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Das mit den Schusterjungen

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Geschrieben

Mal eine Frage in die Runde:

Wie religiös haltet Ihr es mit dem Vermeiden von Hurenkindern und v.a. Schusterjungen?

Bei den Hurenkindern verstehe ich, dass es ein optisches Problem gibt, da eine einzelne Zeile auf einer neuen Seite zu sehr raussticht und für einen Titel oder so gehalten werden könnte. Schusterjungen aber – besonders hübsch sind sie ja nicht. Aber wenn man den Absatz davor auf Zwang austreibt, wird das u.U. noch hässlicher. :?

Wenn man von einer Situation ausgeht, in der man den Text nicht ändern darf (i.S.v. «dann machen wir halt hier noch nen neuen Absatz, dann gibts eine Zeile mehr»): findet Ihr auch, dass Schusterjungen dann u.U. tolerabel sein können?

Geschrieben

Liebe Nina,

ganz ehrlich: Lieber einen Schusterjungen als brechende Umbrüche, austreibende Austreibungen oder sperrige Sperrungen. Ist in meinen Augen das kleinste Übel. Aber ich kenne auch gestandene Setzer die mich dafür Ketzer nennen würden. :-)

Alex

Geschrieben

Sie sind (für mich) tolerabel, außer es sieht im speziellen Fall außerirdisch schlecht aus.

Bei längeren Texten (ich denke jetzt an Romane) lässt sich irgendwo davor aber oft eine Stelle finden, wo durch anderen Umbruch eine Zeile eingespart oder dazugegeben werden kann.

Oder man hat eine Kapitelüberschrift, dann x Zeilen Abstand, und dann beginnt der Text. Wenn der Leser keine direkte Vergleichsmöglichkeit hat, die Kapitelanfänge also weit genug auseinander liegen, fällt ihm auch nicht auf wenn man da eine Zeile einschmuggelt oder weg lässt.

Also dogmatisch seh ich es nicht, aber oft ist es vermeidbar, und man muss halt abwägen was weniger nach Kompromiss aussieht ...

Geschrieben

Todesstrafe nur bei »Hurenkindern«. Im Falle von Schusterjungen kann man es bei Auspeitschen bewenden lassen. Wir sind ja schließlich nicht mehr im Mittelalter.

Ich würde lieber die Registerhaltung der Zeilen aufgeben — also die Zeilenabstände auf der betreffenden Seite ändern — als solchen Frevel einreißen zu lassen.

Geschrieben

Ich seh schon, wir sind ein einig Volk von Ketzern. :D

Todesstrafe nur bei »Hurenkindern«.

Puh.

Ich würde lieber die Registerhaltung der Zeilen aufgeben

:o Wot, echt? Auch in einem Buch, wo die nächste Seite immer fein durchschimmert? Das scheint mir jetzt noch ein viel ärgerer Verstoß. Denke auch, dass man das als Leser merkt.

Übrigens, Sebastian: Einen außerirdisch schlecht aussehenden Schusterjungen muss man sich echt mal bildlich vorstellen… *lach*

Geschrieben
Todesstrafe nur bei »Hurenkindern«.

Puh.

Na ja, natürlich nicht so was brutales wie Vierteilen oder so, sondern eher eine zeitgemäß humane Vollstreckung.

Geschrieben

War es nicht H.-P. Willberg, der mal gesagt hat daß Schusterjungen auch einen positiven Effekt haben können, quasi Lust auf’s weiterlesen machen? In »Typolemik« oder so? Es ist mir jedenfalls schon mehr als einmal passiert, daß ein Absatz am Ende einer Seite aufgehört hat und ich dachte, der Artikel sei zu Ende und dann nach dem Umblättern ganz erstaunt war. In diesem Sinne würde ich Schusterjungen sogar begrüßen, sofern sie nicht sinnentstellend etc. sind. Bei etwas trockener naturwissenschaftlicher Literatur kommt es öfters mal vor, daß man nicht weiß, wo genau das Ende eines Artikels ist.

Das ist jetzt allerdings eine Erfahrung, die vom Lesen kommt und nicht vom Setzen! :twisted:

Christian

Geschrieben
Es ist mir jedenfalls schon mehr als einmal passiert, daß ein Absatz am Ende einer Seite aufgehört hat und ich dachte, der Artikel sei zu Ende und dann nach dem Umblättern ganz erstaunt war.

Das Ende eines Absatzes am Ende der Seite ist im eigentlichen Sinne noch kein Schusterjunge http://de.wikipedia.org/wiki/Hurenkind_und_Schusterjunge – danach müsste sicher noch eine Zeile des neuen Absatzes folgen – oder verstehe ich Dich nur falsch? :nana:

Geschrieben

Ja, Du verstehst mich falsch, ich meinte die Situation, in welcher ein Schusterjunge eben gerade vermieden wurde. Damit endet genau der Absatz am Ende der Seite und der neue Absatz fängt auf der nächsten Seite an, so wie sich’s gehört! :twisted:

Geschrieben

Ich glaube ihr redet grade aneinander vorbei.

Christian: ja, mir geht es auch ab und zu so, dass ich aufhöre zu lesen, in der Annahme dass jetzt fertig ist, weil der Absatz am Ende der Seite das suggeriert. Da wäre es dann besser wenn eine (nein, besser zwei) Zeilen darauf hinweisen dass es weitergeht.

Das ist aber tatsächlich eher bei wissenschaftlichen Texten der Fall, wo es keinen Spannungsbogen in dem Sinne gibt, der Text kann mehr oder weniger jederzeit enden oder noch weiter ins Detail hinein führen.

Geschrieben

Bevor man heutzutage eine Seite durch Sperren, stauchen etc. malträtiert, um einen Schusterjungen wegzujagen, halte ich es für sinnvoll einfach den Satzspiegel der betreffenden Seite (oder besser noch Doppelseite) einfach ein wenig zu vergrößern oder zu verkleinern. Das merkt nie und nimmer jemand und Blocksatzprobleme lassen sich so leicht lösen.

Geschrieben
Todesstrafe nur bei »Hurenkindern«. Im Falle von Schusterjungen kann man es bei Auspeitschen bewenden lassen. Wir sind ja schließlich nicht mehr im Mittelalter.

Ich würde lieber die Registerhaltung der Zeilen aufgeben — also die Zeilenabstände auf der betreffenden Seite ändern — als solchen Frevel einreißen zu lassen.

Um mal Jan Tschichold zu Rate zu ziehen, wäre das Auflösen der Registerhaltung wohl eher die Einführung der Todesstrafe wert als ein Schusterjunge.

Schusterjungen lassen sich halt manchmal nicht vermeiden und sie auf Zwang unterbinden zu wollen, halte ich für falsch (zumal in diesem Fall die Option der Textänderung eh rausfällt). Bei durchscheinenden Seiten halte ich auch die Veränderung des Satzspiegels für unangebracht. Es sei denn die Gestaltung der Seite lässt es zu, dass Texte auf vielfältige Weise gesetzt werden können (offenes/freies Layout). Bei Lesebüchern dagegen fände ich jede Abweichung vom Satzspiegel eher störend und unprofessionell.

Von daher lieber mit einem Schusterjungen leben, als den kompletten Satzspiegel bzw. den eigentlichen Satz zu ändern.

Geschrieben

Kleine Geschichte aus der Welt der Amateure:

Als Chefarzt habe ich gerne auch auf typographische Korrektheit meiner Arztbriefe geachtet, ein einsames, unverstandenes und frustspendendes Steckenpferd.

Und als ich einmal die Damen des Schreibdienstes in einer Randbemerkung bat, "Schusterjungen und Hurenkinder" zu vermeiden, wurde ich zur Geschäftsführung zitiert, weil jemand den Verdacht hegte, ich hätte die geschätzten Mitarbeiterinnen schwer beleidigen wollen.

Ach ja, damals war Wikipedia noch nicht so weit, da mußte ich noch etwas erklärend ausholen.

Geschrieben
Kleine Geschichte aus der Welt der Amateure:

Als Chefarzt habe ich gerne auch auf typographische Korrektheit meiner Arztbriefe geachtet, ein einsames, unverstandenes und frustspendendes Steckenpferd.

Und als ich einmal die Damen des Schreibdienstes in einer Randbemerkung bat, "Schusterjungen und Hurenkinder" zu vermeiden, wurde ich zur Geschäftsführung zitiert, weil jemand den Verdacht hegte, ich hätte die geschätzten Mitarbeiterinnen schwer beleidigen wollen.

Das sind ja auch durchaus ziemlich deftige Begriffe. Im Englischen ist es etwas weniger herb, da spricht man von orphan und widow. Ändert aber auch nichts daran, daß die Leute mich anschauen wie ein Auto wenn ich das hierzulande im typografischen Kontext benutze! :lol:

Geschrieben
halte ich es für sinnvoll einfach den Satzspiegel der betreffenden Seite (oder besser noch Doppelseite) einfach ein wenig zu vergrößern oder zu verkleinern. Das merkt nie und nimmer jemand

in einem BUCH!?

:twisted:

Jaja, sorry fürs Schreien.

Geschrieben
halte ich es für sinnvoll einfach den Satzspiegel der betreffenden Seite (oder besser noch Doppelseite) einfach ein wenig zu vergrößern oder zu verkleinern. Das merkt nie und nimmer jemand

in einem BUCH!?

:twisted:

Jaja, sorry fürs Schreien.

Ja, da kann es unter Umständen wirklich funktionieren, je nachdem wie die andere Doppelseitenhälfte aussieht. Also fassen wir mal zusammen: Zur Not geht alles (außer die Registerhaltigkeit zu verlassen), es kommt eben immer auf die Umstände an und wie man's macht.

Geschrieben
halte ich es für sinnvoll einfach den Satzspiegel der betreffenden Seite (oder besser noch Doppelseite) einfach ein wenig zu vergrößern oder zu verkleinern. Das merkt nie und nimmer jemand

in einem BUCH!?

:twisted:

Jaja, sorry fürs Schreien.

Na gerade in einem Buch!

Geschrieben
halte ich es für sinnvoll einfach den Satzspiegel der betreffenden Seite (oder besser noch Doppelseite) einfach ein wenig zu vergrößern oder zu verkleinern. Das merkt nie und nimmer jemand

in einem BUCH!?

:twisted:

Jaja, sorry fürs Schreien.

Na gerade in einem Buch!

Warum gerade in einem Buch? In der Monotonie eines einheitlichen Satzspiegels fällt doch eine Vergrößerung/Verkleinerung sofort auf. Gerade wenn der Textblock von der Rückseite durchscheint, kann das Ergebnis doch nur mangelhaft sein. :?

Geschrieben

Wenn du ein Buch liest, dann liest Du die Buchstaben und Wörter und nicht den Satzspiegel. Außerdem soll mir mal jemand einen zeigen, der sagen kann ob ein Satzspiegel 19 oder 20 mm breit ist, vor allem wenn man die ganze Doppelseite ändert.

@Pachulke: Müsste doch beim Bleisatz auch locker möglich sein, oder?

Geschrieben
Wenn du ein Buch liest, dann liest Du die Buchstaben und Wörter und nicht den Satzspiegel.

Naja, aber wenn der von der nächsten Seite komisch durchschimmert, hat man schon das Gefühl, da ist was schief. Also ich weiß nicht. Inkonsistentes Design ist s…uboptimal – da bleib ich lieber bei meinen Schusterjungen.

Geschrieben
Außerdem soll mir mal jemand einen zeigen, der sagen kann ob ein Satzspiegel 19 oder 20 mm breit ist …

Ziemlich schmal, dieser Satzspiegel.

Müsste doch beim Bleisatz auch locker möglich sein, oder?

Möglich schon. Aber nur theoretisch. Auf die Idee würde niemand kommen. Es würde ja Neuumbruch der ganzen Seite bedeuten — denkbar überhaupt nur im Handsatz, nicht im Maschinensatz. Aber auch im Handsatz würde das den ganzen Workflow* durcheinanderbringen (allein der Gedanke, den Winkelhaken für unterschiedliche Seiten desselben Werkes zu verstellen ist absurd), andere Reglettenlängen, dann müßte man dem Drucker später erklären, warum da eine Seite breiter oder schmaler ist und wie er die stellen soll. Der Satzspiegel geht immer auf volle Cicero** aus, d. h., man müßte um Mindestens eine Cicero (knapper halber Centimeter) abweichen. Den Fall, daß jemand am Satzspiegel geschraubt hat, um den Zeilenfall zu beeinflussen, wird es wohl in der ganzen Bleisatzgeschichte nicht gegeben haben, jedenfalls nicht bei Büchern.

* auch wenn natürlich kein Bleisetzer Worte wie »Workflow« kennt

** strenggenommen sogar auf ganze Konkordanz je vier Cicero

Geschrieben

Ich muss jetzt gestehen dass ich auch schon eine Zeile hinzugegeben habe, in einem Sachbuch das mit vielen Hervorhebungsboxen und auch Bildern gespickt war – Seitenzahl neben dem Kolumnentitel oben. Der Satzspiegel war da also niemals so ruhig wie bei einem Roman, auch wenn es alles in allem ein durchgängiger Text war. Und im diesem Kontext fällt es schlichtweg wirklich nicht auf und es war unbedingt notwendig und die Boxen hätten sich sonst ganz ungünstig verschoben und ich konnte überhaupt nichts anderes machen und auch nichts dafürunddieweltistungerecht ... :cry:

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