Poms Geschrieben Mai 25, 2006 Geschrieben Mai 25, 2006 Nochmal zurück zur eigentlichen Frage; 1933-45 Gebrochene Schriften (Fraktur, Schwabacher) Antiqua Grotesk Handschriftliches: Kurrentschrift (Sütterlin)(1) Schreibmaschinenschriften ab 1941 Verbot der "Judenlettern" (Gebrochene Schriften) aufgrund des Führererlasses von 1941, danach sollte die sogenannte Deutsche Antiqua(2) von offizieller Seite her eingesetzt werden. zu 1) Gab es zu dieser Zeit (und auch schon davor) eine von der Antiqua abgeleitete Handschrift, die in Schulen unterrichtet wurde? Soweit ich mich erinnere, hat mein Urgroßvater in seinem Physikheft von 1924 für seine Notizen und Bemerkungen keine Kurrentschrift verwendet, sondern eine handschriftliche "Antiqua". Die Briefe seiner Frau sind aber in Sütterlin geschrieben... zu 2) Ist dies nur ein allgemeiner Begriff für Antiqua? Oder eine spezielle Schrift? Gibt es Beispiele (Web, Bücher)? Falls faktische Fehler im Text vorkommen, bitte korrigieren.
Bleisetzer Geschrieben Mai 25, 2006 Geschrieben Mai 25, 2006 Um noch einmal zu verdeutlichen, was ich meine: Wenn man wie ich hauptberuflich mit Büchern (aus dieser Zeit) zu tun hat, wird man mit der Zeit feststellen, dass die allenthalben propagierte These, die Fraktur sei die völlig dominierende – ja einzige – Schrift in Deutschland zwischen, sagen wir, 1910 und 1933 gewesen, arg relativiert werden muss. Und ich gebe Dir völlig recht: eine klare politische Zuordnung lässt sich dabei nicht ausmachen. ‹Rechte› und ‹linke› Verlage benutzen und mischen beide Schriften, wobei – dies der Eindruck aus meiner Erfahrung – für fiktionale Literatur tendenziell mehr Fraktur verwendet wurde, für Sachtexte (so habe ich Spengler bezeichnet, im Sinne von ‹nicht-fiktionale Texte›) tendenziell mehr Antiqua. Diese bescheidene Beobachtung würde ich weiterhin vertreten wollen.Ad Rowohlt: Dass die Gebrüder Jünger, von Salomon und andere bei Rowohlt veröffentlichten, ist zweifellos richtig. Berühmt wurden Ernst Rowohlt und Kurt Wolff jedoch mit ihrem frühen Einsatz für – pardon – ‹linke› Autoren wie Heym, Tucholsky, Kafka, Musil, Brod, Ball, Arnold Zweig etc. Es ist unnötig, daß Du ein solches Faktum als "bescheidene Beobachtung" ausweist - aber es ziert Dich Linke, Rechte - ja, ich weiß schon. Wo hat Ernst Niekisch publiziert? Auch bei Rohwolt? Er war in dieser Zeit Anhänger des Nationalbolschewismus. Es ging mehr um Nationales Denken und Internationalismus, weniger um Links und/oder rechts. Dieser Schreiberling Arnold Bronnen - publizierte bei Rowohlt. "O.S." in einer für die damalige Zeit neuen Art des Schreibens. Gedruckt in Fraktur. War er links oder rechts. Beides, je nach Jahreszeit. Rechte, Linke - egal. Hauptsache national. Oder was ist mit A.Paul Weber? Hat er nicht für Autoren aller Richtungen gearbeitet? Ich liebe seine Arbeiten. Georg
Niklaus Geschrieben Mai 25, 2006 Geschrieben Mai 25, 2006 «… Onkel Theobald berichtet, was er alles sieht und sichtet …» (Erich Kästner, Im Auto über Land)
Bleisetzer Geschrieben Mai 25, 2006 Geschrieben Mai 25, 2006 Ich habe wegen des "Führer-"Erlasses von 1941 bezüglich des Frakturverbotes gerade einmal nachgeschaut. Sämtliche Militärunterlagen meines Vaters und meines Großvaters mütterlicherseits, also Wehrpaß, Lazarett-Bescheinigungen, Auszeichnungen.. alles auf vorgedruckten Formularen in Fraktur dargestellt. Da hat der Erlaß des "Führers" wohl bei der Wehrmacht keinen sonderlichen Eindruck hinterlassen. Georg Ergänzung: Hier ein Auszug aus dem deutschen Wehrpaß. Ein deutsches Leben auf einer DIN A7 Seite. Vor 1933 schrieb sich die Familie meiner Mutter André. Der Akzent tegue ging dann 1933 irgendwie verloren. Joh.
Finanzwirt Geschrieben Mai 26, 2006 Geschrieben Mai 26, 2006 Hier mal der Originalbriefkopf des Verbotserlasses. Seltsamerweise noch in einer gotischen Schrift gesetzt. Darunter zum Vergleich nach der Umstellung. Ich vermute, daß die zeitgleiche Umstellung aller Druckerzeugnisse auf Antiqua-Schrift aus wirtschaftlichen (kriegsbedingten) Gründen nicht erfolgen konnte. Daher wurden nzunächst alle vorhandenen Reserven aufgebraucht und der Verbotserlaß erst bei einer Neuauflage von Drucksachen beachtet
Tholan Geschrieben Mai 26, 2006 Geschrieben Mai 26, 2006 Ich habe eine Schulchronik von Zwittau, Mähren wo bis Ende 1941 alle Einträge in (deutscher) Kurrentschrift vorgenommen sind und ab Beginn 1942 richtig auffallend ausschließlich mit (lateinischer) Schreibschrift fortgefahren wird.
Niklaus Geschrieben Mai 26, 2006 Geschrieben Mai 26, 2006 Nicht dass dies meine alltägliche Lektüre wäre: Aber im «Völkischen Beobachter» ist sehr gut zu sehen, wie nach 1941 wirklich schrittweise und systematisch der Lauftext von Artikeln auf Antiqua umgestellt wird. Wie steht es aber eigentlich mit Anzeigen? Ich habe den Eindruck, dass hier weder vor noch nach dem ‹Edikt› eine Beschränkung oder Vorgabe bestanden hat.
Bleisetzer Geschrieben Mai 26, 2006 Geschrieben Mai 26, 2006 Leider kann ich keine Quelle nennen. Aber ich habe gelesen, daß das Frakturverbot nur für die amtlichen Verlautbarungen galt. Wobei es zur damaligen Zeit eine völlig andere Presselandschaft in Deutschland gab als heute. Sehr wohl gabe es Presse-Zaren wie Hugenberg. Aber außerhalb der Großstädte kämpften viele kleinere Zeitung täglich um die Inserenten und damit ums Überleben. Hans Fallada schrieb in seinem Roman "Bauer, Bonzen, Bomben" sehr spannend und interessant darüber. Die fiktive Geschichte beruht auf eine tatsächlich erschienene kleine Zeitung, die u.a. eben von den öffentlichen Verlautbarungen lebte, die bezahlt wurden. Was die Verwendung der Bernhard-Fraktur vor 1941 beim Völkischen Beobachter angeht, so gibt ein Detail der Sache sicher noch ein wenig Würze: Lucian Bernhard war ein Künstlername. Sein richtiger Name lautete Emil Kahn und er war Jude. Das war diesem NSDAP-Organ sicher mehr als peinlich. Georg
Tholan Geschrieben Mai 27, 2006 Geschrieben Mai 27, 2006 Wisst ihr warum die Fraktur (oder überhaupt die gebrochenen Schriften) heutzutage nicht mehr allzu gerne verwendet werden? Heute hatte ich nämlich eine Vorbereitungsstunde in Zeichnen für die Matura und wir haben darüber gesprochen. Ich hab gemeint wegen der schweren Lesbarkeit, doch er hat noch hinzugefügt, dass das die Schrift vom Nationalsozialismus gewesen sei, oder eben in dieser Zeit verwendet worden ist ... Passend zum Thema: The Modern Blackletter: http://typophile.com/node/20252 speziell auch die Antwort dort von Dan Reynolds Wie kommt es, daß nicht nur ein Lehrer sagt (dieser ist ja kein Einzelfall), die gebrochenen Schriften wären Nazischriften, obwohl 1933 bis 1941 einen winzigen Zeitraum in der Geschichte der gebrochenen Schriften darstellt (1200 bis heute), die Nazis keineswegs einig waren in der Schriftgruppe , der sie den Vorzug geben sollten und die Frakturschriften letztendlich sogar verboten haben? Ist es nur eine sehr weit verbreitete Unkenntnis der Sachlage? Liegt es zudem daran, dass die Rechten heute gerne Frakturschriften benutzen? ..., dass die Bildzeitung eine Frakturschrift benutzt, wenn sie Hitler titelt? ..., dass Kriegsfilme aus der Zeit, diese benutzen, um eine Zeitepoche darzustellen? ..., dass man von seinen Eltern oder Großeltern aus dieser Zeit Dokumente findet, z. B. die Robert-Koch-Fraktur im Ahnenpass (Ariernachweis)? ..., dass Typobücher wie von Wilberg behaupten, die Frakturschriften hätten diesen Geruch und unzählige Typografie-Lernende dies ungeprüft übernehmen? ..., dass die Ultra-Fans im Fußballstadion sie gerne benutzen ..., dass man die Geschichte am schnellsten vergessen will, besonders von 1933-1941. Auf der anderen Seite lief letztes Jahr fast kein Kind und Teenager ohne einen Typoaufdruck in gebrochenen Schriften auf seinen Kleidern herum (und auch Erwachsene), die Zeitungstitel und Biermarken funktionieren weiterhin gut. Auch viele Pensionhäuser in östereichischen Touristengebieten bedienen sich diesen Schriften im Sinne der Gemütlichkeit. Der HipHop-, Rap-, Computerspiele- und LifeStylemarkt hat sie auch schon längst für sich entdeckt. Im Basketball in der NBA ist sie als Tatoo auf der Haut oder als Akzidenzschriften schon längst in Gebrauch. Also so unbeliebt scheinen sie nicht zu sein. Hier behauptet niemand, das sind Nazischriften. Natürlich, denn Schriften sind erstmal neutral, erst das Umfeld erzeugt den Bezug. Es scheint so, dass wir sie in moderner Fassung nur auf dem Umweg übers Ausland wieder bekommen.
Bleisetzer Geschrieben Mai 27, 2006 Geschrieben Mai 27, 2006 Keiner Deiner Antworten auf die von Dir gestellte/n Frage/n trifft zu. Ich kann sie Dir beantworten. Aber ich befürchte, man würde mir dann (zu recht) vorwerfen, weit vom Thema Typographie abzukommen. Aber ich weiß es wirklich. Georg
KKathi Geschrieben Mai 28, 2006 Themen-Ersteller Geschrieben Mai 28, 2006 wahnsinn ... dass so eine frage solch eine debatte auslösen kann!! :D
Poms Geschrieben Mai 28, 2006 Geschrieben Mai 28, 2006 >Es scheint so, dass wir sie in moderner Fassung nur auf dem Umweg übers Ausland wieder bekommen. Zwei tolle Vertreter in die Runde werfend: Fakir(2006) Kaas(2005)
Bleisetzer Geschrieben Mai 28, 2006 Geschrieben Mai 28, 2006 Das war aber keine Antwort auf Thomas Frage. Georg
Poms Geschrieben Mai 28, 2006 Geschrieben Mai 28, 2006 Das was von Tholan zitiert habe war keine Frage, sondern eine Feststellung, darauf habe ich zwei ausländische Schriften genannt, die unverkrampft mit dem Thema umgehen. Ich vermute die Kaas könnte bis dato nicht aus Typedesigner-Deutschland kommen, weil sich bestimmt der Schriftdesigner selbst vorab reglementiert hätte. "Display-like Tannenberg als Inspiration" - darf ich das, wie wird das aufgefasst, stelle ich mich dann in eine Ecke, in der ich nicht sein möchte?
Bleisetzer Geschrieben Mai 28, 2006 Geschrieben Mai 28, 2006 Entschuldigung, ein Mißverständnis. Ich hatte die vielen "?" am Ende seiner Sätze als Fragen interpretiert: "Ist es nur eine sehr weit verbreitete Unkenntnis der Sachlage? Liegt es zudem daran, dass die Rechten heute gerne Frakturschriften benutzen? ..., dass die Bildzeitung eine Frakturschrift benutzt, wenn sie Hitler titelt? ..., dass Kriegsfilme aus der Zeit, diese benutzen, um eine Zeitepoche darzustellen? ..., dass man von seinen Eltern oder Großeltern aus dieser Zeit Dokumente findet, z. B. die Robert-Koch-Fraktur im Ahnenpass (Ariernachweis)? ..., dass Typobücher wie von Wilberg behaupten, die Frakturschriften hätten diesen Geruch und unzählige Typografie-Lernende dies ungeprüft übernehmen?" Aber daß solche Fragen auch heute nicht gestellt werden bzw. nicht diskutiert werden, entspricht durchaus dem Normverhalten der deutschen Nachkriegsgenerationen. Wenn Du nun antwortest "...die unverkrampft mit dem Thema umgehen.", dann zeigt das doch nur deutlich, daß (Dir?) ein Umgang mit diesem deutschen Thema auf "unverkrampfte" Art und Weise entweder nicht möglich ist oder aber als nicht sinnvoll erscheint. Das ist in Ordnung für mich. Ich möchte auf keinen Fall zwanghaft eine solche Diskussion vom Zaune brechen. Mir reicht, die Zusammenhänge zu erkennen. Mit bestem Gruß Georg
Tholan Geschrieben Juni 10, 2006 Geschrieben Juni 10, 2006 Übrigens, Albert Kapr versucht mit seinem Buch „Fraktur – Form und Geschichte der gebrochenen Schriften“ Mainz, 1993 eine Rehabilitierung der gebrochenen Schriften. Dass man den gebrochenen Schriften, wenn man sie generell als Repräsendanten Nazideutschlands ansieht, ihnen historisch gesehen bitter Unrecht zufügt, weist A. Kapr in diesem Buch unwiederlegbar nach. A. Kapr: „Der gegenwärtige Zustand ist unbefriedigend. Das wichtigste Argument für die gebrochenen Schriften ist der verführerische Reiz ihrer Formen und der vielleicht daraus entstehende Wunsch, mehr über diese von den Nazis als Schwabacher-Judenlettern bezeichneten Schriften zu erfahren“.
Bleisetzer Geschrieben Juni 18, 2006 Geschrieben Juni 18, 2006 Ist Euch diese Seite hier eigentlich bekannt? Da gibt es eine ganze Reihe Beispiele zu sehen. http://www.beepworld.de/members66/vau-e ... verbot.htm Georg
Niklaus Geschrieben Juni 18, 2006 Geschrieben Juni 18, 2006 Schöne Beispiele, danke. Ich habe übrigens festgestellt, dass mir die gebrochenen Grotesken, je länger ich mich damit beschäftige, immer besser gefallen … kann’s auch nicht ändern.
Bleisetzer Geschrieben Juni 18, 2006 Geschrieben Juni 18, 2006 <satire> Was?! Jetzt aber ganz schnell ab zur nächsten Antifa-Sitzung.. ---- Selbstzensur -------- Die werden Dir schon klarmachen, was Dir zu gefallen hat und wo die Grundfesten der demokratischen Schriftvorlieben enden. <satire> Georg
Bleisetzer Geschrieben Juni 18, 2006 Geschrieben Juni 18, 2006 Ich habe das mal visualisiert, was ich unter der Hl. Katholischen Kirche verstehe. Als Holzlettern-Collage "Ça ira". Das hat viel Freude gemacht. Georg
Niklaus Geschrieben Juni 19, 2006 Geschrieben Juni 19, 2006 Ja, Du hast die Collage hier schon einmal vorgestellt – hängt sie nicht sogar im Vatikan?
Bleisetzer Geschrieben Juni 19, 2006 Geschrieben Juni 19, 2006 Völlig verdrängt: Ich habe mal eine Collage gebaut "Deutsches Reich": http://www.bleisetzer.de/index.php?targ ... 0003&pic=a Dort sind die Namen der Schlachten tatsächlich in einer neu-gotischen Schrift namens "Deutschland" gesetzt. Aber der Tagesbefehl in einer Antiqua. Wahrscheinlich kommt daher meine Assoziation dieser Schriften.. Die "Grabkreuze" im Massengrab mit der Inschrift "Ils n'on pas passé" stammen passenderweise aus Beständen einer englischen Buchdruckerei. Wozu die wohl soviele deutsche Eiserne Kreuze gebraucht hatten? Georg
Psocopterus Geschrieben Juni 19, 2006 Geschrieben Juni 19, 2006 der Tagesbefehl in einer Antiqua. Lese ich da »4. November 1914, vrtmittags«? Gruß, Ebenfalls-Georg
Niklaus Geschrieben Juni 19, 2006 Geschrieben Juni 19, 2006 … auf die angekündigte Fortsetzung der Collage wäre ich gespannt. Machst Du auch Abzüge von Deinen Collagen (geht das überhaupt)?
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