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Gedicht über Schrift

Empfohlene Beiträge

Hallo allerseits!

 

Kennt jemand von euch einen schönen, mehr oder weniger kurzen, evtl. amüsanten Text, also ein Gedicht o.ä., das sich mit dem Thema Schrift beschäftigt? Alternativ auch etwas zum Thema Sprache.

 

Ich würde mich sehr über Antworten freuen und/oder über Anregungen, wo ich danach suchen könnte.

 

Viele Grüße!

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Christian Morgenstern

 

Der Mond


Als Gott den lieben Mond erschuf,
gab er ihm folgenden Beruf:

Beim Zu- sowohl wie beim Abnehmen
sich deutschen Lesern zu bequemen,

 

ein a formierend und ein z –

daß keiner groß zu denken hätt’.

Befolgend dies ward der Trabant
ein völlig deutscher Gegenstand.

 

Dieses Gedicht »funktioniert« natürlich eigentlich nur in deutscher Schreibschrift.

 

 

 

Auch von Morgenstern:

 

Im Reich der Interpunktionen

 

Im Reich der Interpunktionen
nicht fürder goldner Friede prunkt:

Die Semikolons werden Drohnen
genannt von Beistrich und von Punkt.

Es bildet sich zur selben Stund
ein Antisemikolonbund.

Die einzigen, die stumm entweichen
(wie immer), sind die Fragezeichen.

Die Semikolons, die sehr jammern,
umstellt man mit geschwungnen Klammern

und setzt die so gefangnen Wesen
noch obendrein in Parenthesen.

Das Minuszeichen naht, und - schwapp!
da zieht es sie vom Leben ab.

Kopfschüttelnd blicken auf die Leichen
die heimgekehrten Fragezeichen.

Doch, wehe! neuer Kampf sich schürzt:
Gedankenstrich auf Komma stürzt -

und fährt ihm schneidend durch den Hals,
bis dieser gleich- und ebenfalls

(wie jener mörderisch bezweckt)
als Strichpunkt das Gefild bedeckt!

Stumm trägt man auf den Totengarten
die Semikolons beider Arten.

Was übrig von Gedankenstrichen,
kommt schwarz und schweigsam nachgeschlichen.

Das Ausrufszeichen hält die Predigt;
das Kolon dient ihm als Adjunkt.

Dann, jeder Kommaform entledigt,
stapft heimwärts man, Strich, Punkt, Strich, Punkt.

 

Bei Morgenstern ist da sicher noch mehr zum Thema zu finden.

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O Wunder sonder Gleichen, wie im Laut

Sich der Gedanke selbst das Haus gebaut!

 

O zweites Wunder, wie dem Blick die Schrift

Den Schall versinnlicht, der das Ohr nur trifft!

 

Nicht Willkür schuf das Wort, sonst wär' es hohl;

Es ist des Geists nothwendiges Symbol,

 

Und forschst du weiter, ist der Buchstab nur

Des flüss'gen Lautes feste Klangfigur.

 

Emanuel Geibel
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Der Buchstabe tödtet

 

Du tödtest, Buchstabe;

Wem graut für dem Grabe,

Der lasse dich bleiben!

Drum hüten die Leute

So fleissig sich heute

Für lesen und schreiben.

 

Friedrich von Logau
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Der Buchstabe G

 

Meistens alles auff der Erden, drauff die Leut am meisten streben,

Stehet unter denen Dingen, die sich auff ein G anheben:

Gold, Geld, Gut, Geschencke, Gaben, Gunst, Gewin, Gewalt, Geschicke,

Glaube, Glimpff, Gesund, Gewissen und mit einem Worte Glücke

Wil sich alles drunter stellen. Wann zu diesem zu sich zehlet

Gott mit seiner Gnad und Güte, weiß ich nicht, was Gutes fehlet.

 

Friedrich von Logau
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Der Buchstabe R.

 

"Das R ist unerträglich hart!" 

So hör' ich manchen Weichling schelten. 

Nun ja, es rasselt, knarrt und schnarrt; 

Doch, liebe Herren, laßt es gelten!

 

Das Kräutlein wuchert doch einmal 

In unsrer Sprache tiefstem Boden, 

Und fruchtlos wäre Müh' und Qual, 

Versuchte man, es auszuroden.

 

Auch würde dies zur Ungebühr 

Viel edle Wörter von uns trennen, 

Und drunter eins, mit welchem wir 

Ein hohes Erdenglück benennen.

 

Wem fällt nicht flugs die Freundschaft ein? 

O süßer Kern in harter Schale! 

Laßt uns dem Worte drum verzeihn, 

Daß es nicht glatt ist, gleich dem Aale.

 

Zwar Liebe klingt geschmeidiger; 

Doch wollt ihr, baß sie euch erfreue, 

So braucht sie auch ein wackres R; 

Denn was ist Liebe ohne Treue?

 

August Friedrich Langbein
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Der Wolf in der griechischen Schule

 

Dem jungen Wolf, dem Isegrim,

Ergieng es in der Schule schlimm:

Er sollte Wundarznei studieren,

Die Schafe gründlich zu kurieren;

Denn jetzt verlangt man Wißenschaft,

Quacksalberei ist abgeschafft,

Man prüft und patentiert die Aerzte,

Und wer sich in die Praxis schwärzte

Ohne Licenz und Doctormütze,

Mit dem macht sich der Staat unnütze,

Er wird ihm bald das Handwerk legen.

Wolf Vater zwar, der alte Degen,

War weiland nur Naturalist,

Ein schlechter Feldscher und Bandagist,

Der Manchen lebend pflag zu schinden,

Noch kanns die Gegend nicht verwinden;

Doch die dem Vater sind entflohn

Kuriert einst der studierte Sohn.

 

Man quält' ihn weidlich erst mit Sprachen,

Daß schier ihm Kopf und Rücken brachen;

Doch half kein Mahnen, half lein Bleuen,

Das Studium konnt ihn gar nicht freuen,

Es lag ihm allzufern vom Ziel;

Die goldne Praxis ihm gefiel,

Allein den Umweg durch die Theorie

Verschmähte stäts das Kraftgenic.

Vor Allem wollt ihm das Latein,

Ein todtes Idiom, nicht ein,

Er lernte kaum das ABC:

Nach einem Schafe war ihm weh,

Oder nach einem feißten Kalbe:

Das deucht ihn beßre Magensalbe.

Nun sollt er gar noch Griechisch lernen

Und sich vom Ziel noch mehr entfernen,

Darüber ward er ungemuth.

Der Meister sprach: Es wird schon gut:

Sprich nur das Alpha richtig aus.

„Alfanz." — Du must nicht Alfanz sagen. —

„Ihr müßt mich nicht mit Alfanz plagen."  .

Nun sprich mir hübsch das Beta nach.

„Bettag? Da liegt mein Magen brach. *

Steht Buß- und Bettag im Kalender?    "

O weh, da ruht der Bratenwender." —

Laß uns das Gamma jetzt versuchen. —

„Ist das Berliner Pfannentuchen?

Ich äße liebet Schöpsenbraten." —

Gleich wird der Schöps dir, Schöps, missrathen.

Nein, Gamma heißt es; denke doch

Nicht immerfort an Küch und Koch.

„Gamma? Kann man dabei nichts denken,

So will ich euch den Buchstab schenken."

Laß sehn, wie er das Delta spricht.

„Teltauer Rüben mag ich nicht;

Doch Hammelfleisch ist sehr willkommen."

Ich sehe wohl, es wird nicht frommen.

 

Wir stehen jetzt beim Epsilon.

Sprich Epsilon! — „Noch eppes Lohn?

Kriegt ihr nicht jährlich hundert Thaler?

Doch wird die Kost hier täglich schmaler."

Das Zeta folgt und weiterhin —

„Ja Zeter über Euch geschrien!" —

Das Eta, Theta, Jota noch. —

„Was geht mich Thee an, Iotte doch!

Kommt bald nicht was von Schafen vor?" —

Von Schafen nichts, alberner Thor.

Es folgen Kappa, Lambda und —

„Ein Lamm da? Schnell in meinen Schlund!

Wo ist das Lamm?  Nur her geschwind,

Den Lämmern bin ich hold gesinnt.

Das Lamm, wenn ich das Lamm doch sähe!

Ist denn das Lamm nicht in der Nähe?

Das Lamm ist meines Herzens Freude:

Das Lamm her, hätt es auch die Räude." —

Was Lamm? Wer sprach von Lamm ein Wort?

Ich sagte Lambda, Kappa, Mü.

„Ei Lamm da, Kopf ab, kleine Müh:

Ich zwing es schon und wärens vier,

Das Lamm, das Lamm, o zeigt es mir!" —

Das Lambda ist ein Buchstabe —

„Den ich vor Allen lieb habe.

Nun gebt mir, Meister, her das Lamm,

Sonst schrei ich mir die Kehle gramm:

    Lambda, Lambda, Lambda!"

 

Karl Simrock
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Bertels Wolf hat mich an Morgensterns Werwolf erinnert. Auch immer wieder schön:

 

 

Christian Morgenstern

 

Der Werwolf

 

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind, und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

»Der Werwolf«, - sprach der gute Mann,
»des Weswolfs« - Genitiv sodann,
»dem Wemwolf« - Dativ, wie man's nennt,
»den Wenwolf« - damit hat's ein End.'

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch »Wer« gäb's nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

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