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Held ohne Sockel: Werner Klemke

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Geschrieben

Werner Klemke war der bekannteste Gebrauchsgrafiker der DDR und ist in seinem Schaffen in der Geschichte der Buchgestaltung eine einmalige Erscheinung. Er illustrierte Bücher nicht nur als Meister aller grafischen Techniken, er kümmerte sich auch um Typografie und Ausstattung in allen Details. Viele Jahre war er Professor in Berlin-Weißensee.

Die holländische Dokumentarfilmerin Annet Betsalel arbeitet seit drei Jahren an einem Film, der die bislang unbekannte Geschichte von Werner Klemke als jungem Soldaten während des 2. Weltkrieges in Holland erzählt. Klemke setzte sein großes grafisches Talent ein, um durch Fälschung von Abstammungsunterlagen, Lebensmittelkarten und Bezugsscheinen für Seife, Wäsche usw. verfolgte Menschen jüdischer Abstammung und Gegner der deutschen Besatzer vor der Ermordung zu retten. Zeit seines Lebens hat er darüber geschwiegen.

 

Das »Neue Deutschland« bringt heute eine ganze Seite in der Wochenendbeilage mit einem Text von Harald Kretzschmar, leider (noch?) nicht online, die »Süddeutsche Zeitung« hatte gestern den Aufmacher der Literaturseite mit einem Bericht über Klemke und den entstehenden Dokumentarfilm im Blatt. Dieser Text ist in der mobilen SZ nachzulesen und in der Manuskriptfassung hier. Die »Berliner Zeitung« wird in den nächsten Tagen berichten.

 

Den Film hat Annet Betsalel zum großen Teil selbst finanziert, unterstützt von einem holländischen Crowdfunding, das knapp 10.000 Euro einbrachte.

 

Die Pirckheimer, die Klemke 1956 mitbegründete, haben selbst ein Crowdfunding eröffnet und in ihren Reihen bislang über 3.000 Euro gesammelt.

 

 

Als ich für die Süddeutsche Zeitung recherchierte und dabei die Fotos des 25jährigen sah, der sein Leben so mutig aufs Spiel setzte, und als ich dann lange in den beiden Bibliografien von Horst Kunze blätterte und in den Büchern, die ich selbst habe, hat mich das sehr berührt. Es ist eine nicht beantwortbare und doch naheliegende Frage: Wie mutig wäre ich selbst gewesen, als junger Soldat der Wehrmacht, als Besatzer in einem fremden Land? Klemke hätte mit dem Leben bezahlen müssen, wäre er als Verräter des deutschen Wahnsinns aufgespürt worden. Und wie großartig war seine Kunst, schon in den frühen Nachkriegsbüchern sieht man die Meisterschaft. Etwa in der Georg-Weerth-Ausgabe, 1949 aus Walbaum-Fraktur handgesetzt und mit Holzstichen Klemkes versehen, gedruckt in Potsdam. Die Kinderbuchklassiker »Hirsch Heinrich«, »Das Wolkenschaf«, »Die Schwalbenchristine« sind in neuen Auflagen lieferbar. Es kommt mir merkwürdig vor, daß die Holländer eine so viel größere Summe Geldes gesammelt haben als die Deutschen. Klemke hat die ostdeutsche Buchkultur durch seine eigenen Werke (über 800 Bücher) und durch sein Wirken als Lehrer vieler namhafter Grafiker und Typografen, beispielsweise Axel Bertram, geprägt. 1977 erschien seine Bibliografie Jan Tschicholds, mit dem er befreundet war. (Seine Kinder nannten ihn »Onkel Jan«.) Es kam also einiges zusammen, das mich bewog, 400 Euro an die Pirckheimer zu überweisen. Der Spendenaufruf, den ich mit Summen jeglicher Größe zu unterstützen bitte, ist hier zu finden.

  • Gefällt 3
Geschrieben

 

Es kommt mir merkwürdig vor, daß die Holländer eine so viel größere Summe Geldes gesammelt haben als die Deutschen. 

Mich wundert das nicht. Die Holländer, die nicht mit den Deutschen kollaboriert haben und nicht Juden ans Messer geliefert haben, hatten und haben (? - oder deren Nachkommen?) durchaus ein starkes Faible für gute Drucke und Drucksachen. So wurde beispielsweise vieles im untergründigen Widerstand mit dem Verkauf von schönen schöngeistigen und manchmal auch hintergründigen Drucken - Einblattdrucke mit Texten und Grafiken  - finanziert. Diese Drucke wurden extra dafür angefertigt! Das haben allerdings etliche dieser Drucker mit dem Leben bezahlt ...

  • Gefällt 1
Geschrieben

P.S. Im übrigen gab es außer Klemke auch noch ein paar andere deutsche Soldaten, die mit dem Widerstand in den besetzten Ländern zusammengearbeitet haben (und dann als Künstler berühmt wurden) - unter anderen der heute vielgeschmähte Willi Sitte. Aber natürlich waren das alles löbliche Ausnahmen, die sehr viel Mut und weit mehr Geschick als beispielsweise Stauffenberg und Co. erforderten.

  • Gefällt 1
Geschrieben

War das eine bulgarische Doku? 8-)

 

Nur mal ein Gegenbeispiel:

 

Dänemark wurde ab 9. April 1940 von der Wehrmacht besetzt. Seine demokratisch gewählte Regierung durfte unter deutscher Besatzung zunächst weiterarbeiten. Sie verhinderte erfolgreich die Einführung von Judenstern und Rassengesetzen. Als der dänische Widerstand im Sommer 1943 anwuchs, beschloss die deutsche Militärverwaltung die Deportation der dänischen Juden. Weil der 1./2. Oktober 1943 als Termin der Festnahme durchgesickert war, konnten 7200 von ihnen rechtzeitig mit Fischerbooten in das neutrale Schweden fliehen.

In Dänemark ergriff König Christian X. Partei für die Juden, als die deutschen Besatzungsbehörden auch sie zum Tragen des Judensterns zwingen wollten. Ein zum Widerstand gehörender Mitarbeiter der Besatzungsmacht warnte die dänische Untergrundbewegung vor drohenden Razzien der SS. Daraufhin gelang es unter Mithilfe großer Teile der Bevölkerung im September und Oktober 1943, die meisten der im Land lebenden ca. 6000 Juden in das neutrale Schweden zu schleusen. So wurde eine vergleichsweise niedrige Anzahl dänischer Juden, 161 Menschen, in deutschen Lagern ermordet. (Siehe auch Rettung der dänischen Juden.)
Geschrieben

Lol, war glaube ich zdf. Kommen ja jeden Tag mehrere "Dokus" zu den Nazis. Mich würde interessieren, welche Bedeutung die "Juden" im Alltag der deutschen und europäischen Bevölkerung hatte. Kennt jemand Quellen?

Geschrieben

Um auf den Gebrauchsgrafiker zurückzukommen, eben geriet mir dies unter die Augen:

»Das ist leicht, schöne Bücher zu machen für ganz feine Leute, die furchtbar viel Geld haben. Aber für mich liegt das Problem ganz woanders […], daß ich dem Mann auf der Straße, der seine 800 Mark im Monat verdient, daß ich dem die Möglichkeit gebe, das Beste, was man sich überhaupt denken kann – an Literatur, an Ausstattung, Zeichnung usw. – auch in die Hand zu geben, so daß er sich er sich eine Bücherei anschaffen kann.«

Werner Klemke

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