grinsekatze Geschrieben Januar 20, 2013 Geschrieben Januar 20, 2013 Hallo allerseits! Kennt jemand von euch einen schönen, mehr oder weniger kurzen, evtl. amüsanten Text, also ein Gedicht o.ä., das sich mit dem Thema Schrift beschäftigt? Alternativ auch etwas zum Thema Sprache. Ich würde mich sehr über Antworten freuen und/oder über Anregungen, wo ich danach suchen könnte. Viele Grüße!
Ralf Herrmann Geschrieben Januar 20, 2013 Geschrieben Januar 20, 2013 http://www.fontblog.de/C99982194/E1048347933/Media/Small_Caps_Talk.pdf
grinsekatze Geschrieben Januar 20, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben Januar 20, 2013 Haha, die sind ja super. Sehr unterhaltsam, Danke! Leider für mein Vorhaben zu kurz und auch nicht so gut für Nicht-Typografen verständlich, das wäre schon wichtig. ………also wenn jemand noch was kennt?
Pachulke Geschrieben Januar 20, 2013 Geschrieben Januar 20, 2013 Christian Morgenstern Der Mond Als Gott den lieben Mond erschuf,gab er ihm folgenden Beruf:Beim Zu- sowohl wie beim Abnehmensich deutschen Lesern zu bequemen, ein a formierend und ein z – daß keiner groß zu denken hätt’.Befolgend dies ward der Trabantein völlig deutscher Gegenstand. Dieses Gedicht »funktioniert« natürlich eigentlich nur in deutscher Schreibschrift. Auch von Morgenstern: Im Reich der Interpunktionen Im Reich der Interpunktionennicht fürder goldner Friede prunkt: Die Semikolons werden Drohnengenannt von Beistrich und von Punkt. Es bildet sich zur selben Stundein Antisemikolonbund. Die einzigen, die stumm entweichen(wie immer), sind die Fragezeichen. Die Semikolons, die sehr jammern,umstellt man mit geschwungnen Klammern und setzt die so gefangnen Wesennoch obendrein in Parenthesen. Das Minuszeichen naht, und - schwapp!da zieht es sie vom Leben ab. Kopfschüttelnd blicken auf die Leichendie heimgekehrten Fragezeichen. Doch, wehe! neuer Kampf sich schürzt:Gedankenstrich auf Komma stürzt - und fährt ihm schneidend durch den Hals,bis dieser gleich- und ebenfalls (wie jener mörderisch bezweckt)als Strichpunkt das Gefild bedeckt! Stumm trägt man auf den Totengartendie Semikolons beider Arten. Was übrig von Gedankenstrichen,kommt schwarz und schweigsam nachgeschlichen. Das Ausrufszeichen hält die Predigt;das Kolon dient ihm als Adjunkt. Dann, jeder Kommaform entledigt,stapft heimwärts man, Strich, Punkt, Strich, Punkt. Bei Morgenstern ist da sicher noch mehr zum Thema zu finden. 1
grinsekatze Geschrieben Januar 20, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben Januar 20, 2013 Oh, danke, Pachulke! Das untere ist ja wunderbar
109 Geschrieben Januar 21, 2013 Geschrieben Januar 21, 2013 (bearbeitet) Hallo, Mark Twain hat auch sehr genau auf die deutsche Sprache geschaut und es sehr unterhaltsam ausformuliert. Grüße, Bernd. Kostprobe: http://www.alvit.de/vf/de/mark-twain-die-schreckliche-deutsche-sprache.php bearbeitet Januar 21, 2013 von 109
Gast bertel Geschrieben Januar 21, 2013 Geschrieben Januar 21, 2013 O Wunder sonder Gleichen, wie im Laut Sich der Gedanke selbst das Haus gebaut! O zweites Wunder, wie dem Blick die Schrift Den Schall versinnlicht, der das Ohr nur trifft! Nicht Willkür schuf das Wort, sonst wär' es hohl; Es ist des Geists nothwendiges Symbol, Und forschst du weiter, ist der Buchstab nur Des flüss'gen Lautes feste Klangfigur. Emanuel Geibel
Gast bertel Geschrieben Januar 21, 2013 Geschrieben Januar 21, 2013 Der Buchstabe tödtet Du tödtest, Buchstabe; Wem graut für dem Grabe, Der lasse dich bleiben! Drum hüten die Leute So fleissig sich heute Für lesen und schreiben. Friedrich von Logau
Gast bertel Geschrieben Januar 21, 2013 Geschrieben Januar 21, 2013 Der Buchstabe G Meistens alles auff der Erden, drauff die Leut am meisten streben, Stehet unter denen Dingen, die sich auff ein G anheben: Gold, Geld, Gut, Geschencke, Gaben, Gunst, Gewin, Gewalt, Geschicke, Glaube, Glimpff, Gesund, Gewissen und mit einem Worte Glücke Wil sich alles drunter stellen. Wann zu diesem zu sich zehlet Gott mit seiner Gnad und Güte, weiß ich nicht, was Gutes fehlet. Friedrich von Logau
Gast bertel Geschrieben Januar 21, 2013 Geschrieben Januar 21, 2013 Der Buchstabe R. "Das R ist unerträglich hart!" So hör' ich manchen Weichling schelten. Nun ja, es rasselt, knarrt und schnarrt; Doch, liebe Herren, laßt es gelten! Das Kräutlein wuchert doch einmal In unsrer Sprache tiefstem Boden, Und fruchtlos wäre Müh' und Qual, Versuchte man, es auszuroden. Auch würde dies zur Ungebühr Viel edle Wörter von uns trennen, Und drunter eins, mit welchem wir Ein hohes Erdenglück benennen. Wem fällt nicht flugs die Freundschaft ein? O süßer Kern in harter Schale! Laßt uns dem Worte drum verzeihn, Daß es nicht glatt ist, gleich dem Aale. Zwar Liebe klingt geschmeidiger; Doch wollt ihr, baß sie euch erfreue, So braucht sie auch ein wackres R; Denn was ist Liebe ohne Treue? August Friedrich Langbein
Gast bertel Geschrieben Januar 21, 2013 Geschrieben Januar 21, 2013 Der Wolf in der griechischen Schule Dem jungen Wolf, dem Isegrim, Ergieng es in der Schule schlimm: Er sollte Wundarznei studieren, Die Schafe gründlich zu kurieren; Denn jetzt verlangt man Wißenschaft, Quacksalberei ist abgeschafft, Man prüft und patentiert die Aerzte, Und wer sich in die Praxis schwärzte Ohne Licenz und Doctormütze, Mit dem macht sich der Staat unnütze, Er wird ihm bald das Handwerk legen. Wolf Vater zwar, der alte Degen, War weiland nur Naturalist, Ein schlechter Feldscher und Bandagist, Der Manchen lebend pflag zu schinden, Noch kanns die Gegend nicht verwinden; Doch die dem Vater sind entflohn Kuriert einst der studierte Sohn. Man quält' ihn weidlich erst mit Sprachen, Daß schier ihm Kopf und Rücken brachen; Doch half kein Mahnen, half lein Bleuen, Das Studium konnt ihn gar nicht freuen, Es lag ihm allzufern vom Ziel; Die goldne Praxis ihm gefiel, Allein den Umweg durch die Theorie Verschmähte stäts das Kraftgenic. Vor Allem wollt ihm das Latein, Ein todtes Idiom, nicht ein, Er lernte kaum das ABC: Nach einem Schafe war ihm weh, Oder nach einem feißten Kalbe: Das deucht ihn beßre Magensalbe. Nun sollt er gar noch Griechisch lernen Und sich vom Ziel noch mehr entfernen, Darüber ward er ungemuth. Der Meister sprach: Es wird schon gut: Sprich nur das Alpha richtig aus. „Alfanz." — Du must nicht Alfanz sagen. — „Ihr müßt mich nicht mit Alfanz plagen." . Nun sprich mir hübsch das Beta nach. „Bettag? Da liegt mein Magen brach. * Steht Buß- und Bettag im Kalender? " O weh, da ruht der Bratenwender." — Laß uns das Gamma jetzt versuchen. — „Ist das Berliner Pfannentuchen? Ich äße liebet Schöpsenbraten." — Gleich wird der Schöps dir, Schöps, missrathen. Nein, Gamma heißt es; denke doch Nicht immerfort an Küch und Koch. „Gamma? Kann man dabei nichts denken, So will ich euch den Buchstab schenken." Laß sehn, wie er das Delta spricht. „Teltauer Rüben mag ich nicht; Doch Hammelfleisch ist sehr willkommen." Ich sehe wohl, es wird nicht frommen. Wir stehen jetzt beim Epsilon. Sprich Epsilon! — „Noch eppes Lohn? Kriegt ihr nicht jährlich hundert Thaler? Doch wird die Kost hier täglich schmaler." Das Zeta folgt und weiterhin — „Ja Zeter über Euch geschrien!" — Das Eta, Theta, Jota noch. — „Was geht mich Thee an, Iotte doch! Kommt bald nicht was von Schafen vor?" — Von Schafen nichts, alberner Thor. Es folgen Kappa, Lambda und — „Ein Lamm da? Schnell in meinen Schlund! Wo ist das Lamm? Nur her geschwind, Den Lämmern bin ich hold gesinnt. Das Lamm, wenn ich das Lamm doch sähe! Ist denn das Lamm nicht in der Nähe? Das Lamm ist meines Herzens Freude: Das Lamm her, hätt es auch die Räude." — Was Lamm? Wer sprach von Lamm ein Wort? Ich sagte Lambda, Kappa, Mü. „Ei Lamm da, Kopf ab, kleine Müh: Ich zwing es schon und wärens vier, Das Lamm, das Lamm, o zeigt es mir!" — Das Lambda ist ein Buchstabe — „Den ich vor Allen lieb habe. Nun gebt mir, Meister, her das Lamm, Sonst schrei ich mir die Kehle gramm: Lambda, Lambda, Lambda!" Karl Simrock
Gast bertel Geschrieben Januar 21, 2013 Geschrieben Januar 21, 2013 Du wirst hier: http://gedichte.xbib.de/gedicht_suche.html sicher noch mehr finden …
Pachulke Geschrieben Januar 21, 2013 Geschrieben Januar 21, 2013 Bertels Wolf hat mich an Morgensterns Werwolf erinnert. Auch immer wieder schön: Christian Morgenstern Der Werwolf Ein Werwolf eines Nachts entwichvon Weib und Kind, und sich begaban eines Dorfschullehrers Grabund bat ihn: Bitte, beuge mich! Der Dorfschulmeister stieg hinaufauf seines Blechschilds Messingknaufund sprach zum Wolf, der seine Pfotengeduldig kreuzte vor dem Toten: »Der Werwolf«, - sprach der gute Mann,»des Weswolfs« - Genitiv sodann,»dem Wemwolf« - Dativ, wie man's nennt,»den Wenwolf« - damit hat's ein End.' Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,er rollte seine Augenbälle.Indessen, bat er, füge dochzur Einzahl auch die Mehrzahl noch! Der Dorfschulmeister aber mußtegestehn, daß er von ihr nichts wußte.Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,doch »Wer« gäb's nur im Singular. Der Wolf erhob sich tränenblind -er hatte ja doch Weib und Kind!!Doch da er kein Gelehrter eben,so schied er dankend und ergeben.
grinsekatze Geschrieben Januar 21, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben Januar 21, 2013 Da ist ja schon eine schöne Sammlung zusammengekommen! Vielen Dank euch allen!
Joshua K. Geschrieben Januar 24, 2013 Geschrieben Januar 24, 2013 Zwei zum Ypsilon: Joseph Franz Ratschky: Ix und Ypsilon, ein Dialog. Roman Herberth: Das Ypsilon. 2
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