Typofreund Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 Hallo, ich habe hier gerade eine alte Bibel (Martin Luther) vor mir liegen. Beim genaueren studieren der typographischen Eigenarten fiel mir etwas auf: Das Wort Herr (bzw. Herrn), was heutzutage meist in Kapitälchen gesetzt wird, wurde mit zwei Versalien geschrieben: "HErrn" (es kommt in folgenden Wörtern vor: "HErr", "HErrn","GOtt","GOttes", "JEsu","JEsus") Kann mir jemand erklären warum man das damals so gesetzt hat? Warum die ersten zwei Buchstaben in Versalien? (Eine derartige Hervorhebung ist meines wissens nicht "normal") Viele Grüße Martin Lange
hey Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 Versalsatz sieht in der Fraktur fürchterlich aus, dafür ist sie einfach nicht gemacht. Dementsprechend gab es auch keine Kapitälchen-Schnitte (Kursive auch nicht). Also musste man sich mit anderen Auszeichnungsarten behelfen: Sperrung, das Wort aus einer anderen Schrift setzen oder eben dieser hier (sicherlich nicht die eleganteste Lösung). Übrigens: aus der Luther-Zeit ist der Druck sicher nicht, die Inkunabeln sahen eher so aus:
Gast Zainer Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 Diese Art Hervorhebung ist in ganz normal - zumindest in Texten, die in protestantischen Territorien oder für Protestanten gedruckt sind. In den ersten Drucken von Luthers Bibelübersetzung waren Worte wie JESU GOTT HERR CHRISTUS ganz im Versalien gedruckt. Diese Konvention änderte sich im Laufe des 17. Jahrunderts dahin, daß nur noch die ersten beiden Buchstaben dieser Wörter groß gedruckt wurden - meiner Meinung nach, weil ein ganzes Wort in Majuskeln in Fraktur nicht so gut aussieht und überdies noch erheblichen Platz beansprucht, was bei einem Bibeldruck durchaus ein bis zwei Druckbögen ausmachen kann.. Im übrigen kann man diese Schreibweise in manchen kirchlichen Texten auch heute noch finden - dann allerdings meist als bewußt eingesetzter Archaismus. Wolfgang
hey Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 Manchmal sollte man auch die Beitragsüberschriften lesen. Egal, die frühen Drucke sind auch so schön anzuschauen 8)
Lars Kähler Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 Manchmal sollte man auch die Beitragsüberschriften lesen. Egal, die frühen Drucke sind auch so schön anzuschauen 8) Sag mal, bist Du da irgendwie an der Quelle für Inkunablendrucke bzw. -scans? Da hätte ich ja ein großes Interesse an Abbildungen. Kannst Du mir etwas zu den Bildrechten sagen? Lars
Gast Zainer Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 Abbildungen von Inkunabeltypen gibt es auf den Tafeln der Gesellschaft für Typenkunde GfT (heute nicht mehr existent). Bei wem die Rechte liegen - keine Ahnung. Ees gibt ca 2400 Tafeln mit dem Typensatz und/oder Beispielen. Eine Übersicht kann man bei http://www.ndl.go.jp/incunabula/e/font/font_01.html finden (Bibliothek des Japanischen Reichstags). Dort sind auch einige der Tafeln als Scans zu finden. Wolfgang edit PS Die Rechteinhaber kann man eventuell bei der Staatsbibliothek zu Berlin - Inkunabelabteilung/Gesamtkatalog der Wiegendrucke erfragen.
Christoph Schumacher Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 @ Lars Kähler: Das hochaufgelöste Bild der Inkunabel findest Du hier: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c1/Inkunabel.ValMax.001.jpg @ FlorianG: Wow, das ist aber ein toller Link! Die GRossschreibung bei «heiligen» Worten begegnet einem übrigens auch im sehr lesenswerten Buch «Garamonds Lehrmeister» von Anne Cuneo. Hier geht's zum Buch: http://www.amazon.de/Garamonds-Lehrmeister-Anne-Cuneo/dp/3857914637/ref=sr_1_1/302-2549813-2868051?ie=UTF8&s=books&qid=1184782282&sr=8-1 Herzliche Grüsse: christoph
hey Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 Manchmal sollte man auch die Beitragsüberschriften lesen. Egal, die frühen Drucke sind auch so schön anzuschauen 8) Sag mal, bist Du da irgendwie an der Quelle für Inkunablendrucke bzw. -scans? Da hätte ich ja ein großes Interesse an Abbildungen. Kannst Du mir etwas zu den Bildrechten sagen? Lars Bei Wikipedia/Wikimedia findet man da schon erstaunlich viel, man muss eventuell etwas kreativ suchen (z.B. nach den bekannten Druckern der Zeit, Lutherbibel, Gutenbergbibel usw.). Diese Bilder stehen ja unter Creative-Commons-Lizenz oder sind gleich gemeinfrei. Ein Gang in eine gut sortierte Biblithek könnte auch helfen, ich meine da mich an einen dicken Folianten aus den 20ern im Licjhtdruck zu erinnern, da dürften die Urheber auch schon lang genug tot sein. Mist: ich kann das Ding grad nicht finden. Zumindest bei staatlichen Archiven sollte die Verwendung für Global-Type bei einer Anfrage, die das Projekt erklärt kein Problem sein.
hey Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 Ah genau, die Zeitschrift Veröffentlichungen der Gesellschaft für Typenkunde des XV. Jahrhunderts und die Nachfolgerin Die Buchdruckerkunst des 15. Jahrhunderts dürften für Dich interessant sein. Die stammen aus den Jahren 1907 bis 1939 und enthalten für die Bilder jeweils Quellenangaben, da wirst Du sicher etwas inzwischen gemeinfreies finden.
Martin Charstensen Geschrieben Juli 18, 2007 Geschrieben Juli 18, 2007 Das Wort Herr (bzw. Herrn), was heutzutage meist in Kapitälchen gesetzt wird, wurde mit zwei Versalien geschrieben: "HErrn" (es kommt in folgenden Wörtern vor: "HErr", "HErrn","GOtt","GOttes", "JEsu","JEsus") Die Zwischenformen wie HErr oder GOtt war in der Antiqua ebenso wie bei gebrochenen Schriften als alleinige Hervorhebung für das Wort Gott erlaubt. Diese Zwischenformen hob sich wie bereits schon erwähnten, zwischen dem kaum lesbaren Versalsatz in der Fraktur und dem gut lesbaren bei der Antiqua deutlich hervor. Der Grund weshalb dies in neuen Bibelausgaben nicht mehr so gehandhabt wird, liegt am gegenwärtigen theologischen Verständnis.
Typofreund Geschrieben Juli 18, 2007 Themen-Ersteller Geschrieben Juli 18, 2007 Oh, vielen Dank für die Antworten. Genau das wollte ich wissen.
Lars Kähler Geschrieben Juli 19, 2007 Geschrieben Juli 19, 2007 Auch ich möchte mich für die vielen sehr leckeren Links bedanken. @ hey: Ebenso wie Du war ich darüber erstaunt, was bei Wikipedia schon alles so rumschwirrt. Ich sammle das in meinen Hot Spots, die nichts anderes als Photoshop-Dokumente mit diversen Ebenen sind, gelegentlich auch höher aufgelöst. Es erhebt sich die Frage, wie genau diese Hot Spots eigentlich sein sollen, sprich, welche Druckwerke erwähnt werden sollten. Eigentlich geht es ja mehr um Schriftformen als um konkrete Werke, was sich natürlich gerade zu Beginn des Druckzeitalters manchmal schlecht trennen lässt. Global Type ist jedenfalls ein typohistorisches, kein literaturhistorisches Unternehmen. Je mehr man in die Neuzeit kommt, desto mehr häufen sich die Punkte, bis sie anfangen, sich zu überlagern. Außerdem ist mir inzwischen aufgegangen, dass man besser als Zeitpunkte – klar, die gibt es auch – Zeitintervalle resp. Lebensabschnitte darstellen sollte. Das ist kein grundsätzliches Problem. Lars P.S.: Einige neue Hot Spots zur Ansicht gefällig? Würde ich dann unter TypoShow einstellen.
hey Geschrieben Juli 19, 2007 Geschrieben Juli 19, 2007 P.S.: Einige neue Hot Spots zur Ansicht gefällig? Würde ich dann unter TypoShow einstellen. Immer her damit.
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