Teebee Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Wenn ich mich abends noch an die Form des Löffels vom Mittagessen erinnern kann, war es eine schlechte Löffelform. Oder die Suppe war fade.
Martin Z. Schröder Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Schrift ist wie ein Löffel: wenn ich mich am Abend an die Form des Löffels erinnere, mit dem ich am Mittag meine Suppe gegessen habe, dann war es eine schlechte Löffelform.
CRudolph Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Der Satz geht aber eben genau davon aus, daß das Gesamtbild der Gestaltung schon stimmig ist. Sonst stimmt er nämlich auch wieder nicht. Wenn ich in einem edlen Restaurant einen Kantinen-Löffel aus der Massenproduktion bekomme, dann erfüllt dieser ganz bestimmt seinen Zweck, aber er wird mir auch am Abend noch in Erinnerung sein, weil er nicht zum Gesamtbild paßt. Je länger ich über dieses Zitat nachdenke, desto unsinniger erscheint es mir. Es gibt in jedem Fall deutlich differenziertere Zitate.
Martin Z. Schröder Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Die Klammern fallen im gezeigten Fall auf Diese Klammern fallen nur in der Vergrößerung und Vereinzelung auf. Auf einer Buchseite bemerkt kein Laie, das da was nicht stimmt, außer man fragt ihn und er betrachtet die Klammern als solche. Mit Verlaub: das Zitat in dieser Form ist einfach falsch. Ich vermute stark es ist aus dem Zusammenhang gerissen, aber in dieser Kurzform ist es einfach realitätsfremd. Natürlich sollte mir nach einem Essen der Löffel nicht mehr im Gedächtnis geblieben sein als die Suppe oder die Unfähigkeit, die Letzte zu essen. Der Löffel muß seinen Zweck erfüllen, aber er kann, sofern er dies tut, zusätzlich auch noch gut gearbeitet sein. Es ist weder schwach noch stark aus dem Zusammenhang gerissen, ich hab es eben komplett einzeln oben wiedergegeben. Frutiger meint: Wenn sie die Funktion nicht erfüllt, ist die Form schlecht. (Da kann der Löffel auch golden sein.) Ich habe mir in meinem Leben allerdings noch nie eine Löffelform gemerkt, abgesehen von den riesigen Silberlöffeln des Familienerbes, die man nicht in den Mund stecken kann. Gerade gestalterisch und typografisch weniger bewanderte Leute bewundern Dokumente, welche gekonnt gestaltet sind. Ich behaupte das Gegenteil. Und ich behaupte es aus langer Erfahrung mit Kunden. Der absolute Laie kann eine Garamond nicht von der Walbaum unterscheiden und würde auch kaum bemerken, wenn die beiden in einer Drucksache gemischt werden, also etwa kursive Garamond zur gewöhnlichen Walbaum. Der gebildete Mensch dagegen erkennt die Walbaum als eine Art Bodoni und ordnet sie in der Kupferstichzeit ein, weil er sie aus dem Museum und aus der Literatur der Zeit kennt. Gestalterisch wenig bewanderte Leute erkennen gar nichts und lassen sich Stroh für Gold verkaufen. Man kann ihnen alles erzählen, und sie werden es glauben, wenn man es mit Nachdruck sagt, denn Typografie ist außer als Konvention nicht beweisbar. Wer einem Laien erzählt, wie kunstvoll eine gewisse Comic-Schrift gepinselt ist und dabei drei Kreise um drei Buchstabendetails malt, wird in seinem Zuhörer Bewunderung für die Schrift hervorrufen. Gestalterisch bewanderte und geschmackssichere Menschen bewegen sich manchmal in die Nähe jener Minderheit, die gute Typografie erkennt und von der Tschichold schon schrieb. Nämlich daß es sehr wenige Menschen sind, die gute von schlechter Typografie unterscheiden können. Und deshalb sehen die meisten Drucksachen seit langer Zeit schlecht aus und wird sich das auch nicht ändern (was man nicht als persönliche Beleidigung auffassen darf, es gibt ja überall Häßlichkeit, über die es hinwegzusehen gilt, beispielsweise Autos).den Durchschnittsleser, -verbraucher, -benutzer etwas zu fragen ist ohnehin eine ganz schlimme Angewohnheit: beobachten, ja, wenn das notwendig ist, aber fragen ...?Tatsächlich, das gibt es als Angewohnheit? Ich berate meine Kunden selbstverständlich in eine gewünschte Stilrichtung, aber ich frage nicht nach Details des Satzes. Welcher Handwerker fragt denn den Auftraggeber nach für diesen unsichtbaren Details!?Das letzte Bild mit den eckigen Klammern zeigt sicherlich einige Schwächen, aber solcher Satz wird doch nicht für Bildschirmvergrößerungen angefertigt. Ich glaube nicht, daß es ein schriftliches Dokument gibt, das die hier gestellten Ansprüche erfüllt. Und ich glaube nicht, daß es das je geben wird, abgesehen vielleicht von einem Demonstrationsobjekt. Ästhetik in Fußnoten durch individuelle Klammerbearbeitung: daran glaube ich nicht.
Martin Z. Schröder Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Gute Typographie bemerkt man so wenig wie gute Luft zum Atmen. Schlechte merkt man erst, wenn es einem stinkt.
CRudolph Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Ich behaupte das Gegenteil. Und ich behaupte es aus langer Erfahrung mit Kunden. Meine Erfahrung mit Kollegen (und auch die erstreckt sich schon über einige Jahre) ist da anders. Schriftmischungen werden zwar zugegebenermaßen nicht oder nur selten erkannt, aber gute Gestaltung wird im Vergleich wahrgenommen. Sonst hätte ich von Typografie schon längst die Finger gelassen: es sind tatsächlich Parameter, welche in vielen Fällen einen merklichen Effekt haben. Und so muß ich noch einmal darauf hinweisen: Das letzte Bild mit den eckigen Klammern zeigt sicherlich einige Schwächen, aber solcher Satz wird doch nicht für Bildschirmvergrößerungen angefertigt. Ich glaube nicht, daß es ein schriftliches Dokument gibt, das die hier gestellten Ansprüche erfüllt. Und ich glaube nicht, daß es das je geben wird, abgesehen vielleicht von einem Demonstrationsobjekt. Ästhetik in Fußnoten durch individuelle Klammerbearbeitung: daran glaube ich nicht. Es handelt sich eben nicht um Fußnoten in 6 pt am unteren Rand, es handelt sich um zahlreiche Zitate im Fließtext und um komplette Literaturverzeichnisse in Lesegrößen am Ende von Artikeln. Es handelt sich um Zitate, welche z.T. auf Folien in Vorträgen wiedergegeben werden und hier in Größen von 20 pt oder größer an Leinwände projiziert werden. Das ist durchaus keine Seltenheit sondern mein persönlicher Arbeitsalltag. Die Korrektur der Klammern oder des Halbgeviertstriches nehme ich persönlich in Fließtextgrößen auch nur in Ausnahmefällen vor. Auf Folien stechen mir solche Details aber sofort ins Auge. Und die Angaben sind m.E. groß genug um eine Korrektur durchaus zu rechtfertigen. Und damit eben auch die gesamte Diskussion.
CRudolph Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Gute Typographie bemerkt man so wenig wie gute Luft zum Atmen. Schlechte merkt man erst, wenn es einem stinkt. Wir sind aber eben von stinkender Luft umgeben, wortwörtlich. Und wenn man dann einen Ausflug macht und seit langem mal wieder frische Landluft schnuppert, dann merkt man das eben schon – und zwar positiv. Und genau so ist das meiner Erfahrung nach auch mit gut gestalteten Dokumenten. Feinheiten werden von untrainierten Lesern vielleicht nicht wahrgenommen, aber ein gutes und stimmiges Gesamtkonzept wird bemerkt, insbesondere wenn man es im Vergleich zeigt. 1
Kathrinvdm Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 (bearbeitet) … den Durchschnittsleser, -verbraucher, -benutzer etwas zu fragen ist ohnehin eine ganz schlimme Angewohnheit: beobachten, ja, wenn das notwendig ist, aber fragen ...? Tatsächlich, das gibt es als Angewohnheit? Ich berate meine Kunden selbstverständlich in eine gewünschte Stilrichtung, aber ich frage nicht nach Details des Satzes. Welcher Handwerker fragt denn den Auftraggeber nach für diesen unsichtbaren Details!? Ja, das gibt es wirklich. Ich würde aus meiner Beobachtung heraus sagen, je unerfahrener (und unsicherer) ein Gestalter ist und je neuer im Geschäft, desto mehr wird er dazu neigen, dem Kunden gegenüber auch kleinste gestalterische Details anzusprechen und das Einverständnis für mikrotypografische oder mikrogestalterische Entscheidungen einzuholen. In den allermeisten Fällen wird der Kunde damit natürlich heillos überfordert sein und dementsprechend verunsichert reagieren. Im Laufe der Zeit und mit wachsender Erfahrung lernt der Gestalter (wenn er dann noch im Geschäft ist), seiner eigenen Kompetenz mehr und mehr zu trauen, gewisse Detailentscheidungen eigenständig für den Kunden zu treffen und diese nur noch bei gezielter Nachfrage mit ihm zu erörtern. Ich stimme Martin zu – die meisten Menschen wissen nicht nur eine Garamond nicht von einer Walbaum zu unterscheiden sondern viele reagieren sogar perplex auf die Information, dass es Schriften mit Serifen und ohne gibt. Allerdings erwarten Kunden, die sich der Leistung eines Gestalters bedienen, dass dieser sehr wohl darum weiß und die für den Kunden bestmögliche Lösung gestalten wird – die Letzteren nicht zum Gespött der Menschheit macht, wenn er mit dem neu erstellten Erscheinungsbild ans Licht der Öffentlichkeit tritt. Die Detailfragen, die wir hier diskutieren, haben auch eine Menge mit unserem Selbstverständnis als Gestalter zu tun. Nur weil 95 % der Weltbevölkerung nicht um diese typografischen Spitzfindigkeiten wissen, heißt das ja nicht, dass wir es unterlassen müssten, uns damit zu befassen. Wenn es uns interessiert, und wenn unser Herz dafür brennt, und wenn wir verehrten Vorbildern zur Ehre gereichen möchten, dann ist die Leidenschaft für die ganz kleinen Details schon in Ordnung – finde ich zumindest. Man darf natürlich bei allem Streben nach Perfektion nicht vergessen, dass man im ganz normalen Arbeitsalltag nicht bei jedem Projekt eine perfekte Meisterleistung abliefern kann. Das ist zeitlich und monetär gar nicht zu schaffen. Es sei denn, man ist Privatier, auf eine angemessene Bezahlung der Arbeit nicht angewiesen und steht unter keinerlei Zeitdruck (:träum:). Was ich gut aushalten kann, ist, dass jeder von uns, der hier im Forum aktiv mitdiskutiert, seine eigenen typografischen Befindlichkeiten hat und diese mit guten Argumenten vertritt. Auf diese Weise habe ich schon eine ganze Menge gelernt und muss manchmal bei Lesen eines Textes lachen, weil mir unvermittelt der eine oder andere Kollege hier in den Sinn kommt, der angesichts ungesperrter Versalien, dem Einsatz der Comic Sans oder auch hängender Klammern leichten Bluthochdruck bekäme. Man muss ja nicht immer alles anwenden, was möglich ist, aber es ist eine große Bereicherung, darum zu wissen. Und was Eure Löffelthematik angeht – Ihr würdet Euch wundern wie viele designaffine Menschen es gibt, die sich mit der gleichen Akribie, mit der wir uns hier auf Buchstaben werfen, für Details der Löffelgestaltung interessieren. Und für die von Gabeln und Messern sogar auch. bearbeitet Juli 19, 2011 von Kathrinvdm 2
Minimalist Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Nein, Du belegst hier den Löffel ausschließlich mit negativen Attributen und behauptest dann, auf positive Attribute ließe sich nicht der Finger legen. Ich esse häufig genug in der Kantine mit ganz normalen Löffeln, welche mir absolut nicht auffallen. Die funktionieren einfach, sind aber völlig funktional – und sind alles Andere als Paradebeispiel für besonders gute Löffel. Ein edler Löffel der gut gearbeitet ist hat definierte Eigenschaften die ihn von der Massenware abhebt und darauf kann man genau so seinen Finger legen wie das Billig-Exemplar von Aldi mit nicht abgeschliffenen Kanten, an denen man sich die Lippen aufreißt. Reden wir denn jetzt von gutem Design oder von guter Verzierung? Gutes Design ist völlig funktional, was bei einem Löffel (im Gegensatz zu einem Messer ) scharfe Kanten ausschließt ... Aber auch »stylische« dünne Runde Griffe (nur mal als Beispiel), die sich nicht gut halten lassen: da mag der Löffel so hübsch aussehen wie er will, das ist kein gutes Design Meine Erfahrung [...] ist da anders. [Gute] Gestaltung wird im Vergleich wahrgenommen. Logo. Wenn Du in nem alten Altbau im Dunklen zwanzig Sekunden nach dem Lichtschalter suchst und dann noch 5 Sekunden brauchst, bis Du durch betasten herausgefunden hast, dass man an dem Pinökel drehen muss, dann fällt Dir erst mal auf, was für ein gutes Design ein knapp über Hüfthöhe angebrachter normaler Wippschalter (oder wie auch immer man das nennt) ist, der in allen neueren Gebäuden an derselben Seite, in derselben Höhe angebracht ist Nur, wenn Du nicht aus irgendeinem Grund (weil Du beispielsweise selbst mal einen Schalter gesetzt hast) Dich intensiv damit auseinandersetzt, dann kommst Du da nur im Vergleich drauf: ansonsten ist der Schalter einfach Da, und fertig
Pachulke Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Wenn Du in nem alten Altbau im Dunklen zwanzig Sekunden nach dem Lichtschalter suchst und dann noch 5 Sekunden brauchst, bis Du durch betasten herausgefunden hast, dass man an dem Pinökel drehen muss … Ich liebe diese Drehschalter!
Minimalist Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Tatsächlich, das gibt es als Angewohnheit? Ich berate meine Kunden selbstverständlich in eine gewünschte Stilrichtung, aber ich frage nicht nach Details des Satzes. Welcher Handwerker fragt denn den Auftraggeber nach für diesen unsichtbaren Details!? Allerdings gibt es die Ich hab gerade letztens einen Artikel über Webdesign gelesen, wo unter anderem dieser Sachverhalt angesprochen wurde. Die Leute erzählen einem alles Mögliche (und manchmal will man ja auch eine Meinung hören, aber meistens ja nicht), und legen sich im Reden Theorien über Zusammenhänge zurecht ... Wenn man sie aber beobachtet, beispielsweise beim Benutzen einer Website, dann stellt sich in den meisten Fällen heraus, dass tatsächlich ganz andere Dinge vorgehen, die Leute sich ganz anders verhalten, als sie es in Erinnerung hatten, und dass sie (im direkten Vergleich) mit gewünschten Features gar nicht so gut zurecht kommen wie mit solchen, die nach ihrem Verhalten gestaltet wurden ... Wir sind aber eben von stinkender Luft umgeben, wortwörtlich. Und wenn man dann einen Ausflug macht und seit langem mal wieder frische Landluft schnuppert, dann merkt man das eben schon – und zwar positiv. Mit Verlaub (), aber das stimmt doch so gar nicht Frische Luft kannst Du gar nicht riechen: wenn überhaupt, dann riechst Du Pferdeäppel oder Blumen und findest das angenehm. Dass irgendwo die Luft gut war (im Sinne von dass sie nicht gestunken hat), fällt Dir doch erst auf, wenn Du wieder zu Hause bist und das Asthma Alarm schlägt »Hier ist Die Luft so gut« ist doch lediglich ein hohler Spruch. Idealerweise von jemandem, der die Rückkehr ins Suboptimale schon mal erlebt hat, und daher den Unterschied noch in Erinnerung hat. Wenns nicht so gut läuft, dann kommt er von jemandem, der einfach mal was reden wollte, aber nix zu sagen hatte ... Was ich gut aushalten kann, ist, dass jeder von uns, der hier im Forum aktiv mitdiskutiert, seine eigenen typografischen Befindlichkeiten hat und diese mit guten Argumenten vertritt. +1
Minimalist Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Ich liebe diese Drehschalter! :schmunzel: Die sind schon drollig, wenn man nostalgisch veranlagt ist (ich auch ... ), aber das bessere Design hat der Schalter, für den man nur nen freien Ellbogen braucht, und nicht mindestens zwei Finger ...
Martin Z. Schröder Geschrieben Juli 19, 2011 Geschrieben Juli 19, 2011 Gutes Design ist völlig funktional Vielleicht könnte man etwas präziser und richtiger sagen, daß bei Gebrauchsdingen die Gebrauchsfunktion meistens eine zu erfüllende Bedingung für akzeptables Design ist (Löffel außerhalb von Prunksälen, Schriften in Lesebüchern, Tassen außerhalb von Keramik-Workshops) und daß es darüber hinaus neben der Gebrauchsfunktion weitere gibt, die oft dem Gebrauch untergeordnet sind, in vielen Fällen aber auch die Gebrauchsfunktion einschränken können (Repräsentation, Bastelfreude, Schnörkelfreude: Löffel zu Prunkmahlzeiten, Tassen in Keramik-Workshops, Schriften in Schnörkel-Akzidenzen). Das sind auch Funktionen von Design. Frutiger und Weidemann haben spezieller formuliert und Grundsätze des typografischen Arbeitens genannt und damit auch nur wiederholt, was man ebenso bei Tschichold, Renner oder Morison als Grundsatz findet. 1
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