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Optischer Randausgleich - Meinungen

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Hallo liebe Typo-Leute,

ich als typografischer Laie bin seit einiger Zeit dennoch sehr interessiert an typografischen und speziell mikrotypografischen Fragen. Ich schreibe bald meine Zulassungsarbeit mit Latex und bin auf das Paket "microtype" gestoßen, welches den Grauwert des Schriftsatzes erhöht, Trennungen weitgehend vermeidet und vor allem auch einen optischen Randausgleich herstellt.

Ganz abgesehen von Fragen zu Latex würden mich gerne ein mal ein paar Meinungen zum Thema "optischer Randausgleich" interessieren. Ich war zunächst recht begeistert von dem Effekt, dass die Ränder des Blocksatzes nun auf den ersten Blick einheitlicher erscheinen, allerdings nerven mich ehrlich gesagt die überstehenden Trennstriche und Kommata auch etwas. Mein neuerdings geschärftes Auge bezüglich typografischer Fragen stellt nun bei der Lektüre von Zeitungen und Büchern fest, dass diese Besonderheit so gut wie nie verwendet wird (zumindest fallen mir keine überstehenden Trennstriche auf). Ist mein Eindruck korrekt, oder ist der Randausgleich so gut gesetzt, dass er mir nicht auffällt? Oder wird lediglich auf das Überstehen von Trennstrichen und Satzzeichen verzichtet?

Die einzigen Beispiele für einen derartigen Randausgleich fand ich in einer auf dem Flohmarkt aus Spaß gekauften Bodybuilder-Zeitschrift aus den 80er Jahren und in einem einzigen Roman (und ich lese recht viel, studiere Germanistik).

Kann es also sein, dass der "optische Randausgleich" zur Zeit gar nicht in Mode ist, bzw. nur eine kurze Zeit in Mode war? Um ein paar Meinungen und Tipps würde ich mich sehr freuen!

Viele Grüße,

Arno

Geschrieben

Mir ist das auch bereits aufgefallen und ich habe dies immer auf Unwissenheit/Dummheit zurück geführt. Selbst im Studium bekommt man den optischen Randausgleich nicht gerade aufgezwungen. Ich habe hier mehrere Magazine im Auflagenbereich von über 50.000 im Monat - alle ohne optischen Randausgleich. Denke, da sitzt halt einfach ein Mediengestalter am Drücker, der das nicht kennt.

Geschrieben
Kann es also sein, dass der "optische Randausgleich" zur Zeit gar nicht in Mode ist, bzw. nur eine kurze Zeit in Mode war? Um ein paar Meinungen und Tipps würde ich mich sehr freuen!

das hat nicht nur mit wissen und mode zu tun, sondern auch mit technischen möglichkeiten. in indesign ist optischer randausgleich als funktion zwar – soweit ich weiß – seit cs2 verfügbar, aber die möglichkeiten der feineinstellung sind bis heute nicht befriedigend. quarkxpress bietet randausgleich erst seit der neuesten version an; dafür kann man es dort genauer kon?gurieren. bei diversen redaktionssystemen und weniger verbreiteten satzprogrammen, mit denen viele buch- und zeitschriftenverlage arbeiten, gibt es so eine option erst gar nicht. bei allen nicht-digital gesetzten büchern kannst du daher davon ausgehen, dass nur die luxusausgaben über randausgleich verfügen, einfach weil das vor dtp eine scheißarbeit war.

bye

thierry

Geschrieben

Ich würde mal sagen, wenn man die überstehenden Elemente *sieht*, hat es jemand etwas zu gut gemeint. Mich stört es allerdings mehr, wenn an der rechten Satzkante jeder Trennstrich eine Lücke hinterlässt.

Und ist es wirklich auch eine Frage der technischen Möglichkeiten und des Wissens um die Möglichkeit. Alte xPress-Versionen konnten das schlichtweg nicht, in Indesign ist es per Standardeinstellung nicht aktiviert, und für LaTeX braucht man ein extra Paket(?).

Wieviele DTPler gibt es, die sowas gar nicht interessiert - aus Zeit- oder Interessensmangel, oder eben weil sie an alten xPress-Versionen sitzen und "einfach nur ihren Job" machen (der Kunde jammert nicht – das gelieferte Ergebnis muss also passen)?

Ich würde aber nicht sagen, Randausgleich ist "out", eher dass er langsam "in" wird.

Geschrieben
Mich stört es allerdings mehr, wenn an der rechten Satzkante jeder Trennstrich eine Lücke hinterlässt.

Ich würde aber nicht sagen, Randausgleich ist "out", eher dass er langsam "in" wird.

Das würde ich ebenfalls so unterschreiben :D Die Tatsache dass man etwas nicht oft sieht, bedeutet nicht, dass man es vernachlässigen kann - wie oft sieht man ungesperrte Versalien, und das trotz der Tatsache, dass es sich hier nicht um eine 'Option' handelt, sondern um eine wichtige Regel...

Geschrieben
bei allen nicht-digital gesetzten büchern kannst du daher davon ausgehen, dass nur die luxusausgaben über randausgleich verfügen, einfach weil das vor dtp eine scheißarbeit war.

stimmt nicht. im bleisatz war der sogenannte überhängende satz recht einfach herzustellen - im gegensatz zu mindestens den ersten 10 Jahren im DTP ...

Geschrieben

Wenn man’s einfach machen kann (und das geht mit dem Microtype-Paket), dann sollte man’s meiner Meinung nach auch tun. Aber wie Sebastian schon geschrieben hat, sollte man es auch nicht übertreiben: Wenn es auffällt, ist es zu viel. Das Microtype-Paket hat vorgefertigte Einstellungen für einige Schriften; vielleicht verwendest Du eine Schrift, für die es keine Einstellungen gibt, weshalb die Standardeinstellungen verwendet werden, die zu Deiner Schrift nicht gut passen?

Und ja, Sebastian: Man braucht ein zusätzliches Paket bei LaTeX.

Geschrieben

Vielen Dank für die Meinungen und Anregungen!

Mit "auffallen" meinte ich eher, dass es mir inzwischen sehr auffällt. Aber das liegt wohl einfach daran, dass ich im moment extrem darauf achte. Es sieht schon sehr gut aus insgesamt.

Irgendwie kann ich es mir irgendwie dennoch nicht vorstellen, dass beispielsweise ein alter und qualitativ hochwertiger Verlag wie Surkamp oder eine so toll gestaltete Zeitung wie "Die Zeit" nicht über die technischen Mittel für optischen Randausgleich verfügen. Aber vielleicht ist es auch einfach Geschmackssache. Auf jeden Fall eine interessante Sache! :-)

Ich habe mich nun dafür entscheiden, das microtype-Paket zu verwenden, weils wirklich tolle Effekte bzgl Tracking und Grauwert und so bewirkt. Der Unterschied zu vorher ist wirklich groß. Die Randausgleich-Funktion werde ich allerdings deaktivieren, ich kann mir nicht helfen, es ist mir irgendwie noch zu ungewohnt, obwohls eigentlich eine tolle Sache ist. Vielleicht habe ich bei der nächsten Arbeit mehr Mut.

Geschrieben
bei allen nicht-digital gesetzten büchern kannst du daher davon ausgehen, dass nur die luxusausgaben über randausgleich verfügen, einfach weil das vor dtp eine scheißarbeit war.

stimmt nicht. im bleisatz war der sogenannte überhängende satz recht einfach herzustellen - im gegensatz zu mindestens den ersten 10 Jahren im DTP ...

Dann frage ich mich bloß, wie die belletristischen Bücher mit optischem Randausgleich hergestellt worden sind, die ich in den letzten etwa 10 Jahren so gelesen habe... waren die alle geTeXt? Würde mich ja freuen. ;-)

Zu LaTeX: microtype plus pdfTeX nehmen. Ab TeX Live 2010 dann auch microtype plus LuaTeX.

Geschrieben
bei allen nicht-digital gesetzten büchern kannst du daher davon ausgehen, dass nur die luxusausgaben über randausgleich verfügen, einfach weil das vor dtp eine scheißarbeit war.

stimmt nicht. im bleisatz war der sogenannte überhängende satz recht einfach herzustellen - im gegensatz zu mindestens den ersten 10 Jahren im DTP ...

Dann frage ich mich bloß, wie die belletristischen Bücher mit optischem Randausgleich hergestellt worden sind, die ich in den letzten etwa 10 Jahren so gelesen habe... waren die alle geTeXt? Würde mich ja freuen. ;-)

Die ersten 10 Jahre DTP (etwa 1985–1995) lagen ja weit vor den letzten 10 Jahren (2000–2010), auf die du dich beziehst.

Geschrieben

Dann frage ich mich bloß, wie die belletristischen Bücher mit optischem Randausgleich hergestellt worden sind, die ich in den letzten etwa 10 Jahren so gelesen habe... waren die alle geTeXt? Würde mich ja freuen. ;-)

Die ersten 10 Jahre DTP (etwa 1985–1995) lagen ja weit vor den letzten 10 Jahren (2000–2010), auf die du dich beziehst.

Und das ist nun tatsächlich mal eines der seltenen Beispiele dafür, daß früher alles besser war?

SCNR ;-)

Geschrieben

Hier mal ein zwei Beispiele, sorry für die schlechten Fotos, habe keinen Scanner.

Ein Roman aus dem Jahr 1995, Steidl Verlag. Wie ich finde sehr schön gemachter Randausgleich, man beachte die Trennstriche rechts sowie das "j" unten links.

nikolai.jpg

und hier ein sehr erfolgreicher Roman aus dem Jahr 2008, erschienen bei Suhrkamp: kein Randausgleich, man beachte die regelrechten Einbuchtungen am rechten Rand:

turm.jpg

So gut wie alle neueren Druckerzeugnisse, die ich in der letzten Zeit in der Hand hielt, waren ohne optischen Randausgleich. Ausnahme: der neue (gelbe) Atlas der Globalisierung. Müsst ihr mal reinschauen, der Schriftsatz sieht toll aus, sehr gleichmäßig. Anders dagegen der Vorgänger-Atlas (rot): ohne Randausgleich.

Wirklich sehr interessant das alles. So ganz erschließt sich mir dieses Themenfeld allerdings noch nicht. Technische Möglichkeiten oder Geschmackssache ... ich kann mir wie gesagt nicht vorstellen, dass Suhrkamp das nicht besser hinbekommen hätte.

Geschrieben

Ich denke mal das ist auch eine Kosten/Nutzen-Abwägung. Mal schnell eben den bewährten Workflow umstellen ... da fragt sich vermutlich auch Suhrkamp "Warum, funktioniert doch auch so". Dann kommt das Thema beim nächsten Redesign der Verlagslinie wieder auf den Tisch – was ja bei solchen bewährten Verlagen auch seine Zeit dauern kann.

Geschrieben

Das erinnert mich immer wieder an ein Streitgespräch mit einem Verleger, in welchem der Letzte steif und fest behauptet hat, daß die typografische Aufbereitung der Inhalte (in dem Fall ging es um Wandplakate diverser Natur) absolut keinen Einfluß auf die Verkaufszahlen hätte. Wenn ich mir die Bücher hier und in Amerika so ansehe, schmieriger Druck auf Klopapier, dann könnte man beinahe annehmen, der Mensch habe recht. Da spielt optischer Randausgleich schon gleich gar keine Rolle.

Ich bin eigentlich immer schon ein großer Freund der Diogenes-Taschenbücher gewesen. Ich fand das leicht gelbliche Papier ideal zum lesen und auch der Satz ist normalerweise ziemlich gut. Ich habe mich aber immer schon darüber gewundert, daß z.B. der Einsatz von Ligaturen nie einheitlich gehandhabt wurde. Ich habe einen ganzen Stoß von Dick-Francis-Romanen und manche haben überhaupt keine Ligaturen, viele haben Standard-Ligaturen, wohingegen einige kontinuierlich auch »Sonderformen« wie ft etc. verwenden. Das scheint völlig unabhängig vom Erscheinungsjahr zu sein, soweit ich das beurteilen kann. Ich sollte eigentlich bei Gelegenheit mal anfragen, woher diese Inkonsistenz kommt. Ich vermute beinahe es hängt einfach davon ab wer das setzt ... :cry:

Grüße,

Christian

Geschrieben

Randausgleich ist nicht jedermanns Sache. Ähnlich wie Ligaturen. Beides kann den Lesefluss hemmen. Ligaturen stören mich meist. Als Schriftsetzer liest man grundsätzlich anders als ein normaler Leser. Ich achte immer – ähnlich wie ein Korrektor wahrscheinlich – auf jeden Buchstaben und lese deshalb auch ziemlich langsam. Ligaturen fallen mir immer gleich auf. Sie sehen für mich wie fremde Buchstaben aus.

Ähnlich ist das mit dem Randausgleich. Auch wenn ich gerade behauptete, immer jeden Buchstaben einzeln zu lesen, habe ich ja doch die ganze Zeile oder wenigstens die nächsten Wörter im Blick. Wenn dann am Ende der Zeile der kleine Einzug erscheint, bin ich auf eine Worttrennung vorberereitet. Wenn das Trennzeichen ganz oder teilweise außerhalb des Satzspiegel steht, gerate ich ins Stocken. Waren das jetzt zwei Wörter?

Das hört sich jetzt sehr an den Haaren herbeigezogen an. Aber es ist so. Womöglich ist es aber nur Gewohnheit. Es gibt einfach zu selten einen gelungenen (gibts den überhaupt?) Randausgleich.

Geschrieben

Tschuldigung, weil weg vom Thema ;-)

Der Diogenes Verlag scheint keine klare Linie zu fahren. Ich besitze z.B. ein Büchlein „Goethe Faust Mit vielen Zeichnungen von Wilhelm Busch“, bei dem ein Spezialist die (merkwürdige) französische Zeichensetzung angewendet hat;

Kennst du den Faust ?

Den Doktor ?

Meinen Knecht !

Fürwahr ! er dient Euch auf besondre Weise.

Fürchterlich!

Geschrieben
Randausgleich ...

Ich glaube das hängt eben auch immer von der Herangehensweise ab. Ein Loch am Ende der Zeile stört eben den Grauwert der Seite, der Lesefluß wird dadurch aber ja kaum beeinträchtigt. Als Leser interessiert mich der Grauwert einer Seite aber ja nur untergeordnet. Beim Flattersatz ist das auch so. Was wird da in Typografiebüchern drüber geschrieben, nur guter Handausgleich liefert guten Flattersatz usw. usf. Wenn natürlich sinnentstellend getrennt wird oder ganz arge Formen aufkommen, welche vom Lesen ablenken, dann mag schlechter Flattersatz tatsächlich den Leser ablenken. Aber ansonsten? Ich war völlig konsterniert, als ich »Schriftwechsel« zum ersten Mal aufgeschlagen habe. Der Flattersatz dort in den Ausführungen am Rand erscheint bezüglich des Grauwertes schon sehr ruppig und unausgegoren. Beim lesen hat mich das nicht die Bohne interessiert. Warum auch? Ich lese nun mal nicht den Grauwert. :party:

Grüße,

Christian

Geschrieben

Zu deiner Anmerkung bezüglich Zeichensetzung:

Der Verlag hat sich sicher etwas dabei gedacht. Da ging es nicht um die französische Zeichensetzung, sondern um den Stil der Zeit Goethes. Da wat tatsächlich der Einfluss Frankreichs auf die Typografie zu spüren.

Schriftsteller, wie auch Verlage, behalten sich natürlich vor, auch auf die Typografie Einfluss zu nehmen.

Da ich leider keine Erstausgabe Goethes zur Hand habe, hier ein Beispiel aus dieser Epoche:

  • 7 Jahre später...
Geschrieben

Zum Thema optischer Randausgleich interessiert mich, ob das heute Standard ist. Schließlich ist die Diskussion hier schon 7 Jahre her...

Verwenden also heute die renommierten Verlage (z.B. Suhrkamp, Reclam; oder aus dem wissenschaftlichen Bereich Walter de Gruyter, Mohr Siebeck) standardmäßig den optischen Randausgleich?

Geschrieben

Das kommt auf den Buchgestalter und die Setzerei an. Da es in den Verlagen keine Typografen mehr gibt, liegt es im Ermessen der Hersteller, welcher Wert auf solche Fragen gelegt wird. Das ist bei kleinen Verlagen eher konsistent als bei großen mit mehreren Herstellern und Setzereien.

Wenn ich Bücher entwerfe, steht der Randausgleich stets in der Satzanweisung, sofern es technisch machbar ist. Gutenberg hat ihn schon im Bleisatz gemacht, dann war er lange Zeit weg. Ich las zum ersten Mal bei Tschichold davon, der Randausgleich im Werksatz forderte (bei Akzidenzen ist er selbstverständlich, auch wenn man ihn nicht so nennt), wobei mir nicht klar ist, wie Tschichold sich das technisch in Blei vorstellte. Weiter oben wurde, vor Jahren, gesagt, daß Randausgleich im Bleisatz einfach herstellbar war. Das ist mir unverständlich. Im Bleisatz ist er nicht ohne einigen Aufwand zu machen. Und er wurde ja auch fast nie gemacht. Ich kenne kein einziges Beispiel nach den Wiegendruckern und abgesehen von Kunsthandwerk. Vielleicht fehlt mir da ein Wissensbrocken.

Geschrieben

Ich denke der optische Randausgleich sollte heute eigentlich Standard sein. Leider ist er es nicht da viele Grafiker die Funktion in den entsprechenden Programmen nicht kennen. Ich achte sehr darauf und weise auch immer wieder darauf hin ...

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