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Die Schriftmuster der Welt in einer Datenbank …

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Geschrieben
Ich erinnere mich, in Amerika zahlreiche ‹böse› Schriften gesehen zu haben – und zwar an eher unerwarteter Stelle: nämlich im (touristischen) Heimatwerk-Bereich. Dort werden entsprechende Schriften also eher mit Korbflechten, Holzschnitzen und Knusperknäuschen assoziiert …

… umgekehrt gibt es ja tatsächlich genügend Beispiele von NS-Propaganda, die ‹neusachliche› Bauhaus-Schriften neben ‹böser› Fraktur verwenden – ich verzichte jetzt auf die Wiedergabe.

Joh, joh..

Und der "Führer" liebte die Antiqua-Schrift und ließ die amtliche Verwendung von Fraktur-Schriften als "von jüdischem Charakter" verbieten.

Vielleicht legen wir als Schrift-Fachleute unterschiedlichster Coleur auch ganz einfach zu viel Deutung in dieses Thema? Ich weiß es nicht.

Georg

Geschrieben

Im großen Ganzen will ich auch nicht streiten. Ich finde nur, dass Namen bei Schriften (ebenfalls wie bei Kunstwerke) extreme wichtig sind. Aber weil das Schrifterschöpfen m.M.n. zum Bereich Kunst (zumindest zum Teil) gehört, heißt das denn, dass mann Schriften zum Kritik offen stehen lassen müssen.

Wenn mann Kunstwerke kritikt, kritikit mann sie aus der heutigen Sicht. Wenn eine Gemälde aus dem Renaissance z.B. Frauenfeindlich ist, kann mann nicht mehr einfach sagen, "aber sie haben doch damals eine andere Weltanschauung gehabt! Lass uns die Frauenfeindlichkeit hier nicht stören lassen".

Warum und weshalb eine Kunstwerk erschaffen geworden ist, ist zumindest genauso wichtig wie es aussieht.

Ich finde es nicht schön, Nationalismus schön zu reden, nur weil es in der Vergangenheit passiert hat, und jeder hat es zu den Zeitpunkt schön gefunden (was sowie so auch nicht stimmt…).

Geschrieben

Manche der gebrochenen Schriften aus den 1920er-1930er Jahren könnten auch aus dem Grund vereinfacht worden sein, um als (schnell wahrnehmbare) Werbeschriften funktionieren zu können.

Ein Problem bei den älteren gebr. Schriften ist ja auch der Versalien"satz" (+ Abkürzungen in Versalien). Ich denke, daß dieser mit z.B. der Tannenberg besser funktioniert, als mit den älteren "Initial"versalien...

Geschrieben
Im großen Ganzen will ich auch nicht streiten. Ich finde nur, dass Namen bei Schriften (ebenfalls wie bei Kunstwerke) extreme wichtig sind. Aber weil das Schrifterschöpfen m.M.n. zum Bereich Kunst (zumindest zum Teil) gehört, heißt das denn, dass mann Schriften zum Kritik offen stehen lassen müssen.

Wenn mann Kunstwerke kritikt, kritikit mann sie aus der heutigen Sicht. Wenn eine Gemälde aus dem Renaissance z.B. Frauenfeindlich ist, kann mann nicht mehr einfach sagen, "aber sie haben doch damals eine andere Weltanschauung gehabt! Lass uns die Frauenfeindlichkeit hier nicht stören lassen".

Warum und weshalb eine Kunstwerk erschaffen geworden ist, ist zumindest genauso wichtig wie es aussieht.

Ich finde es nicht schön, Nationalismus schön zu reden, nur weil es in der Vergangenheit passiert hat, und jeder hat es zu den Zeitpunkt schön gefunden (was sowie so auch nicht stimmt…).

Dan,

dann muß man langsam auch damit beginnen, London umzubauen. Man sollte das Kriegsmuseum mit den Statuen davor abreißen, denn das sind alles Symbole für den imperialistischen Stil Großbritanniens (The Empire). Man könnte dann auch gleich die Statue Admiral Nelsons abreißen auf dem Trafalgar Square. Denn die steht für den Sieg Großbritanniens im Kampf um die damalige Weltherrschaft gegen Spanien.

Man müßte tatsächlich einen Großteil der Geschichte negieren. Lies einmal "Geschichte von unten" von Bernt Engelmann. Alle Fürsten, Könige etc. ware chauvinistisch. Aber sollten wir deshalb die Geschichte ignorieren oder gar umschreiben? Das gilt für alle Länder. Heute feiern wir die Französische Revolution als Durchbruch der Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit aller Menschen. In der Revolution selbst floß das Blut Unschuldiger in Strömen.

Deine Sichtweise erinnert mich an die Sicht von Geschichte der Sieger. Wesentlich besser verständlich wird alles, wenn man die Geschichte aus sich selbst heraus begreift. Dazu hilft das Lesen von Original-Literatur.

Georg

P.S.: Ich möchte hier keine politischen Diskurse führen. Liegt es an mir, daß Ihr immer wieder davon anfangt? Könnte man solche Diskussionen - zu denen ich gern bereit bin - nicht auf direktem Wege mit mir führen? Jawohl, ich denke national. Aber ich bin weder Nationalsozialist, noch bin bzw. war ich in schlechter Gesellschaft. Aber hier angemeldet habe ich mich wegen der Typographie.

Geschrieben

Poms! Schöne PDF.

Diene gebrochene Schrift da ist eine "Old English" (hochstwahrscheinlich die "Old Englisch" Font, die tatsachlich "Old English" heißt).

Die Old English (stil als auch Font) basiert sich auf die "Caslon Black", eine derartige gebrochene Schrift von William Caslon, ca. 1760.

In den nächsten zwei Ausgaben der Linotype Matrix wird mehr über diese Old English Schriften zu lesen. Ich werde mehr dazu bekannt machen, wenn die Zeitschriften zum Kaufen bereitstehen.

Gebrochene Schriften sind keinesfalls nur eine deutsche Schriftausdruck – ich glaube, dass war auc noch nie hier behauptet. Einige Stilartern der gebrochenen Schriften, bzw. einige Schriftgarnituren, sind durchaus sehr "deutsch", weil sie hauptsächlich in Deutschland gemacht oder verwendet waren.

Dies ist ein schönes Beispiel von eine gebrochene Schrift, die nicht direkt deutsch ist (die Fette Fraktur, z.B., ist viel "Deutscher"). Wenn mann heute durch London spaziert, sieht mann die Old English überall (z.B. in der nahe von Trafalgar Square :P ). Die Schrift ist eben aber leider fast nur verwendet für die selbe blöde Anwendungen, die mann deutsche Frakturs hierzulande fast nur verwendet… Pubs, Museen, Heimat, Tradition, usw.

Geschrieben
Poms! Schöne PDF.

Diene gebrochene Schrift da ist eine "Old English" (hochstwahrscheinlich die "Old Englisch" Font, die tatsachlich "Old English" heißt).

Die Old English (stil als auch Font) basiert sich auf die "Caslon Black", eine derartige gebrochene Schrift von William Caslon, ca. 1760.

In den nächsten zwei Ausgaben der Linotype Matrix wird mehr über diese Old English Schriften zu lesen. Ich werde mehr dazu bekannt machen, wenn die Zeitschriften zum Kaufen bereitstehen.

Gebrochene Schriften sind keinesfalls nur eine deutsche Schriftausdruck – ich glaube, dass war auc noch nie hier behauptet. Einige Stilartern der gebrochenen Schriften, bzw. einige Schriftgarnituren, sind durchaus sehr "deutsch", weil sie hauptsächlich in Deutschland gemacht oder verwendet waren.

Dies ist ein schönes Beispiel von eine gebrochene Schrift, die nicht direkt deutsch ist (die Fette Fraktur, z.B., ist viel "Deutscher"). Wenn mann heute durch London spaziert, sieht mann die Old English überall (z.B. in der nahe von Trafalgar Square :P ). Die Schrift ist eben aber leider fast nur verwendet für die selbe blöde Anwendungen, die mann deutsche Frakturs hierzulande fast nur verwendet… Pubs, Museen, Heimat, Tradition, usw.

Ganz aus dem Zusammenhang, weil es mir gerade einfällt:

In der Zeitschrift Publisher Praxis ist nun wohl tatsächlich ein doppelseitiger Bericht mit Bildern u.a. des Preußischen Bleisatz-Magazins erschienen. Und der Buchdruckerei http://www.druckerey.de von Martin Z.Schröder, einem Kunden von mir, der seine Buchdruckerei im Stile der 20er Jahre betreibt.

Der dicke alte Mann auf den Bildern - das bin übrigens ich.

Jetzt fehlt mir nur noch ein Belegexemplar.

Das zu schicken hat der Verlag bisher vergessen.

Georg

Geschrieben
Ganz aus dem Zusammenhang, weil es mir gerade einfällt:

In der Zeitschrift Publisher Praxis ist nun wohl tatsächlich ein doppelseitiger Bericht mit Bildern u.a. des Preußischen Bleisatz-Magazins erschienen. Und der Buchdruckerei http://www.druckerey.de von Martin Z.Schröder, einem Kunden von mir, der seine Buchdruckerei im Stile der 20er Jahre betreibt.

Der dicke alte Mann auf den Bildern - das bin übrigens ich.

Yo, hab´s gesehen. Bin allerdings noch nicht zum Lesen gekommen. Und das mit dem "dicken alten Mann" werde ich sofort heute abend prüfen. :-)

Geschrieben
Doch in der typographischen Literatur (eben etwa bei Willberg) wird immer das ‹Nationalsozialistische› dieser Schriften durch ihre Formmerkmale begründet

Echt? Ich erinnere mich, wie Willberg etwa in Typolemik das genaue Gegenteil sagt. Eben das die Assoziationen die wir mit diesen Schriften haben nichts mit ihrer eigentlich Form zu tun haben. Sie waren schlichtweg »moderne« Schriften ihrer Zeit – nicht mehr.

Einige rasch zusammengestellte Beispiele für die Argumentation, die Form der gebrochenen Grotesken sei ‹nationalsozialistisch›:

– Willberg, «Schrift und Typographie im Dritten Reich», spricht im Zusammenhang mit den gebrochenen Grotesken von «formal reduzierte[r], vereinfachte[r], man möchte sagen brutalisierte[r] Form»; «ihr Geist ist der gleiche: das verkitschte Pathos der Nazi-Ästhetik»; in dem Aufsatz bei Kapr spricht Willberg vom «gewalttätigen Pathos» dieser Schriften. In «Typolemik» heißt es: «Dann haben die Nazis diese Schrift [die Fraktur] auf dreifache Weise umgebracht. Einmal durch die formale Verunstaltung, durch die brutale Vereinfachung der reichen gotischen Textur zur ‹schlichten Gotisch›, die von den Setzern treffend ‹Schaftstiefelgrotesk› genannt wurde…»

– Albert Kapr selbst (in «Fraktur»): «… zweit- und drittrangige Graphiker erkannten die Marktlücke und züchteten eine Form der Gotisch, bei der mit primitiver Einfaltslosigkeit die Figuren gleichgestaltet wurden. Es entstanden so abstoßende Schriften wie die Tannenberg, die Element, die National oder die Gotenburg. Die Konturen vieler Figuren scheinen mit dem Lineal gezogen. Ihre Formen widerspiegelten den Gleichschritt und die Disziplin, die die Herrschenden propagierten

– Bei Herbert Lechner («Geschichte der modernen Typographie») heißt es: «Die neuen ‹nationalsozialistischen› Schriftschnitte zeichneten sich vor allem durch klangvolle, nationale Namen aus – und durch erstaunliche Häßlichkeit. … Mit der Betonung der Senkrechten und den kantigen Verbindungen der Linien erinnert sie [die «Tannenberg»] sogar ein wenig an den wuchtigen Bau des Tannenberg-Denkmals [!!]. … Gerade in den fetteren Stärken wirken solche Schriften recht gewaltig, ja beinahe einschüchternd…».

Geschrieben
In «Typolemik» heißt es: «Dann haben die Nazis diese Schrift [die Fraktur] auf dreifache Weise umgebracht. Einmal durch die formale Verunstaltung, durch die brutale Vereinfachung der reichen gotischen Textur zur ‹schlichten Gotisch›, die von den Setzern treffend ‹Schaftstiefelgrotesk› genannt wurde…»

Gerade hier lohnt es sich weiterzulesen, da Willberg dies selbst im Folgenden noch differenziert.

Geschrieben
Gerade hier lohnt es sich weiterzulesen, da Willberg dies selbst im Folgenden noch differenziert.

Ich wollte das auch nicht aus dem Zusammenhang reißen, sondern zeigen, dass Willberg auch über die Form argumentiert – seine übrigen, plausiblen Argumente sind ja hinlänglich bekannt.

Gast Schweizerdegen (offline)
Geschrieben

Verehrte Kollegen,

an der Diskussion mich zu beteiligen, fehlt mir die Zeit, ich muß aber einen unerträglichen Fehler berichtigen und würde sogar darum bitten, daß die entsprechenden Stellen gelöscht werden, weil sich solche Fehler im Internet fortpflanzen.

Paul Renner wurde 1933 aus seinem Amt als Leiter der "Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker" in München von den Nazis entlassen. Er durfte nur noch ein Buch publizieren, 1939 erschien "Die Kunst der Typographie", ich habe es gelesen, es gibt kein nationalsozialistisches Gedankengut darin. Renners Schrift "Ballade" als Schaftstiefelschrift zu bezeichnen, ist Unsinn. Es ist hier schon dargelegt worden (von Ampersand), woran man sog. Schaftstiefelschriften erkennt, jedenfalls nicht allein daran, wann sie gemacht wurden. Renner ist arrestiert und entlassen worden, weil er sich vor 33 entschieden gegen den Faschismus gestellt hatte.

Es ist nicht hinnehmbar, diesem Mann zu unterstellen, sich an die Brust der Nazis geworfen zu haben. Ich frische meine Quellen demnächst auf und kann in zwei bis drei Wochen genauere Informationen geben. Wenn hier anderes behauptet wird, dann bitte mit Belegen.

Falsch ist auch, daß Lucian Bernhard vor den Nazis geflohen sei. Ich habe anläßlich einer Rezension in der Süddeutschen Zeitung

http://www.druckerey.de/pdf/FrakturschriftSZ2005.pdf

mir den "Völkischen Beobachter" beschafft, in welchem Hitler mit einer Rede über Schriften zitiert wird (und worin er das Gothische verdammt), und ich habe entdeckt, daß die Überschriften aus der damals sehr verbreiteten extrafetten Bernhard-Fraktur gesetzt sind, was ich als etwas bizarr empfand. Der Besitzer der Druckerei dieser Zeitung hatte nämlich Hitler im Fraktur-Verbot beraten. Das Fraktur-Verbot hatte nicht nur einfach pragmatische Ursachen wie die schriftsprachliche Verständigung in den besetzten Ländern, das hing schon auch mit dem Anspruch der Nazis, modern zu sein, zusammen. Steht alles etwas genauer in meinem Artikel, allerdings nicht im gedruckten und gekürzten Original der SZ, sondern in meiner Online-Bibliothek (siehe Link oben).

Bernhard selbst aber ist nicht vor den Nazis geflohen, er ist schon 1923 nach New York ausgewandert. Beschaffen mußte ich mir die Original-Zeitung, weil ziemlich blödsinnige "Hitler-Zitate" im Internet kursieren, die keine sind. Hitler verstand nicht viel von Schrift, Goebbels hat seine Reden für die Veröffentlichung oft noch verfeinert und teilweise umgeschrieben, weil sie so dumm waren. Hitler hatte allerdings einen modernen Zeitgeschmack. er war zwar gegen das Bauhaus, aber er mochte serifenlose Schrift. und das Bauhaus wiederum war gegen Paul Renners Futura, weil diese noch zu harmonisch für die Bauhäusler wirkte. Die Dinge sind zu kompliziert, um sie mit dürren Worten und schwarz-weiß in so einem Forum darzustellen. Nur wenn es dann richtig falsch wird und aus Nazi-Opfern Nazi-Freunde gemacht werden, dann führt das entschieden zu weit in die Irre.

Freundliche Grüße aus Berlin

Martin Z. Schröder

Geschrieben

Ich lege Wert darauf, klarzustellen, daß ich Paul Renner nie als Nazi bezichtigt habe.

Ich habe mit meinem Beitrag eine These zur Diskussion gestellt, die besagt, daß die Schriftgießereien und auch die Schriftkünstler in der Zeit von 1933 bis 1945 Nutznießer und Mitläufer des damaligen Systems waren. Genau, wie es die meisten Deutschen in der damaligen Zeit waren. Wofür ich menschlich durchaus Verständnis habe und niemanden verurteile. Regelrecht profane Beispiele opportunistischen Verhaltens von Schriftgießereien finde ich regelmäßig in Setzerei-Auflösungen, die in die damalige Zeit zurückreichen. Seien es nun Reihen-Einfassungen für Anzeigen mit Hakenkreuzen oder ebensolche Matrizen von Ludlow-Zeilengußmaschinen.

Was mich befremdet, ist eine Aufforderung zum Löschen von Teilen von Beiträgen. In einem öffentlichen Diskussionsforum sollte sich ein jeder Leser aufgerufen fühlen, seinen Standpunkt dem Geschriebenen entgegenzusetzen, sofern er Widerspruch meint, anmelden zu müssen. Dazu sollten dann Sach-Argumente dienen. Das ist meine Meinung.

Georg Kraus

Geschrieben
Ach je, lieber Herr Kraus, was tun wir hier? Warum werden Sie so böse? Ich habe nicht behauptet, daß Sie behauptet hätten, daß Renner Nazi gewesen sei. Ich habe geschrieben, daß Sie ihm unterstellen, er habe sich den Nazis an die Brust geworfen. Wörtlich schrieben Sie:

"Und selbst Paul Renner (ich hätte weinen können, als ich das erfuhr) fühlte sich bemüßigt, eine dieser schrecklichen Stiefelknecht-Frakturen zu entwerfen (Ballade). Sie alle waren bewußt und gern Nutznießer und Mitläufer des damaligen Systems."

Ich meine, Sie irren darin genauso wie in der Behauptung, Bernhard, der schon 1923 auswanderte, sei vor den Nazis geflohen. Letzteres ist einfach nur unkorrekt und nicht weiter tragisch. Was Paul Renner angeht, scheinen Sie indes mehr zu wissen als ich, wenn Sie sagen, er war Mitläufer und Nutznießer der Nazis. Nun muß ich noch mal fragen: Worin äußerte sich das? Worauf stützen Sie Ihre Aussage, Renner sei ein Nutznießer des Systems? Allein auf die Schrift "Ballade"? Dann ist es ein einfacher Irrtum, denn diese ist nun wirklich keine der brachialen Lettertypen, mit der die Nazis Propaganda machten. So einen Irrtum macht man erst dann tragisch, wenn man ihn nicht einfach einräumt. Irren ist ja bekanntlich menschlich. Und ich sehe freilich auch die Möglichkeit, daß ich mich irre, nur wo, das sehe ich noch nicht. Böse werden sollten wir darüber aber nicht.

Herr Schröder,

ja, ich habe mich im Falle des Lucian Bernhard geirrt. Relativiert der Umstand, daß er schon lange vor der Machtergreifung der Nazis das Land verließ, die Gewißheit, daß er eben diese als Jude nicht lange überlebt hätte? Nein, sicher nicht. Also gilt es nur eine Jahreszahl zu korrigieren?

Meine These war, daß alle Schriftgießereien und Schrift-Entwerfer, die die sog. "Neu-Gotischen" Schriften in den Jahren 1933-1937 (bitte diese Jahreszahl nun nicht wieder korrigieren), eine opportunistische Haltung zum Regime hatten. Also Nutznießer und Mitläufer waren. Die ausführliche Begründung für meine These habe ich bereits erbracht. Vielleicht hat es Ihre Zeit nicht erlaubt, diese zu lesen. In der Auflistung der typischen Schriften habe ich Paul Renners Schrift nicht einmal als Link aufgeführt, sondern eher am Rande erwähnt.

Darüber hinaus ist ein solches von mir unterstelltes Verhalten nicht zwangsläufig zu verurteilen. Auch dazu habe ich etwas geschrieben. Aber aus dem Zusammenhang gerissen, macht es sich schon krasser. Das hat diese Methode so an sich.

Ich empfand bzw. empfinde es nicht als korrekt, aus einem Austausch, der über mehrere Seiten und Tage geht, einzelne Passagen aus dem Zusammenhang zu reißen und sinnentstellend so darzustellen, daß eine völlig andere Aussage daraus wird.

Und eine Löschung zu verlangen, halte ich ebenfalls nicht für korrekt.

Letztendlich:

Mir gefiel der Stil Ihrer Kritik nicht. Ich empfand daran nichts konstruktives. Das habe ich zum Ausdruck gebracht und das ist meine Meinung. Auch möchte ich meine zur Diskussion gestellte These weder löschen, noch verändern. Für die falsche Information bezüglich Bernhard bitte ich um Entschuldigung.

Georg Kraus

Geschrieben

Druch einen Glücksgriff habe ich mal einen Jahrgang der "Typographischen Mitteilungen - Zeitung des Bildungsverbandes der deutschen Drucker" bekommen. Er beginnt bei Heft 7 Juli 1932 und endet mit Heft 6 vom Juni 1933 indem die "Übernahme" bzw. Gleichschaltung der Redaktion bekannt gegeben wurde.

Interessant für diese Diskussion sind die Antwortenschreiben von Persönlichkeiten und Schriftgießerein, auf einige Fragestellungen die kurz zuvor gestellt wurden.

Heft 1, Januar 1933:

Fragen:

1. Sind Sie der Auffassung, daß die sachliche typographische Gestaltung zum Stillstand gekommen ist? Wenn ja, auf welche Ursachen führen Sie diesen Stillstand zurück?

2. Wie sehen sie die Weiterentwicklung der Typographie in bezug auf Form und Schrift?

3. Halten Sie die Grotesk als Schrift des modernen typographischen Ausdrucks für überwunden?

4. Glauben Sie an eine stärkere Anwendung der Fraktur in der kommenden Zeit?

In dieser und den nachfolgenden Ausgaben kann man diverse Anwortschreiben lesen. z.B. von

Oberstudiendirektor Paul Renner, München

Professor Moholy-Nagy, Berlin

Professor Rudolf Koch, Offenbach

Gewerbeoberlehrer Jakob Erbar, Köln

Mergenthaler Setzmaschinenfabrik, Berlin

Schriftgießerei Ludwig & Mayer, Frankfurt

Heft 2, Februar 1933

Monotype Gmbh, Berlin

Schriftgießerei Schelter & Giesecke, Leipzig

Schriftgießerer Genzsch & Heyse, Hamburg

Intertype Setzmaschinen Gmbh, Berlin

Schriftguß AG, Dresden

Typograph Setzmaschinen Gmbh, Berlin

Heft 3, März 1933

Graphiker Jan Tschichold, München

Schriftgießerei D. Stempel, Frankfurt

Graphiker Heinrich Jost, künstlerischer Leiter, Bauerische Schriftgießerei, Frankfurt

Professor Walter Tiemann, Leipzig

Professor Georg Trump, München

Bauhauslehrer Josef Albers, Berlin

und viele weitere...

Die Antworten sind sehr aufschlußreich, da es wohl die letzen freien, mitunter politischen, Äußerungen der betreffenden Personen waren.

Am 23. März 1933 wurde das Ermächtigungsgesetz beschlossen mit dem sich die Weimarer Republik sich verabschiedete.

Renner antwortet auf die Frage 4.

"Die entscheidende Schritt ist damals getan worden, als die noridsch-germansiche Welt die geistige Erbschaft der Mittelmeerkultur angetreten hat. Das liegt schon mehr als tausend Jahre zurück. Man muß den Schritt entweder gar nicht oder ganz machen. Daß wir immer noch zwei Schriften schreiben oder lesen, ist nicht nur ein Ausdruck unseres unsicheren und zwiespältigen Wesens, sondern es erschwert es geradezu jedem jungen Deutschen, aus dieser Unsicherheit und Zwiespältigkeit herauszukommen. Hat doch erst jüngst eine Handelskammer festgestellt, daß im Gegensatz zu anderen Ländern die jungen kaufmännischen Angestellten bei uns so selten eine gut lesbare und ausgeschriebene Handschrift haben, und die Ursache dafür ganz richtig in dem Fehlen einer Einheitschrift gesehen. Aber von diesen Fragen spricht man heute besser so wenig wie möglich, damit sie nicht zum Spielball politischer Leidenschaften werden. Hoffen wir, daß sich die sachlichen Gründe, denen man nur Phrasen und falsche Behauptungen über den Ursprung der gotischen Schriften entgegenzusetzen vermag, langsam von selbst durchsetzen."

Geschrieben

1) Weil wir gerade beim Thema sind, hat jemand ein Schriftmuster der Deutschen Normalschrift, die ab 1941 als Schulausgangsschrift eingeführt wurde? Bisher habe ich nur ein einziges Muster in miserabler Auflösung im weltweiten Netz gefunden, bzw. wurde mir mitgeteilt. Des weiteren suche ich ein Muster der Lateinischen Sütterlin.

2) Im Manuskript der Süddeutschen Zeitung wird behauptet, dass ab 1600 die gebrochenen Schriften bspw. nicht mehr in England benutzt wurden. Zitat: „Um 1600 war in Frankreich, Italien, Spanien und auch in England der Wandel zur Antiqua vollzogen“. Dies ist doch wie in den anderen nord- und mitteleuropäischen Ländern doch wohl erst viel später geschehen (z.B. in Frankreich wohl hauptsächlich nach der Französischen Revolution!). Gibt es genauere Daten, ab wann die Umstellung in den einzelnen Ländern erfolgte?

Grüße

Thomas

PS: Bin gerade aus Argentinien zurückgekommen, wo sich die gebrochenen Schriften auch in einem ähnlichen Zusammenhang in der Anwendung wie hier finden (Natürlich nicht so häufig). In einem spanisch geprägten Land für mich überraschend, aber sie hatten ja auch viel europäische Einwanderung. Zum einem Verwendung in einem traditionellen Sinn und zum anderen Ausdruck der hippen Lifestyle-Szene. Gerade hier hat sich meines Ermessens sehr viel in der Rehabilitation der Gebrochenen Schriften (oder unvoreingenommene Verwendung, abseits der Hollywood-Klischees) getan. Ich muss aber Ampersand zustimmen, dass Willberg auch diesen Eindruck auf den ersten Blick vermittelt, bzw. immer wieder betont, auch wenn er natürlich in den speziellen Aufsätzen dazu differenziert.

Geschrieben
Im Manuskript der Süddeutschen Zeitung[/b] wird behauptet, dass ab 1600 die gebrochenen Schriften bspw. nicht mehr in England benutzt wurden. … Dies ist doch wie in den anderen nord- und mitteleuropäischen Ländern doch wohl erst viel später geschehen (z.B. in Frankreich wohl hauptsächlich nach der Französischen Revolution!). Gibt es genauere Daten, ab wann die Umstellung in den einzelnen Ländern erfolgte?

Um in derselben Pauschalität wie die Quelle zu antworten: Die Behauptung ist schlicht falsch. Natürlich waren die deutschen – protestantischen – Gebiete ganz bestimmt an der Spitze der Verwender von gebrochenen Schriften: Schwabacher, Fraktur vor allem. Verschiedene klassische gebrochene Schriften des englischen Sprachraums – etwa die «Black English Letter» – hatten aber auch nach 1600 große Verbreitung, und zwar durchaus auch als Leseschrift. In allen genannten Ländern blieb die gekonnte Mischung aus Fraktur und Antiqua noch im ganzen 17. Jahrhundert beibehalten (vgl. etwa die Bibelausgaben).

Auch in Frankreich kommt die gebrochene Schrift bis ins 18. Jahrhundert durchaus zur Anwendung. Tatsache ist jedoch, dass in England und Frankreich die gebrochenen Schriften im Laufe des 18. Jahrhunderts je länger, je mehr nur noch zu Dekorations- und Auszeichnungszwecken zum Einsatz kamen, während sie im deutschsprachigen Raum bekanntlich die normale Standardschrift blieb. Es gibt also durchaus einen deutschen ‹Sonderweg›; ich würde aber die – ohnehin hypothetische – Übergangszeit für die Romania und die englischsprachigen Länder weit später, nämlich in der frühen Aufklärung, ansetzen.

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