Kathrinvdm Geschrieben März 15, 2013 Geschrieben März 15, 2013 Liebe Kollegen, für ein Projekt benötige ich typografische Meilensteine, also Schriften, die innerhalb der Schriftgeschichte und für deren Entwicklung ganz markante Punkte beschreiben und die Schriftgeschichte vielleicht sogar wegweisend beeinflusst haben. Daher eine kleine Umfrage: Wenn Ihr nur drei (maximal 6) Schriften nennen solltet, die für Euch unter diesem Betrachtungswinkel die wichtigsten sind, welche wären das? Für Eure Vorschläge wäre ich sehr dankbar! Kathrin
Phoibos Geschrieben März 15, 2013 Geschrieben März 15, 2013 Digitale Schriften oder ganz allgemein? Die prägenste Schrift für die lateinisch schreibende Welt ist für mich die, die wir auf der Trajanssäule sehen können. Demnach auch deren Digitalisierung, die Trajan.
Kathrinvdm Geschrieben März 15, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 15, 2013 Gerne ganz allgemein. Wenn es die Schrift oder eine artverwandte dann auch noch in digitaler Form gibt, wäre das umso besser für meine Zwecke! Vielleicht könnte man auch unterteilen in: 3 Schriften aus vordigitaler Zeit, 3 digitale Schriften. Ich bin da aber nicht dogmatisch, es geht eher so um ein generelles Bild. Trajan ist übrigens gut, an die habe ich auch schon gedacht. Danke!
Phoibos Geschrieben März 15, 2013 Geschrieben März 15, 2013 Das bisher schönste Druckwerk, dass mir vor Augen gekommen ist (als Scan), ist für mich die Plato-Ausgabe von Stephanus. Ein Bild findest Du hier: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Euthyphro_Stephanus_1578_p_2.jpg&filetimestamp=20090403152626 Die Schrift ist schön digitalisiert hier erhältlich: http://www.anagrafi.com/lang/en/fonts/grequex.html Dann noch die omnipräsente DIN als technische Schrift. Vielleicht wäre die DIN 16518 ein Anhaltspunkt, an dem es sich zu beginnen lohnt?
Gast Schnitzel Geschrieben März 16, 2013 Geschrieben März 16, 2013 M.E. ist die Poliphilus ein ganz markanter Meilenstein. Ein weiterer Meilenstein ist m. E. auch die Syntax, da sie die erste richtige Grotesk im Humanistischen Stil ist und die weitere Entwicklung dieser vorbereitet hat.
R::bert Geschrieben März 16, 2013 Geschrieben März 16, 2013 Vielleicht nähert man sich dem Thema auch, indem man nach so etwas wie »Urväter« der heutigen Schriftgattungen (Serif, Sans, Slab, Monospaced, Blackletter, Script … also auch maximal sechs Schriften) sucht. Die Trajan könnte da ja möglicherweise schon ein relevanter Vertreter für die Gattung Serif sein. Wenn Du verstehst, was ich meine.
Kathrinvdm Geschrieben März 16, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 16, 2013 Hmmm, ich denke, ich konkretisiere das wie folgt: Formaler Dreiklang: • Serif (Trajan?) • Sans Serif (Syntax, Akzidenz Grotesk, Franklin Gothic?), …? • Was wäre hier die logische Dritte? Kursive? Script? Display? Mono? Slab? Technischer Dreiklang: • Die erste Druckschrift (Venezianische Renaissance-Antiqua, ab etwa 1470. Im Typolexikon steht dazu: » … die so genannte »Jenson-Antiqua«, die als erste vollkommen ausgebildete Druckantiqua von exemplarischer Ausgewogenheit, Deutlichkeit und betonter Rundheit in der Buchstabenkomposition gilt, …«) • Die erste Fotosatzschrift (War das die Apollo?) • Die erste digitale Schrift (weiß man welche das war?) Ich will das Ganze nicht zu kompliziert machen, es geht eher um einen kurzen Überblick. Edit: Wegen fortschreitender Recherche-Ergebnisse inhaltlich zusammengefasst
Kathrinvdm Geschrieben März 16, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 16, 2013 And now for something completely different … Bei der Recherche entdeckt: Ein PDF der Schriftmuster der alten Monotype-Bleisatz-Fonts Back to topic
gutenberger Geschrieben März 16, 2013 Geschrieben März 16, 2013 Die m.E. drei wichtigsten lateinischen Schriften, weil wirklich jeweils epoche(n!)prägend, waren 1. Gutenbergs B42-Type, 2. die Urgaramond bzw. für die absoluten Experten meintwegen auch die wirklich erste gegossene Antiqua - eben die Jenson, wobei ich auch die noch frühere Antiqua von Johann von Speyer ziemlich toll finde. Die Garamond ist aber einfacher und außerdem seit fast 500 Jahren der Klassiker schlechthin und steht somit für die erste jahrhundertelang erfolgreiche Antiqua 3. die Futura ... Der ganze digitale Kram kann sich menschheitsgeschichtlichbedeutsamstechnisch damit sowieso nicht messen ... soll wenigstens erstmal hundert Jahre durchhalten und dann schaun wir mal ... Die Computerschriften haben ja bisher gradmal etwas länger als der Photosatz durchgehalten und das war die am schnellsten und gründlichsten ausgestorbene Technologie, der man aber auch mal viel Zukunft voraussagte ... 2
Erwin Krump Geschrieben März 17, 2013 Geschrieben März 17, 2013 Die Schriftgeschichte begann bereits vor über 5000 Jahren. Aber hier wird wahrscheinlich nur die Geschichte der Druckschriften angesprochen. In den Schriften der Druckgeschichte sehe ich persönlich aber zumindest sechs Schriften, die ich mit den jeweiligen Stilepochen in erster Linie in Verbindung bringe. Renaissance-Antiqua und Fraktur – 15. und 16. Jh., z. B. Garamond Antiqua und Kleist Fraktur Barock-Antiqua – 17. und 1. Hälfte 18. Jh., Klassizistische Antiqua – 2. Hälfte 18. und 1. Hälfte 19. Jh., z. B. Baskerville und Bodoni Egyptienne – 19. Jh., Grotesk – 19. und 20. Jh. z. B. Memphis und Akzidenz Grotesk 2
Kathrinvdm Geschrieben März 17, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 17, 2013 Aber hier wird wahrscheinlich nur die Geschichte der Druckschriften angesprochen. Ja genau, danke für die Präzisierung! Und vielen Dank für Deine Vorschläge.
Kathrinvdm Geschrieben März 17, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 17, 2013 Wenn ich, wie weiter oben geschrieben, auf folgende Struktur reduziere: Inhaltlicher Dreiklang • Die erste Serif: Trajan • Die erste Sans Serif: Akzidenz Grotesk • Die erste Kursive/Slab/Display/Mono:? (Was wäre hier die folgerichtige dritte Kategorie und wer ihr Vertreter? Technischer Dreiklang: • Die erste Druckschrift: Jenson-Antiqua • Die erste Fotosatzschrift: Apollo • Die erste digitale Schrift: (Weiß einer von Euch, welche Schrift das war? Und Erwins Beitrag berücksichtigend käme hinzu: Historische Einteilung: • Renaissance-Antiqua: Garamond • Fraktur – 15. und 16. Jh.: Kleist Fraktur • Barock-Antiqua – 17. und 1. Hälfte 18. Jh.: Baskerville • Klassizistische Antiqua – 2. Hälfte 18. und 1. Hälfte 19. Jh.: Bodoni • Egyptienne – 19. Jh.: Memphis • Grotesk – 19. und 20. Jh.: Akzidenz Grotesk Weiß einer von Euch Rat für die noch fehlenden Vertreter und kann mir jemand sagen, ob die Apollo wirklich die erste Fotosatzschrift war? Puh - das Thema ist kniffeliger als gedacht! Tausend Dank für alle bisherigen Beiträge!
R::bert Geschrieben März 17, 2013 Geschrieben März 17, 2013 Zu Deiner letzten Fragen kann ich Dir leider auch noch nicht die passende Antwort geben, jedoch musste ich gestern noch an einen formalen Dreiklang denken, zum Beispiel so: Humanistische Sans: Syntax Klassizistische Sans: Akzidenz Grotesk Geometrische Sans: Futura Das gleiche Spiel könntest Du auch mit den Antiquas betreiben, usw.
StefanB Geschrieben März 17, 2013 Geschrieben März 17, 2013 Die erste serifenlose Druckschrift(!) war mit Sicherheit nicht die Akzidenz Grotesk. Stattdessen wird häufig der Entwurf Caslon Junior, Two line Sans-serif (1816) von William Caslon IV als Geburtsstunde der Sans-Serif-Druckschriften bezeichnet. Es handelt sich hierbei um eine Versalschrift ohne optische Korrekturen, da z. B. Rundungen nicht unter die Schriftlinie gehen (Overshoot) – vermutlich deshalb, weil es sich nur um einen Schriftentwurf im Anfangsstadium handelt, weshalb optische Korrekturen vernachlässigt wurden. Auf diese Schrift folgten noch weitere Entwürfe für serifenlose Druckschriften, wie die Französische Grotesk und die Breite halbfette Grotesk (später Scheltersche Grotesk). Die AG kann demnach guten Gewissens als erfolgreichste und einflussreichste der frühen Groteskschriften bezeichnet werden, aber nicht als erste. 2
Kathrinvdm Geschrieben März 17, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 17, 2013 Mist, mir hat es schon wieder einen langen Betrag zerschossen! Und mit Vor- und Zurückspeichern war leider gar nichts behoben … Ich schreibe das jetzt noch mal, kommt gleich …
R::bert Geschrieben März 17, 2013 Geschrieben März 17, 2013 Dass man die Erste nennt, ist aber auch nur ein Ansatz. Genauso gut könnte man auch die Einflussreichste oder Geläufigste für jede Sparte nennen. 1
Kathrinvdm Geschrieben März 17, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 17, 2013 Also, ein neuer Versuch! Stefan, danke für Deine Präzisierung! Dann korrigiere ich wie folgt: Inhaltlicher Dreiklang (frühe, wegweisende Vertreter) • Serif: Trajan • Sans Serif: Scheltersche Grotesk/Akzidenz Grotesk • Kursive/Slab/Display/Mono:? Was wäre hier die folgerichtige dritte Kategorie und wer ihr Vertreter? Technischer Dreiklang (frühe, wegweisende Vertreter) • Druckschrift: Jenson-Antiqua • Fotosatzschrift: Apollo • digitale Schrift: ? Historische Einteilung: • Renaissance-Antiqua: Garamond • Fraktur – 15. und 16. Jh.: Kleist Fraktur • Barock-Antiqua – 17. und 1. Hälfte 18. Jh.: Baskerville • Klassizistische Antiqua – 2. Hälfte 18. und 1. Hälfte 19. Jh.: Bodoni • Egyptienne – 19. Jh.: Memphis • Grotesk – 19. und 20. Jh.: Akzidenz Grotesk
gutenberger Geschrieben März 17, 2013 Geschrieben März 17, 2013 Die erste Druckschrift: Jenson-Antiqua Die Jenson war die erste "vollinhaltlich" anerkannte gedruckte Antiqua. Wobei man sich da auch streiten kann, denn es gab einige Vorläufer bei italienischen Frühdruckern, die im Grunde auch schon komplette Antiquaschriften waren - beispielsweise die von Johann von Speyer in Venedig und einige andere. Die wirklich erste Druckschrift waren natürlich die Schriften von Gutenberg, der zwei oder drei verschiedene Typen gegossen hatte ... Die erste Kursive ist von Manutius im 16. Jahrhundert in Auftrag gegeben worden ...
Kathrinvdm Geschrieben März 17, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 17, 2013 Danke für Deinen Beitrag! Ich habe deswegen inzwischen meine Aufstellung (Post 17) dahingehend korrigiert, dass ich nicht mehr schreibe »Die erste Druckschrift«, sondern das Ganze etwas allgemeiner (frühe wegweisende Vertreter) halte. Ich denke, für meine Zwecke ist es in Ordnung, auf die Jenson-Antiqua zu verweisen - noch tiefer ins Detail zu gehen, würde vermutlich den Rahmen meiner Präsentation sprengen.
Lars Kähler Geschrieben März 17, 2013 Geschrieben März 17, 2013 Die erste digitale Schrift ist die Digi Grotesk S von Hell für die Digiset gewesen, ein Helvetica-Clone. Im Übrigen bin ich mit Deiner Aufstellung einverstanden, würde jedoch als erste Druckschrift wie hier vorgeschlagen aber doch die Gutenbergsche B-52 auswählen. Memphis ist sicher ein gutes Beispiel für eine frühe Slab Serif. Beim „inhaltlichen Dreiklang“ ist die Vorgabe „Kursive/Slab/Display/Mono“ aber etwas arg durcheinandergewürfelt.
Kathrinvdm Geschrieben März 17, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 17, 2013 Das ist gar keine Vorgabe, sondern war als Frage gemeint. Nämlich, welche dieser Optionen Eurer Ansicht nach die folgerichtige Dritte zu Serif und Sans Serif wäre.
Kathrinvdm Geschrieben März 17, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 17, 2013 Die erste digitale Schrift ist die Digi Grotesk S von Hell für die Digiset gewesen, ein Helvetica-Clone. Weißt Du zufällig auch, welche digitale Schrift die erste war, die für »normale« Rechner zur Verfügung stand? Die DIgiset war ja absolutes Profiwerkzeug, normalen Sterblichen nicht zugänglich, schätze ich.
Typolion Geschrieben März 17, 2013 Geschrieben März 17, 2013 Hallo Kathrin, persönlich und subjectiv aber leidenschaftlich: meine 9 Meilensteinen (deine Vorgabe von 6 reicht nicht aus) Trajan- Garamond - Baskerville - Bodoni - Clarendon - Gill - dann fehlen aber noch eine Script, eine Display/Deco Schrift/ und eine gebrochene...zBBernhardShelley AllegroFette Fraktur aber in jede Kategorie gibt ess viele gleich gute. Schönes Spiel. 1
gutenberger Geschrieben März 18, 2013 Geschrieben März 18, 2013 die für »normale« Rechner zur Verfügung Ne heikle Sache - ab wann war ein Rechner laut Deiner Frage "normal"? Ein normaler freier Grafiker konnte sich soetwas in den späten 80ern und teilweise frühen 90ern normalerweise nicht leisten, diese Highendmaschinen mit einem Arbeitsspeicher, der heute nicht mal für ein Telefon reichen würde und 20 Schriften ... für ein paar zehntausend Mark ... 1
Kathrinvdm Geschrieben März 18, 2013 Themen-Ersteller Geschrieben März 18, 2013 Ich meine damit: Die erste(n) digitale(n) Schrift(en), die Agenturen, Grafikern, Druckern auf Computern (die keine speziellen Druckmaschinen waren) zur Verfügung stand(en). Der Preis ist dabei für meine Betrachtung nebensächlich. Irgendwann muss der Wechsel vom Fotosatz zum digitalen Satz ja stattgefunden haben, und die dabei verwendete Schrift interessiert mich.
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