Ralf Herrmann Geschrieben September 16, 2012 Geschrieben September 16, 2012 Ich hab das Beispiel nicht gezielt »gesucht«. Ich hab in Erwartung einer Zwangsligatur nach Faust gesucht und das war das zweite Blatt, das mir unterkam. So sehen Titelblätter in den zurückliegenden Jahrhunderten nun mal aus – zu tausenden. Komm ich jetzt etwa in die Rolle, die alten Satzweisen zu verteidigen?
boernie Geschrieben September 17, 2012 Themen-Ersteller Geschrieben September 17, 2012 So sehen Titelblätter in den zurückliegenden Jahrhunderten nun mal aus Stimmt. Goethes Faust erlebte übrigens am Braunschweiger Hoftheater seine Welturaufführung. 5845 CONFIG
Erwin Krump Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 Die Kircheninschrift ist insgesamt so sehr homogenisiert, dass es der Lesbarkeit auch wieder schadet, m. E. Das sehe ich genauso wie du. Lesbarkeit war um 1509 natürlich nicht annähernd das Thema wie heute. Noch weniger lesbar sind die römischen Ziffern der Uhr. Mir ist klar, dass wir 500 Jahre später nach anderen Maßstäben urteilen. Den Zweck erfüllte diese Schrift für die Menschen der damaligen Zeit. Trotzdem finde ich die gezeigten Arbeiten interessant, aber vielleicht habe ich die Bilder auch zu voreilig hochgeladen, da sie nicht unbedingt zum Thema passen. Grüße Erwin
CRudolph Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 Die Kriterien dieses Qualitätsanspruchs legt eben nicht irgendwer fest, sondern diejenigen, die über Schrift das nötige Wissen verfügen. Dank für diesen Satz, knapper kann man es eigentlich kaum auf den Punkt bringen. Ich lege mich hier regelmäßig mit den Beauftragten für behinderte Studenten an wenn es um die Aufbereitung von Texten für Studenten mit Legasthenie geht. Ohne das nötige Fachwissen wird da eben einfach der größte Schrott etabliert. Und genau das ist es auch was mich immer wieder von der Idee abschreckt daß aktive Sprache ausschließlich von den Sprechenden geformt werden soll. Aber damit drehen wir uns im Kreis und es ist auch wieder nur meine persönliche Meinung. Grüße, Christian
Gast bertel Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 Dank für diesen Satz, knapper kann man es eigentlich kaum auf den Punkt bringen. Ich lege mich hier regelmäßig mit den Beauftragten für behinderte Studenten an wenn es um die Aufbereitung von Texten für Studenten mit Legasthenie geht. Ohne das nötige Fachwissen wird da eben einfach der größte Schrott etabliert. … Das würde voraussetzen, dass es nur eine Schriftanwendung gibt. Dem ist aber nicht so. Ein Text, der für Legastheniker aufbereitet wurde, wird vielleicht von Sehbehinderten schlecht erkannt, trotzdem müssen sich beide mit dem Text befassen. Der Qualitätsanspruch hängt also doch vom Adressaten ab und nicht ausschließlich von den Schriftkundigen.
CRudolph Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 Natürlich, aber unter welcher Voraussetzung denn? Die Studien die da gemacht werden benutzen dann Vorlagen in 12 pt Arial mit einfachem Zeilenabstand als Standard. Und vergleichen das mit z.B. Comic Sans. Welche andere Wahl haben denn die Probanden als Comic Sans oder Marker Felt unter diesen Umständen als besser Lesbar zu identifizieren?
Gast bertel Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 Ein falscher Ansatz kann nur zu falschen Ergebnissen führen, da geb ich dir recht. Ich finde nur Erwin Krumps verallgemeinernde Aussage „Die Kriterien dieses Qualitätsanspruchs legt eben nicht irgendwer fest, sondern diejenigen, die über Schrift das nötige Wissen verfügen.“ nicht richtig, weil der Qualitätsanspruch bei unterschiedlichen Adressaten so unterschiedlich ist, dass es keine Lösung für alle gibt. Auch, weil die Schriftkundigen gar nicht alle alle Ansprüche kennen können.
Erwin Krump Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 Ich finde nur Erwin Krumps verallgemeinernde Aussage „Die Kriterien dieses Qualitätsanspruchs legt eben nicht irgendwer fest, sondern diejenigen, die über Schrift das nötige Wissen verfügen.“ nicht richtig, weil der Qualitätsanspruch bei unterschiedlichen Adressaten so unterschiedlich ist, dass es keine Lösung für alle gibt. Auch, weil die Schriftkundigen gar nicht alle alle Ansprüche kennen können. Aber der Satz „die über Schrift das nötige Wissen verfügen“ – beinhaltet ja genau das, was du nun ansprichst, dass sich der Fachmann(frau) auch mit der Zielgruppe (mit den jeweiligen Adressaten, wie du schreibst) entsprechend auseinandergesetzt hat. Dass die Bedürfnisse derjenigen, für die dieses Produkt hergestellt werden soll und die es dann benutzen oder benötigen, berücksichtigt wird, spielt in der Entscheidungsfindung der Umsetzung genau die entsprechende Rolle. Was ist daran verallgemeinernd?
Martin Z. Schröder Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 Man sehe sich nur »Entréen« an, um zu sehen, was für ein Schriftsetzer das verzapft hat. Nur eine Anmerkung aus der Bleisetzerei zur Ehrenrettung des Kollegen: Ich hatte in Blei noch nie eine Fraktur mit Akzenten in der Hand. Eigentlich setzt man Fremdwörter in einem Fraktur-Text aus Antiqua, aber diese Lösung ist für 1829 auch gut.
Pachulke Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 Eigentlich setzt man Fremdwörter in einem Fraktur-Text aus Antiqua … Richtig. Alternativ kann man auch zur Feile greifen und einen Akzent über das Fraktur-e basteln. Aber der Antiqua-Buchstabe im Fraktur-Wort ist m. E. die schlechteste aller denkbaren Möglichkeiten, da wäre es sogar noch besser, den Akzent ganz wegzulassen.
Martin Z. Schröder Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 Ich weiß ja nicht, welcher Schriftgrad das ist, aber den Setzer möchte ich sehen, der ein Tertia- oder Text-e anfeilt und dann einen Akzent - woher eigentlich nimmt?
Pachulke Geschrieben September 17, 2012 Geschrieben September 17, 2012 … den Setzer möchte ich sehen, der ein Tertia- oder Text-e anfeilt und dann einen Akzent - woher eigentlich nimmt? Hätte ich gemacht. Verwendet hätte ich das Komma aus der Corpus, das paßt im Beispiel ganz famos als Akut. Und hinterher hätte ich klaglos einen Vortrag des Meisters über das Verhältnis von Quantität und Qualität ertragen, das ich doch bitte zugunsten der Quantität justieren solle. Und dann hätte ich diesen Vortrag das nächste mal wieder ignoriert, weil es mir gar nicht möglich gewesen wäre, einen Antiqua-Buchstaben in einem Frakturwort abzuliefern.
Joshua K. Geschrieben November 13, 2012 Geschrieben November 13, 2012 Da ich zur Zeit sehr viel um die Ohren habe, habe ich es leider einige Zeit nicht geschafft, im Forum vorbeizuschauen. Ich bitte deshalb zu entschuldigen, daß ich so spät noch einmal antworte, aber ich möchte Ralfs Behauptungen so nicht stehen lassen. Ich nehme an, du spielst auf den Artikel im TypoJournal 3 an? Ja. Du meinst wirklich, ich kenne keine anderen gebrochenen Schriften als diese und das ist meine einzige Basis für diese Aussagen? Ich bin mir sicher, daß Du mehr gebrochene Schriften kennst, deshalb muß ich mich ja über Deine Schriftauswahl ärgern. Die verwendete Schrift ist ein mehr oder weniger willkürliches Beispiel, um über die generellen und strukturellen Unterschiede zwischen Fraktur und Antiqua zu sprechen. Man kann sie auf nahezu beliebige gebrochene Schriften und Antiqua-Schriften anwenden, die für Lesetexte gemacht sind. Man wird immer zum gleichen Ergebnis kommen: Das Formprinzip der Fraktur muss mit deutlich mehr verwechselbaren Buchstabenskeletten leben als die Antiqua (und das ſ ist sogar ein besonders schlimmer Fall). Genau: Die verwendete Schrift ist völlig willkürlich ausgewählt. Eine einzelne willkürlich ausgewählte Schrift ist aber völlig ungeeignet, allgemeine Merkmale der gebrochenen Schriften aufzuzeigen. Die Ergebnisse der Untersuchung dieser willkürlich ausgewählten Schrift lassen sich nicht einfach so auf „nahezu beliebige“ gebrochene Schriften übertragen, und man wird keineswegs „immer zum gleichen Ergebnis kommen.“ Genauso gut könnte man die Arial oder die Comic Sans willkürlich auswählen und daran „beweisen“, was die Antiqua „generell und strukturell“ für Nachteile hat. Sehen wir uns nur einmal den „besonders schlimmen Fall“ des ſ an. In der von Dir als Beispiel benutzten Fraktur hat das ſ links einen Anstrich und der Querbalken des f ist recht kümmerlich. Ja, in dieser Schrift unterscheiden sich ſ und f wirklich nicht gut. Das heißt aber keineswegs, daß alle Frakturen so aussehen müssen! Die Gegenüberstellung mit nur zwei auf die Schnelle herausgesuchten Gegenbeispielen zeigt, daß sich ſ und f in anderen Schriften wesentlich besser unterscheiden: Wenn dann sogar das genaue Gegenteil behaupten wird, werde ich dagegen Einspruch erheben. Auch immer wieder. Tut mir leid! Mit bloßen Meinungen (die sich auf potenzielle Anwendungs- und Zukunftszenarien beziehen) hat das nichts zu tun und auch nicht mit der Qualität einer bestimmten Digitalisierung. Es ist ein einfache, sachliche Bestandsaufnahme des Status Quo der Schriftformen und der Lesekonvention im Jahre 2012. Und wenn versucht wird, unsachliche Verallgemeinerungen als sachliche Bestandsaufnahmen zu verkaufen, um die Fraktur als schlechter lesbar darzustellen, werde ich dagegen Einspruch erheben. Auch immer wieder.
Ralf Herrmann Geschrieben November 13, 2012 Geschrieben November 13, 2012 Eine einzelne willkürlich ausgewählte Schrift ist aber völlig ungeeignet, allgemeine Merkmale der gebrochenen Schriften aufzuzeigen. Doch natürlich. Da ich von strukturellen Unterschieden (Formprinzipien oder Buchstabenskeletten) spreche. Die sind schließlich der Kern der Unterscheidung von Antiqua und Fraktur. Was auch sonst? Wenn du meine Schriftwahl anzweifelst, werfe ich den Ball gern zurück: Bitte nenne mir die deiner Meinung nach am besten lesbare Frakturschrift in der deiner Meinung nach besten Digitalisierung. Lass mir ein PDF mit den Buchstaben in Kurven zukommen und ich werde noch einmal mit einer typischen Antiqua vergleichen, welche Schrift die meisten Leserlichkeitsstolperfallen aufweist. Ganz unvoreingenommen. Ich hab schließlich keine bestimmtes »Lager« zu verteidigen. Ich möchte nur die Realität beschreiben. Und alle drei sind dennoch schlechter unterscheidbar als f und (rund-)s. Du präsentierst hier mit dem Beispiel reiſen/reifen/reisen freimütig ein Paradebeispiel, das zeigt, dass typische Fraktursatzmerkmale eben gerade nicht auf optimale Leserlichkeit ausgelegt sind. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Auf der »Positivseite« für diese Beispiel stände dann lediglich, dass beim Verzicht auf das ſ eventuell alle 200 Seiten mal ein Work käme, wo das ſ/s auf eine Wortfuge fallen würde und der Leser eventuell kurzzeitig überlegen müsste, ob die Morphemgrenze nun vor oder nach dem s liegt. Die schwache Unterscheidung zwischen ſ und f tritt dagegen beim zügigen Lesen bei jedem Vorkommen dieser Buchstaben auf und muss also jedesmal im Zusammenhang inhaltlich gelöst werden. Das geht ohne Frage, aber dieses Negativbeispiel als Vorzug der Fraktur und des ſ umzudeuten, ist dann eben wieder realitätsfern.
Dieter Stockert Geschrieben November 14, 2012 Geschrieben November 14, 2012 Immer noch schlecht genug als dass es mich überzeugen könnte. Ich bin’s übrigens gewohnt, in Fraktur gesetzte Bücher zu lesen. Aber trotzdem stolpere ich immer bei solchen Sachen immer noch und immer wieder.
Martin Z. Schröder Geschrieben November 15, 2012 Geschrieben November 15, 2012 Ich bin noch nie in Fraktur über das lange s gestolpert. Und bevor ich hier davon las, habe ich auch nie von diesem Problem gehört. Das hätten doch Großeltern und Eltern und andere alte Leute irgendwann einmal erwähnen können. Stattdessen hatten sie noch als alte Menschen schöne Handschriften mit ihrer Kurrent- und Sütterlin-Schule. Das Foto beweist, daß man mit Fotos vieles zeigen kann. Auch, daß Unkundige alles verwechseln können. Es gibt auch Antiqua-Unkundige. Und Jan Tschichold hat an der Futura die Verwechselbarkeit von a und o beklagt. Damit meinte er sicherlich keine Leseprobleme.
Albert-Jan Pool Geschrieben November 15, 2012 Geschrieben November 15, 2012 Das würde voraussetzen, dass es nur eine Schriftanwendung gibt. Dem ist aber nicht so. Ein Text, der für Legastheniker aufbereitet wurde, wird vielleicht von Sehbehinderten schlecht erkannt, trotzdem müssen sich beide mit dem Text befassen. Der Qualitätsanspruch hängt also doch vom Adressaten ab und nicht ausschließlich von den Schriftkundigen. Natürlich, aber unter welcher Voraussetzung denn? Die Studien die da gemacht werden benutzen dann Vorlagen in 12 pt Arial mit einfachem Zeilenabstand als Standard. Und vergleichen das mit z.B. Comic Sans. Welche andere Wahl haben denn die Probanden als Comic Sans oder Marker Felt unter diesen Umständen als besser Lesbar zu identifizieren? Da stellt sich aber auch die Frage wie man überhaupt einen Text für Legastheniker aufbereiten sollte. Der einzige Sinnige Beitrag den ich diesbezüglich gelesen habe ist dieser hier: http://www.commarts.com/columns/should-dyslexics-unite.html siehe auch: http://www.thomasphinney.com/2012/06/should-dyslexics-unite-on-a-typeface/
Ralf Herrmann Geschrieben November 15, 2012 Geschrieben November 15, 2012 Das Foto soll gar nichts beweisen. Es knüpft einfach an die Fundstücke am Anfang des Stranges an. Das hätten doch Großeltern und Eltern und andere alte Leute irgendwann einmal erwähnen können. Natürlich kann man, entsprechende Lese-Erfahrung vorausgesetzt, Texte mit ſ völlig problemlos lesen. Dann stand auch nie zur Debatte. In der Diskussion stehen Argumente, die das ſ als einen Beleg der vermeintlich besseren Leserlichkeit der Fraktur hinstellen wollen. Wer auch sich auch nur ein bisschen mit der Physiologie des Lesens beschäftigt, weiß ja, dass wir nur ganz wenige Buchstaben scharf verarbeiten (Fovea). Der größte Teil wird beim flüssigen Fließtext-Lesen nur unscharf verarbeitet oder ganz übersprungen. Auch die oben von Joshua gezeigten »Positiv-Beispiele« zeigen nur eine äußerst schwache Unterscheidung von f und ſ. Da müsste man beim Lesen jeweils jedes f und ſ einzeln fixieren, um es wirklich unmissverständlich lesen zu wollen. In der Praxis passiert das natürlich nicht. Man liest im Zusammenhang und weiß so bei gängigen Wörtern ohnehin, welcher der beiden Buchstaben überhaupt in Frage kommt. Auf gut Deutsch: man rät, ob es ein f oder ſ ist. Und Millionen Fraktursatz-Leser haben in der Vergangenheit bewiesen, dass das auch mehr oder weniger problemlos geht. Ich kenne das auch aus meiner eigenen Lese-Erfahrung. Es geht in der Regel völlig problemlos. Kommt aber ein Eigenname oder ein mir nicht geläufiges Wort, wird f/ſ sofort zur Stolperfalle. Das ist nicht tragisch, aber wenn diese kleine Schwäche des Fraktursatzes dann auch noch rumgedreht wird, und man behauptet, dass das ſ ja ein Zeichen der Überlegenheit und besseren Leserlichkeit der Fraktur im Vergleich zur Antiqua ist, dann kann ich mich dem aus den oben genannten Gründen einfach nicht anschließen. Es schadet auch nicht, sich zu vergegenwärtigen wo diese Argumente eigentlich herkommen. Ich hatte kürzlich erst wieder Klingspors »Über Schönheit von Schrift und Druck« gelesen und finde es erschreckend, wie zur damaligen Zeit das Schriftschaffen im Sinne der politischen Ideologie umgedeutet wurde – und dies ohne Rücksicht auf Verluste. Die historischen Fakten werden dabei verdreht, dass es nur so kracht. Aber es muss doch 80 Jahre später möglich (wenn nicht sogar unsere Pflicht) sein, diese Argumente kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls von ideologisch motivierten Thesen zu befreien, die nicht den Tatsachen entsprechen. Leider werden nämlich diese Aussagen fast wortwörtlich heute noch weitergeplappert. Und heutige Studenten, denen das fachlich/historische Gesamtwissen fehlt, übernehmen diese ideologisch motivierten Aussagen dann auch noch als vermeintlich sachliches Fachwissen. Das kann doch nicht im Interesse unteres Fachbereiches sein. Es ist schade, dass solche Diskussionen so unmöglich scheinen. Wir streiten hier über jede typografische Feinheit, aber sobald es irgendwie den Fraktursatz berührt, wittern die Fraktursatzfreunde gleich »Blasphemie« bezüglich ihres »Glaubens« und verteidigen das »Gesamtwerk Fraktursatz« mit Händen und Füßen. Warum ist es nicht möglich Unzulänglichkeiten aufzuzeigen oder Konventionsänderungen zu diskutieren und gegebenenfalls auch zu akzeptieren? Und ich kann auch immer nur betonen, dass ich nicht der »Feind« bin, der als Fraktur-Hasser oder ſ-Hasser bekämpft und widerlegt werden müsste. Im TypoJournal 4 wird es zum Beispiel Fraktursatz geben. Eine von Helzel digitalisierte Schrift. Mit ſ und allen Ligaturen. Das volle Programm! Weil es in diesem Fall zu Projekt und Zielgruppe passt. Ich habe nichts gegen Fraktur oder ſ und ich vertreten auch kein bestimmtes »Lager« mit irgendwelchen offenen oder versteckten Interessen. Ich habe etwas gegen Argumente, die ich für sachlich falsch halte.
Martin Z. Schröder Geschrieben November 15, 2012 Geschrieben November 15, 2012 dbpq - tippt man diese Buchstaben auf der einen Seite aus der Unger-Fraktur und auf der anderen aus der Futura, wird man sicherlich als Tatsache anerkennen müssen, daß die Unterscheidung der Frakturbuchstaben ungleich deutlicher ist als die der serifenlosen Antiqua. Das sieht mit einer kursiven Renaissance-Antiqua oder einer cancellaresca-ähnlichen wie der Delphin schon wieder anders aus. Es scheint mir keine sinnvolle Argumentation und als rhetorischer Griff etwas simpel, die eigene Meinung als objektive und unanfechtbare Tatsache darzustellen und die Meinung, die der eigenen nicht entspricht, als Ausfluß von Ideologie und Lagerdenken. Ich meine, daß die Schrift unserer Zeit die Antiqua ist und die gebrochenen eine schöne Bereicherung sind. Wer sie lesen kann, kann sie gleich gut lesen. Bestimmte Autoren lese ich viel lieber in Fraktur: Adalbert Stifter, Jeremias Gotthelf, Eichendorff, Mörike, Hölderlin, von Goethe auch manches, aber nicht die Romane, die ja im Stil moderner sind als Stifter. Truman Capote möchte ich lieber in Antiqua lesen, das erschiene mir in Fraktur bizarr. Persönliche Vorlieben, die ich mit manchen teile, mit anderen nicht. Lesefehler können in allen Schriften vorkommen, in Fraktur andere als in Antiqua.
Ralf Herrmann Geschrieben November 15, 2012 Geschrieben November 15, 2012 dbpq - tippt man diese Buchstaben auf der einen Seite aus der Unger-Fraktur und auf der anderen aus der Futura, wird man sicherlich als Tatsache anerkennen müssen, daß die Unterscheidung der Frakturbuchstaben ungleich deutlicher ist als die der serifenlosen Antiqua. Deswegen sprach ich auch vom »Fließtext-Lesen« in entsprechend dafür gemachten Schriften. Und die kann man sehr wohl gattungsübergreifend miteinander vergleichen. (Machen die Frakturverfechten ja auch, wenn sie der Fraktur eine generell bessere Leserlich als der Antiqua zusprechen) Eine Futura hat in diesem Vergleich nichts zu suchen – für Frakturschriften für Schaugrade gilt das gleiche. daß die Unterscheidung der Frakturbuchstaben ungleich deutlicher ist als die der serifenlosen Antiqua. Und ob ich das anzweifle! Sofern man nicht Leseanfänger ist oder an bestimmten Leseschwächen leidet, sehe ich im Sinne der Leserlichkeit von Einzelzeichen nicht den geringsten Anlass, warum b/d/q/p nicht gedreht/gespiegelt sein dürften. Wenn’s unten links eine Unterlänge hat, kann es kein b/d/q sein.
Ralf Herrmann Geschrieben November 15, 2012 Geschrieben November 15, 2012 Es scheint mir keine sinnvolle Argumentation und als rhetorischer Griff etwas simpel, die eigene Meinung als objektive und unanfechtbare Tatsache darzustellen und die Meinung, die der eigenen nicht entspricht, als Ausfluß von Ideologie und Lagerdenken. Genauso wie der rhetorische Griff, meine Aussagen in dieser Weise zu vereinfachen. Von Unanfechtbarkeit kann im Übrigen überhaupt keine Rede sein. So eine Einstellung wäre furchtbar und schrecklich unwissenschaftlich. Meine Meinungen zu Lesbarkeit sind ja nicht vom Himmel gefallen, sondern zum Beispiel ein Ergebnis der jahrelangen Arbeit and der neuen Leserlichkeitsnorm, meiner Studien zu meiner Beschilderungsschrift und so weiter. Ich erlaube mir hier zu sagen, einen gewissen Kenntnisstand zu haben. Unanfechtbar ist der aber überhaupt nicht. Ich lerne gern jeden Tag dazu. Und die Sache mit den Ideologien habe ich mir ja auch nicht so zum Spaß ausgedacht. Dass die gebrochenen Schriften Anfang des 20. Jahrhunderts ideologisiert wurden, dürfte ja außer Zweifel stehen. Und wenn die dabei entstandenen Aussagen heute quasi 1:1 wiederholt werden, dann ist das zumindest verdächtig. Zumal jene, die heute noch so argumentieren ja meist auch die gleichen sind, die sich »deutsche Sprachreinheit« ohne Fremdwörter und ähnliches wünschen. Dahinter stecken keine Ideologien? Das ist alles wissenschaftlich objektiv und Ralfs Zweifel nur ein rhetorischen Griff?
Þorsten Geschrieben November 15, 2012 Geschrieben November 15, 2012 Immer noch schlecht genug als dass es mich überzeugen könnte. Ich bin’s übrigens gewohnt, in Fraktur gesetzte Bücher zu lesen. Aber trotzdem stolpere ich immer bei solchen Sachen immer noch und immer wieder. Das geht mir auch so. Im Übrigen erscheint mir Joschuas Beispiel realitätsfern. Ein praxisnaher Test wäre es, Fotos von Frakturdrucken auf 0815-Papier in Brotschriftgraden zu vergleichen. Da ist die Differenz zwischen f und ſ nur ein klitzekleiner Fleck. Verunreinigungen im Papier oder durch den Druck (gibt’s da einen Fachbegriff?) sind oft größer. (Ich denke z.B. an Alltagsbibeln mit klitzekleiner Schrift und ultradünnem Papier.) Als ich vor langer Zeit damit angefangen habe, auch die in Fraktur gedruckten Bücher meiner Eltern und Großeltern zu lesen, habe ich nach meiner Erinnerung bald damit aufgehört, f und ſ unterscheiden zu wollen – und habe sie also als eine Form wahrgenommen und dann eben aus dem Kontext erschlossen, worum es geht. Anders war flüssiges Lesen nicht möglich. Bei »neuen« Eigennamen war dann ein Stolperer vorprogrammiert, klar.
Dieter Stockert Geschrieben November 15, 2012 Geschrieben November 15, 2012 Als ich vor langer Zeit damit angefangen habe, auch die in Fraktur gedruckten Bücher meiner Eltern und Großeltern zu lesen, habe ich nach meiner Erinnerung bald damit aufgehört, f und ſ unterscheiden zu wollen – und habe sie also als eine Form wahrgenommen und dann eben aus dem Kontext erschlossen, worum es geht. Anders war flüssiges Lesen nicht möglich. Genau.
Ralf Herrmann Geschrieben November 21, 2012 Geschrieben November 21, 2012 Wie ich gerade auf der Ligafaktur-Seite sehe, hat man neben Wach-s-tube und Ver-s-endung noch weitere schlagkräftige Wortbeispiele aufgetan, die das Scheitern der Rechtschreibreform belegen und Adelung’sche Schreibung und am liebsten auch das ſ zurückholen sollten: Messende — der Messende oder das Mess-Ende (!?) Passende — das Passende oder das Pass-Ende Ah, ja.
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