Tholan Geschrieben Dezember 21, 2005 Geschrieben Dezember 21, 2005 Forssmann schreibt auf Seite 277: »Gebrochene Schrift. Darunter versteht man folgende Schriftarten: Gotische Schrift, Schwabacher, Fraktur ... Man darf alle drei Schriftarten Fraktur nennen, ohne sich zu blamieren ...« Laut DIN 16518 unterscheidet man bei der Gruppe X (Gebrochene Schriften) folgende Untergruppen: Xa Gotisch Xb Rundgotisch Xc Schwabacher Xd Fraktur Xe Fraktur-Varianten Forssmanns Text verschweigt also die Rundgotisch, die eigentlich eine eigene Untergruppe ist. Dies ist schon deshalb sehr fragwürdig, da die Rotunda der Antiqua näher steht, als alle anderen gebrochenen Schriften. Auch den Fraktur-Varianten versagt er einer eigenen Untergruppe, wo eigentlich eine angebracht wäre. Laien dürfen die gebrochenen Schriften sicherlich insgesamt als »Fraktur« bezeichnen, ohne sich zu »blamieren«. Bei Fachleuten müsste man sich schon wundern, wenn sie eine Gotisch eine Fraktur nennen würden, da die »Fraktur« lediglich eine von fünf Untergruppen darstellt. Forssmann schreibt weiter auf Seite 278: »In gotischen Schriften kann auch generell das runde s verwendet werden, vor allem in fremdsprachlichen Anwendungen oder bei Verwechselungsgefahr in Beschriftungen.« Woher Forssmann diese Weisheit nimmt, bleibt sein Geheimnis. Richtig ist, daß Engländer und Amerikaner grundsätzlich auf das Lang-s verzichten. Hieraus allerdings abzuleiten, daß bei gotischen Schriften generell das runde s verwendet werden kann, ist schlicht und ergreifend falsch; man vergleiche die Äußerungen anderer hochangesehener Typografen und den Duden. Seine Behauptung hat auch fatale Folgen. Als die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« Ende 2004 begann, generell das Lang-s aus den (gotischen) Überschriften ihrer Kommentar-Kolumnen zu verbannen, gingen zur Überraschung der Redaktion zahlreiche Leserbriefe ein, in denen diese Aktion scharf kritisiert wurde. Als Rechtfertigung verwies die FAZ in ihren Antwortschreiben unter anderem auf das Zitat von Forssmann! Das Wort »Musterschüler« in einer FAZ-Überschrift vom November 2004. Gruselig, aber Herr Forssmann hat es erlaubt! Bei der FAZ führte man angebliche Leseschwierigkeiten gerade bei jüngeren Lesern als Grund für die Umstellung an. Folgt man dieser verqueren Logik, dann müßte z. B. die Brauerei »Hasseröder« unverzüglich ihr Firmenlogo ändern. Hier taucht das doppelte Lang-s auf. Offensichtlich haben aber die Konsumenten damit keinerlei Schwierigkeiten. Ähnliches gilt für »Jägermeister«, »Gilde Kölsch« oder »Fürstenberg«-Biere. Der Ruf der FAZ als seriöses typografisches Blatt hat meiner Meinung darunter gelitten, weil das ist kein gutes Handwerk. Zur »Ehrenrettung« der deutschen Zeitungsverlage sei darauf hingewiesen, daß andere Zeitungen an der richtigen Schreibweise mit Lang-s festhalten. Viele Grüße Thomas
Ralf Herrmann Geschrieben Dezember 22, 2005 Geschrieben Dezember 22, 2005 Forssmann schreibt weiter auf Seite 278: »In gotischen Schriften kann auch generell das runde s verwendet werden, vor allem in fremdsprachlichen Anwendungen oder bei Verwechselungsgefahr in Beschriftungen.« Woher Forssmann diese Weisheit nimmt, bleibt sein Geheimnis. Es ist wohl einfach seine persönliche Meinung, wie auch vieles andere in Detailtypografie. Ralf
Tholan Geschrieben Dezember 24, 2005 Themen-Ersteller Geschrieben Dezember 24, 2005 Forssmann schreibt weiter auf Seite 278: »In gotischen Schriften kann auch generell das runde s verwendet werden, vor allem in fremdsprachlichen Anwendungen oder bei Verwechselungsgefahr in Beschriftungen.« Woher Forssmann diese Weisheit nimmt, bleibt sein Geheimnis. Es ist wohl einfach seine persönliche Meinung, wie auch vieles andere in Detailtypografie. Ralf Das ist umso erstaunlicher, weil Forssmann im Jahr 1993 in seinem Aufsatz: „Der Satz gebrochener Schriften“enthalten in Albert Kapr: „FrakturForm und Geschichte der gebrochenen Schriften “ noch geschrieben hat: „Im Satz gebrochener Schriften ist das lange s unverzichtbar.“ Das ist die allgemein gültige Lehrmeinung. Die generelle Verwendung von rundem s stellt nach den anerkanntesten Lehrbüchern eine Typosünde dar. Schlimm wird es, wenn eine persönliche Meinung als Legitimation für eine Lehrmeinung genommen wird, wie bei der FAZ geschehen. Soweit meine Detailkritik, womit ich dem gesamte Buch „Detailtypografie“ natürlich nicht generell den Wert absprechen will. Thomas
Niklaus Geschrieben Dezember 27, 2005 Geschrieben Dezember 27, 2005 […] Laien dürfen die gebrochenen Schriften sicherlich insgesamt als »Fraktur« bezeichnen, ohne sich zu »blamieren«. Bei Fachleuten müsste man sich schon wundern, wenn sie eine Gotisch eine Fraktur nennen würden, da die »Fraktur« lediglich eine von fünf Untergruppen darstellt. […] Vielen Dank für diese ausführliche Kritik – hatte mich beim Lesen nämlich auch über Forssmanns Inkonsistenz gewundert. Es geht ihm halt, wie meistens, wohl einfach um ‹kundenfreundliche› Vereinfachung. Am Rande: Natürlich ist es verwirrend, für ‹Gattung› und ‹Art› den Ausdruck ‹Fraktur› zu verwenden – wobei sich dieser von lat. ‹frangere› (‹brechen›) herleitet, mithin wörtlich nichts anderes bedeutet als ‹Gebrochene [schrift]›.
Psocopterus Geschrieben April 28, 2006 Geschrieben April 28, 2006 Grade ist mir wieder ein Indiz für den Untergang des Abendlandes über den Weg gelaufen: Wenn man sich auf Schloss Hexenagger sorgen um die Lesbarkeit macht, sollte man auch fürchten, dass die Besucher »Gchloff Bexenagger« lesen und daher sicherheitshalber die Versalien aus einer Antiqua setzen. Gruß, Georg
Poms Geschrieben April 28, 2006 Geschrieben April 28, 2006 @Psocopterus hihi, ich mußte grinsen... "Antiquaisierung" macht Spass jetzt muß nur noch "z" angepasst werden, oder?
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