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Buchgestaltung mit genetischen Algorithmen

Empfohlene Beiträge

Gast ChristianBüning
Geschrieben

hier wird aber gewaltig was verwechselt.

Evolution ist die Zuchtwahl aus einer Bandbreite von Varianz innerhalb einer Art. Bandbreite haben wir hier, eine Art auch und eine Varianz auch. Nur ist in der Evolution die Auswahl ungerichtet, es gibt kein Ziel, auch wenn Kreationisten das nicht gerne hören. Die Auswahl hier ist aber ein Wettbewerb mit einem Ziel, nämlich dem am meisten massenkompatiblen Geschmack. Dass der nicht immer der erlesenste ist, zeigt ein Blick ins Kühlregal.

Jeder, der es schonmal mitgemacht hat, weiß, dass solche Wettbewerbe zu nix außer ein paar Schlagzeilen führen und der Erkenntnis, dass es nicht ohne Grund Buchgestalter gibt.

Geschrieben

Hallo!

Die Auswahl hier ist aber ein Wettbewerb mit einem Ziel, nämlich dem am meisten massenkompatiblen Geschmack.

Ist das bei der Evolution denn anders? Letzlich überlebt die Art, die am besten mit ihrem Lebensraum zurecht kommt.

Gruß Stephan

Gast ChristianBüning
Geschrieben

das stimmt, aber dieser Wettkampf hat keine Richtung. Es gibt kein Ziel der Evolution, hört sich aber immer so toll an im Marketing, das Wort für Wettbewerbe zu nehmen.

Geschrieben

Eben. da wird nichts "verbessert", sondern nur verändert.

Wenn dann was besseres rauskommt, ist das ein Nebeneffekt, kein Ziel.

Umgelegt auf das Buchprojekt müsste man alle Parameter ständig durchmixen, und eine Gruppe von Leuten selektiert dann gelungene Versionen aus. In der nächsten Runde werden aber nicht diese aber nicht weiterverwendet, sondern es wird neu gemixt.

Geschrieben
das stimmt, aber dieser Wettkampf hat keine Richtung. Es gibt kein Ziel der Evolution, hört sich aber immer so toll an im Marketing, das Wort für Wettbewerbe zu nehmen.

Natürlich gibt es ein Ziel der Evolution – das Überleben. Die Evolution ist ganz eindeutig zielgerichtet, sonst wäre allein schon der Begriff unsinnig. Das Problem ist, daß man nicht vorhersagen kann, in welche Richtung denn die Entwicklung gehen wird. Das Ziel hingegen ist eindeutig: Zu überleben.

In diesem Sinn ist ein solches Projekt durchaus eine »Evolution«, denn es werden ja Parameter angegeben, die einen »Selektionsdruck« auf eine »Spezies« ausüben. Hier greift dann aber genau das gleiche Problem wie in der Natur auch: Der von Darwin geprägte Begriff der »fitness« bezieht sich eben nicht auf den Ist-Zustand einer Spezies, sondern auf die Präsenz im Verlauf der kommenden Zeit. Wenn eine Spezies nicht »fit« genug ist, dann wird sie irgendwann einfach aufhören zu existieren. Sie kann sich also durchaus »entwickeln«, die eigentliche »fitness« kann man aber erst im Nachhinein beurteilen.

Aber das Schönste ist, daß Evolution nicht moralisch ist. Es gibt eben genau kein »besser« oder »schlechter«; dies ist der Grund, warum der Grundgedanke hinter dem Projekt falsch ist. Die Evolution produziert eben genau nicht »absichtlich« bessere Varianten – und das ist vermutlich auch genau das, was mein Namensvetter eigentlich aussagen wollte.

In diesem Sinne: Laßt die da doch die Abstimmung machen, schauen wir uns an, in welcher Richtung sich das Projekt entwickelt (evolviert). Wenn es dann in 100 Jahren noch immer auf dem Buchmarkt anzutreffen ist, dann kann man getrost sagen, daß diese Spezies Buch fitter war als viele Andere. Ansonsten wird sie einfach sang- und klanglos innerhalb kürzester Zeit verschwinden (was durchaus meine Prognose für solche »verbesserten« Werke ist).

Warum muß man nach dem Urlaub wieder arbeiten? :cry::cry::cry:

Christian

Gast ChristianBüning
Geschrieben

Christian, vielen Dank, du beschreibst mein Unbehagen mit der Verwendung des Wortes Evolution viel besser als ich es könnte. :-)

Geschrieben

Das projekt kann theoretisch allerdings durchaus funktionieren. Die Diskussion hat mich an die Software »PhotoGenetics« erinnert, mit welcher ich einmal gespielt habe. Das Programm hat von einem usprünglichen Photo vier Varianten erstellt und man mußte angeben, welche einem besser gefiel als das Original. Von der verbesserten Version wurden dann wiederum neue Varianten erstellt. Das Programm hat dadurch etwas erreicht, was ich nicht besser formuliern könnte als diese Rezension:

If you're already comfortable with an advanced program like Photoshop or PhotoPaint, you'll probably be frustrated by the lack of control with PhotoGenetics. […] … we feel that PhotoGenetics does perform a valuable function, in that it consistently leads to improved images, and in fact requires NO knowledge of image adjustment to do so.

Sehr wahr! Leider scheint das Programm nicht mehr weiter entwickelt zu werden. :o

Ich habe ja immer den Wunsch gehegt, daß die Digitalphotografie zu einer deutlichen Verbesserung des Gesamtbestandes an Bildern führen sollte. Denn man kann die Bilder immerhin sofort grob auf Qualität untersuchen und schlechte Bilder im Zweifelsfall sofort löschen. Man kennt das noch vom Film: Bei 36 Aufnahmen hat man mit etwas Glück 10% richtig gute Bilder gehabt (rund vier Bilder pro Film), rund 60% war »in Ordnung« und hatte Erinnerungswert und rund 30% war mißraten (ich meine das jetzt natürlich nicht auf professionellem Niveau!). Jede Entwicklung und jeder Abzug war teuer, Experimente mußten abgewogen werden. Die digitalen Knipsen sind da ideal: Man probiert einfach und löscht die Bilder dann sofort wieder. Zum Beispiel bei einer Hochzeit macht man eben 250 Bilder, schmeißt mindestens 100 davon gleich wieder raus, weitere 100 kommen ins Album als Erinnerung und dann wählt man die besten 10, die richtig gut sind, aus und verschickt sie an die Gäste. Gerade habe ich so einen Fall gehabt: Ich bekam eine CD gleich mit allen 250 Aufnahmen. War nett gemeint, aber bei so einer Bilderflut ist die Hürde des Ansehens doch gleich viel höher. Ich habe mich dann durch alle Bilder hindurch gequält nur um frustriert festzustellen, daß der Anteil wirklich guter Bilder bei 0 % lag.

Das ist eben ein Aspekt, den man bei der Evolution gerne vergißt: Es ist die Gesamtentwicklung! Der verbesserte Selektronsprozeß ist ja gut und schön und alle stimmen auch immer fein bei der Argumentation zu. Die Digitalphotografie hat aber eben auch zur Folge, daß Bilder extrem billig sind und durch die kleineren Kameras diese immer und überall mit dabei sind. Es werden also überall Photos gemacht, also bei Gelegenheiten, bei welcher früher nie Photos gemacht wurden, und diese werden dann zusätzlich einfach überhaupt nicht mehr selektiert.

Und um jetzt den weiten Bogen zurück zum Ausgangspunkt zu schlagen: Die Macher von PhotoGenetics sind mit Sicherheit Profis in Sachen Bildbearbeitung gewesen. PhotoGenetics »betrügt« nämlich den Benutzer: Es gibt eine limitierte Zahl an Korrekturen, welche bei herkömmlichen Bildern immer wieder auftreten (Überbelichtung, Unterbelichtung, fehlender Kontrast etc.). Wenn ich eine solche Liste einfach abarbeite, dann werde ich immer Veränderungen finden, die meine Bilder verbessern. Auf das Buch-Projekt übertragen würde das bedeuten: Wenn ausgezeichnete Designer, die ihr Handwerk verstehen, mehrere Varianten ausarbeiten und unter diesen gewählt werden kann, dann hätte ein solches Projekt den Hauch einer Chance, etwas Brauchbares zu generieren. Aber daß auch dies oft genug in die Hose geht, sieht man ja bei der Auswahl in Logo-Varianten in Firmen.

Grüße,

Christian

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