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Geschrieben
Wenn ich die Stimmung der »barocken« Instrumente höre, welche hinten und vorne nicht stimmt, dann dreht sich mir einfach nur der Magen um, weil eben beim heutigen Standard ausgebildeter Orchestermusiker die Stimmung nahezu makellos ist. Warum sollte ich denn absichtlich zu etwas schlechterem zurückgehen? Warum sollte ich an permanenter Gänsehaut und zusammengebissenen Zähnen leiden, nur weil man etwas »authentisch« gedenkt aufführen zu müssen, was mit dem, was damals wirklich aufgeführt wurde, so viel gemein hat wie ein Kuckuck mit einem Känguru?

Ich weiß nicht, was Du hast. Barockmusik auf modernen Instrumenten klingt für mich viel zu perfekt, viel zu aufgeblasen, viel zu harmlos, es klingt auf sogenannten 'historischen' Instrumenten in meinen Ohren einfach 'richtiger', angemessener. Und ich bin der festen Überzeugung, dass man damals, hätte man die heutigen Instrumente gehabt, die Stücke auch anders geschrieben hätte.

Geschrieben

Ich weiß nicht, was Du hast.

Was ich habe? Barockmusik auf »historischen« Instrumenten hat ungefähr den Charme wie jemand, der mit einem Zahnarztbohrer in meinem Innenohr herum bohrt.

Barockmusik auf modernen Instrumenten klingt für mich viel zu perfekt, viel zu aufgeblasen, viel zu harmlos, […]

Das ist aber, zumindest m.E., kein Problem der Instrumente, sondern ein Problem der Interpretation. Nicht nur um das hier wenigstens einigermaßen im Kontext zu halten sondern auch weil es so wunderbar paßt, zitiere ich hier mal aus »Typolemik« von Willberg, »Typografische Schöpfungsgeschichten«:

Im Impressum steht, dass »Atelier Prof. Ade und Armin Bauer« es gestaltet haben. Gestaltet mögen sie haben, gelesen haben sie den Text aber nicht. Sie haben wohl gelesen, was darin vorkommt, aber nicht, was gesagt wird. Von der Sprache der Bibel, von der Sprache Luthers, von der Wucht der Worte, haben sie nichts gemerkt. Sie haben nur die Story gelesen und ihre typografischen Kurzschlüsse gezogen.

Das trifft 1:1 auf moderne Interpretationen zu. Da wird im Schweinsgalopp durch die Stücke geprescht und man schlägt sich die Köpfe ein darüber, ob Zweierbindungen nun »abgezogen« werden müssen oder nicht (was für eine schreckliche Ausdrucksweise!), wo aber die musikalischen Phrasen im Stück sind, das geht völlig unter. Bachs Musik ist bis unters Dach gefüllt mit revolutionären Harmonien, er kannte die Bibel in- und auswendig und hat die Inhalte in Chorälen, Kantaten, Passionen etc. aufs Feinste porträtiert. Was Willberg mit der Wucht Luthers Worte meint, das trifft ganz genau so auch auf die Musik von Bach zu. In diesem Sinn ziehen die Musiker, auch in Aufführungen mit sog. historischen Instrumenten (das »sog.« rechne ich Dir übrigens hoch an!) ganz genau so »typografische Kurzschlüsse« wie das erwähnte Atelier. Man muß sich ja nur mal frühe Aufnahmen von Barockstücken anhören, in einer Zeit, in welcher man überhaupt keinen Gedanken an die »historische Aufführungspraxis« verschwendete. Da fehlt genau dieses Aufgeblasene, diese edel-polierter-Steinway-Konzertsaal-Atmosphäre. Da wird einfach Musik gemacht, und schöne dazu. Ganz ohne historische Instrumente.

Und ich bin der festen Überzeugung, dass man damals, hätte man die heutigen Instrumente gehabt, die Stücke auch anders geschrieben hätte.

Da stimme ich Dir voll und ganz zu. Gerade von Bach ist bekannt, daß er viele Stücke den zur Verfügung stehenden Musikern auf den Leib geschrieben hat. Das würde er heute ganz genau so machen, moderne Instrumente mit eingerechnet. Aber gerade er hat mit seinem »wohltemperierten Klavier« die wohltemperierte Stimmung doch voll ausgeschöpft. Ich glaube kaum, daß er heute darauf bestehen würde, daß man es schief spielen müsse, und das auch noch absichtlich. Das führt doch das gesamte Konzept der wohltemperierten Stimmung ad absurdum.

Geschrieben

Hallo,

vielen Dank für diese letzten Kommentare. Äußerst lesenswert das ganze. Ich möchte jedoch noch kurz anmerken, dass diese pseudo-historischen Konzerte durchaus einen guten Zeck haben: Es ist doch mal ganz interessant zu hören, wie es damals (ungefähr) klang. Nicht sonderlich hübsch, aber interessant. Dann ist aber auch wieder gut, und wir können zur Tagesordnung übergehen. Und überhaupt. Wie viele Zuschauer solcher Konzerte erscheinen in historischen Kostümen und essen, trinken und reden während des Concerts? Ohne diese Athmosphäre voller Hintergrundgeräusche und Zugluft ist echte Authentizität doch gar nicht möglich.

Proedie

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