Oliver Adam Geschrieben Oktober 2, 2006 Geschrieben Oktober 2, 2006 Hi, im Fontblog wurde die neue Hausschrift von BBC One als »typisch englisch« bewertet. Woran erkennt man das eigentlich? Was sind denn die Kennzeichen neuerer typisch holländischer, deutscher, amerikanischer oder französischer Schriften? Kann man einzelne Prototypen benennen? Liebe Grüße, Oliver
Herr Sharif Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Typisch britisch? Weiß ich nicht. Gefällt mir aber sehr gut. Mal ein anderer Geschmack als "Deutsche Bundesbahn". All diese "humanistischen" Klone in Richtung Gill/Syntax/Meta/Thesis gehen mir sowieso langsam auf die Nerven. Mal was klares, einfaches … sieht ein bisschen nach Avantgarde aus ... auf jeden Fall besser als diese konstruierten Privatsender-Fonts (SAT1). Aber die finde ich – ehrlich gesagt – auch schon einen Fortschritt. Schön. Vielleicht wird ja alles besser!
Norbert P Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Meine Vermutung: Vielleicht sind die Dinge heute "englisch", weil sie sich an die Sehgewohnheiten (oder nennt es visuelle Standards?!) des jeweiligen Landes anlehnen. Und nicht, wie einst, etwas über das Ursprungsland aussagen. So werden englische Taschenbücher seltenst in der Garamond gesetzt, eher in der Baskerville. Aber noch wichtiger sind vielleicht öffentliche Beschriftungen: In England findet man häufig die Johnston auf Schildern (nicht nur in der U-Bahn), auch scheinen mir dort Schriften wie Franklin Gothic, Interstate mit einem "ähnlichen" Erscheinungsbild eher den Geschmack zu treffen als beispielsweise hier, im Land der (schmalen) DIN und Helvetica. Auch spielt es ja vielleicht eine Rolle, wenn man "national" die eine oder andere Schrift vorzieht, ob man in seiner Sprache vorwiegend Kleinschreibung oder Akzente oder Großschreibung oder was auch immer verwendet. Aber alles nur vermutet. Weiß wer mehr?
Sebastian Nagel Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Nur kurz, weil keine Zeit: Sind nicht die jeweiligen Schulen und Lehrer stilprägend für jeweils ihre Region? Durch das Lehren wird im Umfeld der Stil des Lehreres multipliziert, der Einfluss zerfasert zeitverschoben und nur sehr langsam. Ich denke (auch designgeschichtlich) z.B. an die Schweiz in den 40ern, Ulm in den 50ern oder Gerrrit Noordzij in den Niederlanden bis heute. Und dieser Stil wird dann als "lokaltypisch" aufgefasst, weil in der jeweiligen Region sich ehemalige Schüler der jeweiligen Schule vermehrt antreffen lassen. Was gibt/gab es für einflussreiche Schulen in England? Reading?
Norbert P Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Hm, setzten denn im öffentlichen Raum nicht auch oder vor allem "Ungelernte" die Schrift ein? Und sind nicht auch die besten Lehrer visuelle Kinder ihrer Umgebung? Ich weiß es nicht, frage nur. Das ist ein bisschen wie mit den Hühnern und den Eiern ...
Bleisetzer Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Ich habe mal eine Schrift von Dan Reynolds ganz spontan als "typisch amerikanisch" bezeichnet. Er meinte, diese Reaktion habe er schon des öfteren gehört. Seitdem denke ich darüber nach, warum ich seine Schrift so empfunden habe. Eine Antwort habe ich noch nicht gefunden. Leider habe ich den Namen seiner Schrift vergessen und würde ihn auch lieber fragen, ob er etwas dagegen hat, hier ein Muster zu posten. Vielleicht liest er dies hier ja.. Mich würde interessieren, ob es anderen hier dann ebenso geht wie mir und die das dann vielleicht auch begründen könnten. So daß ich eine Antwort auf das Warum für mich fände. Georg
Poms Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Deutsches Schriftenklischee Dieses pseudo-objektive/pseudo-sachliche mit einem großen Schuß Romantik. So wie die Gruppe Kraftwerk einst - das sich zurücknehmen als Subjekt und sich gleichzeitig wieder einbringen durch beinahe hemmungslose Romantik. Die Blaupause einer deutschen Schrift stelle ich mir vor wie "Der Räuber und der Prinz" von DAF, falls das jemand noch kennt. Zwei deutsche Schriften - die Akkurat von lineto, die Verlag von Hoefler&Frere Jones - nur das beide keine deutschen Schriften sind, hehe.
Norbert P Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Quergedacht: Wenn man von Deutschland aus mit dem Zug über Grenzen fährt, ändert sich auch oft das Bild der Architektur (das Gesicht der Stadtlandschaft) schlagartig. Oder wenn man in Bildbänden über fremde Länder blättert, sagt man dann nicht auch oft: typisch spanisch, amerikanisch, britisch etc.? Vielleicht steckt in den Mikrometern einer Type doch mehr von einer über lange Zeit gelernten Gesamtästhetik, als wir glauben? Vielleicht nennt jeder mal spontan je eine "nationale" Antiqua und Grotesk, die ihm gerade so einfällt? Dann ließe sich anschließend trefflich streiten. Dabei geht es NICHT um Klassifikation, sondern um subjektive Eindrücke. Ich fang mal an: deutsch: Helvetica, Garamond britisch: Gill Sans, Baskerville amerikanisch: Franklich Gothic, Stone
Dan Reynolds Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Das war die Pater Noster, eine pseudo-gaelische Schrift. Ich fande es immer kömisch, wenn Deutschen die als amerikanisch bezeichneten, da ich die Schrift an einer deutschen Hochschule gezeichnet habe, und weil ich nur deutsche Kalligrafien nur als Quelle gefolgt habe. Vielleicht sagt man, dass sie amerikanisch ist, weil die deutschen so wenig Sachen aus der Geschichte rein holen wie die Amis (weil wir kein eigenes "Kultur" haben ). Keine Ahnung! Aber deutsche Designer sagen immer, dass meine Arbeit amerkanisch aussieht.* Das ist auch nichts schlimmes. Hier Links zu Abbildungen – http://www.typeoff.de/?p=24 http://www.typeoff.de/?p=66 Demnächst sollte eine neue Schriftfamilie von mir bei Linotype erscheinen. Sie ist auf jeden Fall amerikanisch zu bezeichnen, da sie eine ältere USA Schrift ergänzt. Aber mehr dazu kann ich erst später erzählen. * Als ich einen Vortrag an der Uni in Beirut letztes Jahr gehaltet habe, kammen viele Studenten nacher zu mir, um zu fragen, warum mein Englisch kein typisch-deutsches Akzent hätte, da sie alle dachten, dass ich Deutscher wäre.
Norbert P Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Die Akkurat betrachte ich auch als 150%ig deutsch :D Aber die Verlag würde ich trotz des deutschen Namens eher als leicht britisch/anglo-amerikanisch mit einem Hauch Cappucino empfinden ... Die Pater Noster erscheint vielleicht deswegen "amerikanisch", weil sie so irisch ist, und die Iren sind ja angeblich fast alle nach Amerika ausgewandert. Ich denke beim St. Patrick's Day auch in der allerersten Sekunde an New York ...
Poms Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Deutsch: Sabon, FF Din britisch: Baskerville, Bliss französisch: ?, FB Agenda (hehe) niederländisch: Dolly, Scala Sans amerikanisch: Eine aus der ITC-Collection, Neutraface
Dan Reynolds Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 >deutsch: Helvetica, Garamond Naja, eigentlich würde ich die Helvetica als Swiss bezeichnen. Da bin ich nicht allein. Und die Garamond ist französisch. Deswegen siehst du in England so wenig Bücher (zumindest histrorisch) in ähnliche Schriften. Die Englander wollen nicht "französisch" lesen! >britisch: Gill Sans, Baskerville Stimmt. Aber Caslon ist die "britischtiste" Schrift überhaupt ("when in doubt, set it in Caslon…"). Die Baskerville hat kömischerweise ihre erste Erolge in Frankreich gehabt hat, da sie zu weit von Caslons Schriften sich ausweicht hat. >amerikanisch: Franklich Gothic, Stone Stimmt auch. Aber eigentlich kann man fast alle Schriften in den USA einsetzen.
Norbert P Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Wie gesagt, ich meinte, nicht, WOHER eine Schrift kommt, sondern, wo ich sie gedanklich lokalisieren würde. Natürlich ist die Helvetica "swiss", sagt ja schon der Name. Aber wer hat sie an Kindes statt angenommen?
Bleisetzer Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Ja, genau. Hier dachte ich "typisch amerikanisch": http://www.typeoff.de/?p=66 Nicht wertend, nur typisierend. Aber wie gesagt: Ich könnte es nicht begründen. Georg
Oliver Adam Geschrieben Oktober 3, 2006 Themen-Ersteller Geschrieben Oktober 3, 2006 Vielleicht steckt in den Mikrometern einer Type doch mehr von einer über lange Zeit gelernten Gesamtästhetik, als wir glauben? Das glaube ich auch. Nur was ist es, dass es uns glauben lässt … deutsch: Helvetica, Garamondbritisch: Gill Sans, Baskerville amerikanisch: Franklich Gothic, Stone Vielleicht sollten wir das noch erweitern und neuere Schriften einbeziehen – auch die »humanistischen Klone«. Oder sind letztere schon kosmopolitisch? Wenn ich mich richtig erinnere, war die Gill Sans die Schrift der Verkehrschilder in der »DDR«.
Norbert P Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Das glaube ich auch. Nur was ist es, dass es uns glauben lässt … Vielleicht ist es so subtil/sublim, wie die unaufzeigbaren Faktoren, die einen sehr guten Text aus einem Wurf und Guss von einem guten, zum besseren redigierten Text unterscheiden? Also etwas nicht wirklich Fassbares. Fast schon "homöopathisch" (um nicht gleich "magisch" zu sgaen)?
Poms Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Ja, es geht hier um das Klischee, beispielsweise verwendet die britische Gas- und Wasserinstallateursbranche die gleichen Schriften auf ihren Firmenfahrzeugen wie die deutsche, französische, italienische, ... oder nicht.
Norbert P Geschrieben Oktober 3, 2006 Geschrieben Oktober 3, 2006 Das ist eine gute Anregung, mal bei Branchenschriften anzufangen. Ich hab z.B. in der logolounge mal für mich das Ratespiel gespielt: "Woher kommt diese Logo?" Nur leider fehlt mir heute (morgen beginnt die Buchmesse) die Zeit, mit dem Sammeln anzufangen. Denn wir sollten am besten mit Beispielen weitermachen, oder?
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