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Typografie in Frankreich: Warum so luftig?

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Liebe Typo-Spezialisten,

als Neue stelle ich mich kurz vor. Ich bin Festivalmacherin und Journalistin, lebe in Berlin sowohl in der deutschen, als auch in der französischen Kultur. Über die ich mitunter auch journalistisch schreiben darf.

Heute habe ich eine Frage, die nach NICHTS ausschaut, aber von unterschätzter Bedeutung zu sein scheint. Es geht um LUFT in der französischen Typo.

Ich erkläre mich:

Anders als in deutschen gedruckten Texten ist in Frankreich ein Leerzeichen

vor ! und ?. Ebenso vor den Anführungszeichen und dem Doppelpunkt.

Überhaupt, die französischen Anführungszeichen! Die schauen ja in eine ganzandre Richtung als in Deutschland üblich. Die Deutschen heben hervor, indem die spitzen Doppelklammern auf das Zitat wie Pfeilspitzen hinweisen lassen, die französischen Doppelklammern weisen dagegen nach außen, statt nach innen, und wirken daher wie ein Rahmen.

Soweit die Beobachtung.

Warum ist das so? Und war das schon immer so? Gibt's das noch woanders auf der Welt?

fragt mit Grüßen,

Caroline

____________________________________________________

Caroline Elias

textes * interprétariat * consultation

Texte * Dolmetschen * Beratung

AG DOK / german documentaries http://www.agdok.de

Djerba International TV-Festival http://www.djerbatvfestival.com

französische filmtage * festival international du film francophone

tübingen-stuttgart http://www.filmtage-tuebingen.de

Geschrieben

Wahrscheinlich haben die Franzosen überhaupt die schönere Sprache, deshalb ist die Typografie dort vielleicht etwas edler – keine Ahnung. Dass aber ein Leerzeichen vor „!“ und „?“ steht, wäre mir neu. Wir haben das vor 15 Jahren im Fotosatz jedenfalls nicht so gemacht, das waren Gebrauchsanweisungen für Immuno-Assays. In der Belletristik mag es anders sein.

Die Regelung, französische Anführungszeichen im Deutschen nach innen, im Franzakischen jedoch nach außen weisen zu lassen, ist dagegen uralt und gilt auch heute.

Lars

Geschrieben

Ich finde, man kann in Indesign recht easy einen Mittelweg finden und vor ? und ! (ebenso wie vor und nach Guillemets) ein M/16 oder M/24, je nach Gusto, setzen. Macht etwas weniger klebrigen Reis in der Schüssel, ist aber kein Luftloch wie bei einem ganzen Leerzeichen.

Geschrieben

Guten Morgen,

aufgrund bisheriger Recherchen unter Übersetzern und Autorinnen weiß ich, dass es wohl kein ganzes "Space" Abstand ist, sondern ein "espace fine", ein schmaler Abstand, vor doppelt geschriebenen Satzzeichen wie : ; ? »

... und im Umkehrschluss nicht vor , und . (Jetzt nur hier, der besseren Sichtbarkeit wegen.) Dieser Abstand muss übrigens ein "untrennbarer Abstand" sein (espace insécable), damit nicht nach Wortende und "Space" am Zeilenende das Satzzeichen mutterseelenallein zu Beginn der neuen Zeile auftaucht.

Unter dem Strich solle sich so eine bessere Lesbarkeit ergeben, das scheint die Lehrmeinung zu sein. Es kann aber auch sein, dass diese bereits Interpretation ist und der Luftsetzerei etwas ganz anderes zugrunde liegt.

Eine Kollegin schrieb: "So weisen viele Schriften, die zur Gruppe der französischen Renaissance-Antiqua gehören (prominente Vertreter: Garamond und Palatino) eine optische Linksneigung der Achsen auf. Ich kann mir gut vorstellen, dass aus diesem Grund ein wenig mehr Luft vor den Satzzeichen als angenehm und besser lesbar empfunden wurde. Es kann aber auch andere, drucktechnische Gründe haben oder schon in den Vorläufern der gedruckten Schrift liegen. Oder ist es der durchschlagenden Wirkung eines der jüngeren Schrifterneuerer (Didot? später?) zu verdanken? Das sind nur Vermutungen."

Und warum ist das mit den Anführungszeichen so, wie es ist?

Wem fällt jemand ein, der mir bei diesen Fragen weiterhelfen kann? Ich korrespondiere schon mit der Académie française und nachher auch mit Dudens.

Dank und Gruß,

Caroline Elias

Journalistin aus Berlin

Geschrieben

Ich könnte mir vorstellen (wenig wissenschaftlich, ich weiß), dass das einfach Konventionen sind, die sich nach und nach in den verschiedenen Ländern durch gängige Praxis durchgesetzt haben.

Der "kaiserliche Drucker" in Frankreich hat es so gemacht und für brauchbar befunden, sein Amtskollege in Deutschland anders, aber ebenso brauchbar. Irgendwann wurde das dann als gegeben angesehen, weil eingebürgert, ohne sich europaweit abzusprechen. Die Gesellschaften waren da ja noch nicht dermaßen vernetzt wie heute.

Bessere Lesbarkeit durch weitere oder engere Abstände hängt auch von der jeweils verwendeten Schrift hab, genauso wie von Gewohnheiten: Wenn ich mir Abstände erwarte, und sie fehlen, irritiert mich das.

Warum fährt man in England links, auf dem Festland rechts? Was ist "besser"? Warum ist die Spurbreite von Eisenbahnen in Osteuropa breiter als in Westeuropa? Ist eine Spurbreite von 1435mm irgendwie vernünftig begründbar, oder hat sie sich eben ergeben? Ist die Ost-Spurbreite von 1520mm vernünftiger? Beide funktionieren...

Geschrieben
"espace fine", ein schmaler Abstand, vor doppelt geschriebenen Satzzeichen wie : ; ? »

Grüezi mitenand.

Ihre französischen Quellen sind meines Erachtens dahingehend ergänzbar, das der Abstand vor ";:!?" sogar ein "espace très fine" sein darf.

Worauf das alles fusst? Wohl darauf, dass ja eigentlich sämtliche Schreibe ursprünglich von Hand ausgeführt wurde. Und kaum jemand klebt Satzzeichen handschriftlich ans letzte Wort. Warum das für ".," im Schriftsatz nicht weitergeführt wird, ist an sich rätselhaft ...

Hier in der Schweiz setzen wir die Anführungszeichen wie in Frankreich, jedoch ohne Abstand (Doppelpfeil nach aussen zeigend). Und lustigerweise gilt diese Regelung für jede unserer vier Landessprachen (deutsch, französisch, italienisch, rätoromanisch). Lustig deshalb, weil sonst hier die Regel gilt, dass fremdsprachliche Worte die angeführt werden, in deutschsprachigen Texten nach den jeweiligen sprachlichen Typoregeln des angeführten Wortes zu behandeln sind.

Eine sehr gute Quelle für Typografie und vor allem auch Mikrotypografie:

Herr Jost Hochuli, St.Gallen

Leider habe ich die Adresse dieses hervorragenden Lehrers, Grafikers und Typografen nicht aktuell.

Freundliche Grüsse,

Norbert Riedi

Geschrieben
Lustig deshalb, weil sonst hier die Regel gilt, dass fremdsprachliche Worte die angeführt werden, in deutschsprachigen Texten nach den jeweiligen sprachlichen Typoregeln des angeführten Wortes zu behandeln sind.

Ich setze auch gerne fremdsprachige Texte in ihre »korrekten« Anführungszeichen. Meiner Meinung nach ist das bei gemischten Texten eine ästhetische Spielerei, gegen die man sich, der Übersichtlichkeit halber, entscheiden kann. Wie Sebastian Nagel glaube auch ich, dass hier vielfach alte Konventionen eine Rolle spielen, die natürlich letztlich das Lesen erleichtern. Aus meiner Sicht spricht prinzipiell nichts dagegen im deutschen Text Anführungs- und Satzzeichen in jeder Form mit oder ohne espace zu setzen.

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