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Woher kommt das ſt-Trennverbot und wieso betraf es nicht tz?

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Geschrieben

In der sogenannten herkömmlichen Rechtschreibung gab es ja bekannterweise eine Ausnahmeregel, die das Trennen von st am Zeilenende verbot, außer an Wortfugen u. Ä.: »Trenne nie st, denn es tut ihm schrecklich weh.« Mit langem s waren wenigstens die Ausnahmen von der Ausnahme nicht mehr nicht nötig und es war schlicht: »Trenne nie ſt

Wenn man nach den Gründen hierfür sucht findet man neben viel ausgemachten Unfug (z. B. hier), dass es auf die ſt-Zwangsligatur der Fraktur zurückgeht, was auch nicht völlig unplausibel klingt. Aber warum betraf diese Regel dann nicht tz (und ck)?

(Ich habe diese Frage schon einmal [hier](http://german.stackexchange.com/q/7928/2594) gestellt.)

Geschrieben

Ich vermute, dass liegt daran, dass ſt nicht auseinander gerissen werden durfte, um zu verdeutlichen, dass es sich um einen silbenanlaut handelt, mit dem unter anderem auch Wörter anfangen können. 

Mit tz und ck können keine Wörter beginnen und es sind auch jeweils keine einzelnen Laute, sondern können getrennt gesprochen werden (vgl. Muta-cum-Liquida-Regel der antiken Metrik).

Geschrieben

Unsere Rechtschreibregeln wurden über Jahrhunderte von Grammatikern für Schulzwecke beschrieben. Da sie keinerlei Regelungskompetenz hatten, konnten sie nur den vorgefundenen Schreibgebrauch rechtfertigen. 

 

Neben der s-Schreibung war die Trennung von ſt, tz und ck lange umstritten. So ist bei Adelung 1795 noch alles offen:

 

§ 59. Die zuſammen gezogenen Buchſtaben, ck und ſt, werden von vielen beysammen gelaſſen, und zur folgenden Sylbe gezogen: wa-cker, ko-ſten. Da dieſes aber wider die Aussprache ist, so läßt man ſie lieber ganz bey der ersten Sylbe, wack-er, koſt-en. Da in dem tz die Zusammenziehung nur schwach ist, ſo läſſet es sich auch füglich theilen: het-zen.

 

Johann Christoph Adelung: Deutsche Sprachlehre für Schulen. 3. Aufl. Berlin 1795, S. 511.

 

Der »Urduden« von 1880 trennt alle Verbindungen von Konsonantenbuchstaben:

 

Stehen mehrere Konsonanten im Inlaut, so kommt der letzte auf die zweite Zeile, z. B. här-ten, Laſ-ten (auch Las-ten), Waſ-ſer (auch Was-ſer), Knoſ-pe, hak-ken (ck wird in kk aufgelöst), klop-fen, krat-zen, Ach-ſel, An-ker, Fin-ger, Hoffnun-gen. […]

 

Konrad Duden: Vollständiges orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Nach den neuen preußischen und bayerischen Regeln. Leipzig 1880, S. XV.

 

Erst die II. Orthographische Konferenz schrieb 1901 das Trennverbot in der bekannten Regel fest:

 

Von mehreren Mitlauten kommt der letzte auf die folgende Zeile: z. B. An-ker, Fin-ger, War-te, Rit-ter, Waſ-ſer, Knoſ-pe, tap-fer, kämp-fen, Karp-fen, Ach-ſel, krat-zen, Städ-te, Verwand-te. ck wird dabei in zwei k aufgelöst, z. B. Hak-ke. Nur ſt bleibt immer ungetrennt, z. B. La-ſten, be-ſte, ko-ſten, Klo-ſter, mei-ſte, Fen-ſter, För-ſter, Pfing-ſten.

 

Konrad Duden: Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Nach den für Deutschland, Österreich und die Schweiz gültigen amtlichen Regeln. 7. Aufl. Leipzig und Wien 1902, S. X.

 

Das Argument, die Ligatur habe in der Fraktur nicht getrennt werden können, wurde also erst später nachgeschoben, um diese sonderbare Regel zu rechtfertigen.

  • Gefällt 5
Geschrieben

Ich vermute, dass liegt daran, dass ſt nicht auseinander gerissen werden durfte, um zu verdeutlichen, dass es sich um einen silbenanlaut handelt, mit dem unter anderem auch Wörter anfangen können.

Mit tz und ck können keine Wörter beginnen und es sind auch jeweils keine einzelnen Laute, sondern können getrennt gesprochen werden (vgl. Muta-cum-Liquida-Regel der antiken Metrik).

Ich kann dem nicht folgen. Wieso ist st in Kosten ein Silbenanlaut, der anders zu behandeln ist als sp in Knospen oder tz in Katzen? tz ist vom Laut her identisch mit z, was seinerseits wiederum aus zwei Lauten besteht – genauso wie ſt. ck repräsentiert definitiv nur einen Laut.

 

Da in dem tz die Zusammenziehung nur schwach ist, ſo läſſet es sich auch füglich theilen: het-zen.

Versteht das jemand? Wieso ist die Zusammenziehung von tz schwächer als die von st? Ersteres kommt doch sowohl typografisch (in der Fraktur) als auch aussprachetechnisch einem einzelnen Buchstaben näher.

Geschrieben

Versteht das jemand? Wieso ist die Zusammenziehung von tz schwächer als die von st? Ersteres kommt doch sowohl typografisch (in der Fraktur) als auch aussprachetechnisch einem einzelnen Buchstaben näher.

Mit den »zusammen gezogenen Buchstaben« bezieht sich Adelung (1795) auf die Schreibung (bzw. die Ligaturen im Satz), nicht auf die Aussprache. Es war üblich(er), tz am Zeilenende wieder zu trennen, bei ck und ſt aber die Ligatur zu erhalten. Und der überwiegende Schreibgebrauch (Usus) war für Schulgrammatiker wie Adelung das entscheidende Kriterium, das im Zweifel über die Schreibung nach Aussprache oder Abstammung gestellt wurde.

Geschrieben

Ich kann dem nicht folgen. Wieso ist st in Kosten ein Silbenanlaut, der anders zu behandeln ist als sp in Knospen oder tz in Katzen? tz ist vom Laut her identisch mit z, was seinerseits wiederum aus zwei Lauten besteht – genauso wie ſt. ck repräsentiert definitiv nur einen Laut.

Ich bin kein Germanist oder Phonologe, ist das denn wirklich gesichert? Und Silbenanlaut war nur ein Aspekt, den ich erwähnte, wie sieht es mit der Fähigkeit aus, Wörter zu beginnen? Weder st noch tz noch ck können das.

Geschrieben

Mit den »zusammen gezogenen Buchstaben« bezieht sich Adelung (1795) auf die Schreibung (bzw. die Ligaturen im Satz), nicht auf die Aussprache. Es war üblich(er), tz am Zeilenende wieder zu trennen, bei ck und ſt aber die Ligatur zu erhalten. Und der überwiegende Schreibgebrauch (Usus) war für Schulgrammatiker wie Adelung das entscheidende Kriterium, das im Zweifel über die Schreibung nach Aussprache oder Abstammung gestellt wurde.

Dass Adelung hier deskriptiv vorgeht, ist mir schon klar. Und dass ein derartiger Gebrauch existierte, bestreitet wohl auch niemand. Mir geht es aber um die Ursache dieses Gebrauchs. Und hier versucht sich ja auch Adelung in einer Begründung mit »Da in dem tz die Zusammenziehung nur schwach ist«. Nur ist mir nicht klar, wie er zu dieser Aussage kommt, denn nach allen Kriterien, die mir einfallen, ist die Zusammenziehung bei tz nicht schwächer als bei ſt.

Ich bin kein Germanist oder Phonologe, ist das denn wirklich gesichert? Und Silbenanlaut war nur ein Aspekt, den ich erwähnte, wie sieht es mit der Fähigkeit aus, Wörter zu beginnen? Weder st noch tz noch ck können das.

Es entspricht zumindest allen mir bekannten phonetischen Darstellungen des Deutschen und auch meiner eigenen Aussprache, zumindest meiner Einschätzung nach.

ſt kann im Gegensatz zu tz am Wortanfang stehen, aber das können diverse andere Kombinationen wie ſp oder gl auch und trotzdem wurde nicht Kno-ſpe oder mö-glich getrennt. Natürlich kann man jetzt sagen, dass es die Kombination von Zwangsligatur und Wortanfangbarkeit war, die zur Sonderregel führte. Aber eine wirklich zufriedenstellende Erklärung ist das meines Erachtens nicht.

Geschrieben

Im Deutschen trennt man innerhalb von einfachen Wörtern mindestens seit dem 18. Jh. überwiegend nach Sprechsilben (syllabisch). Wo Silben unterschiedlich abgegegrenzt werden könn(t)en (Karp/fen oder Kar/pfen, Rut/sche oder Ru/tsche, Rät/sel oder Rä/tsel, Ge/ste oder Ges/te) hat man sich (außer beim st) zunehmend auf eine mechanische Regel verständigt: Von mehreren Konsonantenbuchstaben bzw. Graphemen (z. B. sch) kam einer auf die neue Zeile. Daher war das Trennverbot für ſt bzw. st vor der Reform eine Ausnahme und die Abschaffung 1996 konsequent.

 

Schriftlinguisten* gehen davon aus, dass die Entwicklung bei den »Problemgruppen« (st, ch, sch, sp, ck) im 18. und 19. Jh. nicht in erster Linie von Regeln, sondern vom Usus und von typografischen Vorgaben (Ligaturen) bestimmt wurde. Eine »zufriedenstellende Erklärung« wird man hier nicht finden. 

 

Die Frage, welche Laut- oder Buchstabenkombinationen (auch) am Wortanfang stehen können, spielt für Silbengrenzen und Worttrennung am Zeilenende keine Rolle. 

 

* Vgl. zum Beispiel: Nerius, Dieter (Hrsg.): Deutsche Orthographie. 4. Aufl. Hildesheim; Zürich; New York 2007, S.136.

 

 

  • Gefällt 2
Geschrieben

... wie sieht es mit der Fähigkeit aus, Wörter zu beginnen? Weder st noch tz noch ck können das.

Ich hätte gerne einen großen Buchſtabenſalat mit tzatzikiſauce! ſcnr *d&r* ;)
Geschrieben

ſt kann im Gegensatz zu tz am Wortanfang stehen, aber das können diverse andere Kombinationen wie ſp oder gl auch und trotzdem wurde nicht Kno-ſpe oder mö-glich

Un-gläubig ist mög-lich aufgrund der Wortbildungslehre.

Geschrieben

Soviel dann zum Thema z und tz bilden den gleichen Laut ab ;)

Ich weiß, da ist ein Smiley, aber falls da ernsthafte Zweifel bestehen, untermauere ich das gerne. Übrigens: Zaziki.

Geschrieben

Ich weiß, da ist ein Smiley, aber falls da ernsthafte Zweifel bestehen, untermauere ich das gerne. Übrigens: Zaziki.

In diesem speziellen Falle:

Bei der Aussprache von ζήτα (zeta) als [ˈdzɛːta] oder [ˈzdɛːta] ist zu beachten, dass ein [ z ] dem stimmhaften S (Sahne) entspricht. Die “nicht-klassische” Aussprache ist [ˈt͡seːta

Quelle

 

Zurück zum eigentlichen: st wird als Fuge stets getrennt, da s ja nur am Silbenende vorkommt. ſt jedoch nur an Silbenanfang. Wie willst Du einen Konsonanten zur eigenständigen Silbe machen?

Ich finde den Thread nicht wieder, aber irgendwo hier war auch mal eine Diskussion darüber, ob es lautliche Unterschiede zwischen s und ſ gibt/gab.

Geschrieben

Zurück zum eigentlichen: st wird als Fuge stets getrennt, da s ja nur am Silbenende vorkommt. ſt jedoch nur an Silbenanfang. Wie willst Du einen Konsonanten zur eigenständigen Silbe machen?

ſt kam sehr wohl am Silbenende vor, z. B. in auf jeden Fall in Gaſt, Aſt, Feſt, aber auch in Weſ-te, Laſ-ter, niſ-ten, zumindest das ſ (und um das geht es ja) und wenn man das Silbenende analog zu Knoſ-pe, Mas-ke, Dres-den definiert.

 

Ich finde den Thread nicht wieder, aber irgendwo hier war auch mal eine Diskussion darüber, ob es lautliche Unterschiede zwischen s und ſ gibt/gab.

Jein. ſ konnte sowohl für das stimmhafte s stehen (ſanft, reiſen) als auch das stimmlose (Kaſten, unſre, Pſyche). s konnte nur für das stimmlose s stehen, da das stimmhafte s im Deutschen nur im Silbenanlaut vorkommt, wo immer ſ stand.
Geschrieben

Nun, diese ſt-Regel hat aber auch einen Einfluss auf die geprochene Sprache.

 

Wenn  ich mein e eigene Sprechweise daraufhin überprüfe, und ich bin ja noch mit dem Spruch von den Schmerzen bei ſund t aufgewachsen, dann setzte ich die Silbengrenze deutlich vor das ſt, so sage ich deutlich Ko'sten, Ki'ste, La'ster, wärend ich von deutlich jüngeren Menschen, die schon die Aufgabe dieser Regel verinnerlicht haben Kos'ten, Kis'te und Las'ter.

Geschrieben

Ich bin auch mit dieser Regel aufgewachsen und habe damals wie heute Kis-te gesprochen. Wie auch alle meine Klassenkameraden etc. Sogar diejenigen, die über "spitze Steine stolperten". Insofern würde ich der These gerne und entschieden widersprechen, dass so eine beliebige Trennregel irgendeinen Einfluss auf die gesprochene Sprache gehabt hätte, zumal sie erst lange nach dem eigentlichen Spracherwerb erlernt worden ist.

Geschrieben

In der Sprachdidaktik geht man davon aus, dass bereits Kinder intuitiv Silben erkennen, etwa in Abzählversen. Dieses Verständnis wird jedoch mit dem Erwerb von Rechtschreibkenntnissen überformt.

 

In manchen Fällen ist nicht klar, wo genau die Silbengrenze liegt. Sicher ist zum Beispiel, dass der Silbenkern immer ein Vokal ist und dass ein einzelner Konsonant zwischen Vokalen zur Folgesilbe gehört. Man kann aber zum Beispiel durchaus Ki/ste oder Kis/te syllabieren. Auch vor der Reform haben Kinder zum Teil Kis/te in Analogie zu anderen Konsonantenverbindungen syllabiert. Da half die Aufforderung zum genauen Hinhören oder das beliebte Silbenklatschen nicht weiter (und hilft es heute auch nicht). Beides führt nur zu »richtigen« Ergebnissen in der Worttrennung, wenn man die aktuelle Rechtschreibregel schon beim langsamen Sprechen (Syllabieren) mitberücksichtigt.

Geschrieben

... Und da ich einen Klassenlehrer hatte, der das mit dem "Sprechen, so wie man schreibt" und dem "Trenne nicht das s vom t" recht ernst genomme hat, wurde eben nicht nur deutlich "Ki-ste" diktiert, sondern auch dahin geführt, dass wir kurzen das dann auch so aussprachen. Wie konnten gar nicht auf die Idee kommen, jetzt aba oder Wassa für aber oder Wasser zu schreiben, denn auch hier wurde (ein wenig abweichend von der Standardlautung) das -er tatsächlich auch mit hörbarem -r gesprochen.

 

Wenn der/die Lehrer/in schon diktiert: "Aba der Fata kochdas Wassa, unzwa in einem Topf" braucht man sich nicht zu wundern, wenn dies auch so geschrieben wird. Auch die Aussprache in den Medien ist immer mehr lässig geworden.

 

Aber das war ja in den 1960ern, und da war es halt noch nicht so lange her, das ein errrrr, nicht nurrrr am Worrrtende sogarrr noch rrrichtig gerrrollt wurrrde. Mit der Zeit verschliff sich dann das -er imma mea zum a, und es wiad wohl iagendwann auch nich mea als "-er" geschrieben?

Geschrieben

Das ist genau die Krux: Man hat in Schule und Medien nach der Schrift gesprochen und sich dann eingeredet, man schreibe, wie man spricht. Vorerst beherrscht ja aber nur das Lehrpersonal die »Schriftsprache« (Standardsprache). Schüler lernen zu schreiben, wie »man« (der/die Lehrende) spricht, und gleichzeitig lernen sie nach der Schrift, wie man die Schriftsprache spricht … Und beim st suggeriert die überdeutliche Lehreraussprache jeweils die Trennstelle, die gerade als normgemäß gilt.

 

Das gerollte r gehörte in die Deutsche Bühnenaussprache und entsprach der Sprachrealität in den meisten Regionen nicht. Heute akzeptiert man eher, dass es regionale Unterschiede zwischen gesprochener Umgangssprache und Standard- oder Schriftsprache gibt. 

  • Gefällt 3
Geschrieben

Meine Grundschullehrerin gehörte übrigens auch zu der Sorte Lehrer, die nicht in der Lage war, Ausnahmen und Konventionen als solche zu benennen und deshalb darauf beharrte, dass 0,5 näher an 1 als an 0 lag und eben auch Ki-ste klatschte. Bei mir hat das aber eher zur Folge gehabt, dass ich sie etwas weniger ernst nahm.

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