PatrickU. Geschrieben Juni 29, 2007 Geschrieben Juni 29, 2007 Hallo Miteinander! Ich habe eine Frage zur Schriftklassifikation Gruppe 1: Venezianische Renaissance-Antiqua Gruppe 2: Französische Renaissance-Antiqua Gruppe 3: Barock Antiqua Gruppe 4: Klassizistische Antiqua Gruppe 5: Serifenbetonte Linear-Antiqua Gruppe 6: Serifenlose Linear-Antiqua Gruppe 7: Antiqua-Varianten Gruppe 8: Schreibschrift Gruppe 9: Handschriftliche Antiqua Gruppe 10: Gebrochene a. Gotisch b. Rundgotisch c. Schwabacher d. Fraktur e. Fraktur-Varianten Gruppe 11: Fremdsprachen Irgendwie verstehe ich diese Zuordnung nicht wirklich. Oben wird beinahe nur die Antiqua vertreten und nie z.B. eine Grotesk Schrift (ausser bei Gruppe 6), aber es trift doch nicht jede Grotesk Schrift auf diese paar Merkmale zu (z.B. keine Serifen, Senkrechte Achsen etc.). So wie ich diese Klassifikation verstanden habe gilt diese Regelung so; jene Schrift die z.B. die gleiche Merkmale wie eine Französische Renessaince Antiqua (Gerundete Serifen, Schräge Achsen etc.) hat, wird in Gruppe 2 eingeteilt. Aber auch gleich hier erscheint es mir verwirrend, dass man die Namen von einzelnen Schrifttypen nimmt und sie als Titel für eine Gruppe übernimmt. Ein gutes Beispiel von den Gebrochenen Schriften; Schwabacher. Das ist doch eine Schrift für sich selbst. Und nun gilt es einfach so, dass wenn eine andere gebrochene Schrift ähnliche Merkmale hat wie diese Schwabacher, dann wird sie da eingestuft oder wie? Kann mir jemand dieses Prinzip aus der Sicht eines Erfahrenen Praxis Orientierten Fachmann/Frau erläutern? Vielen Dank im Voraus für die Hilfe! Lieber Gruss Patrick
Sebastian Nagel Geschrieben Juni 29, 2007 Geschrieben Juni 29, 2007 Die DIN-Klassifizierung ist nicht mehr besonders zeitgemäß. Inkonsistenzen sind eher die Regel, besonders wenn man beginnt, neuere Schriften einordnen zu wollen. Da fällt dann fast alles unter "Antiqua-Varianten". Auch alles abseits der Antiqua ist nicht besonders differenziert. Untergruppen helfen teilweise ab, aber die Oberkategorien sind da recht ungenau (siehe eben gebrochene Schriften oder Serifenbetonte oder Serifenlose). Alternative Klassifizierungssysteme sind zwar nicht "offiziell", helfen aber oft, sich besser über Schriftcharakteristiken unterhalten zu können. Ein recht verbreitetes System ist das von Hans Peter Willberg: http://www.typografie.info/typowiki/ind ... h_Willberg Es ist einfach eindeutiger sagen zu können "Die Univers ist eine statische Grotesk, die Frutiger eine dynamische solche", als zu sagen "beides sind Serifenlose, aber eben ganz anders, weil ..."
Bleisetzer Geschrieben Juni 30, 2007 Geschrieben Juni 30, 2007 Hallo Miteinander!Ich habe eine Frage zur Schriftklassifikation Gruppe 1: Venezianische Renaissance-Antiqua Gruppe 2: Französische Renaissance-Antiqua Gruppe 3: Barock Antiqua Gruppe 4: Klassizistische Antiqua Gruppe 5: Serifenbetonte Linear-Antiqua Gruppe 6: Serifenlose Linear-Antiqua Gruppe 7: Antiqua-Varianten Gruppe 8: Schreibschrift Gruppe 9: Handschriftliche Antiqua Gruppe 10: Gebrochene a. Gotisch b. Rundgotisch c. Schwabacher d. Fraktur e. Fraktur-Varianten Gruppe 11: Fremdsprachen Irgendwie verstehe ich diese Zuordnung nicht wirklich. Oben wird beinahe nur die Antiqua vertreten und nie z.B. eine Grotesk Schrift (ausser bei Gruppe 6), aber es trift doch nicht jede Grotesk Schrift auf diese paar Merkmale zu (z.B. keine Serifen, Senkrechte Achsen etc.). So wie ich diese Klassifikation verstanden habe gilt diese Regelung so; jene Schrift die z.B. die gleiche Merkmale wie eine Französische Renessaince Antiqua (Gerundete Serifen, Schräge Achsen etc.) hat, wird in Gruppe 2 eingeteilt. Aber auch gleich hier erscheint es mir verwirrend, dass man die Namen von einzelnen Schrifttypen nimmt und sie als Titel für eine Gruppe übernimmt. Ein gutes Beispiel von den Gebrochenen Schriften; Schwabacher. Das ist doch eine Schrift für sich selbst. Und nun gilt es einfach so, dass wenn eine andere gebrochene Schrift ähnliche Merkmale hat wie diese Schwabacher, dann wird sie da eingestuft oder wie? Kann mir jemand dieses Prinzip aus der Sicht eines Erfahrenen Praxis Orientierten Fachmann/Frau erläutern? Vielen Dank im Voraus für die Hilfe! Lieber Gruss Patrick Hallo Patrick, sieh es einmal vom anderen Ende aus, sprich: Aus der Zeit vor 1964. Denn damals wurde die DIN 16518 offizielle Norm. Die Hochzeit des Bleisatzes liegt in der Zeit zwischen 1910 und 1940. Heute wie damals waren die Schriftgießereien Unternehmen, die für ihre Produkte, also die Schriften, Werbung machten, um sie zu verkaufen. Ein Marketing-Hilfsmittel dabei waren die Bezeichnungen für die Schriften. Also zunächst die Schriftnamen selbst, dann aber auch die Gruppierungen, zu der sie gehörten. Und die waren sehr oft von Schriftgießerei zu Schriftgießerei unterschiedlich. Oft auch nur im historischen Zusammenhang zu verstehen. Eine Grotesk hieß Grotesk, weil sie sich in grotesker Weise von der Antiqua unterschied. Heute empfindet man aber sicher nicht, daß die Arial ein groteskes Flair hat. Die DIN 16 518 schuf Ordnung: http://www.bleisetzer.de/cms/front_content.php?idcat=41 Grundsätzlich beißen sich Normen und künstlerische Werke, sind im Widerspruch. Und das soll auch so sein. Also war auch von vornherein klar, daß die DIN 16518 nur ein mehr oder weniger unzulängliches Hilfsmittel ist. So gibt es die Gruppe VII - Antiqua-Varianten. Praktisch: Alles, was nicht in die anderen Gruppen paßt und keine Schreibschrift oder Gebrochene Schrift ist, packt man dort hinein. Unlogisch: Eine Futura Buchschrift gehört zur Gruppe VI - Serifenlose Linear-Antiqua. Die Futura licht jedoch ist eine Antiqua-Variante. Solche Beispiele findest Du viele in meiner Schriftensammlung. Dennoch ist mir persönlich die DIN 16 518 sehr wertvoll. Sie bringt Ordnung in das vorherige Chaos. Und zeigt fast schon in Demut - weil überdeutlich - die Grenzen beim Versuch, künstlerisches Schaffen in Normen zu packen. Und ich bin gut dran, denn ich beschäftige mich ausschließlich mit den Bleisatz-Schriften. Also einer überschaubaren Menge klassischer Schriften. Eines der ersten Themen, die ich nach Beginn meiner Teilnahme in diesem Forum ansprach, war die heute, moderne Form der Klassifizierung. Und ich habe wirklich fast immer nur zugehört und gefragt. Und aus Höflichkeit auch fast nie widersprochen. Mein Fazit: Sehr viel logischer ist die heutige Klassifizierung auch nicht. Aber natürlich unübersichtlicher wegen der Flut an Schriften. Ich bin froh, daß ich die DIN 16 518 habe. Und für meine Belange reicht sie mir aus. Die Mängel (ich vergaß oben, daß es ja auch bei den Gebrochenen eine Untergruppe Fraktur-Varianten gibt, die wiederum Sammelbecken für alle nicht eindeutig klassifizierbaren Gebrochenen geworden ist) nehme ich in Kauf. Georg
PatrickU. Geschrieben Juli 2, 2007 Themen-Ersteller Geschrieben Juli 2, 2007 Vielen Herzlichen Dank für die Antworten! So etwas in der Art habe ich mir schon vorgestellt. Dann ist diese andere neue Regelung eigentlich gar nicht wirklich definiert sondern man benutzt Beschreibungen wie z.B. "Gebrochene Grotesk" usw?
Sebastian Nagel Geschrieben Juli 2, 2007 Geschrieben Juli 2, 2007 Dann ist diese andere neue Regelung eigentlich gar nicht wirklich definiert sondern man benutzt Beschreibungen wie z.B. "Gebrochene Grotesk" usw? Sie ist einfach nicht mehr linear, sondern eine zweidimensionale Matrix. Horizontal: • Dynamisch (humanistisches Formprinzip) • Statisch (klassizistisches Formprinzip) • Geometrisch (konstruierte Form) Vertikal: • Antiqua (Strichstärkenkontrast, Serifen) • Antiqua-Varianten (Strichstärkenkontrast, keine Serifen) • Grotesk (gleichmäßige Strichstärken, keine Serifen) • Egyptienne (Strichstärkenkontrast, kräfige Serifen) Das erleichtert das Beschreiben bzw. einsortieren, da jede horizontale Eigenschaft mit jeder vertikalen gepaart werden kann (dynamische Antiqua, dynamische Grotesk, dynamische Egyptienne, statische Antiqua, statische ...) Was nicht heißt dass die (nicht zweidimensionale) DIN-Norm schlecht war als sie gemacht wurde. Damals war ganz einfach noch "niemand" auf die Idee gekommen, eine Schrift wie die Syntax oder die Frutiger zu machen (oder gar eine Scala oder Rotis). Die Groteskschriften waren noch relativ neu und noch nicht so weit in den Formenprinzipien differenziert wie die Antiqua. Da konnte man noch alles in eine Klasse stecken und es passte. Wie wird eigentlich die Gill Sans nach DIN klassifiziert? Ist das einer der Fälle, in dem man die Antiqua-Varianten bemühen muss?
Bleisetzer Geschrieben Juli 3, 2007 Geschrieben Juli 3, 2007 Wie wird eigentlich die Gill Sans nach DIN klassifiziert?Ist das einer der Fälle, in dem man die Antiqua-Varianten bemühen muss? Nein, die Gill wird der Gruppe VI - Serifenlose Linear-Antiqua - zugeordnet. Rückfrage: Wieso eigentlich Gill sans? Es gibt doch gar keine Gill mit Serifen? Solche zugegeben Absurditäten gibt es eine ganze Reihe, wie ich schon schrieb. Extrem verwirrend und regelrecht sich negativ für den Verkauf auswirkend ist es, wenn auch innerhalb von Schriften diese in unterschiedliche Gruppen geschoben werden müssen nach der DIN 16 518. Simples Beispiel: Die Schrift Beton. Klar, eine Serifenbetonte Linear-Antiqua. Aber die Beton licht (outline) ist, streng genommen, eine Antiqua-Variante. Ich selbst liste sie aber aus eben diesen o.g. Gründen ebenfalls als Serifenlose Linear-Antiqua: http://www.bleisetzer.de/cms/front_cont ... &idart=687 Aber es ist definitiv falsch. Ich sage mir halt: Wer sich in der Schriftensammlung die Schnitte der Beton anschauen will, der erwartet sie in derselben Grujppe und sucht nicht weiter, wenn er dort keine lichte Version findet. Anderes Beispiel sind die ganzen Jugenstil-Schritten: Antiqua-Varianten. Aber Jugendstil-Schriften sind sehr oft an die Grotesken, also die Serifenlosen Linear-Antiquae (Plural) angelegt: http://www.bleisetzer.de/cms/front_cont ... &idart=640 Ein befreundeter Schriftsetzer schlug einmal vor, eine Norm für die Klassifizierung von Bleisatz-Schriften zu verwenden, die die Schriften in Epochen zusammenfaßt. Das ist nicht ganz unlogisch, führe aber zu anderen Mißverständnissen. Ergo: Solche Normen sind immer eine Krücke, wenn man mit ihnen künstlerische Produkte erfassen will. Es ist ein Widerspruch in sich. Georg
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