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Janson-Antiqua

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

An die Bleisatzkenner –

Ich habe hier ein Buch des Insel Verlags von 1962 in meinen Händen. Es ist in der Janson Antiqua gesetzt – übrigens wunderbar gemacht… das ist aber nicht das Thema.

Meine Frage:

Ist die verwendete Janson-Antiqua eine Berthold oder ist diese eine Typoart bzw. eine in der DDR hergestellte Bleisatzschrift und gibt es von dieser (falls es eine "DDR-Schrift" ist), eine Entsprechung bzw. Neuinterpretation als digitale Schrift.

Grüße

Geschrieben

Die Janson Text von Linotype macht einen guten Eindruck auf mich, sie sieht auch im Textsatz richtig gut aus.

http://image.linotype.com/samples/hirespdf/12713.pdf

Die Varianten von Scangraphic finde ich im Vergleich unruhiger. Die fetten Schnitte fehlen auch (was natürlich dem klassischen Vorbild entspricht).

Allerdings sind die Standartziffern dort gelungener. Den Vorteil von getrennter Text- und Titelsatzschrift kann bei der Janson nicht so recht ausgespielt werden.

http://tinyurl.com/qwkpx

Die Tyrnavia kenne ich nur vom Bildschirm, dort sieht sie nicht schlecht aus.

http://www.t26.com/fonts/display.php?f_id=220

Zur ersten Frage: Bleisatzexperte bin ich nicht, aber mir scheint es doch eher unwahrscheinlich, dass in der BRD - der Insel-Verlag war seit 1960 schon in Frankfurt am Main - DDR-Schriften benutzt wurden.

Geschrieben
An die Bleisatzkenner –

Meine Frage:

Ist die verwendete Janson-Antiqua eine Berthold oder ist diese eine Typoart bzw. eine in der DDR hergestellte Bleisatzschrift und gibt es von dieser (falls es eine "DDR-Schrift" ist), eine Entsprechung bzw. Neuinterpretation als digitale Schrift.

Grüße

Die Janson-Antiqua ist eine Stempel-Schrift und nicht von Berthold:

D. Stempel AG, Frankfurt am Main

Erstguß 1920

Stempel wiederum hat die Matrizen zur Janson 1919 von der Offizin Haag-Drugulin A.-G., Leipzig übernommen, zusammen mit anderen wie auch der Unger-Fraktur und die Caslon-Gotisch.

Georg

Geschrieben

zu Frage 1

Aha, von Stempel – danke Georg!

Falls das zur "endgültigen" Klärung weiterhilft,

Das Buch heißt

»Mein Onkel Benjamin« von Claude Tillier, Insel Verlag | 1962.

Gedruckt wurde mit der Janson-Antiqua im VEB Offizin Andersen Nexö.

Könnte das dann die Stempel Janson-Antiqua sein oder doch eine andere?

---

zu Frage 2

@hey

Danke, das T26 eine Janson führt war mir bislang nicht bekannt. Werde ich mir genauer ansehen…

Die Janson Text besitze ich – die ist okay, aber ein bisschen leblos, finde ich.

Geschrieben
Das Buch heisst

»Mein Onkel Benjamin« von Claude Tillier, Insel Verlag | 1962.

Gedruckt wurde mit der Janson-Antiqua im VEB Offizin Andersen Nexö.

Könnte das dann die Stempel Janson-Antiqua sein oder doch eine andere?

Jein.

Der Insel-Verlag stammt, wie die D.Stempel AG aus Frankfurt am Main.

Die Offizin Andersen Nexö ist das DDR-Eigengewächs der ehemaligen Offizin Haag-Drugulin. Heute würde man sagen: 1946 gab es ein "unfriendly overtake". Drugulin-Haag wurde enteignet (war zuvor eine Aktiengesellschaft und DAS Vorkriegs-Unternehmen in der Verlagsstadt Leipzig. Ernst Rowohlt hat dort drucken lassen (er lebte, liebte und leibte lange in Leipzig). Hier übrigens: http://www.oan.de/

In der Hauptprobe der Offizin Andersen Nexö von 1980 ist die Janson-Antiqua nicht drin: http://www.bleisetzer.de/index.php?targ ... 0006&pic=a

Auch die anderen Schriften, die Stempel ja bereits kurz nach dem Ersten Weltenbrand von Haag-Drugulin übernommen hat, sind dort nicht gelistet. Aber dutzende von eindeutig westdeutschen Schriften wie die Genzsch-Antiqua (Genzsch & Heyse) oder auch die Weiß-Antiqua (Bauersche Gießerei).

Theoretisch wäre es also möglich gewesen, daß Andersen Nexö die Schriften-Rechte ignoriert und auch mit der Janson gesetzt hat. Ich halte das aber für unmöglich, weil ja der westdeutsche Insel-Verlag letztendlich Herausgeber war. Das hätten sie sich nicht leisten können.

Kurz und knapp zusammengefaßt:

Das ist die Janson von Stempel und der Insel-Verlag hat Anderson Nexö fertige Druckstöcke geliefert, die die dann in gedruckt haben. Behaupte ich mal.

Das Buch ist offensichtlich unpolitisch, sonst hätte "Papa Ulbricht" es sicher nicht erlaubt 1962.

Georg

Geschrieben

1962 wurde mit der Linotype gesetzt, also die Linotype Version von Stempel wird es wohl sein. Die dürfte was die Proportionen angeht weniger dem original Handsatzmaterial entsprechen.

Schau auch mal nach "Kis", das war der eigentliche Urheber der Schrift.

http://www.linotype.com/906/kisclassico-family.html

Linotype hat also mindestens zwei Versionen im Programm. Da diese Schrift aber sehr beliebt ist, findest Du sicherlich weitere Kis/Janson Designs mit anderen Namen.

Geschrieben
1962 wurde mit der Linotype gesetzt, also die Linotype Version von Stempel wird es wohl sein. Die dürfte was die Proportionen angeht weniger dem original Handsatzmaterial entsprechen.

Aber wo wurde gesetzt 1962?

Auf einer Neotype, diesem russischen .. Pendant?

Falls ja: Paßten dort original Linotype-Matrizen drauf?

Oder wurde in Frankfurt gesetzt und der Umbruch bei Anderson Nexö?

Naja, das kannst Du sicher gar nicht wissen..

Georg

Hier die Neotype:

1012_1_18.jpg

Geschrieben

Ah, ich hatte die Geschichte nicht ganz richtig in Erinnerung. Bis 1960 war Insel in Ost und West ein Unternehmen mit Zentrale in Leipzig und Filiale in Wiesbaden. Dann gab es zwei Insel-Verlage, die relativ eng zusammenarbeiteten. Erstaunlicherweise entging der DDR-Verlag der Verstaatlichung. Es ist also gut möglich, dass das Buch eine reine DDR-Produktion ist. Siehe auch:

http://www.suhrkamp.de/verlage/insel/geschichte.cfm

Vielleicht wirftst Du mal einen Blick ins Impressum und schaust nach dem Verlagsort.

Geschrieben

zu Frage 1

Ich gehe jetzt erstmal davon aus das die Stempel Janson-Antiqua für den Druck des Buches verwendet wurde.

Linotype Janson was first produced in the United States in 1937 under the guidance of C.H. Griffith, the typographic director of Mergenthaler; he used the Stempel original as the model for this cutting. In the same year, Sol Hess undertook for the American Monotype firm a modification of the face, using as a pattern a version in a seventeenth-century book. Both of these revivals found immediate favor with the American printers, even though the types lack some of the crispness of the Stempel foundry version, a factor that is most noticeable in the display sizes.

Quelle: www.http://www.daidala.com/

"words on letters"

Diese amerikanischen Schriften dürften doch wohl in ihrem Verbreitungsgebiet auf die USA und GB beschränkt gewesen sein, oder? Schon aus Gründen des gemein-hohen Umtauschkurses Dollar/Reichsmark bzw. Dollar/DM oder dem DDR-Äquivalent und der hohen Transportkosten.

Ergo müsste dann die Stempel Janson Antiqua übrigbleiben.

zu Frage 2

Ich schaue mir jetzt die digitale Monotype Version der Kis (Janson) an. Sieht so aus, als wäre die relativ nahe dran an der Stempel…

  • 2 Monate später...
Geschrieben
In der Hauptprobe der Offizin Andersen Nexö von 1980 ist die Janson-Antiqua nicht drin: http://www.bleisetzer.de/index.php?targ ... 0006&pic=a

Georg

Diese meine Aussage muß ich hiermit revidieren.

Matthias V., ein guter und erfahrener Bleisatz-Freund von mir, hat diese Aussage von mir hier gelesen und hat mich darüber aufgeklärt, daß die Janson-Antiqua bei Nexö unter dem Namen "Holländische Antiqua" lief. Und die gibt es in der Nexö-Hauptprobe von 1980 in den Versionen:

- mager

- kursiv

- Versalien licht

- kursiv licht

Ich bedanke mich für die Aufklärung.

Es wäre schön, wenn einer der ostdeutschen Kollegen diese Aussage verifizieren könnten.

Georg

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