Hans Schumacher Geschrieben Februar 3, 2015 Geschrieben Februar 3, 2015 Interessante Begriffshinterfragung jedenfalls – ich muss gestehen, daß ich bisher völlig theoriefrei und historisch unbeleckt die Schattenachse mit den ursprünglichen römischen Versalien, natürlich in Stein gemeisselt, in Verbindung gebracht habe. Da fällt ja auf jeden Fall ein Schatten, der die Buchstabenform auch noch entsprechend betont. s. z.B. hier http://www.myfonts.de/wp-content/uploads/2014/11/Trajan-Detail.jpg
Pachulke Geschrieben Februar 3, 2015 Geschrieben Februar 3, 2015 Das also ist eine Schattendiskussion. 1
Gast bertel Geschrieben Februar 3, 2015 Geschrieben Februar 3, 2015 Ich hab noch eine anschauliche Definition gefunden, die den Begriff "Achse" schlüssig beinhaltet: Die Schattenachse (Neigungsachse) ist jene Linie der Glyphe, die bei Rundungen die Stellen mit der geringsten Strichstärke verbindet . Quelle.
Þorsten Geschrieben Februar 3, 2015 Geschrieben Februar 3, 2015 Aber auch nicht sonderlich präzise. Schließlich sind die »leicht bananenförmigen« Striche der Glyphe selbst »Linien« (halt gekrümmte), die diese Stellen verbinden. Vielleicht eher eine Gerade durch die zwei Punkte eines kurvenförmigen Glyphensegments mit der geringsten Strichstärke oder so ähnlich … 1
Kathrinvdm Geschrieben Februar 3, 2015 Geschrieben Februar 3, 2015 Das also ist eine Schattendiskussion. Bei Lichte betrachtet? 2
Kathrinvdm Geschrieben Februar 3, 2015 Geschrieben Februar 3, 2015 Und wenn die sich durch unzweifelhafte Verwendung bewährt hat, braucht man auch nicht über einen womöglich »besseren« Begriff spekulieren. Naja, aber dass ein Mensch wie Martin, der an sich selbst und andere hohe Maßstäbe in Sachen Sorgfalt und Akribie ansetzt, mit einem so unpräzise formulierten Fachbegriff nicht glücklich sein kann, das ist schon nachvollziehbar. Und die Welt würde keine schlechtere, wenn man statt des irreführenden Begriffes einen sinnvolleren etablieren würde. Das Ganze erinnert mich ein wenig an die Versal-Eszett-Diskussion: Warum mit einem schlechten Kompromiss leben, wenn es eine bessere Alternative gibt? Beim Versal-Eszett existiert sie bereits; bei der Schattenachse, so scheint mir, muss sie noch erfunden werden. Was wäre denn eine inhaltlich treffende Bezeichnung für das Ding?
Martin Z. Schröder Geschrieben Februar 4, 2015 Themen-Ersteller Geschrieben Februar 4, 2015 Die gibt es ja schon immer. Es bedarf keines neuen Begriffes. Forssman, de Jong Detailtypografie Neigungsachse Bei Schriften mit wechselnder Strichstärke schwillt der Strich um eine Achse herum an und nimmt wieder ab. Diese Achse kann gar nicht, wenig oder stark geneigt sein. Mir ging es bei der Schattenachse darum, daß ich es genau wissen will. Das ist alles. Ich schreibe an einem Buch für Leser ohne Vorkenntnisse und erkläre dort ständig etwas. Dabei mache ich mir Dinge klar, über die ich seit langer Zeit nicht nachgedacht habe. Und ich stoße auf Fragen, die neu sind. Und auf unklare Begriffe. Da mein Text für Laien geschrieben wird, erkläre ich Begriffe. Und dann stößt man mitten in allen möglichen Lektüren und Themen auf so ein merkwürdiges Wort, denkt kurz darüber nach und dann: Schattenachse, Schattenachse, das kenne ich doch? Woher? Sonne, Mond und Sterne? Dann sucht man und findet auch. Die Definition dieser Schattenachse mußte ich mir erklären lassen: Achse vom Mittelpunkt des lichtwerfenden zum schattenwerfenden Körper in einem Kegel, der wegen der Rundung der Körper entsteht. So ungefähr.In der Typografie gehört die Schattenachse nicht zu meinem aktiven Wortschatz, nur zum passiven. In meiner Ausbildung gab es das Wort nicht, in der Literatur kommt es nur selten vor. Die Trefferanzahl dieses Wortes bei Google in Bezug aus Typografie ist nicht groß. Nun haben wir gesehen, daß es wahrscheinlich erst nach 1990 aufkam. Das ist noch kein Zeitraum, für den man sagen kann: wir verwenden den Begriff schon lange, die ursprüngliche Bedeutung ist verschwunden, es ist eine Art unübersetzbares Fremdwort geworden und bezieht aus dem Gebrauch seine Legitimität. Kann man nicht sagen nach rund 20 Jahren. Könnte man auch nicht nach 40. Dieser Begriff hat eine Geschichte. Aber offenbar liegt die im Dunkeln. Der Begriff wird, so wie ich jetzt den Eindruck gewonnen habe, verwendet, ohne daß jemand sich über seine Bedeutung erkennbar Gedanken macht. Man spekuliert so vor sich hin, und das kann man ja auch gut. Schatten in den gemeißelten Inschriften. Na, aber der wandert ja mit der Sonne, und wenn die links oben steht über den Trajan-Buchstaben, dann liegen die Schatten in den Haarlinien. Das kann es nicht sein. Schatten der Feder. Aber wie kommt man denn auf so etwas? Warum denkt man: Ich nenne die gebogenen Striche Schatten? Das denkt niemand, das ist eine nachträgliche Erklärung für einen vielleicht versehentlich entstandenen Begriff. Einleuchtender erscheint mir, daß der alte Begriff der Schattenstriche da hineinkam, Schattenstrich als Wort für den dunklen Strich. Zu diesen läuft die Achse aber nicht parallel, denn sie sind gebogen, nichts kann zu ihnen parallel laufen. Mir erscheint dieser Begriff undeutlich, und seine Herkunft ist hier nicht ermittelt worden. Eine andere Frage dazu: Gibt es diesen Begriff in anderen Sprachen, aus denen er durch Übersetzung zu uns gekommen sein könnte? Gibt es diese Achse überhaupt in anderen Sprachen? Im Englischen finde ich sie beschrieben als Verbindung der dünnsten Punkte. Einfacher und eindeutiger geht es nicht. Ohne geheimnisvoll dunkle Schatten. Wie sieht das im Französischen aus und im Italienischen? Es gibt auch andere Begrifflichkeiten, die ohne eine Achse auskommen, die das Bild vom Schreiben definieren, nicht von der nachträglich analysierenden Geometrie durch Anlegen des Lineals, wie etwa die »Schwellung« und die »Druckverstärkung«. Letzteres verstehe ich noch nicht. Wenn ich das Schriftschreiben nach Frutigers Schilderungen richtig verstanden habe, wird der Druck am Anfang und am Ende der Schwellung verstärkt, um sie lebhafter aussehen zu lassen. Man muß den Druck nicht verstärken, damit die Linie breiter wird, das ist nur bei der Spitzfeder so. Und mit der kann man keine klassizistische Schrift schreiben, die muß man ja zeichnen. Also die Druckverstärkung habe ich auch noch nicht kapiert. Ist mir zur Zeit auch nicht dringend, das kann ich sicherlich noch irgendwo ermitteln. Gerard Unger spricht von den Positionen der Bogenmaxima. Das ist ungewohnt abstrakt für meinen Geschmack, aber es ist auch sehr exakt. Und es ist ein Begriff aus dem Schreiben, nicht aus dem Nachmessen. Die Begriffe beeinflussen das Denken über Schrift. Nach all diesen Überlegungen frage ich mich, ob das Sprechen über eine Achse dem Betrachter die Schrift vom Leibe hält, eben weil es ein geometrischer Begriff ist, für den sich der Schriftschreiber nie interessiert hat. Spricht man über die Schwellungen, die Verstärkungen oder auch die Bogenmaxima, dann spricht man aus der Perspektive des Zeichners und sieht dadurch die Schrift auch anders. Man denkt mit dem Schreibwerkzeug, nicht mit dem Lineal.Zum Schluß: Die Genauigkeit ist dem Beruf des Typografen eingeschrieben. Wenn wir Buchstabenabstände mit (digitalem) Seidenpapier ausgleichen, sollten wir uns in unseren Begriffen ebenso um Genauigkeit bemühen. 1
Ralf Herrmann Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Naja, aber dass ein Mensch wie Martin, der an sich selbst und andere hohe Maßstäbe in Sachen Sorgfalt und Akribie ansetzt, mit einem so unpräzise formulierten Fachbegriff nicht glücklich sein kann, das ist schon nachvollziehbar. Er ist aber nicht unpräzise formuliert. Wenn Begriffe unpräzise verwendet werden, bin ich ja selbst der erste, der sofort einen Artikel schreibt und versucht, der unpräzisen Verwendung entgegegenzuwirken. Das sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe.
Kathrinvdm Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Hm, mir erscheint Neigungsachse deutlich präziser und verständlicher zu sein als Schattenachse. Ich sollte mir wohl dringend Martins Buch kaufen, wenn es fertig ist. 1
Gast Schnitzel Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Neigungsachse hört sich m. E. eher nach der Neigung des Buchstabens an – kursiv, rekursiv, was auch immer. Die Schattenachse weist ja schon auf die die hell/dunkel-Verteilung hin und auf den Fakt, dass diese sich an einer Achse orientiert.
Kathrinvdm Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Ja, guter Punkt, daran hatte ich nicht gedacht. Hm, in Ordnung. Damit das Wort Schattenachse sofort eingängig ist, müssten die unterschiedlichen Dicken der Striche also als Licht und Schatten definiert werden. Beziehungsweise hat das ja vielleicht schon jemand getan in der Vergangenheit? Ist das gebräuchlich? 1
catfonts Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Sonne, Mond und Sterne... Gut möglich, das diese Ominöse Schattenachse ja tatsächlich vom Mond her rührt. Wenn wir den Mond beobachten, hat der Mondschatten (die "Nachtseite" des Mondes) ja von unserem Beobachtungsort aus gesehen eine Neigung, die Schattenachse eben. Nimmt man jetzt ein Bild eines zunehmenden Mondes und kombiniert man dieses bild mit dem eines abnehmenden Mondes - das ja mit ersterem diese Achse teilt - erhält man praktisch ein O...
RobertMichael Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Die Herkunft des Begriffes Schaftstiefelgrotesk liegt nach wie vor im Dunkeln. find ich nicht schlimm. die erklärung ist für mich schlüssig und auch bildlich vorstellbar, ähnlich wie "gebrochene". das keine genauen quellen genannt wurden machen den begriff ja nicht unlogisch. 1
Gast Schnitzel Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Ja, guter Punkt, daran hatte ich nicht gedacht. Hm, in Ordnung. Damit das Wort Schattenachse sofort eingängig ist, müssten die unterschiedlichen Dicken der Striche also als Licht und Schatten definiert werden. Beziehungsweise hat das ja vielleicht schon jemand getan in der Vergangenheit? Ist das gebräuchlich? Muss das jemand explizit getan haben? Ist doch eine allgemein verständliche Herleitung: Dicke Striche –> dunkel –> Schatten Feine Striche –> hell –> Licht Ansonsten habe ich das hiermit definiert
Gast bertel Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Die unterschiedlichen Dicken sind ja schon als Haarlinie und Schattenlinie definiert. Wobei Schattenlinie wiederum eine Herleitung bräuchte, genauso wie Schattenachse …
Kathrinvdm Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 @Schnitzel: Ha, damit bist Du eine autorisierte Quelle, die Martin in seinem Buch angeben kann.
Kathrinvdm Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Die unterschiedlichen Dicken sind ja schon als Haarlinie und Schattenlinie definiert. Wobei Schattenlinie wiederum eine Herleitung bräuchte, genauso wie Schattenachse … Das wollte ich wissen. Aber wer hat das definiert - nur wir hier oder steht das sonst noch irgendwo?
Gast bertel Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Beispielsweise bei Joseph Payer findet sich das schon 1840.
Gast bertel Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Übrigens wird Schattenachse auch in der Adobe Type Library verwendet.
Ralf Herrmann Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Die gibt es ja schon immer. Es bedarf keines neuen Begriffes. »Schon immer«? Ein ganz schön pauschale Aussage für jemanden der es »ganz genau« wissen will. Das Schattenachse wenige Treffer hat, entspricht weder dem, was Google mir sagt, noch was ich meiner eigenen Bibliothek finde. Es ist ganz im Gegenteil heute der übliche Begriff. Wie ich oben schon sagte: ich kannte nicht mal mögliche Alternativen. Dass der Begriff erst in den 1990er entstand und womöglich gar irgendwie ein Schreibfehler, Übersetzungsfehler oder was auch immer wäre sind alles vorschnelle und unbegründete Spekulationen. (Und das meine ich mit Verrennen.) Ich bin mal kurz mit dem Finger durch meine Regalwände gefahren und die älteste Quelle, die ich für Schattenachse finden konnte, ist Hildegard Korgers Buch – das in der ersten Fassung bereits 1971 erschien. (Ich hab allerdings nicht die Originalausgabe. Müsste man dort noch einmal nachschlagen, ob sich zwischendrin etwas geändert hat.) Dort erklärt sich vielleicht auch, warum die Achse an den schmalen Stellen eingezeichnet wird. Das sind die Ansatzpunkte beim Schreiben und ihnen kommt also eine ganz besondere Rolle zu. Ich denke auch, dass man in diesem Metier weitersuchen sollte – also in der Kalligrafie, nicht in der Typografie. Dort haben Begriffe wie Schattenstrich ihr Zuhause und dort wird wahrscheinlich auch die Schattenachse bewusst – und nicht versehentlich – geboren worden sein. Das würde dann gegebenenfalls auch erklären, warum der Begriff in Setzer-/Drucker-Ausbildungen nicht relevant und bekannt war. Ich würde also mal schauen, welche Standardwerke der Kalligrafie vor Frau Korgers Buch kamen. Vielleicht findet sich ja da mehr zur Schattenachse. 1
Gast bertel Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Google meint, dass es in "Ursache & Wirkung" von Erik Spiekermann, 1982, vorkäme. Ich habe allerdings die Stelle nicht gefunden …
Gast bertel Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Wobei das Licht nicht punktförmig strahlen darf, sonst käme das einer Drehung der Feder beim schreiben gleich und die Achse wäre somit eine andere.
catfonts Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 allerdings fällt hier, beim 3D-O der Schatten ja genau im rechten Winkel zur Schattenachse.
Hans Schumacher Geschrieben Februar 4, 2015 Geschrieben Februar 4, 2015 Meine Interpretation: High noon über der Trajanssäule
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