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Satzspiegel

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Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Hallo, ich bin tagesaktueller Neuling im Forum und Layoutbusiness. Versuche mich gerade mit CS5.5 am Layout meines ersten selbstgeschriebenen Buches, das ein musikwisseschaftlicher Text (etwa 500 Seiten) mit ca. 150 Abbildungen und unzähligen Fussnoten wird. Inzwischen habe ich mich auf das Format 17x24 geeinigt und einen Satzspiegel erstellt. Und hier genau beginnt das Problem. Nach den Regeln der goldenen Satzspiegelkunst würden sich bei dem o.g. Format folgende Werte ergeben:

 

Innen 9 mmm außen 18mm  Oben 13 unten 26mm

 

Insbesondere das Innenmaß will mir überhaupt nicht gefallen, aber auch unten wird m.E. viel zu wenig  Papier bedruckt. Gerade hier benötige ich für die Fußnoten viel Platz.

Ich habe inzwischen bei zahlreichen Büchern des selben Formats einmal nachgemessen und festgestellt, dass das Innenmaß  mindestens 15mm beträgt und häufig auch das Außenmaß wesentlich geringer ausfällt, dass es sich live mitunter genau umgekehrt zu den Satzspiegelregeln verhält  (außen weniger als innen). Auch unten begnügt man sich bisweilen mit dem Maß der Kopfstegs.

 

Was ist Euer Rat?

 

In gespannter Erwartung Eures feedbacks verbleibt

 

inskaltewasser

  • Beste Antwort
Geschrieben

Mache den inneren Rand nicht zu klein, denn bei dicken Büchern ist im aufgeschlagenen Zustand dann der Text und Grafik nur noch schlecht lesbar.

 

Generelle Regeln wie der »Goldene Schnitt« sind meist sehr theoretisch und abstrakt und lassen viele Eigenheiten des Anwenders außer Acht.

  • Gefällt 1
Geschrieben

Ich würde mir auf alle Fälle überlegen, wie das Buch dann später technisch ausgeführt wird.

 

Die klassische Satzspiehel-Konstruktion geht ja von der klassischen, und im Rücken des Buckblocks sehr weichen Fadenbindung aus, bei denen die Blätter im aufgeschlagenen Zustand im Idealfall nahezu flach liegen, und da sollte im aufgeschlagenen Zustand der Abstand der Satzspiegel zueinander eben in etwa so breit sein, wie der Außenrand.

 

Diese Forderung besteht letztlich aber auch bei Büchchern, bei denen der Rücken des Buchblocks mit recht steifen Schmelzkleber gebunden ist, und im aufgeschlagenen Zustand nahezu gerade bleibt, sodass die Blätter im aufgeschlagenen Zustand nahrzu in der halben Dicke des Buches erst einmal ziemlich gerade nach oben vom Rücken weglaufen, um dann erst im Bogen in die Waagerechte zu wechseln. Dieses "eingeklemmte" Papier muss dann eben dem Bundsteg hinzugefügt werden, um im aufgeschlagenen Zustand dann wieder der klassischen Konstruktion zu entsprechen. Ich habe das mal gezeichnet:post-22079-0-72973600-1432290894_thumb.j

  • Gefällt 1
Geschrieben

Die Bindung verhält sich umgekehrt, Leim hat besseres Aufschlagverhalten als Fadenheftung, weil die Seiten bei der Blockleimung voneinander getrennt sind. Es hängt aber auch vom Papier und natürlich der richtigen Laufrichtung ab. Jedenfalls zeigt die obere Bindung eher das Aufschlagverhalten von Klebebindung, die untere von Fadenheftung. Letztere ist so selten geworden, daß man von gutem Aufschlagverhalten ausgehen kann, wenn das Papier nicht zu steif ist. Die Verbindung von Fadenheftung mit Leimstippe kenne ich nur als Unfall.

Satzspiegelkonstruktion kann man nicht in einem Forum und mit Tips lernen. Es gibt zu viele Möglichkeiten, zu viele Dinge müssen beachtet werden, sowohl in der Typografie als auch technisch. Wenn das selbstgemacht werden soll, dann sollte nicht mit Halbwissen hantiert werden, der Goldene Schnitt ist für wissenschaftliche Literatur irrelevant, zumal er sowieso ein Mysterium ist. Ich rate zur Gefühlsentscheidung. Auch konstruierte Satzspiegel müssen am Ende nach Gefühl ausgerichtet werden, Typografie ist keine Naturwissenschaft. Also: oben der Rand ein bißchen knapper, innen und außen nicht zu eng, mehr erreicht man im kalten Wasser nicht.

  • Gefällt 1
Geschrieben

»Der Nachteil der Methode besteht darin, dass im Gegensatz zu den Diagonalkonstruktionen nur zwei unterschiedliche Randgrößen existieren (nämlich 1/9 und 2/9), was ästhetisch nicht unbedingt überzeugt. Diesem Nachteil könnte allerdings durch Verschieben des durch Neunerteilung gefundenen Satzspiegelrechtecks begegnet werden.«

Da ist jemand in Mathe ab Klasse drei oder vier nicht mehr recht nachgekommen.

  • Gefällt 2
Geschrieben

Nun, ich habe mir eben die Bücher angeschaut, die bei mir im Regal stehen, da habe ich eben so einige in wohl schlecht gemachter Klebebindung mit einem dicken Auftrag an Schmelzkleber, der brettsteif ist. Betrachte ich dagegen eine mit Dispersionskleber wie Planatol gemachte Klebebindung, sieht das allerdings wirklich anders aus.

 

Also sollte man sich einfach mal die Bücher ansehen, welche der angepeilte Hersteller gemacht hat, und eben darauf den Satzspiegel anpassen, oder sich eben einen suchen, der die Bücher angenehm aufschlagbar herstellt, und man so dann mit der klassischen Satzspiegel-Konstruktion, und hier egal ob die Diagonalen-Konstruktion oder eben die 9er zu wählen, die letztlich auch nur eine leicht gerundete Sondervariante der Diagonal-Konstruktion ist, bei der ja auch die gleichen Verhältnisse Oben zu Unten und Bundsteg zu Außen entstehen lassen

Geschrieben

Da ich selbst in den vergangenen Jahren ca. 20 Bände einer wissenschaftlichen Reihe mit sehr ähnlichem Format (165 mm x  240 mm) und dem Seitenumfang von ca. 300 bis über 700 Seiten zu gestalten bzw. produzieren hatte, möchte ich dazu folgendes bemerken:


 


Auch die Beiträge in diesen Büchern sind zum Teil mit sehr langen Fußnoten ausgestattet. Manchmal sind die Fußnoten umfangreicher als der Fließtext. 


 


Das sollte aber kein Grund sein, den Fußsteg einzuengen. 


 


Grundsätzlich richtet sich der Satzspiegel nach mehreren Kriterien, die hier aus der Ferne nicht eingehend erläutert werden können.


 


Wenn es Dir hilft, kann ich die Abstände der oben erwähnten Buchreihe anführen:


 


Oben: 20,6 mm


Unten: 35 mm


Innen: 20 mm


Außen: 27 mm


 


Bitte diese Maße aber nicht als Richtlinie, sondern nur als mögliches Beispiel sehen. Pagina und Kolumnentitel stehen außerhalb des Satzspiegels.


 


Zur Bindung: Meist wurden die Bände mit Fadenheftung und hartem Umschlag ausgeführt. Fallweise aber von Jahr zu Jahr aus Kostengründen auf Klebebindung und weichem Umschlag umgestiegen. In den letzten Jahren nur noch Fadenheftung.


 


Generell stelle ich zumindest fest, dass es einen Trend zu Fadenheftung und festem Umschlag gibt. Ein wenig Überzeugungsarbeit ist gegenüber den Auftraggebern manchmal nötig. 


  • Gefällt 1
Geschrieben

Herzlichen Dank für die zum Teil sehr ausführlichen Antworten. Ich habe jetzt 10 Publikationen, die an mein Zielformat heranreichen oder mit diesem indentisch sind, durchgemessen und festgestellt, dass  niemand die Regeln des Goldenen Schnitts befolgt. Gerade was den kritischen Innen- bzw. Bundsteg angeht. Bei 17x24 würde der GS, wie gesagt, etwa 9mm vorschreiben.

Am überzeugendsten und lesefreundlichsten schien mir eine Publikation zu sein, die innen 21, außen 24, oben 18 und unten 27 Stegbreite aufweist. Keiner der gemessenen Bundstege ist kleiner als 15mm.

Geschrieben

Lieber Erwin, herzlichen Dank für die Maße Deiner Publikation, die sich ja offenbar bewährt und niemand kritisiert hat. Deine Erfahrungen bestätigen im Grunde meine Vermutung, dass sich der Bundsteg inzwischen weit von der GS-Satzspiegelnorm entfernt hat. Ich tendiere tatsächlich dazu, mich Innen zwischen 15 und 20 mm anzusiedeln. Meine Publikation soll übrigens ebenfalls in Fadenheftung als Hardcover erscheinen. 

Herzliche Grüße an alle Helfenden

Geschrieben

wobei ich den sinn nie verstanden habe warum der rand innen kleiner ist als aussen. gerade nach innen wird es doch durch die bindung immer enger. oder liegt das daran das der durchschnittliche leser dicke daumen hat und somit bei halten des buches den text nicht verdeckt?

Geschrieben

wobei ich den sinn nie verstanden habe warum der rand innen kleiner ist als aussen. gerade nach innen wird es doch durch die bindung immer enger. oder liegt das daran das der durchschnittliche leser dicke daumen hat und somit bei halten des buches den text nicht verdeckt?

Kleiner Tip: Der Buchgestalter macht Doppelseiten, keine einzelnen. Wenn der Außensteg so breit ist wie der Bundsteg der Einzelseite, sind auf der Doppelseite die Seitenstege und der Bund gleichbreit. Durch die Wölbung der Seiten (um das abzuschätzen, hat man früher für fast jedes Buch einen Blindband auf Originalpapier mit Originalumfang in Originalgröße machen lassen) wirkt der Bundsteg etwas enger, und die Doppelseite bekommt einen Rahmen. Wie die Satzspiegel genau eingerichtet werden, ist deshalb nur zum Teil Geometrie.

Geschrieben

Vielleicht sollte man diese klassische Diagonalen-Konstruktion ja auf das fertige Buch beziehen, also dass sich der Abstand der Satzspiegel beim aufgeschlagenen Buch zusammen in etwa so bereit ergibt, wie die jeweiligen Außenabstände.

 

Das bedeutet, jeweils abhängig von der Buchdicke dann zusätzlicher Raum für das Papier hinzuzufügen, welches durch die Bindung in der Tiefe versinkt. sodass unter keinen Umständen der Satzspiegel dort hineingezogen wird und man die Bindung quasi aufbrechen müsste, um das Buch überhaupt lesen zu können

Geschrieben

Es ist wohl auch zu beachten, dass sich die geplanten 150 Abbildungen komfortabel ins Seitenformat bzw. den Satzspiegel einfügen lassen. Bei einer musikwissenschaftlichen Arbeit sind das ja vielleicht auch Notenbeispiele, für die eigene Gesetze in Bezug auf Zeilenlänge und Umbruch gelten. Es ist also ratsam, das Zusammenspiel von Text und Abbildungen an typischen Seiten zu testen, bevor man alle Parameter festzurrt.

Geschrieben

festgestellt, dass  niemand die Regeln des Goldenen Schnitts befolgt.

 

Ästhetik lässt sich nicht mathematisch erfassen. Harmonie liegt oft im mathematisch unpräzisem. Schau Dir das Parthenon von der Ferne aus mal an und vergleich dann in der Nähe all die krummen und schiefen Linien.

Geschrieben

Kleiner Tip: Der Buchgestalter macht Doppelseiten, keine einzelnen.

 

mir ist schon klar das man doppelseiten gestaltet, mir ist nur nicht klar warum der bund kleiner ist als der aussensteg. gerade bei dicken bücher muss man diese je nach bindung regelrecht aufbrechen um den text am bundsteg lesen zu können. auch das bequeme lesen bei taschenbücher mit einer hand (die strandliegenpose) ist nur bedingt möglich. wären die aussenstege kleiner würde der textblock mehr nach aussen wandern und das problem das ich die bücherbindung aufbrechen muss entfällt.

Geschrieben

Hallo, Otl Aicher überzeugt mich auf Anhieb. Alle vorgetragenen Argumente gegen einen zu kleinen Innensteg sind logisch und nachvollziehbar. Zum Bund hin wird es, je nach Bindung, immer problematisch und deshalb ist der kleinste Stegwert ausgerechnet an diesem neuralgischen Schnittpunkt geradezu widersinnig.

Herzlichen Dank an die tolle community. Darf man hier auch Fragen zu Indesign stellen?

Geschrieben

Daß es auch »anders« geht in Bezug auf bequemes Lesen, sollte die Regel sein. Das modische Buch von Otl Aicher hat einen so kleinen Fußsteg, daß man die Finger immer auf der Schrift hat. Konventionell gemachte Bücher muß niemand aufbrechen. Aber man kann schlecht Papier sparen wollen, den Satzspiegel riesig haben wollen und dazu die konventionellen Randverhältnisse. Die sind ohne falsche Vorgaben völlig in Ordnung. Der zu kleine Bundsteg ist ein Problem schlechter Bücher, nicht der Villardschen Figur und anderer konventioneller Proportionen. Wenn irgend ein Auto nicht fährt, ist auch nicht das Rad schuld daran.

Geschrieben

Zum Bund hin wird es, je nach Bindung, immer problematisch und deshalb ist der kleinste Stegwert ausgerechnet an diesem neuralgischen Schnittpunkt geradezu widersinnig.

Ähem, nein. Es ist nicht problematisch, es muß nur richtig gemacht werden. Es ist nicht der kleinste Steg, er ist weder neuralgisch noch ein Schnittpunkt, und widersinnig ist auch nichts daran. Jetzt vielleicht doch mal in ein Fachbuch schauen? Milchsack, Johnston, Bauer, Tschichold, Forssman, es gibt ja genug. Hausbau lernt man auch nicht aus Forenkommentaren. So einfach ist das nicht mit Büchern, deshalb macht es auch nicht jeder. Und daß seit Otl Aicher solche Bücher keinen Erfolg haben, hat schon gute Gründe.

Geschrieben
daß man die Finger immer auf der Schrift hat

 

finde ich nicht schlimm, denn es ist maxmal der daumen. dafür kann ich das buch locker mit der rechten hand (dem daumen im bund) halten ohne das ich inhalte verdecke.

 

Konventionell gemachte Bücher muß niemand aufbrechen

 

was verstehst du unter konventionell gemacht? der konventionelle satzspiegel (wir reden doch vom goldenen schnitt) ist doch das problem. ich habe hier einige bücher die ich leider aufbrechen muss.

 

bei erik spiekermanns "ursache und wirkung sind es ca. 4 cm fußsteg, am rand ca. 2,7 und innen 1,5 cm

Geschrieben

Zum konventionellen Buch gehört die konventionelle Machart, also die richtige Herstellung. Dabei wird das Aufschlagverhalten geprüft oder aus Erfahrung berücksichtigt. Bücher, die bei der normalen Benutzung entweigehen, sind falsch hergestellt worden, dafür können die konventionellen Satzspiegel nichts. Man muß sie richtig anwenden. Wenn man den Blindband spart und auch Papier spart und Zeit spart und den Buchgestalter spart, dann bricht am Ende eben das Buch. Das ist falsche Anwendung, nicht falsche Theorie.

Daß die Art der Buchtypografie seit Otl Aicher keinen Erfolg hat, daß das niemand oder kaum jemand macht, ist keine Polemik, sondern eine Tatsache. Solche Bücher sind experimentelle Ausnahmen.

Geschrieben

Es gibt nicht „den“ Satzspiegel. Satzspiegel gibt es, so viele erdacht werden.


 


Was man von einem guten Satzspiegel verlangen kann: er sollte mit der übrigen Gestaltung eine Einheit bilden. Unter Berücksichtigung der Bindung des Buches.


 


Zwischen einem klassischen Satzspiegel aus der Renaissance und einem Satzspiegel der Fünfzigerjahre oder Schweizer Typografie (Otl Aicher) liegen sehr viele Möglichkeiten.


 


Darum kann auch die Frage nach einem geeigneten Satzspiegel nur unbefriedigend beantwortet werden. 


 


Wie der jeweilige Satzspiegel aussehen soll, liegt eben im Ermessen des Buchgestalters.

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