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Geschrieben

Hi zusammen,

 

ich hab einen alten Stempel und möchte die Schriftart wieder verwenden,

hab aber kein Plan welche das ist.

 

Wisst Ihr um welche es sich handelt:

 
Vielen Dank

 

 

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Geschrieben

Ich hatte es ja schon mehrfach erwähnt, drum fasse ich das hier mal zusammen.

 

In der Vor-Computer-Zeit gab es praktisch 5 Bereiche der Schriftennutzung, die mehr oder weniger unabhängig nebeneinander existierten, und zwischen denen es eigentlich nur inspirativen Austausch gab.

 

Der sicher größte Bereich war hier der Schriftsatz für den Buch- und Akzidenzsatz mit Schriftgießereien in praktisch jeder größeren Stadt, die ihre Schriftentwürfe von den Größen der Branche hatten, aber auch kräftig voneinander abkupferten, wobei "abkupfern" durchaus wörtlich zu nehmen ist, sind einige identische Schriften bei verschiedenen Schriftgießereien doch auch galvanoplastisch kopiert worden. Diese Schriftgießereien fertigten aber zumeist nur Lettern für Druckereien, einige aber auch die Lettern, die dann von Schreibmaschinen-Herstellern auf ihre Typenhebel montiert wurden - aber hier eben speziell gestaltete Monospaced-Schriftarten.

 

Der 2. Bereich der klassischen Schriftennutzung waren dann die Steinmetze. Diese arbeiteten - und arbeiten bis heute aber oft nach Schriftmusterbüchern, die innerhalb der Werkstatt über Generationen einen gehüteten Schatz darstellen. Diese Schriftvorlagen stammen dann oft von Meistern oder in der Schriftgestaltung guten Gesellen der Werkstatt, die sich sicherlich auch von den Moden der Druckschriften leiten ließen, aber eben doch eigene Interpretationen zeichneten, die dann eben auch stilistisch sich nach dem Zweck der Arbeit richteten. Also eher ernst und würdig waren.

 

Der 3. Bereich sind Maler und Lackierer. Auch hier diktierte wieder das Material und das verwendete Werkzeug den Schriftstil. Wie bei den Steinmetzen wurden auch hier handgezeichnete Schriftvorlagen genutzt, die dann von einem guten Schildermaler an den gewünschten Text frei angepasst wurden, und oft hatten die Werke der lokalen Kollegen mehr Einfluss auf die eigenen Entwürfe, als die gerade modernen Schriften der Druckerkunst, sodass man bei Hausanschriften aus dieser Zeit durchaus für bestimmte Städte einen eigenen, durchgehenden Stil wahrnehmen kann.

Auch bei Fahrzeuganschriften wurde damals noch nach handgezeichneten Entwürfen gearbeitet, und ich hatte zu meiner Lehrzeit noch miterlebt, wie in meinem Ausbildungsbetrieb die Lackierer-Lehrlinge noch die alte Technik erlernten:

Da hatte der "Lehrling" die Beschriftung zunächst sauber auf Transparentpapier gezeichnet, wobei er eben das Schriftmuster "Druckschrift" aus dem Lehrbuch durchgepaust hatte. Dann wurde auf die lackierte Autotür mit Zuckerwasser eine Stanniolfolie geklebt und fein glatt angerakelt. Mit Malerkrepp wurde darauf die Reinzeichnung fixiert, und mit einem spitzen Griffel in die darunterliegende Zinnfolie übertragen, anschließend wurden dann aus der Stanniolfolie die Buchstaben ausgeschnitten, herausgepult und mit einem feuchten Tuch oder Schwamm die Zuckerreste von der freigelegten Lackfläche entfernt.Durch diese Schablone konnte dann lackiert werden.

 

Der 4. Bereich waren dann die Kalligrafen und die freihändig arbeiteten Schildermaler, die natürlich überhaupt keine Vorlagen brauchten, waren diese praktisch selbst auch Schriftgestalter.

 

Und letztlich der 5. Bereich waren die Stempelhersteller, die mit ihrem Material- und Werkzeugbedarf wieder ein eigenes Universum bildeten, obgleich sich ihre Methoden in vielem mit dem klassischen Schriftsatz überschnitten.

Auch hier wurde mit Lettern gesetzt, und man nutze praktisch das gleiche Instrumentarium wie der Schriftsetzer, nur dass sie eben Mater-Lettern verwendeten, und ihre Spartien einen Tick höher als die Lettern waren, und ihre Texte seitenrichtig im Satz waren. Der Schriftguss erfolgte dabei in gleicher Weise wie der Schriftguss für den Buchdruck, nur dass in das Gießinstrument dann eben statt der Mater eine Pater eingespannt wurde, die dann wohl galvanoplastisch von der Mater abgeformt worden war. Diese Lettern stammten aber eben nicht von den Druck-Schriftgießereien, sondern die Lieferanten für alle Materialien und Werkzeuge zur Stempelherstellung unterhielten ihre eigenen Gießereien und gossen dort eben auch Schriften, die besonders für die Belange des späteren Stempels - also Lettern aus weichem Gummi - gestaltet waren. Auch hier hat man sich an die Moden der Akzidenzdruck-Lettern angelehnt, aber eben feine Details und dünne Linien vermieden. Zu sehr hat man Moden auch nicht mitgemacht, da der Letternsatz eines Stempelherstellers ja praktisch kaum abnutzte, und daher sehr lange nutzbar sein sollte.

Der fertige Satz für dutzende Stempel, die eben so lange gesammelt werden mussten, bis die ganze Fläche des Satzspiegels gefüllt war, wurde dann mit einem dicht umschließenden Rahmen aus deutlich höheren Blindmaterial ausgeschlossen, dann die Form mit der Gummimasse für das Stempelbild, und darauf eine 2. Schicht aus deutlich weicherem Gummi gegossen, um dann um Ofen aus vulkanisiert zu werden.

 

Als dann modernere Methoden in die Stempelwerkstätten Einzug hielten, die es auch möglich machten, die bestellten Stempel schneller auszuliefern, da man praktisch auch einzelne Stempel sofort fertigen konnte, wanderte das alte Material sang und klanglos in den Schrott, sowohl bei den Stempelwerkstätten, wie auch bei den Herstellern der benötigten Materialien, und damit eben leider auch die Patritzen der Stempel-Lettern-Gießerei, die dann oft auch nie digitalisiert wurden, konnte man für die neuen Techniken doch direkt auf schon vorhandene Computerfonts zugreifen. Es gibt sogar keine Videos über die alte Stempelherstellungstechnik - oder doch?

  • Gefällt 1
Geschrieben

Nicht ganz, verschiedene Details sind schon anders, aber sie ist so dicht dran, dass sie zumindest Pate gestanden haben wird.

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