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Welche Schrift für was bei einem Fachtext

Empfohlene Beiträge

Geschrieben
Hallo!

Ich komme bald in die Verlegenheit naturwissenschaftliche Texte verfassen zu müssen. Daher wollte ich mich vorab etwas bezüglich der Typografie informieren. Aus diesem Grund würde ich mich sehr über eure Hilfe und Tipps freuen!

Welche konkreten Empfehlungen könnt ihr einem blutigen Anfänger auf die folgenden Fragen geben:

1. Welche Schrift für Überschrift 1 (2, 3 usw.) ?

2. Welche Schrift für den Fließtext?

3. Welche Schrift für Tabelleninhalt?

4. Welche Schrift für Bildunterschriften?

5. Welche Schrift für Formeln?

Schön wäre auch eine Begründung für die Empfehlung. Also warum die Schrift hier besonders gut passt (für mein Interesse).

Dabei sollte beachtet werden, dass die Schriften möglichst unter OpenOffice und/oder MS Word verfügbar sind oder kostenlos nachinstalliert werden können.

Grüße, Curryhuhn

Geschrieben

Wiederhole ich mich? Ich wiederhole mich, oder? :twisted:

Wissenschaftlicher Textsatz hängt an den Sonderzeichen. Es geistert nach wie vor die Annahme durch die Köpfe von Doktoranden und Diplomanden, daß man einfach z.B. in Arial schreibt und dann Sonderzeichen über »Symbol« einfügt. Wenn man für Sonderzeichen einen anderen Font benutzen muß als für den Fließtext, dann hat man i.d.R. den falschen Font gewählt.

Erste Frage ist also: Welche Sonderzeichen werden benötigt? In fast allen wissenschaftlichen Texten wird mindestens ein kursiver Schnitt benötigt; den muß die Schrift mitbringen. Allein hierdurch kann man bereits viele der free fonts aussortieren. Darüberhinaus werden vielfach griechische Buchstaben und/oder mathematische Sonderzeichen benötigt. Unterstützt der Font, welchen ich mir ausgesucht habe, diese?

Sehr gut ausgebaut ist durchaus die Times New Roman, aber sie eignet sich nicht sonderlich für das hochweiße Kopierpapier, ist angestaubt und die fetten Schnitte sind häßlich und für Überschriften im Grunde nicht zu gebrauchen.

Die Minion verfügt über einen excellenten Zeichenvorrat und kommt mit dem freien Acrobat Reader von Adobe; ausprobieren lohnt in jedem Fall. Ich halte sie für sehr empfehlenswert (nicht umsonst wird sie von der naturwissenschaftlichen Zeitschrift »Nature« als Brotschrift eingesetzt). Das hinting ist gut, so daß sich gut mit ihr am Bildschirm arbeiten läßt. Außerdem läßt sie sich, in Word gesetzt, ganz passabel lesen, weil es relativ wenige Kollisionen der Buchstaben gibt.

Bei den Serifenlosen ist die Myriad Pro sehr gut ausgebaut; auch sie kommt mit dem Acrobat Reader, so daß man ausprobieren kann. Sie eignet sich gut in Kombination mit der Minion.

Ferner bekommt man vier Schnitte von der Frutiger, wenn man sich den kostenlosen »Reader« von Microsoft installiert. Auch diese ist gut ausgebaut und recht gut lesbar. Meines Erachtens ist ein Nachteil, daß sie keine echte Kursive hat.

Alternativ kann man die M$-Kopie »Segoe« verwenden, welche man mit einem echten kursiven Schnitt bekommt. Die Segoe bekommt man zusammen mit den neuen Office2007-Schriften, indem man sich den kostenlosen Viewer für PowerPoint2007 installiert. Alle kommen mit einem kompletten griechischen Zeichensatz daher. Die Cambria hat zusätzlich einen eigenen Schnitt mit mathematischen Zeichen.

Sehr gut ausgebaut, frei erhältlich und von vielen Geschätzt sind die Tex/Latex-Fonts Computer/Latin Modern, die fast alle Zeichen beinhalten, die man benötigt (m.E. häßlich wie die Nacht).

Wenn keine oder nur wenig Sonderzeichen gebraucht werden, ist die Auswahl etwas größer. Hier kommt es drauf an, ob es sich um viel Fließtext, Text mit Abbildungen und Formeln etc. handelt. Abbildungen, Formeln u.ä. machen den Text unruhig. Wählt man eine spannungsreiche Schrift, dann werden solche Textseiten leicht **zu** unruhig. Neutralere Schriften sind hier besser geeignet. Hat man es hingegen tatsächlich mit großen Fließtextmengen zu tun, dann kann der Einsatz von spannungsreicheren Fonts Wunder wirken und die Seiten auflockern. Ich habe hier einige Arbeiten in der Garamond herumliegen, welche recht gut ausgebaut ist. Aber bei vielen Formeln und Abbildungen fangen die Seiten leicht an zu flimmern. In den ruhigeren Abschnitten hingegen ist sie natürlich so »klassisch« wie eh und jeh (und ichmeine jetzt natürlich nicht die Epoche :wink:)

Die Lido von Frantisek Storm hat kaum griechische Zeichen, ist aber frei erhältlich, netter anzusehen als die Times NR und der fette Schnitt ist deutlich besser zu handhaben. Der Charakter ist eher nüchtern. Leider ist das hinting nicht sonderlich gut, was die Arbeit am Bildschirm erschwert.

Ansonsten die üblichen Seiten nach Fonts absuchen:

http://www.smashingmagazine.com/category/fonts/

http://www.praegnanz.de/essays/

http://www.josbuivenga.demon.nl/

So, hoffentlich ist das ein Beitrag, auf den ich später selber mal wieder verweisen kann ...

Grüße,

Christian

Geschrieben

Hallo!

Wichtig bei wissenschaftlichen Texten sind vielfältige Auszeichnungsmöglichkeiten, also zB. Kapitälchen für Autorennamen, Kursiv für Fachbegriffe, Versalien für Eigennamen usw...

HP WIlberg nennt so was "differenzierende Typografie", gut nachzulesen im Buch "Lesetypografie" vom Hermann Schmidt Verlag.

Desweiteren muss sie einwandfrei lesbar sein, weil der Text wohl etwas länger wird...

Seriösität ist in diesen Kreisen wichtig, klassischer schnörkelloser Stil wird lieber gesehen als Augenpulver (unterstelle ich jetzt mal), also eher eine Serif für Langtexte. Überschriften könnten schon Sans sein.

Schwierig wirds beim Punkt kostenlose verfügbarkeit...

Meine beiden Empfehlungen wären:

Times New Roman (http://de.wikipedia.org/wiki/Times_New_Roman)

Computer Modern (http://de.wikipedia.org/wiki/Computer_Modern)

Welche Schrift du wo verwendest kann Dir hier kaum jemand sagen, das geht sehr ins Detail und ist mit vielen, vielen Rückfragen verbunden.

Ich hoffe das hilft fürs erste.

Gruß Alex

Geschrieben

Hallo CRudolph!

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

Die Schriftart Minion hört sich gut an. Jedoch habe ich unter WindowsXP den Acrobat Reader 8 instaliert, kann diese Schriftart aber nicht unter Office2007 auswählen. Unter Linux werde ich mal den Acrobat Reader installierun und dann schauen.

Gibt es denn ein paar allgemeine Grundregeln bezüglich des Verhältnisses von Fließtext und Überschriften? Schriftgröße? Überschriften fett und/oder unterstrichen?

Und kennt jemand eine Webseite mit typografischen Empfehlungen oder ein Buch ala "Typografie für Naturwissenschaftler"?

Ich finde dieses Thema schon sehr interessant habe aber nicht die Zeit mir darüber diverse Bücher durchzulesen. Möchte halt meine Texte als Leihe möglichst ordentlich gestalten und nicht blind in Word rumklicken. ;-)

Geschrieben

Du musst die Schrift erst noch installieren, d.h. in den Ordner C:\WNDOWS\Fonts kopieren. In der Regel wirst Du Sie unter C:\Programme\Adobe\Reader 8.0\Resource\Font finden.

Geschrieben

Wie wäre es mit dem Buch "Zeichen setzen" von Ralf Herrmann? Finde ich sehr hilfreich. Reklame dazu gibt es hier im Forum links in der Sidebar ;-)

Auch IMHO sehr nützlich: "Erste Hilfe in Typografie" von Willberg/Forssman

Geschrieben

@hey:

Vielen Dank! Ich habe die Schriftart jetzt installieren können.

@CRudolph:

Woher weißt du, dass Nature die Schriftart Minion Pro verwendet? Hast sie erkannt oder steht das irgendwo?

Allgemein:

Wie war das doch gleich mit dem Spiel zwischen Fließtext und Überschriften?

Geschrieben

Die Minion ist relativ charakteristisch. Sobald man einmal ausführlicher damit gearbeitet hat, erkennt man sie leicht.

Was die Überschriften angeht: die sollen sich natürlich abheben. Dies führt bei Laien fast grundsätzlich dazu, daß Überschriften doppelt und dreifach ausgezeichnet werden. Man macht sie größer als den Fließtext, in einer anderen Schriftart und noch fett dazu. Und vielleicht auch gleich noch Großbuchstaben. Warum?

Entscheidender Faktor bei den Überschriften ist, daß man sich in der oftmals komplizierten Hierarchie problemlos zurechtfindet. Man muß anhand der Gestaltung der Überschriften unfehlbar erkennen, in welcher Ebene man sich befindet. Wenn man dann immer alle Auszeichnungsmöglichkeiten gleichzeitig verwendet, fehlen einem die Möglichkeiten.

Weiterhin muß man sich die Struktur der Überschriften ansehen. In naturwissenschaftlichen Zeitschriften findet man oftmals eine Ebene in Kapitälchen. Gennamen werden aber oftmals spezifisch in Kleinbuchstaben gesetzt. Das führt dann zu einem Mischmasch von Kapitälchen und Kleinbuchstaben. Es zwingt einen ja niemand, Kapitälchen zu verwenden, wenn es mit dem Text kollidiert, das sollte man also überdenken.

Die 1. Ebene z.B. ist oftmals dominiert von sehr kurzen Worten (Einleitung, Material & Methoden, Ergebnisse etc.). Sie kommt zudem nicht sonderlich häufig vor. Hier kann man dementsprechend eine deutlich größere Schriftgröße und viel Abstand verwenden. Auch Großbuchstaben oder Kapitälchen machen sich recht gut; durch die kurzen Worte hat man genügend Platz für Sperrung etc.

Bei der 2. Ebene wird es komplizierter, hier kommen oftmals spezifische Textformatierungen vor. Damit bieten sich Großbuchstaben oder Kapitälchen nicht mehr an. Immer noch deutlich größer als der Fließtext ist nicht verkehrt. Hier lassen sich m.E. halbfette Schnitte sehr gut zur Abhebung von der 1. Ebene verwenden.

Die 3. Ebene enthält oftmals bereits ausführlichere Erklärungen zum folgenden Text. Damit muß sie deutlich kleiner sein, damit möglichst keine dreizeiligen Überschriften zustande kommen. Ist sie klein genug, sollte sie sich deutlich von der 2. Ebene abheben.

Eine 4. Ebene ist bereits hochgradig differenziert, läßt sich aber oftmals nicht umgehen. Man kann sie in der Fließtextgröße halten und kursiv vom Fließtext abheben. Kursive Organissmennamen etc. werden invertiert, daher im Normalsatz dargestellt.

Wenn weitere Ebenen benötigt werden, stimmt etwas mit der Struktur der Arbeit nicht.

Erleichtert wird das Ganze durch ein Numerierungssystem, welches natürlich sofort aufzeigt, in welcher Ebene man sich befindet. In einem solchen System ist die Differenzierung über die Typografie nicht ganz so wichtig. Ich persönlich habe den Sinn eines solchen Systems noch nie eingesehen. Der Verweis (siehe Kapitel 2.3.6.5) bringt einem kaum eine Hilfe, man weiß eh nicht, wie weit man blättern muß. Viel eindeutiger sind Seitenverweise (siehe Seite 122), welche einem sofort eine Vorstellung davon geben, wo ungefähr man suchen muß. Zusammen mit einer guten strukturellen und typografischen Ordnung sind Numerierungen m.E. schlicht überflüssig. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Das sollte Dir eine Richtung bezüglich der Gestaltung geben. Genaue Angaben zu Schriftgrößen lassen sich einfach nicht machen. Dazu sind die möglichen Fonts einfach zu unterschiedlich. Das muß man konkret ausprobieren. Generell hilft Kontrast. Wenn ich den Text in Minion 10 pt setze und eine Überschrift in 11 pt, wird man den Unterschied kaum sehen können. Ich kann natürlich einen halbfetten Schnitt verwenden, aber warum dann die Schriftgröße auf 11 erhöhen? Oder andersherum: Wenn ich Fließtext in 11 pt habe und die Überschriften in 18 pt setze, warum sollten sie dann noch fett sein? Wie Designworker Markus sagen würde: Schauen ist die wichtigste Regel. Und Kollegen fragen. Ein Hierarchie-System entwerfen, es dem Kollegen erklären und dann Seiten mit nur einer Ebenen-Überschrift generieren. Der Kollege muß sofort sagen können, um welche Ebene es sich handelt, sonst ist die Hierarchie nicht klar.

Grüße,

Christian

Geschrieben

Vielen Dank für eure Hilfen! Die haben mir wirklich sehr weiter geholfen.

Ich probiere mit den neuen Ideen mal ein wenig rum. Ich schau sonst auch einfach mal in Lehrbücher und Fachzeitschriften wie das da gelöst ist.

Wollte mich in den Semesterferien auch näher mit LaTeX beschäftigen. Kann man da eigentlich auch Minion Pro verwenden (okay, die Frage ist etwas ab vom Thema)?

Typografie ist wirklich recht interessant. Habe ich mir zuvor noch nie wirklich ein Kopf darüber gemacht. Nur habe ich lezte Woche für das nächste Semester ein Praktikumsscript erhalten, das komplett in Arial verfasst ist. Die Scripte des aktuellen Semesters waren auch schon alle komplett in Arial (oder Verdana oder so). Das kann es doch irgendwie nicht sein?! Oder ist Arial hier üblich und/oder sogar sinnvoll?

Geschrieben

Hallo!

Curryhuhn hat geschrieben:

Die Scripte des aktuellen Semesters waren auch schon alle komplett in Arial (oder Verdana oder so). Das kann es doch irgendwie nicht sein?! Oder ist Arial hier üblich und/oder sogar sinnvoll?

Üblich ist das allemal. Auch die Times New Roman ist sehr verbreitet. Kombiniert wird das ganze dann mit überlangen Zeilen und Missachtung sämtlicher Satzregeln. (Es gibt auch Ausnahmen.)

In den Naturwissenschaften (speziell Mathematik, Physik und verwandte Disziplinen) sind auch die Computer-Modern-Fonts nicht unüblich. Auf einem Bürodrucker ausgedruckt und dann kopiert ist das allerdings gruselig.

Bei Skripten, die kopiert werden oder zum Download bereitstehen und selbst ausgedruckt werden müssen (wird ja mehr und mehr zum Standard), ist die Arial vielleicht garnicht die schlechteste Wahl. Das Kopieren kann der Arial relativ wenig anhaben und auch der Ausdruck auf dem 300 dpi Tintenstrahldrucker liefert meist noch passable Ergebnisse. Es gibt halt keine Serifen oder Strichstärkenunterschiede, die verschmieren oder verschwinden können. Anders ist das bei den Computer-Modern-Fonts. Die sehr feinen Striche verschwinden beim Kopieren manchmal. Weitere Vorteile sind, dass beide Schriften (Times und Arial) sind gut ausgebaut und auf nahezu jedem Computer verfügbar.

Und das Universalargument: Das haben wir schon immer so gemacht. :wink:

Gruß Stephan

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