OType Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 hallo, ich beschäftige mich zur zeit wieder etwas mehr mit schriften und deren erscheinungsbild. also einfache stilmerkmale architektur etc. nun ist mir aufgefallen, wie prägnant der strichstärkenkontrast die lesbarkeit und das aussehen einer schrift beeinflusst. mir ist schon klar das klassizistische schriften wie bodoni nicht sehr gut lesbar sind, bei fließtexten, da ein stamm-wald entsteht, aber meine frage: warum ist eine extreme waagerecht betonung von zeichen (italienne) so hinderlich bzw warum werden diese 'extremen' nicht so of verwendet, wie das vertikale pendant? eigentich müsste doch diese leserichtung betonung gut sein für den lesekomfort; auch wenn dieser natürlich nicht so extrem sein sollte, wie der der cowboy-schriften? wenn ich an eine garamond denke, werden ja die grenzen der x-höhe subtil durch einen diagonalkontrast verstärkt, diese sollte doch auch (subtil) möglich sein mit der betonung der waagerechten stellen von zeichen? stellt euch ein 'o' vor mit subtiler vertikal-betonung (etwa helvetica), diagonal-betonung (etwa thesans) und horizontal-betonung (mmmh); dann könnt ihr euch vieleicht vorstellen was ich meine. kann mir einer weiterhelfen bei diesem problem? und allgemein was nützliches zur Majuskel- und Minuskelarchitektur sagen? gruß o --------- p: würde es eich gerne besser illustrieren, hab aber meinen eigenen rechner grade nicht zur hand
Minimalist Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 Hm, das könnte eine interessante theoretische Diskussion werden... :D Zunächst mal eine Gegenfrage: eigentich müsste doch diese leserichtung betonung gut sein für den lesekomfort Wie kommst Du darauf, respektive wie begründest Du das? :D
Ralf Herrmann Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 Also prinzipiell halte ich diese Annahme, dass Buchstabenmerkmale die Leserichtung betonen müssten schlicht für einen Mythos, der einfach seit ewigen Zeiten unbewiesen durch die Literatur geistert ohne irgendwelche Substanz zu haben. Die Leserichtung wird durch das Vorhandensein der Buchstaben und deren angemessene Abstände betont, nicht durch die Merkmale der Einzelbuchstaben. Ich hab zumindest noch nie gehört, dass ein Leser wegen einer bestimmten Schrifttype ständig aus der Zeile rutschen würde, solange Buchstaben- und Zeilenabstände stimmig sind. Zu der Betonung der horizontalen Elemente würde ich einfach zurückfragen: Was soll denn daran förderlich sein? Rein optisch wirken die horizontalen ja ohnehin schon breiter als die vertikalen. Das noch weiter zu übertreiben bringt keine Verbesserung innerhalb der üblichen Buchstabenformen. Es »matscht« allenfalls die Binnenformen zu. Und angesetzte Slab-Serifen helfen ja auch nicht der Lesbarkeit, da die in erster Linie über das Grundskelett der Buchstaben erfolgt und nicht über die angebrachte »Deko«.
Sebastian Nagel Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 Sehe das auch so. Die Leserichtung wird bei lateinischer Schrift durch die Zeile vorgegeben*. Wenn wir jetzt die Horizontale übermäßig betonen, fördern wir damit somit gar nichts, stören aber gleichzeitig die Erkennbarkeit der Buchstaben, die sich eben primär schon durch ihre Skelettform, unterstützt durch die jeweilige Ausformung, ergibt. * im Japanischen oder Chinesischen könnte die Buchstabenform bzw. deren Duktus hingegen vielleicht helfen, die Richtung zu erraten.
Minimalist Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 Ich denke eben auch, dass bei den allermeisten Buchstaben unserer Schrift die vertikalen Elemente viel auszeichnender sind als die horizontalen, also wenn überhaupt was beim Erkennen hilft, dann diese. Einen (Display-)Font der mehr oder weniger nur aus den vertikalen Elementen der Buchstaben besteht könnte ich mir noch als lesbar vorstellen (also beispielsweise ähnlich wie die Bodoni, nur mit noch viel extremerem Kontrast, bis hin zur Weglassung der dünnsten Teile), aber umgekehrt...? :D
Ralf Herrmann Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 Einen (Display-)Font der mehr oder weniger nur aus den vertikalen Elementen der Buchstaben besteht könnte ich mir noch als lesbar vorstellen… Jepp:
CRudolph Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 Jepp: Erstens ist das im Grunde schlicht unlesbar und zweitens nützt es nichts, man müßte ja jetzt erstmal das Gegenbeispiel zeigen.
Ralf Herrmann Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 Ich baue auf die Vorstellungskraft eines Wissenschaftlers!
CRudolph Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 So einfach ist es ja aber nicht. Einige Buchstaben lassen sich in der Horizontalen ganz ausgezeichnet darstellen und kommen gut ohne die Vertikale aus. Dementsprechend schlecht funktionieren sie im gezeigten Beispiel. Andere funktionieren genau umgekehrt. Und viele der Buchstaben mit Winkeln, also M, N, W etc. funktionieren in beiden Orientierungen schlicht nicht. Das überzeugt mich jetzt überhaupt nicht und meine Vorstellungskraft reicht nicht mal annähernd dazu aus.
Joshua K. Geschrieben September 1, 2010 Geschrieben September 1, 2010 Es gibt wohl eine Blicklinie, der man beim Lesen folgt, und die etwa auf halber Höhe der Mittellänge verläuft. Ich vermute folgendes: Wenn die waagerechten Striche betont sind, entstehen am oberen und unteren Rand der Mittellänge zwei Streifen, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und so von der Blicklinie ablenken, was das Lesen behindert. In der Antique Olive übrigens sind die waagerechten Striche leicht betont: [specimen=Leserichtung:2cnup1qt]2233[/specimen:2cnup1qt]
OType Geschrieben September 2, 2010 Themen-Ersteller Geschrieben September 2, 2010 ja genau wie oben (antique olive) meine ich das. aber mit der streifenbildung bin ich mir nicht sicher, da serifen doch auch 'linien' bilden. wenn das ganze mit dem kontrast fast egal ist, warum gibt es nicht mehr schriften wie die 'antique olive'? nicht das ich sagen würde das sieht besonders gut aus.
Erwin Krump Geschrieben September 2, 2010 Geschrieben September 2, 2010 Die Frage warum es nicht mehr Schriften wie die Antique Olive bzw. mit betonter Horizontalen gibt, lässt sich nicht nur mit optischen Kriterien begründen. Starke senkrechte Linien (Säulen) vermitteln bei Schrift wie Architektur Stabilität. Das heißt, eine starke Säule kann einen dünneren bis maximal gleichstarken Querbalken tragen, eine schwache (dünne) Senkrechte wirkt instabil, wenn ein dicker Querbalken getragen werden soll. Das Verhältnis Lasten/Tragen muss stimmen. Die Blicklinie spielt hier eher eine untergeordnete Rolle. Sehgewohnheiten waren im Menschen verankert (evolutionsbedingt), längst bevor es Schrift gab. Dass sich Italienne-Schriften oder ähnliche nicht als Leseschriften eignen liegt daher auf der Hand.
CRudolph Geschrieben September 2, 2010 Geschrieben September 2, 2010 @ Erwin: Man kann aber auch noch mal, wie eigentlich fast immer, die Mustererkennung in die Diskussion werfen. Wenn es nämlich um die Erkennung von Mustern geht, kann man nur noch ganz schwer argumentieren. Das Gehirn ist ganz exzellent für die bildliche Muster-Wahrnehmung geeignet. Man erkennt auf einen Blick Unterschiede, die sich verbal nur sehr schwer beschreiben lassen. Versucht mal zu beschreiben, was genau einen Hund von einer Katze unterscheidet. Was genau ist es, das uns bei einem (normalen) Bild einer Katze sofort erkennen läßt, daß es sich um eine Katze handelt? Und nicht um einen Hund? Oder umgekehrt: Wenn man wirklich mal ein Hybrid mit Photoshop erstellt, dann wird zumindest mir doch etwas anders: cat-dog-hybrid-02.jpg[/attachment:185r6qhy] Es wirkt merkwürdig und ungewohnt (mal davon abgesehen daß es natürlich auch genügend echte Bilder von Katzen und Hunden gibt, die durchaus merkwürdig und ungewohnt sind :D ). Die Schlußfolgerung ist, daß sich nicht immer eindeutig rational begründen läßt, warum ein bestimmtes Muster sich ganz klar von einem anderen Muster unterscheidet. Man sieht den Unterschied sofort, tut sich aber mit der Begründung viel schwerer. Das ist m.E. auch einer der Gründe für den argumentativen Wildwuchs was Lesbarkeit und Worterkennung angeht. Sicher gibt es da formale Kriterien. Es spielen aber eben auch viele Details eine Rolle, die sich letztlich nur sehr schwer verbal beschreiben lassen. Grüße, Christian
Uwe Borchert Geschrieben September 2, 2010 Geschrieben September 2, 2010 Hallo, Das erste Beispiel ist noch lesbar, aber was soll das den sein? :? Ich bitte um Aufklärung. MfG
Cajon Geschrieben September 2, 2010 Geschrieben September 2, 2010 Das erste Beispiel ist noch lesbar, aber was soll das den sein? :?Ich bitte um Aufklärung. „If we appreciate the great potential of this life we shall not waste it“ mit ausgiebiger Ligaturenspielerei.
Uwe Borchert Geschrieben September 2, 2010 Geschrieben September 2, 2010 Hallo, Das erste Beispiel ist noch lesbar, aber was soll das den sein? :?Ich bitte um Aufklärung. „If we appreciate the great potential of this life we shall not waste it“ mit ausgiebiger Ligaturenspielerei. Danke für die Erleuchtung. PS: Das ist die Typografie/Gestaltung die ich abgrundtief hasse. MfG
Erwin Krump Geschrieben September 2, 2010 Geschrieben September 2, 2010 Nicht unbedingt. Typografie kann (darf) auch Kunst sein. Natürlich handelt es sich hier nicht um zweckgebundene (Lese-)Typografie. Der Schöpfer dieser Arbeit wird dies auch nicht für sich in Anspruch nehmen. Die Grenzen zwischen Design und bildender Kunst sind längst aufgehoben. Ich persönlich finde beide Arbeiten ausgesprochen gut.
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