schmendrich Geschrieben August 4, 2015 Geschrieben August 4, 2015 Hallo zusammen,mir wurden gestern die handschriftlichen Erinnerungen eines lieben Verwandten übergeben, mit der Aufgabe, ein Buch für die Hinterbliebenen daraus zu machen.Die Aufzeichnungen bestehen aus zwei Teilen:1) Memoiren2) KrankheitstagebuchDie Memoiren sind nett geschrieben bestehen aus Daten und Anekdoten.Das Krankheitstagebuch ist anders geschrieben, oft Stakkatosätze. Es wurde auch nicht zu Ende geschrieben, sondern wird mit Anmerkungen der Hinterbliebenen ergänzt.Das Buch wird also aus zwei Teilen bestehen (Memoiren, Krankheit).Jetzt bin ich auf der Suche nach (einer) passenden Schrift(en).In welcher Schrift würdet Ihr Memoiren eines Menschen, den ihr kanntet, setzen?Sollte man für so etwas das Alter der betreffenden Person berücksichtigen (geboren 1951 -Palatino?)?Würdet Ihr für die Krankentagebücher eine andere Schrift verwenden oder beides in der gleichen Schrift setzen? Diese Texte unterscheiden sich erheblich von den Memoiren: manchmal knapper Bericht, dann wieder Gefühlsbeschreibung; aber sehr nüchtern verfaßt.Wäre für so etwas eine Grotesk oder Typewriterschrift angebracht?Wie würdet Ihr Anmerkungen/Ergänzungen der Hinterbliebenen kenntlich machen? Kursiv? Allerdings habe ich auch die Diskussion um kursiv gesetzte Kriegstagebücher verfolgt.Die Anmerkungen werden eventuell lang werden und sich nicht nur jeweils kurze Absätze beschränken.Sollte man solche Anmerkungen überhaupt im Haupttext unterbringen? Oder wäre es besser, einen weiteren Teil anzuhängen, der nur die Sichtweisen der Hinterbliebenen behandelt?Ich bin im Moment etwas ratlos und die Formatierung hat auch noch Zeit (erstmal muss ich die Texte auf die Festplatte bekommen und es gibt noch einiges zu recherchieren). Als direkt Betroffener bin ich momentan nicht in der Lage, objektive Entscheidungen zu treffen, sondern laufe Gefahr, mich für irgendwas zu entscheiden, was dann vielleicht kitschig oder schlimmer wirkt.Es ist mein erstes Buchprojekt.Bitte gebt mir Ratschläge.
Martin Z. Schröder Geschrieben August 4, 2015 Geschrieben August 4, 2015 Die meisten Leser können Times und Garamond nicht auseinanderhalten. Die Auswahl der Schrift ist eine nachgeordnete Frage. Am Anfang einer Buchausstattung wäre zu beantworten, auf welches Format es gedruckt werden soll, in welcher Technik es gedruckt wird (das hat Einfluß auf den Umfang und auf die Schriftdarstellung), wie es gebunden wird. Dann werden zuerst grobe Skizzen gemacht vom Satzspiegel. Wie soll das Buch anmuten? Klassisch, luxuriös, technisch, billig usw. Das entsprechende Bild schafft man mit dem Satzspiegel. Wo stehen die Seitenzahlen, bekommt die Seite Kolumnentitel, wie werden Überschriften behandelt? Die Frage nach der Schrift wird zwischendurch immer mal mitbedacht, damit man nicht mit dem Satzspiegel gegen Schriftwünsche entscheidet, aber sie ist den anderen Fragen nachgeordnet.Ich würde einem Anfänger empfehlen, der sich nicht mit Literatur in die Materie vertiefen will, sondern ein Einzelwerk auf anständige Weise machen möchte, ein bereits vorhandenes Buch aus der eigenen oder einer fremden Bibliothek, das ungefähr so aussieht, wie man sich das eigene wünscht, so genau wie möglich nachzubauen. Buchausstattung ist Handwerk, und Handwerk ist zuerst Kopie. Ob der Text aus Caslon oder Bembo gesetzt wird, ist weniger wichtig für die Form des Buches. Das ist sozusagen der Gourmet-Komplex, mit dem man sich nicht befassen sollte, solange die Spiegeleier nicht gelingen. Man kann ohnehin nur fast alles falsch machen, wenn man die Schriftwahl wichtiger nimmt als das, was das Buch auf den ersten Blick ausmacht. Um noch ein Gleichnis zu bringen: erst das Haus bauen und tapezieren, dann über die Fußform der Kommode nachdenken. 3
R::bert Geschrieben August 4, 2015 Geschrieben August 4, 2015 Du könntest etwas mit Schriftsippen machen – zum Beispiel für den ersten Teil eine humanistische Serif wählen und für den zweiten Teil eine nüchterne Kontrastschrift der gleichen Familie. Einige Kombinationsmöglichkeiten: TD Lemon Serif + TD Lemon Sans Fedra Serif + Fedra Sans FF Milo Serif + FF Milo Sans Novel Pro + Novel Mono FF Quadraat + FF Quadraat Sans Mono The Antiqua + The Typewriter Ob sich eine Mono- bzw. Typewriterschrift aber tatsächlich eignet, müsste man mal am konkreten Layout beurteilen.
R::bert Geschrieben August 4, 2015 Geschrieben August 4, 2015 Ich würde einem Anfänger empfehlen, der sich nicht mit Literatur in die Materie vertiefen will, sondern ein Einzelwerk auf anständige Weise machen möchte, … Und falls Du doch lesen und lernen möchtest: Grundkurs Typografie und Layout: Für Ausbildung und Praxis von Claudia Korthaus
R::bert Geschrieben August 4, 2015 Geschrieben August 4, 2015 Sollte man solche Anmerkungen überhaupt im Haupttext unterbringen? Oder wäre es besser, einen weiteren Teil anzuhängen, der nur die Sichtweisen der Hinterbliebenen behandelt? Lässt sich schwer beantworten, wenn der Umfang und die Regelmäßigkeit dieser »Anmerkungen« unklar ist. Um den Zusammenhang/Bezug zum Haupttext zu erhalten und häufiges Blättern zu vermeiden, fände ich eine Abhandlung auf der selben Seite schon nutzerfreundlich – vielleicht über eine entsprechend breite Marginalspalte oder dafür vorgesehenen Raum für Fußnoten?
schmendrich Geschrieben August 4, 2015 Themen-Ersteller Geschrieben August 4, 2015 Danke Euch. @Martin Also liegt der Anfang darin, sich einen Anbieter auszusuchen (wird wohl auf Digitaldruck hinauslaufen - winzige Auflage) und eines der zur Verfügung gestellten Formate zu wählen?
Martin Z. Schröder Geschrieben August 4, 2015 Geschrieben August 4, 2015 Wenn die Auflage so klein ist, daß es nur so geht: ja. Dann wird es wohl eine Klebebindung. Die schlägt sich besser auf als die Fadenheftung, da muß man beim Bund nicht so aufpassen, daß er nicht zu eng wird. Aber die Größe des Bundstegs hängt auch von der Dicke des Buches ab. Dann wäre zu erfragen, auf wieviel Seiten der Druckbogen ausgeht, danach richtet sich die Seitenzahl. Werden Bilder (Fotos, Originaldokumente) gedruckt? In Farbe? Das wäre bei der Papierwahl zu berücksichtigen. Wird mit Flüssigtoner gedruckt? Da steht die Schrift nicht so scharf wie im Offset. Wenn die Druckerei ein Handbuch zur Erstellung der Druckdatei anbietet: unbedingt beachten. Noch zur Schrift: Dokumente in einer Schreibmaschinenschrift zu drucken, kann interessant aussehen, aber damit jemand diese nicht sonderlich gut lesbare Schrift überhaupt liest, braucht sie einen großen Durchschuß (Zeilenzwischenraum). Attraktiv ist das nicht, also die Schreibmaschinenschrift. Mal eine halbe Seite – kann man machen. Längere Texte – anstrengend zu lesen.Serifenlose Schriften im Buch: eigentlich nichts für Anfänger. Sie müssen gut gesetzt werden, sie ermüden die Augen rascher als die klassischen Serifenschriften, also Garamond und Verwandte. Sie brauchen mehr Durchschuß und dürfen nicht zu lange Zeilen bilden. Ich würde nicht zur Schriftmischung raten. Den Tagebuchcharakter kann man auch anders darstellen, das ergibt sich schon durch die wahrscheinlich kurzen Absätze und die eingeschobenen Daten, die man kursiv setzen kann. Da muß eigentlich nicht mehr getan werden, das sieht allein durch Blindzeilen und die überschriftartigen Datumsangaben anders aus als ein glatter Text. 1
schmendrich Geschrieben August 5, 2015 Themen-Ersteller Geschrieben August 5, 2015 Danke Martin, weiß ich zumindest, wo ich anfangen werde. Ob ich breite Marginalien für Anmerkungen oder Abbildungen brauche, weiß ich noch nicht. Dazu muss ich erst einmal die Struktur des Textes entschlüsseln und auch sehen, wo überall Ergänzungen rein kommen werden.
Martin Z. Schröder Geschrieben August 5, 2015 Geschrieben August 5, 2015 Noch eine Überlegung zu den Anmerkungen. Marginalien eigenen sich nur für ganz kurze Texte, die dürften kaum in Frage kommen. Lange Fußnoten sind wegen der kleineren Schriftgröße und der langen Zeilen nicht gut zu lesen, es ist unbequem. Ebenso der Verweis auf einen Anhang, weil man dann zu viel blättern muß. Wenn die Anmerkungen so wichtig sind, daß sie mit dem Text gelesen werden sollen, kann man sie in den Text setzen. Abheben lassen sie sich durch einen Schriftwechsel, vielleicht eher kursiv als serifenlos, wobei längere Texte in schmallaufenden Kursiven schwerer zu lesen sind. Meine erste Überlegung wäre, sie nicht durch Schriftwechsel, sondern durch Einzüge und Blindzeilen darüber und darunter abzusetzen, vielleicht mit einer Spitzmarke (erste Wörter der Zeile ausgezeichnet, zum Beispiel kursiv): Anmerkung von Peter Beispielfritz am 7. Oktober 2014: Bei diesem Erlebnis war ich dabei und habe es eher wie folgt in Erinnerung. Es regnete nicht, vielmehr schien die Sonne. Richtig ist: Es donnerte gewaltig. Das kam aber nicht vom Himmel, sondern von der Baustelle nebenan. Man muß sich das anschauen. Wenn diese Anmerkungen zu zahlreich sind, kann es die Seiten zerfetzen. 1
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