CRudolph Geschrieben Juli 21, 2006 Geschrieben Juli 21, 2006 Einen wunderschönen guten Tag allerseits, ein Bekannter hat mich gebeten, die Titelseite seiner Disserstation zu gestalten und wir haben uns auf die grundsätzlichen Elemente geeinigt. Der Titel, sein Name und der typische Vermerk auf Uni muß drauf, zusätzlich ein Logo der Uni. Als Grundschrift habe ich ihn von der Minion Pro überzeugt und er wollte auch die Titelseite in dieser Schrift. Damit habe ich vier Elemente auf der Seite. Die Anordnung ist kein Problem: Alle Textelemente sind linksbündig gesetzt, die einzelnen Elemente dann aber untereinander ausgerichtet (also ein quasi verdeckter Mittelachsen-Satz; ich sympathisiere beim echten Mittelachsen-Satz und dessen Langeweile sehr mit Ralf Turtschi). Das große Problem ist jetzt: Wie richte ich die Elemente auf der Seite aus? Ich habe den Titel und den Namen; beide Elemente sollten nicht zu weit voneinander entfernt sein, da sie zusammen gehören. Weiterhin habe ich den Verweis auf die Universität und das Logo der Uni, welche auch zusammen gehören, aber weniger Bezug zum Titel haben. Ich habe mitterlweile eine ganze Galerie von Varianten ausgedruckt, in welchen die Elemente alle möglichen Positionen entlang der Vertikalen einnehmen und wie nicht anders zu erwarten sehen einige Varianten deutlich besser und harmonischer aus als andere. Da aber »Harmonie« immer auf Proportionen beruht, muß es doch eigentlich ein Schema geben (wie den Aufbau einer Doppelseite nach Tschichold), wie man Elemente auf einer Einzelseite harmonisch anordnet, oder? Ich kann natürlich einfach hergehen und die eine gute Version herauspicken, mich interessiert jetzt allerdings das grundsätzliche Problem der Verteilung auf einer Seite. In der Literatur finde ich meist nur Verweise auf Doppelseiten. Gibt es dazu Literatur? Oder einfach Meinungen? Ich bin für alle Anregungen dankbar! :D Grüße, Christian
Niklaus Geschrieben Juli 21, 2006 Geschrieben Juli 21, 2006 Die Titelseite einer Dissertation ist natürlich knifflig: Einerseits soll es ja möglichst professionell daherkommen, andererseits – ich nehme an, es handelt sich um die Abgabe- und noch nicht um die Druckfassung – darf es ja auch noch nicht allzu ‹gestaltet› wirken, sollte noch als Typoskript erkennbar sein. Also eine simple Frage der harmonischen Anordnung von ein paar Textgruppen. Der Naturwissenschaftler (!) hätte wohl gerne eine Formel – die gibt es hier m. E. nicht. Die Klassiker, Tschichold und Hochuli, haben eigens zur Titelgestaltung nützliches geschrieben. Aber ich glaube, da hilft nur lange Erfahrung und immer neues Ausprobieren, bis man zwischen spannungsvollem Aufbau und Verzicht auf Mäzchen die Balance findet. Mir haben bei solchen Aufgaben indirekte Anregungen geholfen: Bücher zu Proportion und Kontrast wie das – etwas exzentrische – von Willi Kunz. Daneben sehe ich mir möglichst oft Titelseiten von (v. a. französischen) Büchern aus dem 18. Jahrhundert an. Die hatten’s einfach drauf. Übrigens: Schon mal mit rechtsbündig experimentiert?
CRudolph Geschrieben Juli 21, 2006 Themen-Ersteller Geschrieben Juli 21, 2006 Hallo Niklaus, natürlich hätte der Naturwissenschaftler gerne eine Formel. Das wäre doch ideal, oder? Man könnte sich den gesamten Erfahrungsprozeß sparen und bräuchte kein Gefühl mehr für die Sache. Mir ist natürlich auch klar, daß man um's ausprobieren nicht herum kommt und auch viel Erfahrung braucht. Allerdings: Es gibt z.B. für die Doppelseite die Konstruktion nach Tschichold (und auch andere). Und im Vergleich zum üblichen M$-Word-2-cm-Rand-an-allen-Seiten-Dokument kann man eigentlich nur gewinnen, wenn man sich denn daran hielte. Es gibt genügend Diskussionen, ob der Aufbau nun wirklich gut ist oder ob es bessere Ansätze gibt (ich persönlich z.B. finde ihn nicht absolut optimal). Nichts desto trotz ist es eine Konstruktion, die man als Ausgangspunkt nehmen könnte. Für die Einzelseite ist mir bisher, gerade wenn es nicht um Fließtext sondern nur um wenige Elemente geht, wenig untergekommen. Am besten sind noch die Titelseiten-Beipiele in »Lesetypografie« und ich stimme voll zu, daß man einfach nach guten und funktionierenden Beispielen suchen muß. Das Problem: Gerade im naturwissenschaftlichen Bereich kümmert sich kaum einer um Typo und Gestaltung und es gibt eben so wenig gute Beispiele. Und meistens gibt es eben doch ein gewisses Grundschema, an welches man sich halten kann. Das empfohlene Buch hört sich übrigens reizvoll an; lohnt sich die Anschaffung? Natürlich habe ich übrigens auch mit rechtsbündigem Satz experimentiert. Man kann wunderbare Kontraste setzten, indem man links- und rechsbündig nebeneinander setzt etc.; gerade bei H.-P. W. finden sich einige ganz wunderbare Beispiele. Allerdings sind die bei meinem Kollegen auf Ablehnung gestoßen. Rechtsbündig ist ihm einfach zu weit weg vom üblichen Ich-gestalte-meine-Titelseite-im-Mittelachsen-Satz. Schade eigentlich! Grüße, Christian
Niklaus Geschrieben Juli 21, 2006 Geschrieben Juli 21, 2006 Vermutlich könnte man schon so ein Grundmuster, auf dem Goldenen Schnitt z. B. basierend, aufstellen, das die Anordnung grundsätzlich bestimmte. Allerdings: Beim Satzspiegel à la Tschichold wird ja nur die grundsätzliche Proportion zweier ‹Rechtecke› bestimmt, was nicht weiter problematisch ist. Bei der Titelseite kommen aber sofort Schriftgrad, Schrifttyp etc. hinzu, was dann wieder zu Einzelfällen führt – und die ‹Formel› wieder relativiert. Es ist wohl kein Zufall, dass sich die Debatte um linksbündig (Schweizer Schule) oder Mittelachse (‹später› Tschichold) vor allem am Beispiel der Titelseiten entzündete – und mit für uns heute kaum mehr nachvollziehbarer Heftigkeit ausgetragen wurde. (Ich nehme an, Du kennst den Aufsatz von Tschichold: «Das traditionelle Titelblatt, typographisch» – mit guten Beispielen.) Ja, das Buch von Kunz ist zu empfehlen. Insgesamt riecht es vielleicht etwas zu stark nach Achtzigerjahren – wenn man mit der asketisch-minimalistischen Kultur des Niggli-Verlags nichts anfangen kann, dann ist es wohl nicht gerade das richtige.
Wladimir Geschrieben Juli 21, 2006 Geschrieben Juli 21, 2006 Ich setze manchmal linksbündig, rechtsbünsig und mittig. Je nach länge des Titels und der verschiedenen Elemente kann man die Seite recht harmonisch gestalten – und man ist noch relativ nah am üblichen Ich-gestalte-meine-Titelseite-im-Mittelachsen-Satz :wink:
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