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Fraktur – aber wo?

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Vielerorts und auch in diesem Forum wird häufig behauptet, dass gebrochene Schriften wieder im Trend lägen und auch öfters wieder eingesetzt würden. Dass viele gebrochene Schriften eine Wieder-Entdeckung verdienten, versteht sich von selbst – aber wo sind denn die Beispiele für deren Verwendung? Abgesehen von punktuellen Experimenten einzelner Typographen sehe ich im Alltag kaum gebrochene Schriften in größerem Einsatz.

Kann mir jemand Hinweise geben, wo Fraktur z. B. in neuen Buchpublikationen gezielt eingesetzt wurde (und nicht wieder das Bsp. von Brinkmann/Boses Derrida-Ausgabe…). Ich mag gebrochene Schriften grundsätzlich sehr – aber für die behauptete ‹Renaissance› fehlen mir die Belege…

Geschrieben

Die „Renaissance“ betrifft eher den Stylo-Trendy-Bereich. Auf T-Shirts, Trucker-Baseballcaps, Büchern, Plattencovern etc. steht die (oft geschredderte) Fraktur skurrilerweise für Punk, Rebellentum und sinnfreien Zeitgeist.

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 92-7273818

http://pfadfinderei.com/site/fonts/fonts08.html

http://www.stussydirect.com/product.asp ... 5&catid=43

Geschrieben

Danke für die Beispiele – in der Werbung und im Trendbereich hat sich die Fraktur offenbar ja tatsächlich von den deutschnationalen Assoziationen befreit und kann ohne schlechtes Gewissen auch für anderes (Buchcover «Markt und Rebel» – merkwürdig) eingesetzt werden. Solche Beispiele gibt es ja zuhauf. Ich meinte eher den Einsatz als Textschrift, der, so wurde es in einer Zeitschrift aus dem Verlagsgewerbe behauptet, wieder ‹im Kommen› sei – wobei ich gerne einmal den Beweis sehen möchte.

Geschrieben

apropos (ich hoffe richtig geschrieben) lesegewohnheiten:

ich wäre ja mal gespannt, wenn ein italic-schnitt mal als brotschrift verwendet wird.

Früher war das ja gang und gebe. eine italic imitiert ja mehr oder weniger eine

handgeschriebene schreibschrift und lesbar sind diese schnitte auch.

ist halt alles eine gewöhnungssache.

Geschrieben
Ich meinte eher den Einsatz als Textschrift, der, so wurde es in einer Zeitschrift aus dem Verlagsgewerbe behauptet, wieder ‹im Kommen› sei – wobei ich gerne einmal den Beweis sehen möchte.

Frag’ doch vielleicht am besten die Redaktion der Zeitschrift und poste die Antwort hier ins Forum! Es besteht ja Interesse!

Tholan

Geschrieben

Na ja, auf alle Fälle wird im Bereich Westcoast-/ Gansta-Rap (für die Hip Hop-Ignoranten: das ist Rap-Musik von der Westküste der USA) die Fraktur gern und häufig eingesetzt. Aber das bereits seit mehr als zwanzig Jahren ...

Geschrieben

Bei mir liegt noch eine Ausgabe des britischen Magazins sleazenation aus dem Jahr 2000 (Februar) herum.

Hier wurden die Head- und Subheadlines in (einer) Fraktur gesetzt.

Geschrieben
... Ich meinte eher den Einsatz als Textschrift, der, so wurde es in einer Zeitschrift aus dem Verlagsgewerbe behauptet, ...
Ist mir auch nichts bekannt. Solange ein Verlag eine gut lesbare Fraktur nicht auch für längere Texte einsetzt, wird sich daran wohl leider auch nichts ändern. Beispiele hätten ja eine Geheimsprache bei Harry Potter sein können, oder die Traumsequenzen bei Endes Momo, was ja auch angedacht gewesen war. Oder längere Texte in einer Rotunda bei Illuminati, wo ja eine Gotisch für das Siegel verwendet wurde. Leider nicht umgesetzt.

Grüße

Thomas

  • 4 Wochen später...
Geschrieben

Im Buch Der Sonnenwirt von Hermann Kurz, Jürgen Schweier Verlag 1980, 3. Auflage Mai 2002 ist auf dem Vorsatz auf zwei Seiten der „Württ. Fahndungsbrief von 1758 gegen Friedrich Schwan“ in einer Fraktur (Ähnlichkeiten zur Walbaum, aber nicht ganz) nachgedruckt. Der Titel des Buches ist auch in Fraktur. Nichts zeitgenössisches, aber immerhin. Die Originalausgabe von Hermann Kurz ist vom November 1854, vordatiert auf 1855.

Die Geschichte dieser Person hat übrigens Friedrich Schiller zu „Die Räuber“ (1781) und der Erzählung „Verbrecher aus verlorener Ehre“ inspiriert.

Geschrieben

Zwei Beispiele für die Verwendung von Fraktur kann ich beisteuern.

Eines habe ich gerade beim Durchblättern von »Lesetypographie« gefunden. Dort ist auf Seite 63 eine Doppelseite aus »Jacques Derida, meine chancen, 2000« abgebildet. Dieses Heft ist überwiegend in einer Schwabacher gesetzt.

Das zweite Beispiel ist der Science-Fiction-Roman »Der Untergang der Stadt Passau« von Carl Amery, 1976. Dort sind ca. 10 Prozent des Textes in Fraktur. Die Textstellen stellen Auszüge aus einer fiktiven handschriftlichen Chronik dar.

Geschrieben

Nur falls man das Heft (49 S.) „Meine Chancen“ sucht: Jaques Derrida schreibt man mit zwei r :)

Vielen Dank für die Beispiele!

Geschrieben
Eines habe ich gerade beim Durchblättern von »Lesetypographie« gefunden. Dort ist auf Seite 63 eine Doppelseite aus »Jacques Derida, meine chancen, 2000« abgebildet.

Ich hatte ursprünglich geschrieben: «Kann mir jemand Hinweise geben, wo Fraktur z. B. in neuen Buchpublikationen gezielt eingesetzt wurde (und nicht wieder das Bsp. von Brinkmann/Boses Derrida-Ausgabe…).» :)

Danke für die anderen Beispiele («Sonnenwirt»!)

  • 1 Monat später...
Geschrieben
Scans aus sleazenation (britisches lifestyle mag, Ausgabe Feb. 2000)

Danke für die Scans – ich glaube, dass ist ein guter Ansatz: die Fraktur einfach wieder einmal einsetzen …

Geschrieben
Scans aus sleazenation (britisches lifestyle mag, Ausgabe Feb. 2000)

Danke für die Scans – ich glaube, dass ist ein guter Ansatz: die Fraktur einfach wieder einmal einsetzen …

Als guten Ansatz zum Einsatz einer Fraktur empfinde ich die erst 1951 von Ilse Schüle entworfene Rhapsodie. Die Lesbarkeit ist höher als bei alten Gebrochenen Schriften.

1012_rhap_1.jpg

Geschrieben

@Bleisetzer

schönes Beispiel, danke

Die Fakir von underware

was sagt Ihr zu diesem Ansatz eine gebrochene Schrift "populär" zu entwickeln? Mir gefällt der erste Eindruck (besonders beindruckt mich, daß underware offensichtlich ihren style auf eine Blackletter-Schrift übertragen kann) - ok, mal schauen wie diese "fertig" aussieht.

Geschrieben
@Bleisetzer

schönes Beispiel, danke

Die Fakir von underware

was sagt Ihr zu diesem Ansatz eine gebrochene Schrift "populär" zu entwickeln? Mir gefällt der erste Eindruck (besonders beindruckt mich, daß underware offensichtlich ihren style auf eine Blackletter-Schrift übertragen kann) - ok, mal schauen wie diese "fertig" aussieht.

Die ist aber sehr.. wuchtig..

Erinnert mich ein wenig an die Wiking von Trennert & Sohn.

Gegen wuchtig allein habe ich gar nichts. Eine meiner Lieblings-Schriften dazu ist die Block von 1908. Aber das ist eine Serifenlose. Und man kann sie tatsächlich sogar mit Schwüngen mischen. Aber mit was mischt man eine solche Schrift wie die Fakir. Meine Frau würde jetzt, glaube ich, sagen "Die hat schlechtes Chi".

1012_dscn0003_2.jpg

Georg

Geschrieben

@Bleisetzer

Fakir - dieses "knuffelige, ballonartig-kantige" finde ich klasse.

Meine derzeitige Lieblingswuchtigschrift ist die "Koloss", vorallem im Contourschnitt. Müßte eine deutsche Reklameschrift aus den 1920er Jahren sein, soweit ich mich erinnere. Ansehen

Grüße

Geschrieben
@Bleisetzer

Fakir - dieses "knuffelige, ballonartig-kantige" finde ich klasse.

Meine derzeitige Lieblingswuchtigschrift ist die "Koloss", vorallem im Contourschnitt. Müßte eine deutsche Reklameschrift aus den 1920er Jahren sein, soweit ich mich erinnere. Ansehen

Grüße

Ja, das ist eine Schrift von Jakob Erbar von 1924, Schriftgießerei Ludwig & Mayer. Also ich liebe die Erbar-Grotesk. Aber diese Koloss. Jesses. Sie ist wie ein dicker Knödel und liegt schwer im Magen. Ich finde sie völlig ohne jede Eleganz.

Wie gesagt, nichts gegen solche Wuchtbrummen.

Die Lichte Fette Grotesk gefällt mir hervorragend. Die empfinde ich sogar tatsächlich als "preußisch" - nicht im korrekten historischen Sinn, aber als Adjektiv:

1012_ddd_1.jpg

Geschrieben

>Ja, das ist eine Schrift von Jakob Erbar von 1924, Schriftgießerei Ludwig & Mayer.

Super, diese Begleitinfos würde man (ich) sonst nie erfahren.

>Die Lichte Fette Grotesk gefällt mir hervorragend. Die empfinde ich sogar tatsächlich als "preußisch" - nicht im korrekten historischen Sinn, aber als Adjektiv

Hmmm, was hat die Lichte Fette Grotesk mit "preußisch" zu tun - verstehe nur Bahnhof. Kläre mich mal auf, was du unter diesem "mythischen Preußen" verstehst, hinsichtlich Schriften und deren Gestaltung. Ich denke das würde uns ein paar "politische" Diskussionen ersparen...

die Lichte Fette Grotesk ist in der Mitte ausgespart, interessant... gibt es diese auch schon im Andruck?

Grüße aus Südwestdeutschland :)

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