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warum sieht die fraktur aus, wie sie aussieht?

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Geschrieben

so jetzt nochmal als extra thema, weil hier keiner auf meine frage eingegangen ist.

kann mir mal jemand erklären:

wieso das x wie ein r mit swash aussieht?

und wieso das y wie ein n mit swash aussieht?

und wie es es eigentlich damals zu dieser offenen A-form gekommen?

bei der breitkopf-fraktur ist das auch so.

ich will auch was lernen.

1012_1_126.jpg

:?

Geschrieben

Hallo,

die offene Form des Buchtstabens A kommt (so glaube ich, sprich reine Mutmaßung) von schlichter Ungenauigkeit. Während bei der Unziale das A noch in zwei Strichen durchgezogen wird, muss bei z.B. der Schwabacher drei mal angesetzt werden: Ein Schenkel öffnet sich und "schwimmt" weg. Wir reden über eine Zeit, als Schrift noch nicht definiert war.

Bitte verzeih das schlechte Bild, aber mein Scanner hier ist unter aller Kanone. Und bitte verzeih den Fehler im 3. Abstrich. Ich schreibe einfach zu selten.

2040_schreibformaschwabacher_1.jpg

Dein Alex

PS Wenn Schmorkohl das sieht, springt er mir an die Gurgel.

Geschrieben

Ich verstehe die Frage nicht ganz: Im Grunde könntest Du ja nach der Form jedes einzelnen Buchstabens fragen, die sich ja auch nicht einfach so ›erklären‹ lässt. Die Ähnlichkeiten betreffen ja auch nicht nur die von Dir genannten Buchstaben. Traditionell verteufelt ähnlich sind sich ja in vielen Gebrochenen:

r und x

n und y

aber auch:

k und t

n und u

b und v

o und v

f und s

und nicht nur:

A und U

sondern auch:

K und R

B und V

C und E

D und O

K und R

Ich glaube, man muss wirklich von der Handschrift her denken. In den älteren Textura-Schriften wurde auf extremes Gleichmaß geachtet, sie sind für uns heute sehr mühsam zu lesen. Buchstaben wie x, y und z, aber auch U [sic], J, W, Y und Z sind traditionell selten – es lag wohl nahe, einfach bestehende Buchstaben zu nehmen und diese zu ›markieren‹. Die Großbuchstaben wurden generell viel später normiert als die Kleinbuchstaben, hier haben sich traditionell mehr Varianten erhalten – muss nicht Nachlässigkeit sein, kann einfach auf eine erhaltene (Schreiber-)Variante zurückgehen.

[…]

Geschrieben
... die offene Form des Buchtstabens A kommt (so glaube ich, sprich reine Mutmaßung) von schlichter Ungenauigkeit. Während bei der Unziale ...

Beginnt diese Form des A nicht erst bei der Rotunda, wenn man von der Entwicklung des a mit einem großen und hohen Bogen an der linken Seite bei der Halbunzialen absieht und daraus vielleicht eine Variation des großen A aus der kursiven gotischen Buchschrift?

Die Unziale war im 5. Jhdt. Danach kam die Halbunziale (ab 6. Jhdt, keine reine Großbuchstabenschrift), dann merowingische, karolingische Minuskel (9. Jhdt), gotische Minuskel und Kursive ( 13. Jhdt), Textura (14. Jhdt), Gotico-Antiqua (15. Jhdt). Daneben die kursiven Buchschriften. Im habe mich jetzt auf unseren Raum beschränkt und nicht allzu detailliert aufgeführt.

Die Rotunda kam dann im 15. Jhdt, die Schwabacher als weniger künstlerisch ausgestaltete Volksdruckschrift entstand gegen Ende des 15. Jhdts. unter dem Einfluss der Rotunda. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde die Fraktur geschaffen, die in ihrer Formgebung durch die in der kaiserliche Kanzlei üblich gewordene verzierte Kurrentschrift (also vom flüssigen Schreiben) bestimmt war.

(Benutzte Quelle: „Unsere Schrift“ Eine Einführung in die Schriftkunde von Heribert Sturm)

Hier ein paar schnell zusammengestellte Schriften ab dem Mittelalter zum Vergleichen der Buchstaben, natürlich zu beachten, dass wahrscheinlich bei der Digitalisierung auch Veränderungen vorgenommen und manches angepasst wurde:

304_a_1.jpg

Gruß

Thomas (angesichts der Uhrzeit recht flüchtig niedergeschrieben)

Geschrieben

Tolle Übersicht, Tholan! Ich denke, man sieht an ihnen schön, dass:

a) bei den Minuskeln viel größere Regelmäßigkeit herrscht, und dass

b) bei den (früher u. U. noch separat verzierten) Großbuchstaben generell größere Varianten sich erhalten haben

c) die Vermutung sich erhärtet, dass es bei den Minuskeln mindestens so sehr auf Gleichmaß ankam als auf Unterscheidung; die seltenen Buchstaben x und y scheinen – eventuell nachträglich? – auf bestehenden aufgebaut worden zu sein.

Das kann ja vielleicht auch ökonomische Gründe haben: Vielleicht konnte man Punzen einsparen, indem man z. B. einem r einfach noch einen Quer- oder einen Abstrich anfügen? Aber dies ist reine Vermutung…

Geschrieben

es gibt ein altes buch aus den 80ern, ich glaube es heisst "schriften zeichnen", in dem für fast alle verbreiteten schrifttypen (von gebrochenen über antiquas bis zu engen und normalen serifenlosen) erklärt wird, wie sie mit der feder gezeichnet werden. das wird zwar nicht deine frage beantworten, aber wenn du am schriftenzeichnen interessiert bist ist es doch ein ganz interessantes büchlein (und kostete auch nur 20€ oder so).

ich habe das buch nach einer empfehlung auf typophile in einem antiquariat gefunden (über ZVAB). leider ist der karton mit allen designbüchern momentan auf einem fremden dachstock parkiert (zügeln und so), ich werde aber in den nächsten 2-3 wochen sicher nochmal da hochsteigen um sachen zu holen - wenn du willst kann ich dir dann den genauen namen und die autoren raussuchen.

Geschrieben
bei der breitkopf-fraktur ist das auch so. ich will auch was lernen.

1012_1_126.jpg

Macht ja nix, aber das ist die Unger-Fraktur …
Tholan schreibt:

Im fetten Schnitt, hier der normale Schnitt der Unger Fraktur in der viele Klassiker gesetzt waren (Bild von Delbanco Fraktuschriften).

  • 304_dsungerfraktur_1.jpg

Die Unger-Fraktur sollte ja die Gestaltungsmerkmale der klassizistischen Antiqua in der Fraktur spiegeln.

Geschrieben

Nee, die ist von Johann Gottlob Immanuel Breitkopf um 1760 geschnitten worden (darum Breitkopf-Fraktur). Die Unger-Fraktur stammt von Johann Friedrich Unger und wurde um 1780/90 (glaub' ich) geschnitten. Das müßte Georg genauer wissen.

Flosemann

Geschrieben
Nee, die ist von Johann Gottlob Immanuel Breitkopf um 1760 geschnitten worden (darum Breitkopf-Fraktur). Die Unger-Fraktur stammt von Johann Friedrich Unger und wurde um 1780/90 (glaub' ich) geschnitten. Das müßte Georg genauer wissen.Flosemann

Breitkopf-Fraktur

Entwerfer: Johann Gottlob Immanuel Breitkopf

Entstehungszeit: um 1750, Nachschnitte ab 1910 bis 1936

Unger-Fraktur

Schnitte: normal, fett

Entwerfer: Johann Friedrich Unger (*1753 +26.11.1804) , Neuschnitt 1907 - 1915 J. Klinkhardt

Entstehungszeit: 1794; Neuschnitte 1907 - 1915, 1928 und als 'Kabinett-Fraktur' 1938 - 1939

... ok, ralph m. unger ist nicht johann friedrich unger. :x da habe ich wohl was verwechselt. hihihi. dachte die beiden kennen sich.
Wusste gar nicht, dass die Seancen machen. :twisted:
Geschrieben

ja, klar. es ist ja auch nicht so das ich die

diversen formen nicht kenne, allerdings bin ich

noch nie so sehr über das x gestolpert.

siehe mittelalter kursiv, ungerm breitkopf.

liegt vielleicht daran das man die buchstaben

selten verwendet.

Geschrieben

Ich weiß schon, dass Du die Formen kennst – aber Deine Frage ließe sich ja verallgemeinern: Warum sind die Buchstaben z. T. so verdammt ähnlich angelegt? Auch s und f, die alten Problemkinder: Warum eigentlich diese ähnlichen Formen? Wie gesagt: Bei frühen Texturen scheint wirklich das ästhetische Ziel gewesen sein, völlige geglättete Gleichmäßigkeit zu erzielen – also genau das Gegenteil der modernen Auffassung von leicht erkennbaren Wortbildern!

Geschrieben

henning würde jetzt sagen:

»stellen sie sich vor sie landen auf einem fremden planeten

und müssten deren schriftsystem identifizieren ...«

gibts denn da keine wissenschaflichen untersuchungen?

Geschrieben

Fakten- und Datensammlungen gibt es natürlich massenhaft…

Ein Buch, das ich sehr lehrreich gefunden habe:

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Es ist zwar schon ein halbes Jahrhundert alt, aber der Autor ist selbst Kalligraph und Schriftenmaler, schreibt also als Praktiker und nicht als Faktenhuber. Unglaublich: Die meisten der abgebildeten Schriftproben – vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert – sind von ihm selbst geschrieben bzw. gemalt!

Gruß

FlorianG

Geschrieben

Vor allem die Jahrhunderte bitte nicht in einen Topf werfen. Was für Textur gilt muss nicht gleichzeitig für Fraktur gelten. Sicher galt ein künstlerischer dekorativer repräsentativer Charakter für die Fraktur, schließlich wurde sie im Auftrag von Kaiser Maximilian geschaffen, der eine überarbeitete bessere Schrift als die volkstümliche Schwabacher wollte.

Geschrieben

Schon klar, Tholan, das hatte ich nicht behaupten wollen… Ich nehme an, Du hast es (auch) öfters mit alten Handschriften oder Drucken zu tun?

Geschrieben

Der Macher der Fraktur

Einen Mann und ein Buch möchte ich für die, die es noch nicht kennen,

wärmstens empfehlen:

Leonhard Wagners »Proba centum scripturarum*«.

Der Augsburger Schreibkünstler Pater Leonhard Wagner schuf zu

Beginn des 16. Jahrhunderts eine Sammlung von hundert Schriftproben,

sozusagen das erste kalligrafische Font-Book.

Gewidmet wurde diese »Proba« Kaiser Maximilian, begonnen

um 1507, fertiggestellt wohl nicht vor 1510.

Man könnte auch so anual-mäßig schreiben:

Kunde: Maximilian

Macher: Leonhard Wagner

Eine kalligrafische Meisterleistung jagd die andere und dann passiert es,

es tauchen neue Formen auf, die »Semifractura« und die »Fractura germanica«.

Beipackzettel und Warnhinweis:

Die Anmerkung ist für jungfräuliche Liebhaber der Kalligrafie zu verstehen, es

finden sich dort die wunderbarsten Handschriften, auch der Schriftkunst-Titel

»A mit Krone« von Albert Kapr wird einem wiederbegegnen.

Es klärt nicht die sehr interessante Frage der Buchstabenherkunft und

die endgültige Form von x und y in der Welt der Gebrochenen.

Liebe Grüße, ich wollte nicht unterbrechen, bitte fahren Sie fort ...

Schmorkohl

*Das Original befindet sich in Augsburg, die Faksimile-Ausgabe

erschien im Insel-Verlag mit einem Begleittext von Carl Wehmer.

2395_leonhard_1.jpg

Geschrieben
Schon klar, Tholan, das hatte ich nicht behaupten wollen… Ich nehme an, Du hast es (auch) öfters mit alten Handschriften oder Drucken zu tun?

Nur reines Hobby! :)

Danke Schmorkohl (was für ein toller Name) für deinen interessanten Tipp!

Gruß

Thomas

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