Aleko Nedjalkow Geschrieben Mai 9, 2006 Geschrieben Mai 9, 2006 Was ist der Unterschied zwischen den Büchern "lesetypografie" und Detailtypografie"? Was verpasse ich, wenn ich nur letzteres hab?
Niklaus Geschrieben Mai 9, 2006 Geschrieben Mai 9, 2006 «Detailtypographie» lehrt sämtliche Feinheiten des Satzes: Satzzeichen, Fußnoten, Umbruch, Zwischenräume, Akzente, Sonderzeichen, Initialen usw. – es hat auch einen langen Abschnitt über den Satz von mathematischen Formeln. Jede Seite sagt Dir: «So, und jetzt versuch mal, einen Sonderfall zu finden, den wir nicht berücksichtig haben, na?» «Detailtypographie» ist am Computer geschrieben, für den Computer konzipiert, perfektionistisch gemacht. «Lesetypographie» hingegen atmet noch ganz den Geist des verstorbenen Autors HP Willberg. Es ist im Grunde die Summe seiner zuvor in verstreuten Aufsätzen immer wieder dargelegten loyalen Auffassung von Buchgestaltung und deren Regeln (oder eben nicht Regeln). Hier liegt der Fokus also nicht auf der Mikroebene der Sätze und Buchstaben, sondern auf der Gestaltung der ganzen Seite: Abschnitte, Einzüge, Satzspiegel, Besonderheiten von Gedicht-, Dramen- oder Inhaltsverzeichnis-Satz etc. Hier steckt die lange Erfahrung eines passionierten Lesers und Gestaltungslehrers drin, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Kurzum: Die beiden Bücher überschneiden sich z. T. erheblich, aber nicht störend. Das erste ist ein (für mich: zu schweres, zu pedantisches) Nachschlagewerk mit etwas streberhaftem Touch. Das zweite ist ein auf den ersten Blick unspektakuläreres, gelassenes – aber vielleicht ‹tiefgründigeres› Buch, das auf jahrzehntelanger Erfahrung basiert. Wenn das Geld nur für eines reicht, ist «Detail» bestimmt nützlicher; welches mir persönlich besser gefällt, wurde wohl deutlich. Aber wahrscheinlich gibt es auch ganz andere Meinungen?
Wladimir Geschrieben Mai 9, 2006 Geschrieben Mai 9, 2006 @ Niklaus: Das hast Du wirklich schön beschrieben! Mir gefällt Lesetypographie auch viel besser, eben weil es nicht nur richtig und falsch, sondern auch besser und schlechter gibt. Außerdem regt es zum nach- und weiterdenken an. In meinen Augen ein Standardwerk, was man unbedingt haben sollte. Bei Detailtypographie gefallen mir am besten die Seiten mit den ausländischen Satzregeln. Doch musste ich oft bei diesem Buch bemerken, dass hier »Regeln« genannt werden, die anscheinend auf dem ästhetischen Empfinden der Autoren fußen – und da denke ich wäre weniger mehr gewesen. In meinen Augen ein Fachbuch, wo es nicht schadet, wenn man es hat. Und nebenbei: Wie ist eigentlich die neue, überarbeitete Lesetypographie?
Niklaus Geschrieben Mai 9, 2006 Geschrieben Mai 9, 2006 Und nebenbei: Wie ist eigentlich die neue, überarbeitete Lesetypographie? Exzellent, besser noch als die alte, mit vielen neuen (Farb-)Beispielen. Für mich ein bei der Überarbeitung noch vergrößerter Schönheitsfehler: Als vorbildliche Musterseiten besprechen die Autoren (bzw. FF) in den meisten Fällen ihre eigenen Kreationen («… was bei diesem Beispiel exzellent gemacht ist …»).
Sebastian Nagel Geschrieben Mai 9, 2006 Geschrieben Mai 9, 2006 Lesetypographie ist besonders dann nützlich, wenn man konkret das Medium "Buch" gestalten will, und Anregungen zum Richtigmachen sucht (die absolute Wahrheit gibt es in der Makrotypographie einfach nicht). Für andere Medien ist es meiner Meinung aber eher begrenzt geeignet, wobei H. P. Willberg natürlich zum Denken auffordert, und wer das macht kann Schlüsse für alle möglichen Anwendungsfälle daraus ziehen. Detailtypographie ist für alle möglichen Belange nützlich, es geht hier teilweise um Dinge die nach Korinthenkackerei aussehen, aber großteils vernünftig argumentiert sind. Wenn ich nicht selber über jeden Punkt und jedes Komma und jeden Gedankenstrich nachdenken will, bin ich bei Detailtypographie bestimmt gut aufgehoben. *Wenn* ich nachdenken will, kann ich die Regeln natürlich auch brechen wenn ich einen Grund dazu habe. In der Mikrotypographie gibt es auf jeden fall eher "richtig" und "falsch" als in der Buchtypographie, wodurch mir der Stil nicht negativ auffällt. Augenscheinlich interessanter scheint Lesetypographie zu sein. Von praktischem Nutzen im Alltag ist eher Detailtypographie. Eine große Überschneidung sehe ich eigentlich nicht.
JackieTreehorn Geschrieben Mai 10, 2006 Geschrieben Mai 10, 2006 wobei H. P. Willberg natürlich zum Denken auffordert, und wer das macht kann Schlüsse für alle möglichen Anwendungsfälle daraus ziehen. Ich denke, hiermit sprichst Du den entscheidenden Punkt an. Von Willberg lernen heißt Nachdenken lernen, Sehen lernen, die richtigen Schlüsse ziehen lernen. Wer Willberg verstanden hat, braucht das Buch nicht mehr (unbedingt).
Formgebung Geschrieben Mai 10, 2006 Geschrieben Mai 10, 2006 Ja, selber denken ist eine überaus nützliche Angewohnheit ... in allen Lebenslagen H.
JackieTreehorn Geschrieben Mai 10, 2006 Geschrieben Mai 10, 2006 ... und doch nicht selbstverständlich!
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