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Typografische Fundstücke

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Geschrieben
Am 16.8.2021 um 14:09 schrieb StefanB:

Die Müller-Brockmann-Visitenkarte ist wirklich ein Kleinod typografischer Gestaltung. 

In der Tat.

 

vor 2 Stunden schrieb StefanB:

Im Ernst: die Visitenkarte zeugt für mich von hoher typografischer Qualität. Das fängt bei der Wahl des 2:1-Formats an (viel schöner als das gebräuchliche von 85×55 mm) bis hin zur typografischen Inszenierung der Kontaktdaten. An der Visitenkarte wirkt nichts willkürlich oder dem Zufall überlassen. Natürlich steckt da auch ein gewisser typografischer Dogmatismus drin, der sich zugleich wie ein roter Faden durch das Schaffen Müller-Brockmanns zog.

Ja, wie er die Adressen gelöst hat, finde ich unaufgeregt aufregend. Und wie nahe am Rand er mit seinem Namen arbeitet… Alles wunderbar arrangiert und dem Weißraum Platz geschenkt.

 

Das ungewöhnliche Format würde mich interessieren. Das Seitenverhältnis entspricht nicht exakt 2:1, glaube ich. Wenn man davon ausgeht, dass Rand 85 x 50 mm gewählt hat, so entspräche die Karte von JMB 86 x 42 mm. 

 

Edit: Da ich davon ausgehe, dass die Karten zusammengestückelt wurden, bleiben die Maße / ihr Größenverhältnis zueinander natürlich reine Spekulation… 

Geschrieben

Zum Vergleich auch die Visitenkarten von Adrian Frutiger und Helmut Schmid. Ich vermute, die Karte von Frutiger wurde durch eine Bildbearbeitung (?) links zu knapp beschnitten. 

design-legends-business-cards.jpg.174b7481f289654c01e7f8da1cfae6c7.jpg

  • Gefällt 3
Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb StefanB:

Im Ernst: die Visitenkarte zeugt für mich von hoher typografischer Qualität

Mich stört an der Müller-Brockmann-Karte, dass zusammengehörende Daten in der zugrundeliegenden unsichtbaren Tabelle durch die Verteilung in unterschiedliche Spalten auseinandergerissen werden. Bei Telefon steht die Kategorie »tel.« in der linken und die eigentliche Angabe, also die Nummer, in der rechten Spalte. Bei  Hausnummer und Straße bzw. Postleitzahl und Ort müsste man eigentlich genauso verfahren. Hausnummer und Postleitzahl sind schließlich keine Kategoriebezeichnung wie »tel.«, sondern Teil der eigentlichen Information. Und Vorname und Nachname durch Tabulator und daraus resultierenden viel zu großen Wortabstand zu trennen finde ich nur noch absurd.

 

Die Paul-Rand-Karte ist da schon erheblich besser. Die finde ich auch gelungen und es stört mich eigentlich nur ein Detail, nämlich die Inkonsistenz mit dem Doppelpunkt hinter »Tel«. Wenn man schon auf den Punkt hinter der Abkürzung verzichtet (ich weiß nicht, ob das in Amerika üblich ist), dann sollte der Doppelpunkt doch erst recht entbehrlich sein.

Geschrieben
vor einer Stunde schrieb Dieter Stockert:

Mich stört an der Müller-Brockmann-Karte, dass zusammengehörende Daten in der zugrundeliegenden unsichtbaren Tabelle durch die Verteilung in unterschiedliche Spalten auseinandergerissen werden. Bei Telefon steht die Kategorie »tel.« in der linken und die eigentliche Angabe, also die Nummer, in der rechten Spalte. Bei  Hausnummer und Straße bzw. Postleitzahl und Ort müsste man eigentlich genauso verfahren. Hausnummer und Postleitzahl sind schließlich keine Kategoriebezeichnung wie »tel.«, sondern Teil der eigentlichen Information. Und Vorname und Nachname durch Tabulator und daraus resultierenden viel zu großen Wortabstand zu trennen finde ich nur noch absurd.

Soweit die reine Lehre. Wenn man es wirklich so richtig richtig machen will, dann ist das sicherlich der bessere Weg. Ich habe jedenfalls keinerlei Schwierigkeiten, die Angaben auf der Visitenkarte zu lesen. Der Aufbau weckt mein Interesse und sticht angenehm aus dem Einheitsbrei von Visitenkartengestaltungen heraus.

  • Gefällt 1
Geschrieben

Stellt sich aber schon die Frage ob eine "Inszenierung" ausgerechnet von Kontaktdaten tatsächlich von "typografischer Qualität" zeugt.

Läse ich da nicht Müller-Brockmann sondern einen NoName, ich fürchte ich würde das als "irgendwie originell sein wollen" (mit Betonung auf "wollen") einordnen.

  • Gefällt 2
Geschrieben
vor 14 Stunden schrieb Dieter Stockert:

Mich stört an der Müller-Brockmann-Karte, dass zusammengehörende Daten in der zugrundeliegenden unsichtbaren Tabelle durch die Verteilung in unterschiedliche Spalten auseinandergerissen werden. Bei Telefon steht die Kategorie »tel.« in der linken und die eigentliche Angabe, also die Nummer, in der rechten Spalte. Bei  Hausnummer und Straße bzw. Postleitzahl und Ort müsste man eigentlich genauso verfahren. Hausnummer und Postleitzahl sind schließlich keine Kategoriebezeichnung wie »tel.«, sondern Teil der eigentlichen Information. 

Verstehe den Einwand eigentlich nicht. Kann man etwa irgendeine Angabe auf der Karte nicht sofort zuordnen? Eben. Und die Telefonnummern stehen nicht links in der Ziffernspalte, weil sie sonst deren Breite und somit die Gesamtbreite sprengen würden… 

Geschrieben
vor 12 Stunden schrieb StefanB:

Soweit die reine Lehre. Wenn man es wirklich so richtig richtig machen will, dann ist das sicherlich der bessere Weg. 

Welche Lehre? Karel Martens hat mir mal gesagt »In Typography, everything is possible as long it makes sense.«

  • Gefällt 2
Geschrieben
vor einer Stunde schrieb James Joyce:

»In Typography, everything is possible as long it makes sense.«

Und wenn man ohne Not Vorname und Nachname dermaßen auseinanderreißt oder für Kategorie und Information auf kleinstem Raum eine uneinheitliche Spaltenzuordnung vornimmt, dann ergibt das für mich eben keinen Sinn. Das hat nichts damit zu tun, dass man die Angaben auf der Karte nicht zuordnen könnte (auch wenn die Platzierung der Hausnummer vor der Straße ein unnötiger Stolperstein ist).

Geschrieben
vor einer Stunde schrieb James Joyce:

Und die Telefonnummern stehen nicht links in der Ziffernspalte, weil sie sonst deren Breite und somit die Gesamtbreite sprengen würden… 

Wohl wahr. Also funktioniert her das Gestaltungskonzept für mich nicht.

Geschrieben
vor 16 Stunden schrieb Dieter Stockert:

ich weiß nicht, ob das in Amerika üblich ist

Üblich ist es. Zwingender wäre aber ein Komma zwischen Stadt und Staat. Wenn das ausgelassen wird, hat der Doppelpunkt hier gewiß nichts zu suchen.

Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb pürsti:

Läse ich da nicht Müller-Brockmann sondern einen NoName, ich fürchte ich würde das als "irgendwie originell sein wollen" (mit Betonung auf "wollen") einordnen.

Naja, das sind Schaustücke, die zeigen, wie weit ein Künstler typografische Konventionen dehnen kann. Mir geht es so, wenn ich moderne Kunst anschaue: "sowas kann ich auch." Kann ich aber nicht.   

  • Gefällt 1
Geschrieben
vor 1 Minute schrieb Oliver Weiß:

Kann ich aber nicht.

Ich denke schon. Nur würde Deine Kunst nicht derart vermarktet werden. Meine wurde hingegen mit einer Fünf für "Immerhin hast Du überhaupt etwas abgegeben" bewertet 🙂

  • lacht 1
Geschrieben
vor 3 Minuten schrieb Oliver Weiß:

"sowas kann ich auch."

Mir fällt dazu noch ein, dass unser Chorleiter in der Schule gesagt hat, jeder könne singen. Mir gab er jedoch eine Triangel und jemanden mit Taktverständnis, der mir an den richtigen Stellen auf die Schulter klopfte... :mrgreen:

  • Gefällt 1
  • lacht 1
Geschrieben
vor 4 Stunden schrieb pürsti:

Läse ich da nicht Müller-Brockmann sondern einen NoName, ich fürchte ich würde das als "irgendwie originell sein wollen" (mit Betonung auf "wollen") einordnen.

Ich denke man sollte die Karte auch im Kontext der Zeit und der damals vorherrschenden Gestaltung sehen. Müller-Brockmann hat seine Sicht konsequent umgesetzt und ich finde es auch nicht störend, dass die Hausnummer vor der Straße steht oder die Telefonnummer in der jeweils rechten Spalte. Selbst der Verzicht auf Versalien stört mich hier nicht.

 

Die Karte von Frutiger fand ich dagegen recht befremdlich und fast schon anstrengend.:-?

  • Gefällt 1
Geschrieben

Bei der Karte von Frutiger habe ich mich nach kurzer Betrachtung gefragt, wie die Karte wohl aussehen würde, wenn das Atelier nicht Frutiger & Pfäffli, sondern Pfäffli & Frutiger heißen würde und nicht in Arcueil, Frankreich, sondern in Zürich, Schweiz ansässig wäre.

 

Bei Müller-Brockmanns Karte habe ich gedacht: Aha, Raster! Und dann: Wird in der Schweiz die Hausnummer vor der Straße genannt? Ach, nein: Raster!

 

Und es ist wahrscheinlich so, wie Oliver es sagt: Kunst braucht Könner, sonst ist es Kitsch.

  • Gefällt 2
Geschrieben
vor 7 Stunden schrieb Dieter Stockert:

Und wenn man ohne Not Vorname und Nachname dermaßen auseinanderreißt oder für Kategorie und Information auf kleinstem Raum eine uneinheitliche Spaltenzuordnung vornimmt, dann ergibt das für mich eben keinen Sinn.

Martens hat das in dem Sinne gemeint, dass es kein festes Regelwerk gibt bzw. geben sollte. Wir sind immer noch Gestalter und keine Lektoren. Man muss auch nicht alles über Typografie wissen, allerdings sollte man sie richtig benutzen. Wobei »richtig« eben relativ ist, denn es gibt nun mal typografische Stilmittel. In gewisser Weise wird man vor diesem Hintergrund also auch eine Art Autor. Man könnte  an der Stelle sogar die Sinnhaftigkeit einer Publikation wie »Lesetypografie« in Zweifel stellen, aber das würde wohl zu ausufernd… 

 

Also nochmals: Die Informationen funktionieren trotz nicht stringenter Verortung der Angaben. Man kann doch auch eine Obstschale zwischen Tomaten und Karotten platzieren… Oder ergibt das auch keinen Sinn? Handelt es sich doch um keinen umfangreichen Bildnachweis o.ä., sondern um eine Visitenkarte. 

  • Gefällt 2
Geschrieben

Appendix:

 

Das erinnert mich an eine kurze Diskussion, die ich mit einem anderen bekannten Gestalter und Typografen mal im Rahmen eines Pitches führte. Er konnte nicht verstehen bzw. hat kritisiert, dass ich bei einem Entwurf den Fließtext im linksbündigen Flattersatz, die BUs bei den Abbildungen dazu aber zentriert gesetzt hatte. Er meinte ernsthaft, sie müssen im Sinne der Stringenz / des Corporate Designs auch linksbündig sein. Martens wäre nie auf so eine Idee gekommen… 

Geschrieben

Da will ich mal was drucken, da zickt der Papiereinzug ohne Ende rum. Ich bin mir sicher, dass ein Drucker die Inspiration für den Bandnamen Rage Against the Machine war.

Redet Ihr auch mit Euren Druckern und droht ihnen, dass sie durch viel geilere und neuere Modelle ersetzt werden, wenn sie nicht sofort anfangen, das zu tun, was man ihnen aufgetragen hat?
Aber (er liest hier ja nicht mir*) eigentlich mag ich ihn ja... Er ist so schön sparsam (erst die zweite Toner-Kartusche in zwanzig (?) Jahren inkl. universitäre und schulische Papierverschwendung (Kyocera Mita FS-1010).


*) Ja, ich reguliere meine Emotionen, indem ich Unbelebtes anthropomorphisiere. Ist gesünder und billiger, als so einen Drucker aus dem Fenster zu schmeißen, weil der mal wieder statt einer Seite mit einer Graphik nur dutzende Seiten mit Druckerbefehlen ausdruckt 🙂

  • Gefällt 2
Geschrieben

:trost:

 

Mein Drucker fällt eher dadurch auf, dass er in unpassenden (= also allen denkbaren, also eigentlich: immer!) Situationen mit neuen Patronen gefüttert werden möchte. Bei genauerem Nachdenken würde ich sagen, da ist er meinen Katzen nicht unähnlich, wenngleich die Art der Nahrung differiert.

 

Aufregen tue ich mich eher über meinem Rasenmäher. Sauteures Teil, will ununterbrochen etwas von mir: Sprit, Fangkorb ausleeren, Anlasser hakt, Bowdenzug des Gashebels reißt, Messer stumpf … grympf! Das Ding ist das Outdoor-Äquvalent zu den sündteuren Kaffeevollautomaten, die ich bei manchen Freunden bestaunen darf (Wasser nachfüllen, Bohnen nachfüllen, Spülen, Trester leeren, Wasserschale leeren …). Deswegen wird der Kaffee bei mir zu Hause schön altmodisch von Hand zubereitet, mit Porzellanfilter und frisch gemahlenem Kaffee. Den Rasen wiederum kann ich leider nicht mit der Hand schneiden – ich habe zu viel davon! Hmmmm, vielleicht sollte ich mir Schafe zulegen …? Das hilft Dir jetzt aber auch nicht wirklich weiter, oder? ;-)

 

PS: Zurück auf den Pfad der Typografie! :-|

  • Gefällt 1
Geschrieben
vor 7 Stunden schrieb Phoibos:

Redet Ihr auch mit Euren Druckern […]?

Ich war lange Zeit davon ausgegangen, dass ich nicht mit unbelebten Dinge spreche. Deshalb wollte ich meiner Frau auch keine Punkte bei so einem Partnereinschätzungsbrettspiel (Therapy?) zugestehen, als sie behauptete, ich würde mit meinem Computer sprechen. In der Folgezeit musste ich dann aber feststellen, dass sie recht hatte. Ich rede tatsächlich mit meinem PC (oder mit dessen Eieruhr).

  • Gefällt 1
  • lacht 2
Geschrieben
vor 8 Stunden schrieb Phoibos:

Redet Ihr auch mit Euren Druckern

Ich hab das Gefühl der will mit mir reden. Immer wenn ich was drucken will brumfelt er mir was zu bevor er in die Gänge kommt.

Vieleicht bin doch da ein wenig unsensibel und sollte

 

vor 8 Stunden schrieb Phoibos:

Unbelebtes anthropomorphisieren

(auch wenn ich erst nach google-Recherche jetzt weiss, wie Phoibos seine Emotionen reguliert.)

  • Gefällt 2

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