (Bleisatz) nie einen ästhetischen, sondern nur einen handwerklichen Zweck, Ligaturen haben die unterschiedlichsten Funktionen, teilweise auch geschichtlich verwaschen und vermischt. Es gibt alte Ligaturen wie æ ß oder auch das w, die heute einen eigenen Sinn tragen; stilistische Ligaturen wie st, ct, ck, tz und Ligaturen wie zum Beispiel fi, die nicht nur besser aussahen, sondern auch handwerklich nötig waren um das i unter dem Bogen des f zu bekommen und nicht ein ausgeschnitztes f zu benutzen, dessen Bogen ständig abbrechen würde. Die These mit der Zeilenlänge ist sicher nur ein Nebeneffekt – es war mit Sicherheit aber nicht DER Grund Ligaturen herzustellen. Dem widerspricht auch, dass man die Ligaturen ja in der Regel durchgängig verwendete und nicht nur je nach Zeilenlänge. Ralf
Psocopterus Geschrieben Juli 6, 2005 Geschrieben Juli 6, 2005 Die These mit der Zeilenlänge ist sicher nur ein Nebeneffekt – es war mit Sicherheit aber nicht DER Grund Ligaturen herzustellen. Dem widerspricht auch, dass man die Ligaturen ja in der Regel durchgängig verwendete und nicht nur je nach Zeilenlänge. In der 42zeiligen Gutenbergbibel wird tatsächlich ein nahezu pefekter Blocksatz durch den Einsatz von Abbreviaturen (z.B. Strich über dem "n" für "en") und unzähligen Ligaturen erreicht. Außerdem hatte Gutenberg von den häufigsten Zeichen verschiedene Breiten vorätig. Eine vollständige Abbildung seines Setzkastens findet sich bei Wild.[1] Im selben "Cahier Gutenberg" beschäftigt sich Jaques André im Vorwort übrigens ausführlich mit ästhetischen, linguistischen, technischen und und und Arten von Ligaturen.[2] Und eben auch mit dem erreichen des Blocksatzes, ohne die Leerzeichen zu dehnen. Mit angestaubten Grüßen aus der frühen Neuzeit, Georg [1] Wild:"La Typographie de la Bible de Gutenberg http://www.gutenberg.eu.org/pub/ GUTenberg/publicationsPDF/22-wild.pdf [2] André:"Vous avez dites "ligature"?" http://www.gutenberg.eu.org/pub/GUTenbe ... reface.pdf
Ralf Herrmann Geschrieben Juli 6, 2005 Geschrieben Juli 6, 2005 Danke für die Links. Wenn ich doch nur Französisch könnte … Speziell bei der Gutenberg-Bibel muss man natürlich bedenken, dass die allerersten Drucke noch versuchten das Handgeschriebene zu imitieren – somit waren die vielen Ligaturen natürlich unumgänglich. In der späteren »Druckschriften« tritt das völlig in den Hintergrund und Ligaturen und Zeichen verschiedener Breiten nur um der Zeilenlänge wegen gab es sicher kaum noch. Ralf
Psocopterus Geschrieben Juli 6, 2005 Geschrieben Juli 6, 2005 Danke für die Links. Wenn ich doch nur Französisch könnte … Für alle die's können: Habe mich in der Zwischenzeit mal wieder festgelesen in dem Heft, sind noch ein paar bemerkenswerte Artikel über Ligaturen weltweit und die verschiedenen Formen des et (&) zu finden. http://www.gutenberg.eu.org/publication ... ers22.html Han The Than hat in seiner Diss auch einiges über Gutenberg, Blocksatz durch Ligaturen, Abbreviaturen, verschiedene Buchstabenformen und minimale Skalierung geschrieben ... auf englisch. http://www.pragma-ade.com/pdftex/thesis.pdf Je mehr ich da lese, desto größer wird meine Bewunderung für Gutenberg - irgendein großer Typograph hat doch mal gesagt, die typoraphie sei die einzige Kunst, die ihre Blütezeit schon in der Entstehung gehabt habe ...? Wird schon! Georg
Sebastian Nagel Geschrieben Juli 6, 2005 Geschrieben Juli 6, 2005 Man muss eben den Anspruch Gutenbergs mitberücksichtigen: Handgeschriebene Bücher waren extrem teuer und zeitaufwendig herzustellen, was er machen wollte war das ganze günstiger zu realisieren, ohne dabei den Eindruck des Handwerklichen im Endergebnis zu verlieren ("imitieren" hat leider oft eine negative Konnotation). Auch das Herstellen von sehr vielen Varianten der Buchstaben (Breiten) und sehr vieler Ligaturen war vom Zeitaufwand her im Gegensatz zum Schreiben eines Buches relativ gering, war aber dem Gesamteindruck des "Handgemachten" sehr förderlich (dazu gehörte eben auch der damals übliche "perfekte" Blocksatz). Später ging es nicht mehr darum, den Werteindruck des Handgemachten in Büchern zur Schau zu tragen, die Druckkunst war etwabliert und eigenständig, nicht mehr Imitat des Handgeschriebenen. D.h. die Zeichen wurden regelmäßiger, immer gleich breit, auch einige Zweckligaturen zur Platzersparnis bzw. zum Platzausgleich gingen wieder verloren. Für seinen Anspruch, das geschriebene Buch günstiger herzustellen, hat Gutenberg also meisterhaft gearbeitet, späteren Druckern ist allerdings nicht vorzuwerfen diese Qualität nicht mehr erreicht zu haben, da sich die Ansprüche ans Gedruckte verändert haben.
Sebastian Nagel Geschrieben Juli 6, 2005 Geschrieben Juli 6, 2005 an Georg: gibt es von diesen PDFs irgendwo eine gesammelte Version? Ich habe zwar eine ganze Reihe einzelner Aufsätze gefunden [1], aber nichts was das alles zusammenfasst. Etwas mühsam alles herunterzuladen und zu ordnen... Vielleicht weißt du ja was. [1] http://www.gutenberg.eu.org/pub/GUTenbe ... ationsPDF/
Psocopterus Geschrieben Juli 6, 2005 Geschrieben Juli 6, 2005 gibt es von diesen PDFs irgendwo eine gesammelte Version? Naja, für nicht-TeX-Begeisterte ist Band 22 wohl am interessantesten, daraus waren auch die bisherigen Hinweise. Es gibt eine Übersichtsseite auf die Beiträge daraus: http://www.gutenberg.eu.org/publication ... ers22.html Leider gibt es keine Gesamtdatei, liegt vielleicht daran, dass 1995 niemand zu Hause die Bandbreite hatte um es am Stück runterzuladen? Sollte aber kein Problem sein, das mit pdftk zusammenzufassen, ich mach das mal eben. Gruß, Georg
Psocopterus Geschrieben Juli 6, 2005 Geschrieben Juli 6, 2005 Okay, habe das jetzt mal zusammengepappt - leider fehlen ein paar leere Seiten, der Wechsel rechts links funktioniert also nicht so recht, für beidseitiges Drucken ist das natürlich Mist! Vermutlich kann man das besser machen Äh ... bei der Übertragung stelle ich gerade fest, dass die 4MB meinen knappen Unispeicher sprengen - Mist! Wenn Interesse besteht kann ich das Teil mailen. Gruß, Georg
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