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Die Schriftmuster der Welt in einer Datenbank …

Mengensatz - neuer Absatz auf neuer Seite ohne (?) Einzug

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Geschrieben

Liebe Typografen und Büchermacher,

ich gestalte schon seit Jahren Bücher und störe mich nun an den Wunsch eines Kunden. Ich beschreib mal kurz die Fakten:

- hochwertiges Sachbuch

- Mengensatz

- Blocksatz mit Einzug

- ohne Leerzeilen als Trennelement von Absätzen oder Abschnitt

- Kapitelanfang mit Einleitungsabsatz in Versal, dann Leerzeile, dann ohne Einzug beginnend

erster Absatz in Gemeinen.

- Folgeabsätze mit Einzug direkt angehängt, ohne Leerzeilen.

Wenn nun durch den Umbruch-Fluss gelegentlich ein Folge-Absatz in der ersten Zeile einer neuen Seite beginnt (rechte oder linke egal), setze ich auch hier einen Einzug.

Der Kunde wünscht sich aber, dass dann ohne Einzug zu setzen sei. Seine Begründungen:

- das machen alle (ich wüsste nicht wer?)

- das hätte er früher auch schon gemacht (vor Jahren)

- er sei halt altmodisch (Blocksatz mit Einzug ist aber doch nichts neues, oder?)

- Einzüge in erster Zeile auf neuer Seite seien "moderner Kram"

Nur zur Sicherheit: Der Kunde (langjähriger Mitarbeiter in einem Verlag) hat nicht generell etwas gegen Einzüge. Die Unterteilung von Absätzen zueinander durch Einzüge findet er sogar gut und richtig. Nur eben nicht zu Beginn einer neuen Seite.

Ehrlich gesagt, gingen mir die Argumente aus. Ich denke, der Kunde ist mit richtigen Begründungen zu überzeugen.

Ich danke Euch schon vorab für Eure sachkundige Hilfe...

Geschrieben

Ich kann nicht mit geschichtlichen Hintergundwissen dienen, wann welcher Einzug entstanden ist und warum. Aber ich würde auch auf neuen Seiten »stur« einen Einzug machen, denn es kann ja sein, dass sein Absatz mit einer vollen Zeile aufhört. Gehört dann die nächste Seite zu dem Absatz? Oder innerhalb eines Absatzes endet ein Satz am Ende der Seite. Beginnt dann auf der folgenden Seite ein neuer Absatz?

In der ersten Auflage der »Lesetypographie« deklinieren Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman auf des Seiten 114 ff. mehrere Möglichkeiten durch und zeigen deren Vor- und Nachteile auf.

Allerdings, wenn Dein Kunde (gut) zahlt, sollte er auch das bekommen was er will, wenn er sich nicht eines besseren belehren lässt :(

Geschrieben

Einen Absatz ohne Einzug mache ich nach einer Leerzeile, also nach einer Zäsur in der Textgliederung. Begönne ich den Absatz so wie von dir geschildert ohne Einzug, wüsste ich nicht, ob zwischen den Absätzen, im schwarzen Loch des Seitenrands sozusagen, eine Leerzeile, also ein Gliederungselement verschwunden wäre.

Geschrieben

Es gibt im ganzen Buch leider keine Zäsur mit Leerzeilen, sondern ganz simpel Unterteilungen in Kapitel und Absätze. Mit Norberts Argumentation werde ich wahrscheinlich nicht weit kommen.

Aber Recht haben Wladimir und Norbert schon! Ich werde wohl mal eine vorichtige Nachhilfestunde in Schriftsatz, dem Lesen dienende Gestaltung und weiteres zusammensortieren müssen.

Dann kann ich in Zukunft damit auf Tournee gehen...

Geschrieben
Begönne ich den Absatz so wie von dir geschildert ohne Einzug, wüsste ich nicht, ob zwischen den Absätzen, im schwarzen Loch des Seitenrands sozusagen, eine Leerzeile, also ein Gliederungselement verschwunden wäre.
Ich denke, das ist das entscheidende Argument: Die Verhältnisse müssen eindeutig sein. Wenn erkennbar bleibt, daß davor eine bzw. keine Leerzeile ist, dann ist es lediglich eine Frage a) der Konsequenz oder b) der Optik. Wäre es ohne Erstzeileneinzug am Seitenanfang nicht mehr klar, ob davor vielleicht eine Leerzeile käme, dann muß der Einzug gemacht werden.
Geschrieben

Ich halte gerade – ganz zufällig ;) – Flauberts "Die Sage von Sankt Julian dem Gastfreien", erschienen 1918 in Weimar im Gustav Kiepenheuer Verlag (mit wunderbaren Lithographien des Spät-Expressionisten Max Kaus) in der Hand.

Das Buch ist in Leipzig von W. Drugulin großzügig gesetzt (12 auf 16 Punkt schätze ich mal so über den Daumen) in einer klassizistischen Antiqua (Bodoni?) – übrigens mit falschen ß, nämlich einer einfachen Zeichenfolge aus langem und rundem s, tststs ... – und gedruckt worden.

Auf den Seiten 26, 29, 43 und 44 findet man am Seitenanfang (links wie rechts oben), genauso wie ansonsten in diesem Druckwerk bei einem Absatz, ein Gevierteinzug. “Moderner Kram“ kann das also nicht sein. Andersrum wird ein Schuh draus: Das kann nur moderner Kram sein, das mit "ohne Einzug" am Seitenbeginn ... ;)

Das ist selbstverständlich nur ein Beispiel. Aber in meiner langjährigen Erfahrung ist mir der von @sureg geschilderte Fall noch nie untergekommen.

Gruß, Sharif

Nochwas: Das Original von "Sankt Julian" hätte ich ja auch gern. Leider handelt es sich bei meinem Exemplar nur um ein Reprint von 1970?.

Geschrieben

Norbert Pautner hat den Sachverhalt sehr treffend und richtig geschildert. Dieter Stockert formuliert es aus: Eine Frage der Konsequenz. Ohne Wenn und Aber.

Zwei wahllose Beispiele:

1543_tschichold_2.jpg

(aus: Jan Tschichold, Willkürfreie Maßverhältnisse der Buchseite und des Satzspiegels, Privatdruck, 1962)

ausgerüstet nach Angaben des Verfassers

1543_frutiger_1.jpg

(aus: Adrian Frutiger, Zeichen, Typotron-Heft 7, 1989)

ausgerüstet von Jost Hochuli, St.Gallen

Grüße,

Norbert Riedi

Geschrieben

Kommt ein Mann zu einem Rabbi und fragt:

»Rabbi, sage mir, warum müsst ihr Rabbiner auf eine Frage eigentlich immer mit einer Gegenfrage antworten?«

Der Rabbi muß lange nachdenken. Dann sagt er zu dem Mann:

»Ja, sage mir doch einmal, warum sollte er eigentlich nicht mit einer Gegenfrage antworten?«

In diesem Sinn: Welcher Sinn sollte sich denn dahinter verbergen, auf einer neuen Seite **keinen** Einzug zu haben? Der Einzug dient doch der Verdeutlichung, daß ein neuer Absatz und damit auch ein neuer Gedanke beginnt. Durchaus schlüssig ist der Gedanke, nach einer Überschrift genau keinen Einzug zu setzen, weil sowieso klar ist, daß einer neue Gedanke beginnen muß (wird z.B. in naturwissenschaftlicher Literatur immer vernachlässigt und sieht m.E. scheußlich aus!). Dies gilt aber ja nicht für eine neue Seite. Würde eine neue Seite grundsätzlich immer mit einem neuen Absatz beginnen, könnte der Einzug entfallen, aber da dies nicht der Fall ist, würde ein fehlender Einzug doch eine Unregelmäßigeit darstellen, welche den Leser mehr verwirrt als es ihm nützt, denn es soll ja auch vorkommen, daß einmal genau ein Satzanfang innerhalb eines Absatzes auf der nächsten Seite landet. Das könnte man dann nämlich ohne zurück zu blicken nicht mehr voneinander unterscheiden. In diesem Sinn würde ich das Grundformat eines Absatzes nur dann verändern, wenn es zwingende Gründe (Überschriften, Abbildungen, Tabellen, etc.) dafür gibt. Ansonsten würde ich die deutlich Kennung eines neuen Gedankens vorziehen.

Grüße aus England,

Chrisitan

Geschrieben
- hochwertiges Sachbuch

- Mengensatz

- Blocksatz mit Einzug

- ohne Leerzeichen

- Kapitelanfang mit Einleitungsabsatz in Versal, dann Leerzeile, dann hne Einzug beginnend

erster Absatz in Gemeinen.

- Folgeabsätze mit Einzug direkt angehängt, ohne Leerzeilen.

Nur so als Randbemerkung: Meines Erachtens beeinflussen Leerzeichen die Lesbarkeit im Allgemeinen schon ungemein positiv ... oder nicht ... oder doch :lol:

(oder hab' ich jetzt schon wieder was überlesen?)

Grüße,

Norbert Riedi

Geschrieben

- Blocksatz mit Einzug

- ohne Leerzeichen

Nur so als Randbemerkung: Meines Erachtens beeinflussen Leerzeichen die Lesbarkeit im Allgemeinen schon ungemein positiv ... oder nicht ... oder doch :lol:

Lieber Norbert,

Du hast recht, ich halte es mit den mittel-alten Schriftsetzern und nutze doch (!) Leerzeichen statt keiner Wortrenner oder senkrechter Striche ;-)

Die Aufzählung spricht natürlich von Leerzeilen, was ich soeben korrigiert habe:

- ohne Leerzeilen als Trennelement von Absätzen oder Abschnitt

Danke, auch für die Fotos von Werken unserer Lehrmeister,

SUReG

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