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Was bedeutet Humanismus in der Typografie?

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Hallo liebe Schriftmenschen,

es gab hier ja schon Diskussionen darüber, wie humanistische Schriften aussehen und es wurden auch Beispiele genannt (Scala etc.) aber was sind denn nun die Formmerkmale?

Ich frage, weil ich selbst bestimmten Schriften humanistischen Charakter bescheinige ohne die Merkmale auf den Punkt bringen zu können und das stört mich total bzw. hemmt mich . Dazu kommt, dass ich im Moment an einer Schrift arbeite, der ich auch fast ein wenig den Stempel aufdrücken würde.

Das ist doch schrecklich – bitte klärt mich auf!

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Grundsätzlich: Formen, die zumindest noch an das Schreiben mit der Hand erinnern, ohne Manierismen und Konstruktionen.

D.h. sichtbare/spürbare Strichstärkenmodulation, offene statt in sich gekehrte Formen, links-oben-nach-rechts-unten-Betonung, ...

Oder schrifthistorisch: Anfangs wurden handgeschriebene Lettern in Druckbuchstaben "übersetzt", das Ziel war es ja, auf günstige Weise wertvolle handgeschriebene Bücher nachahmen zu können (später haben sich die Formen dann davon wegentwickelt, hin zu "geplanter", "konstruierter" Formensprache). Serifenlose humanistische Schriften wie Syntax, Scala, etc. nehmen dann wieder auf diese Formen Bezug.

Wenn du nicht alles blind glaubst, sondern kritisch hinterfragst und ggf. überprüfst, ist meine Diplomarbeit nicht ganz am Thema vorbei, da habe ich zwei humanistische Schriften beschrieben (ist jetzt auch schon 5-6 Jahre her, und man lernt ja später weiter):

http://www.gestaltungssache.at/index.ph ... e=arbeiten

http://www.gestaltungssache.at/index.ph ... e=arbeiten

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Danke für deine Ausführungen, Sebastian.

Aber sichtbare Strichstärkenmodulation, offene Formen und links-oben-nach-rechts-unten-Betonung können doch zumindest einzeln auch Merkmale von Schriften sein, die eher konstruiert wirken, oder?

Die Diplomarbeit klingt sehr interessant, werde ich lesen und prüfen.

Zu meiner Schrift hier mal ein Beispiel (wir ignorieren mal den Plattfuß vom d und andere Spackigkeiten, alles noch schwer in Arbeit):

der.png

Einerseits natürlich Serifenbetont und damit schonmal konstruiert, andererseits habe ich offene Formen (e) und leichte Strichstärkenvariation, meine Schattenachse ist aber senkrecht. Ich würde dem schon zumindest einen humanistischen Touch attestieren.

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Hallo Phillip,

du hast natürlich Recht mit deinen Einwänden – so 100% eindeutig ist eine Schrift nie das eine oder das andere, es gibt ja auch Zwischenstufen und nicht nur eine Transformationsrichtung, und es ist auch nicht zwingend, dass sich jeder Schriftgestalter an diese Aufteilungen hält.

Vielleicht sollte man also nicht sagen "eine ganz klar humanistische Schrift", sondern "eine Schrift mit einigen humanistischen Merkmalen" :)

Was ist also die deinige? Ich würde sie einordnen zwischen humanistisch/dynamisch und konstruiert/geometrisch, mit deutlicher Tendenz zu ersterem (nicht aber die dritte Möglichkeit: klassizistisch/statisch).

Humanistisch:

- Das offene e

- der spitze Einlauf des Bogens in die Senkrechte beim r

- (beim Einlauf des d könntest du noch etwas nachkorrigieren, wenn du eindeutiger in diese Richtung willst)

- erkennbare Strichstärkenmodulation

Konstruiert:

- senkrechte Anmutung durch Schattenachse und komplett aufrechte Linien

- gezeichnete Serifen (wobei die Ausformung schon wieder sehr dynamisch ist, dafür dass es eine Serifenbetonte ist ... :) )

Gegenprobe:

Es ist bestimmt keine Helvetica, und es ist bestimmt keine Futura.

Ohne jetzt Erik Spiekermanns Schriften alle über einen Kamm scheren zu wollen: das ist in etwa seine Art Schrift – gut konzipiert/geplant/durchdacht/reduziert/sauber ausgeführt, aber mit humanistischer Grundausprägung.

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Endlich kann ich mit der Begrifflichkeit wirklich was anfangen, toll! :)

Gefühlt kommen immer weniger Schriften raus, die sich wirklich eindeutig einer Klasse zuordnen lassen. Das ist – denke ich – ein Hinweis darauf, dass sich in der Schriftszene im Moment viel interessantes tut. Ich finde das gut.

Danke für deine Analyse, besonders die Gegenprobe ist sehr eindeutig. ;)

Interessant, dass du Spiekermann ins Gespräch bringst, wo ich doch überzeugter Unger und Dupré-Fan bin.

Ich habe gestern Nacht noch den Theorieteil deiner Diplomarbeit angefangen und möchte an einer Stelle widersprechen:

Im praktischen Teil meiner Arbeit zu versuchen, eine eigene Schrift zu gestalten, wäre vermessen – das Ergebnis wäre unreif und der Versuch gegenüber dem Beruf und der Tradition des Schriftgestalters respektlos.

Ich bin komplett damit einverstanden, wenn man praktische Schriftgestaltung also Diplomarbeit nicht wagen möchte, ich bin aber mit der Argumentation nicht einverstanden. Der Versuch eine Schrift zu gestalten entehrt doch nicht den Berufsstand, ganz im Gegenteil. Der Versuch bekundet Interesse, Faszination und sogar so etwas wie Leidensfähigkeit. Ganz unabhängig vom Ergebnis.

Es gibt aber auch tolle Beispiele für gelungene Schriftgestaltung als Diplomarbeit. Zwei fallen mit spontan ein: Thesis (gut, war an der KABK) und Haptic von Henning Skibbe.

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Gefühlt kommen immer weniger Schriften raus, die sich wirklich eindeutig einer Klasse zuordnen lassen. Das ist – denke ich – ein Hinweis darauf, dass sich in der Schriftszene im Moment viel interessantes tut. Ich finde das gut.

Das stimmt auf jeden Fall. Es ist Remix-Zeit :rockon:

Interessant, dass du Spiekermann ins Gespräch bringst, wo ich doch überzeugter Unger und Dupré-Fan bin.

Womit du vermutlich sogar näher dran bist, das stimmt. Was ich mit "Spiekermann" sagen wollte, ist eigentlich genau das was du oben sagst: sie sind nicht mehr immer eindeutig genau einer Klasse zuordenbar, auch wenn kein Zweifel besteht, wo sie hingehören.

Ich habe gestern Nacht noch den Theorieteil deiner Diplomarbeit angefangen und möchte an einer Stelle widersprechen:

Im praktischen Teil meiner Arbeit zu versuchen, eine eigene Schrift zu gestalten, wäre vermessen – das Ergebnis wäre unreif und der Versuch gegenüber dem Beruf und der Tradition des Schriftgestalters respektlos.

Ich bin komplett damit einverstanden, wenn man praktische Schriftgestaltung also Diplomarbeit nicht wagen möchte, ich bin aber mit der Argumentation nicht einverstanden. Der Versuch eine Schrift zu gestalten entehrt doch nicht den Berufsstand, ganz im Gegenteil. Der Versuch bekundet Interesse, Faszination und sogar so etwas wie Leidensfähigkeit. Ganz unabhängig vom Ergebnis.

Es gibt aber auch tolle Beispiele für gelungene Schriftgestaltung als Diplomarbeit. Zwei fallen mit spontan ein: Thesis (gut, war an der KABK) und Haptic von Henning Skibbe.

Auch da hast du recht.

Nur für mich selbst wäre das "zu früh" gewesen – ich hatte nur 3 Monate Zeit, und hatte mich mit dem Thema zuvor nicht sehr intensiv beschäftigt (auch wenn es mich schon länger interessiert hat). Ich wäre überfordert gewesen, die Welt hätte keine neue schöne Schrift bekommen, und ich hätte vermutlich weniger dabei gelernt als auf die dann gewählte Weise – erst mal schauen, lesen und beschreiben, dann machen (inzwischen mache ich ja).

Was nicht heißt dass andere das nicht können, mit anderen Rahmenbedingungen und vielleicht sind sie einfach auch besser :)

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3 Monate sind ja auch wirklich sehr knapp bemessen. Ob ich eine Schrift als Bachelorarbeit machen möchte muss ich mir auch sehr gut überlegen – zum Glück habe ich noch mindestens zwei Jahre zeit dafür.

Wenn man sich den aktuellen Stand der Canapé so anschaut, dann kann dir deine Entscheidung ja nicht geschadet haben (sieht klasse aus).

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  • 1 Jahr später...

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