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Die Deutsche Antiqua?

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Gast Peter Glaab

Das ist doch komisch: Deutschland ist für seine Ingenieurskunst, Autos und DINs berühmt. Die vielleicht typischste deutsche Schrift ziert unsere Autobahnschilder und ist vielleicht gerade wegen Ihrer kühlen, rationalen Formen so beliebt. Aber wie steht es um eine landestypische Serifenschrift? Gibt es die deutsche Antiqua überhaupt im Land der Dichter und Denker?

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Also wenn man durch Weimar läuft, schein die Walbaum Antiqua DIE deutsche Serifenschrift zu sein. ;-)

Aber ansonsten: Druckschrift-Antiquas entwickelten sich recht langsam in den letzten 500 Jahren und folgen eher traditionellen Regeln. Sie sind vielleicht nicht ganz so stilprägend die DIN1451, Gill Sans, Helvetica und die anderen Grotesken des 20. Jahrhunderts. Ich wüsste daher auch bei anderen Ländern nicht wirklich, welche Antiqua visuell typisch wäre. Klar, man kann die Herkunft zuordnen (Bodoni, Caslon, Garamond etc.), aber dass die jeweilige Schriften starke landestypische Assoziationen auslösen, ist eher weniger der Fall, oder?

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Ich glaub nicht, dass es eine DIE DEUTSCHE Antiqua gibt. Dafür gibt es einerseits "Deutschland" nicht lange und einheitlich (bzw. zentralistisch regiert) genug wie beispielsweise Frankreich, Spanien oder Schweden. Andererseits war "Deutschland" natürlich auch durch seine lange Zeiten führende Rolle im grafischen Gewerbe und in der Produktion von Bleisatzschriften so vielfältig auf diesem Gebiet (speziell im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert), dass sich keine Gießerei und demzufolge auch keine Schrift quasi monopolistisch durchsetzen konnte. Für einzelne Gegenden und bestimmte Zeiträume lässt sich aber durchaus sagen, dass es dort gelegentlich DIE Antiqua gab: beispielsweise in der DDR spätestens ab den 60er Jahren die Typoart-Garamond; oder im norddeutschen Raum in den zwanziger, dreißiger Jahren die Genzsch-Antiqua; im Bleisatzzeitalter Westberlins scheint mir die Concorde unverhältnismäßig weit verbreitet und oft eingesetzt gewesen zu sein; im sächsischen, bayrischen oder Frankfurter Raum kann man sicherlich in bestimmten Perioden auch zwei, drei Schriften überproportional vertreten finden ...

Das hat auch oft was damit zu tun, dass große Schriftgießereien ihre unmittelbare Gegend quasi als "Stammland" verteidigt haben und dort halt den Schriftenbestand der Druckereinen sehr lange deutlich dominiert haben: Genzsch & Heyse in Norddeutschland, Berthold in Berlin und Umgebung, Schelter & Giesecke in Leipzig, Gebrüder Butter in Dresden ...

Nur im Raum Frankfurt wurde es schwierig: Stempel, Bauer, Klingspor und dann noch ein paar kleinere ...

Mit der Einführung von Fotosatz und später Computersatz war das Thema "Deutsche Antiqua" dann sowieso erledigt - Amerikanisierung und Globalisierung sei Dank. Im frühen Computersatz Ende der 80er/Anfang der 90er gab es dann DIE Antiqua in Form der Times und der Palatino (weil Systemschrift) sogar weltweit im Umkreis lateinischer Schriftzeichen - da wurde ein paar Jahre quasi jedes zweite Buch (zumindest gefühlt) daraus gesetzt.

Ich glaub übrigens auch nicht, dass es DIE deutsche Serifenlose gibt. Dann wären Futura, AG, Helvetica, Gill von der Häufigkeit der Anwendung in den letzten 100 Jahren wohl ziemlich auf gleicher Höhe und Kabel, Block, Erbar, Syntax, Super, Bauer-Grotesk, Kristall, Venus etc. regional und in bestimmten Perioden Zeiten auch DIE deutsche Grotesk zu Bleisatzzeiten. Vom Computerzeitalter mit Meta, Rotis, Thesis und und und hätten wir damit aber noch gar nicht geredet ...

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Gast Peter Glaab

Ob es tatsächlich DIE allgemein gültige deutsche Grotesk gibt, das kann ich natürlich nicht sagen, weil ich nur über eine bestimmten Blick zu Beginn des 21. Jhdts. verfüge. Deshalb finde ich Deine Anmerkungen zu regionalen und auch vertriebsbedingten Gegebenheiten Von Schriften gut. Gefühlt würde ich die Futura und DIN als zwei der populärsten Schriften sehen. Die DIN ist eben durch ihre Verwendung auf Verkehrsschildern im öffentlichen Raum sehr präsent und prägt daher auch das visuelle Klima unseres Landes ein Stück weit mit. 

Ein Grund warum es wohl keine prägende Antiqua in Deutschland gibt, dürfte die Koexistenz zwischen Antiqua-Schriften und den im dt. Sprachraum bis in die 40er Jahre populären gebrochenen Schriften sein. Ich habe keine Zahl parat, aber ein großer Teil der Drucksachen wurde hierzulande bis Anfang der 40er Jahre in gebrochenen Schriften gesetzt. 

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Wobei man jetzt schon zwischen »typisch« und »erfolgreich« unterscheiden sollte. Letzteres kann ersteres ja geradezu zunichte machen. Die Futura mag ja zum Beispiel vielleicht einer der populärsten deutschen Exporte sein, aber gerade deshalb finde ich sie nicht mehr typisch deutsch. Ich denke da zuerst an den massiven Einsatz im amerikanischen Raum, der bis heute anhält.

Die DIN 1451 dagegen ist in ihrem Herkunftsland dagegen tatsächlich deutlich präsenter, genau wie die Gill Sans in Großbritannien.

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Coca Cola wird doch nicht dadurch unamerikanisch, daß sie überall getrunken wird. Die Futura paßte sehr gut in ihr Herkunftsland und zur Herkunftszeit. Zur deutschen Ingenieurskunst, zur deutschen Schriftkunst und auch zu den sozialistischen Ideen der 1930er Jahre in Deutschland. Sie ist eben auch etwas deutscher als die Gill. Daß sich eine so gute Arbeit dann von ihrer Herkunft löst und auf eine erfolgreiche Reise geht, ist eine zweite Sache. Für mich ist keine Antiqua deutscher als die Futura und auch keine enger mit der deutschen Geschichte verbunden.

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Gast Peter Glaab
Da müsste Peter genauer definieren, wie er seine Frage gemeint hat. Unter landestypischen Schriften verstehe ich solche, die auch aktuell noch stilprägend eingesetzt werden. Historisches Wissen von Schriftexperten ist für mich da eine ganz andere Baustelle.

Meine Frage zielte auf Schriften ab, die nicht nur uns Typografen und Designern auffallen, sondern tatsächlich im öffentlichen Bewusstsein angekommen und über mehrere Jahrzehnte das typografische Bild eines Landes geprägt haben. Die Frage nach der landestypischen Antiqua ist aus Laiensicht nicht zu beantworten. Mir persönlich fallen im Urlaub die Unterschiede hier am ehesten noch bei Zeitungen ins Auge, aber da spielt natürlich auch das Layout eine gewisse Rolle. Wie Ralf schon richtig erwähnte, sind die Grotesk-Schriften viel stärker im öffentlichen Leben präsent.

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Ein Grund warum es wohl keine prägende Antiqua in Deutschland gibt, dürfte die Koexistenz zwischen Antiqua-Schriften und den im dt. Sprachraum bis in die 40er Jahre populären gebrochenen Schriften sein. Ich habe keine Zahl parat, aber ein großer Teil der Drucksachen wurde hierzulande bis Anfang der 40er Jahre in gebrochenen Schriften gesetzt. 

Laut einer Statistik, die im Börsenblatt Nr. 33 (1930) veröffentlicht wurde, erschienen im Jahr 1928 mehr als die Hälfte aller Bücher in gebrochener Schrift (56,8%).¹ Ich gehe davon aus, dass sich bis in die 1940er Jahre an den Prozentzahlen nichts gravierend verändert hatte.

1 Bose, Günter Karl: Zur Geschichte des Streits um Fraktur und Antiqua. In: Kühnel, Anita (Hrsg.): Welt aus Schrift. Das 20. Jahrhundert in Europa und den USA. In Zusammenarb. m. Michael Lailach u. Jan May. Katalog zur Ausstellung in der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin vom 22. September 2010 bis 16. Januar 2011. Köln: König, 2010, S. 89–102, hier S. 90.

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Ein Grund warum es wohl keine prägende Antiqua in Deutschland gibt, dürfte die Koexistenz zwischen Antiqua-Schriften und den im dt. Sprachraum bis in die 40er Jahre populären gebrochenen Schriften sein. Ich habe keine Zahl parat, aber ein großer Teil der Drucksachen wurde hierzulande bis Anfang der 40er Jahre in gebrochenen Schriften gesetzt.

Das ist ja auch ein Grund, warum die meisten auf echt deutschen Mist gewachsenen "Klassiker der Antiqua" erst Anfang des 20sten Jahrhunderts entstanden sind, bis dahin hat man sich mehrheitlich an gebrochenen Schriften versucht. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist m.E. tatsächlich die Walbaum als deutscheste aller klassizistischen Schriften. Die Prillwitz war ja praktisch nur Spezialisten bekannt.

Weiß, Minister, Ratio-Latein, Genzsch und all die anderen deutschen Renaissance-, Barock- oder klassizistischen Antiqua entstanden mehrheitlich erst lange nach ihren schrifthistorischen Vor- und Leitbildern. Im Grunde hat Deutschland Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die gesamte Entwicklungsgeschichte der Antiqua im Schnelldurchlauf nachempfunden und nachgebaut. Bis dahin ist man beim Gebrauch von Antiqua halt eben meist mit Güssen oder Nachschnitten der zumeist ausländischen Originale ausgekommen, weil man ja sowieso mehr Fraktur benutzt hat.

Die Amerikaner haben das übrigens auch gemacht: Dwiggins und Fuller-Benton (fast allein!) haben quasi in knapp 30 Jahren 400 Jahre Schriftgeschichte im Eiltempo wiederholt.

Wenn es nun aber darum gehen soll, eine Schrift zu finden, die den deutschen Charakter verkörpert (was natürlich sehr vom jeweiligen Betrachter und seiner Sicht "auf die Deutschen" abhängt) und/oder "deutsch" wirkt und keine gebrochenen Schriften sind, so würde ich eher zu heute mittlerweile selten verwendeten tendieren, die aber oft keine Antiquaschriften sind: die Block, die Bernhard-Antiqua, die Lo, die Post-Antiqua, die Orpheus, die Neuland, die Prägefest, die Reporter oder die Fanfare zum Beispiel sind alles Bleisatzschriften, die in Deutschland entstanden sind, zumindest zeitweise sehr populär waren, für mich (natürlich ganz subjektiv) trotz ihrer Unterschiedlichkeit alle etwas sehr (undefinierbar) "deutsches" haben und die sich obendrein kaum in anderen Ländern außerhalb des deutschen Sprachraums durchgesetzt haben.

Wenn man gebrochene Schriften zuließe, so wären die gute alte Schwabacher und die Unger-Fraktur für mich noch immer die "deutschesten" aller Schriften. Aber das empfindet wahrscheinlich jeder Typograph anders ... und das ist auch gut so.

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