Niklaus Geschrieben Juni 9, 2006 Geschrieben Juni 9, 2006 Georg, ich bin grundsätzlich auch gegen eine Aufsplitterung der Diskussion, denn gerade durch das unerwartet-unkontrollierte Mäandern entstehen ja die interessanten neuen Wendungen. Ich finde nur, dass wenn wir von der Tannenbergschlacht zur modernen Frakturanwendung und zurück hüpfen, unnötige Wiederholungen und Umwege nehmen. Es gibt kein «eigentliches Thema», das ist mir schon klar. Meine Meinung zu Deinem «Grundproblem» (Bleisetzer) in ein paar Sätzen? Ich finde es irgendwie rührend: Heute beginnt die WM, die ganze Welt gönnt Deutschland ihr neu gefundenes Nationalgefühl von Herzen. Die ganze Feuilletonwelt diskutiert über Matusseks «Wir Deutschen». Deutschland wird von rundherum zugebilligt, unverkrampfter zu ihrem Land zu stehen. Die ganze Welt sieht in den nächsten Wochen Meere von Deutschlandfahnen und fröhlichen Deutschen. – Und irgendwo sitzt ein einsamer Bleisetzer, der grimmig durch die Zähne zischt: «Und warum darf ich meine Preußenflagge nicht auf den Balkon hängen? Wegen der amerikanischen Propaganda, jawoll.»
Bleisetzer Geschrieben Juni 9, 2006 Themen-Ersteller Geschrieben Juni 9, 2006 *grins* Unterstellung. Noch einmal: Ich habe keinerlei missionarische Ambitionen in Bezug auf Preußen und auch nicht die Illision, daß es jemals wieder ein Deutschland im preußischen Sinne geben wird. Behauptung: Ich weiß, warum Ihr Euch beim Denken im Kreis bewegt. Es ist ein gedankliches Problem, das Ihr habt, nicht eines mit Eurer politischen Anschauung. Ihr verwechselt ganz einfach was. Wegen Eurer Konditionierung. Georg P.S.: Nach Diktat in Frühstückspause - Mahlzeit.
Formgebung Geschrieben Juni 9, 2006 Geschrieben Juni 9, 2006 Niklaus, das war ein Missverständnis. Immer geht das schief mit der Ironie ... Natürlich bezieht sich der Name der Schrift auf den Sieg im ersten Weltkrieg. Meine historische Zusammenfassung war ein ironischer Reflex auf Georgs Beitrag: Einen Rückschluß nun auf eine spätere Interpretation zu reduzieren und diese so praktisch losgelöst aus dem historischen Zusammenhang zu werten, halte ich eher für Sophisterei. Und es klärt sich ja auch schon wieder etwas. Wenn die Tannenberg 1929 entstanden ist, kann sich die Benamung der Schrift nicht auf die Hindenburg-Beisetzung beziehen, da lebte der Mann ja noch. Das Denkmal gab es schon, und es gab auch schon die Einbettung der Schlacht (die wurde gewonnen, der Krieg bekanntlich nicht) in die Dolchstoß-Legende (im Felde unbesiegt). Also: niemand bezweifelt, dass die Deutschen die Russen bei Allenstein/Grunwald/Possenheim/Hohenstein/Frankenau/Tannenberg im Jahre 1914 besiegt haben. Niemand bezweifelt, dass der Sieg der Deutschen über die Russen bei Allenstein/Grunwald/Possenheim/Hohenstein/Frankenau/Tannenberg im Jahre 1914 eher überraschend war. Und damit hat sichs. Eine weitere Diskussion militärischer Details verbietet sich hier. Wir sind in einem Typografie-Forum. Als die Schrift geschaffen wurde, war der erste Weltkrieg 11 Jahre vorbei. Was kann man über diese Zeit sagen? Uns interessiert, warum der Name eines Ortes, in dessen Nähe ein bis zwei Schlachten stattgefunden haben, für eine Schrift Verwendung findet. Henning
Bleisetzer Geschrieben Juni 9, 2006 Themen-Ersteller Geschrieben Juni 9, 2006 Ja, das mit der Ironie ist so eine Sache, das schrieb schon Tucholsky. Euer Problem ist: These: Ihr werft alles in einen Topf: Nationalsozialismus, nationales Denken, Patriotismus, Nationalismus, Diktatur, Chauvinismus, Imperialismus. Alles das rührt ihr zusammen und nennt es Nazi-Kram. Und dann greift der Abscheu-Reflex. Wem auch immer es gelingt, ein Thema in den Topf Nazi-Kram mit einzuschmuggeln, hat gewonnen: Euer Reflex funktioniert. Bestes Beispiel: Tannenberg, erste Entwürfe 1929. Erstguß 1934. Reflex: Machtergreifung der Nazis 1933, ergo: Nazi-Schrift. Steht nicht drauf? Macht nichts. Wird "heutzutage von allen so assoiziiert, vor allem im Ausland". Nazi-Schrift, basta. Hier noch eine Schrift, die Ihr für die Visitenkarten Eurer Deutschen Förster bitte nicht verwenden dürft: http://www.linotype.com/12113/waterloobold-font.html Was sich in Euren Nachkriegsköpfen abspielt, sobald es um Geschehnisse vor 1945 dreht, ist konditioniert. Was "rechts" von der CDU ist, ist Nazi-Kram. Nationalbewußtsein? Nazi-Kram. Du-bist-Deutschland? Eine Lachnummer. Weiß doch jeder: "Geiz ist geil" und "Ich bin doch nicht blöd". Und deshalb könnt Ihr als Teile einer Ich-Gesellschaft nicht verstehen, was Menschen einer Wir-Gesellschaft empfunden haben. Natürlich war "Tannenberg" ein, heute würde man sagen: vom Marketing ausgewählter Name. Und er sprach genau das Gefühl der Nutzer an und die Schrift war sehr erfolgreich. Nicht, weil die Förster, die sich beim Drucker die Tannenberg wünschten, Nazis waren. Und auch nicht die Drucker selbst, die die Tannenberg empfahlen. Sondern weil diese Schrift, verstärkt durch ihren Namen, das Werte- und positive Nationalgefühl aller dieser Menschen ansprach. Das ist Euch heute fremd. Und das ist logisch sehr einfach nachvollziehbar. Wenn Ihr aber eine Schrift aus dieser Epoche verstehen wollt, dann könnt Ihr nicht von Eurem heutigen Bewußtsein ausgehen, sondern müßt die Schrift aus der damaligen Zeit heraus bewerten. Aber es ist ja schon einmal ein großer Gewinn, daß sie 1929 geschaffen wurde und somit der Nazi-Geruch vom Tisch sein sollte, oder? Georg P.S.: "Zu Gast bei Freunden" spricht das Wir-Gefühl der Deutschen an. Damit dürftet eher Ihr Ich-Deutschen ein Problem haben als jemand wie meine Person. <ironie> Ich verstehe mich mit meinen national empfindenden Freunden aus den VSvA, England und Frankreich hervorragend. Auch in Bezug auf dieses Thema. Und mein Cousin aus Küstrin, heute Koszalin/Polen, denkt ebenso wie ich - nur halt als polnischer Nationalist. Aber der darf das - ich nicht (ginge es nach Euren Regeln) <ironie>
Poms Geschrieben Juni 9, 2006 Geschrieben Juni 9, 2006 >Natürlich war "Tannenberg" ein, heute würde man sagen: vom Marketing ausgewählter Name. Und er sprach genau das Gefühl der Nutzer an und die Schrift war sehr erfolgreich. Nicht, weil die Förster, die sich beim Drucker die Tannenberg wünschten, Nazis waren. Und auch nicht die Drucker selbst, die die Tannenberg empfahlen. Sondern weil diese Schrift, verstärkt durch ihren Namen, das Werte- und positive Nationalgefühl aller dieser Menschen ansprach. Da sind wir einer Meinung. Durch das, unbesehen in den gleichen Topf werfen, von Patriotismus und Nationalsozialismus kommen wir auch bei der Einordnung der Tannenberg nicht wirklich weiter. Wenn ich im "internationalen Auffangbecken für Schriftinteressierte" typophile.com, sogar von israelischen Designstudenten lese, die "alle Varianten" der gebrochenen Schriften interessant finden (auch die "Schaftstiefelgrotesk-Schriften"), dann hat wohl eher "Deutschland" ein Problem damit...
RobertMichael Geschrieben Juni 9, 2006 Geschrieben Juni 9, 2006 nur um mal kurz was einzuwerfen und die diskussion anzuregen: mir gefällt die tannenberg (potsdam etc.) aus werbetechnischer sicht und mir gefällt auch die idee diese einem förster anzubieten. geschichte hin oder her.
Bleisetzer Geschrieben Juni 9, 2006 Themen-Ersteller Geschrieben Juni 9, 2006 @ Poms Au Mann.. Du verstehst mich. Unglaublich. Einer, der mich versteht. Äh.. sollen wir.. ? Nein, ich schreib's jetzt nicht. http://www.bleisetzer.de/img/ichbineinpreusse.mp3 Georg
Poms Geschrieben Juni 9, 2006 Geschrieben Juni 9, 2006 @Georg Ich klopfe im Takt von Jaki Liebezeit auf meinen Schreibtisch, natürlich nicht so mitreissend...
Bleisetzer Geschrieben Juni 9, 2006 Themen-Ersteller Geschrieben Juni 9, 2006 Welche Provokation, Mann. Wohl Förster, was? Aber zackig, mit Verlaub. Mein Tipp: 3:0 für Deutschland. Oder, lieber politisch korrekt: Oh, was für eine hübsche Farbe. Möge der beste gewinnen! Wir sind doch alle Bewohner Terras. gez. Perry Rhodan
RobertMichael Geschrieben Juni 9, 2006 Geschrieben Juni 9, 2006 hahaha. provokation, nein, ich doch nicht. eine provokation wäre es, hätte ich aus dem seramisgrün ein braunen bolzplatz gemacht und die typo in rot/weiss darauf gesetzt.
Tholan Geschrieben Juni 9, 2006 Geschrieben Juni 9, 2006 @ Robertmichael Apropo Förster, Du kennst doch bestimmt Hasseröder?
RobertMichael Geschrieben Juni 9, 2006 Geschrieben Juni 9, 2006 ne, ich kenn nur radeberger ;) ... aber es ist ein gutes beispiel, vorallem wegen »Haſſ«. keinen stört es – alle trinken es. währe interessant zu wissen, wie das etikett früher aussah.
Bleisetzer Geschrieben Juni 9, 2006 Themen-Ersteller Geschrieben Juni 9, 2006 Einige Anzeigen- und Wortmarken-Muster aus einer Schriftmusterprobe der Schrift National von der Schriftgießerei Schriftguß A.-G., Dresden aus dem Jahr 1934. - Schriftguß hat nur den Mitvertrieb gemacht. Ursprünglich stammt die National von Ludwig & Mayer, Frankfurt am Main Erstguß 1934, Walter Höhnisch. Beim Stöbern im Internet fand ich zufällig einen interessanten Verweis zum Produkt Asbach: http://www.digital.udk-berlin.de/de/pro ... sbach.html Hier heißt es u.a.: "Über die lange Geschichte hinweg bestand das Logo stets aus einer Frakturschrift, umschmückt von markanter Kalligraphie." Wir haben hier also Anwendungen aus den Bereichen: Spirituosen, Automobil, Automobil-Zubehör, Bürotechnik, Haustechnik, Rundfunk-Technik, Porzellan-Manufaktur, Blumenhaus, Energiewirtschaft, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Schrift wurde halt überall dort eingesetzt, "Wo es besonders auf den Ausdruck neuen deutschen Geistes ankam". Ganz offensichtlich kam es darauf überall an. Ich schlußfolgere: Die Neu-Gotischen Schriften waren Ausdruck des Zeitgeistes. Genau der hat ja auch - das sollten wir nie vergessen - den Nationalsozialismus in Wahlen an die Macht gebracht, und zwar in freien, geheimen, persönlichen und gleichen Wahlen. Man nennt das dann demokratisch. Und wer von uns mag denn wirklich klar und deutlich sagen: "Ich hätte damals Widerstand geleistet."? Also sollten wir uns dafür hüten, mit dem Finger auf damalige Personen zu zeigen. Wir sollten aber auch nicht glauben, daß es sonderlichen Widerstand gegeben hätte, auch nicht unter den damaligen Kollegen aus dem Graphischen Gewerbe. Georg
RobertMichael Geschrieben Juni 12, 2006 Geschrieben Juni 12, 2006 hier noch ein beispiel, sehen wir jeden tag und überall ...
Bleisetzer Geschrieben Juni 12, 2006 Themen-Ersteller Geschrieben Juni 12, 2006 Letztendlich haben wir Deutschen keine unbefangene Einstellung zu diesen Schriften. Ich las heute im SPIEGEL eine nur scheinbar nicht zum Thema gehörende kleine Geschichte, die aber exakt dasselbe trifft: Das WM-Team aus Togo gastiert in einem kleinen Ort in Schwaben(?). Vor einem Testspiel gegen die dortige Kreismannschaft wurde die Nationalhymne von Togo gespielt. Und irgendwer übersetzte den Text für die Honoratioren der Stadt: "Siegen und Sterben in Würde" fängt die Hymne wohl an. Alle Deutschen waren unangenehm berührt. Stellt Euch vor, die Deutsche Nationalhymne hätte einen solchen Text. Der übrigens nicht ungewöhnlich ist. In der ZEIT von letzter Woche standen auch Übersetzungen der Nationalhymnen aus Brasilien, Polen, Schweden und noch einiger Länder. Die Texte sind alle recht nationalistisch. Das ist ja auch nicht ungewöhnlich für eine Nationalhymne. Nur wir Deutsche sind von solchen Texten unangenehm berührt. Hier greift unsere nach 1945 anerzogene Konditionierung. Und genau das merkt man auch an den Typographen, die die Neu-Gotischen Schriften so vehement ablehnen. Es geht ihnen nicht um die Schrift, sondern um das, was ihrer Meinung nach damit assoziiert wird. Und die Konditionierung beginnt genau dort, wo sie nicht einsehen können, daß nur sie allein als deutsche Typographen diesen Ablehnungsreflex haben. Da spielt sicher tiefenpsychologisch einiges herein wie Schuldgefühl, Scham und daraus folgernd totale Ablehnung jeglichen Wir-Denkens als Deutsche. Ein solcher Reflex ist logisch nachvollziehbar, dennoch traurig. Georg
RobertMichael Geschrieben Juni 12, 2006 Geschrieben Juni 12, 2006 Ein solcher Reflex ist logisch nachvollziehbar, dennoch traurig. schön gesagt. ende.
Thierry Blancpain Geschrieben Juni 12, 2006 Geschrieben Juni 12, 2006 ich wills nur nochmals wiederholen: gebrochene schriften - in ihrer gesamtheit - haben für mich, der weiss dass sie nichts mit nazis zu tun haben - einfach ein historisches aussehen, für jegliche moderne gestaltung unpassend. genauer gesagt: für eine kleine gruppe von kunden passend (gasthäuser, biergärten, alpenhütten, etc.) - für alle anderen zwecke einfach veraltet. auch in der schweiz herrscht übrigens der "nazi-effekt" vor, das ist also nicht nur auf deutschland beschränkt (auch wenn man die schweiz sicherlich zu einem gemeinsamen deutschsprachigen kulturraum zählen kann).
Ralf Herrmann Geschrieben Juni 13, 2006 Geschrieben Juni 13, 2006 gebrochene schriften - in ihrer gesamtheit - haben für mich, der weiss dass sie nichts mit nazis zu tun haben - einfach ein historisches aussehen, für jegliche moderne gestaltung unpassend.genauer gesagt: für eine kleine gruppe von kunden passend (gasthäuser, biergärten, alpenhütten, etc.) - für alle anderen zwecke einfach veraltet. Das denke ich nicht. Siehe zum Beispiel hier: http://www.flickr.com/groups/blackletter_today/ (Frisch eingerichtet und deshalb noch etwas leer im Moment …) Assoziationen sind in ständigem Wechsel begriffen. In Nordamerika werden die gebrochenen Schriften vermehrt für Musik und Werbung für junge Leute eingesetzt. Und der Trend schwappt natürlich wie immer auch zu uns. Für die heutigen und kommenden »Kids« können diese neuen Assoziation schnell die alten, negativen verdrängen. Wir werden natürlich nie wieder gebrochene Schriften für Lesetexte haben, aber »ein für alle mal veraltet« würde ich auf keinen Fall sagen. Ralf
Markus Wäger Geschrieben Juni 13, 2006 Geschrieben Juni 13, 2006 auch in der schweiz herrscht übrigens der "nazi-effekt" vor, das ist also nicht nur auf deutschland beschränkt ... Ich denke dieser ›Nazi-Effekt‹ lässt sich gerade durch einen unvoreingenommenen und in gewisser Weise respektlosen Umgang am Besten untergraben. Liebe Grüße. Markus.
Tholan Geschrieben Juni 13, 2006 Geschrieben Juni 13, 2006 Mussolini hat übrigens laut Willberg die „Römische Kapitalis“ zu „seiner Schrift“ gemacht. Die vorgeschlagene Trennung der Themen von Niklaus finde ich gut. Zu 1) Sogenannte „problematische“ Schriften, welche sind dies überhaupt genau? Willberg schreibt : Die schlichte Gotisch stehe für Gewalttätigkeit schlechthin. „die aufs Einfachste reduzierte Form, die der Setzervolksmund schon in den dreißiger Jahren „Schaftstiefelgrotesk“genannt hatte – präziser geht es nicht, diese Formen sollten sich zur Fraktur so verhalten, wie die Grotesk zur Antiqua, und das Ergebnis waren Zeilen von marschritthafter Härte. Dass es auch bei diesen Schriften bessere und schlechtere Formen gibt, daß sie auch seinerzeit von Schriftkünstlern und Schriftgießereien mit Sorgfalt oder mit Grobheit gestaltet und geschnitten wurden, und daß das keinerlei Rückschluß auf die politische Einstellung der Urheber erlaubt, sei am Rande angemerkt.“ und weiter „ ... Brutale Vergröberung der Form (durch den Vergleich zweier Schriften, die beide in den dreißiger Jahren entstanden, besser verständlich, als durch Beschreibung) ... “. (in Albert Kapr: Form und Geschichte der gebrochenen Schriften) Welche zwei Schriften meint er? An anderer Stelle wirft Willberg der Frakturgrotesk „die formal reduzierte, vereinfachte, man möchte sagen brutalisierte Form“ als „das verkitschte Pathos der Nazi-Ästhetik“ vor. (hier zitiert nach S. Wehde, Typographische Kultur, Tübingen 2000) Und Kapr schreibt: Allein durch die Form „ ... mit primitiver Einfallslosigkeit die Figuren gleichgestaltet ... die Konturen vieler Figuren schienen mit dem Lineal gezogen. Ihre Formen widerspiegelten den Gleichschritt und die Disziplin ... “ Werden die „problematischen“ Schriften nicht allein ihrer Form wegen, ihrer Entstehungszeit (dreißiger Jahre), und der Generation der Schriftentwerfer (zweit- oder drittrangige Schüler bekannter Schriftkünstler) begründet und nicht durch den Einsatz bestimmter gesellschaftlicher Gruppen? Ist in unserer Diskussion nicht ein bisschen mehr Differenzierung angesagt? Welches sind genau die „problematischen“ Schriften. Hier habe ich noch keine Antwort, weil ich außer obiger allgemeiner Zitate keine genaue Begründung gefunden habe und ich finde wir bewegen uns im Kreis. Für mich heißt das nun Literatur wälzen. Hier eine frühe schlichte Gotisch und keine „problematische“ Schrift! Wieynck-Werk, Erstguss 1930, Heinrich Wieynck (1874–1931): Wieynck war selbstständiger Gebrauchsgraphiker und schreibt: „das Bild einer deutschen Drucktype unseren heutigen konstruktiven Formvorstellungen entsprechend aufbauen und uns, wie bei den lateinischen, entsprechender Methoden bedienen.“ Wienyck benutzt hier die damals üblichen Begriffe Deutsch und Latein als Unterscheidung der Schriftstile Gotisch und Antiqua.
Niklaus Geschrieben Juni 13, 2006 Geschrieben Juni 13, 2006 Stellt Euch vor, die Deutsche Nationalhymne hätte einen solchen Text. Der übrigens nicht ungewöhnlich ist. In der ZEIT von letzter Woche standen auch Übersetzungen der Nationalhymnen aus Brasilien, Polen, Schweden und noch einiger Länder. Die Texte sind alle recht nationalistisch. Das ist ja auch nicht ungewöhnlich für eine Nationalhymne. Zur Unterstreichung Deiner These, Georg: Hier ein Ausschnitt aus der Hymne, die ich gestern kräftig mitgesungen habe: Stingiamoci a coorte, siam pronti alla morte. Siam pronti alla morte, l’Italia chiamò.
Niklaus Geschrieben Juni 13, 2006 Geschrieben Juni 13, 2006 Danke, Tholan – vielleicht sollte man einfach einmal versuchen, neue Threads anzufangen, während es hier ja je länger, je mehr darum geht, Schriftmuster auszutauschen? (hier zitiert nach S. Wehde, Typographische Kultur, Tübingen 2000) Die Passagen in Susanne Wehdes «Typographische Kultur» gehören für mich zum Informativsten, das es zum ‹Frakturstreit› gibt. Bei so viel Quatsch, das zum Thema geschrieben wurde, sollte der Text eigentlich zur Pflichtlektüre für alle hier Diskutierenden sein, es würde viel Leerlauf ersparen. In dem – leider etwas flüchtig-impressionistisch hingepinselten – Büchlein «Die Schwabacher» (2003) von Philipp Luidl wird übrigens insinuiert, dass der Gegensatz Antiqua–Fraktur die Vorlieben Hitlers (Antiqua) bzw. Heinrich Himmlers (Fraktur) spiegle.
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