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Langes s in heutigen Texten in gebrochener Schrift – notwendig, möglich oder unsinnig?

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Kann vielleicht jemand ein in Fraktur gesetztes Lexikon aus dem 20. Jahrhundert empfehlen?

Wir gehen einfach direkt ins 21. Jahrhundert und schaffen eine Frakturausgabe der Wikipedia.

Geschrieben

... und die jetzt noch neu folgenden Diskussionsbeiträge legen dann eine Tangente an die kreiselnde Diskussion? ;-)

Beim Firefox kann man ja den Darstellungsfont selbst wählen und dabei auch einstellen, dass er Webseitenvorgaben übersteuert.

So habe ich schon Seiten in Sütterlin anzeigen lassen spaßeshalber ;-)

Wurde hier nicht mal berichtet, dass es via Opentype möglich ist, fast an allen Stellen das lange s korrekt zu setzen?

Wenn Firefox das auch nutzen kann, wäre man ja am Ziel ... ;-)

Geschrieben

Wurde hier nicht mal berichtet, dass es via Opentype möglich ist, fast an allen Stellen das lange s korrekt zu setzen?

Wenn Firefox das auch nutzen kann, wäre man ja am Ziel ... ;-)

Siehe hier, Seite 36 in den Anleitungen.

Geschrieben

Siehe hier, Seite 36 in den Anleitungen.

Eher 35? Vom Fuchs lese ich aber nix ...

Aber zurück zum Streit.

Evtl. ist ja ein Kompromiss möglich?

P9226153ss.jpg

;-)

Fundstück beim Ausmisten, irgendwann 70er waren wir in der Ecke urlauben ...

Geschrieben

Vom Fuchs lese ich aber nix ...

Da der Fuchs OpenType unterstützt, ist die Einbindung über eine eigen CSS-Datei o. Ä. nur Formsache, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

Geschrieben

Dazu brauchste nicht mit CSS rumzufriemeln. Einfach eine entsprechend ausgebaute Schrift per Firefox-Einstellungen zuzuweisen reicht.

firefox-in-fraktur.png

Geschrieben

Und da frage ich dann immer wieder zurück: Was soll das sein, »zur Schriftart gehörenden Regeln«? Warum machst du das bei keiner einzigen Antiqua-Schrift, wenn das wichtig sein soll? Eine Walbaum-Antiqua hatte im Original kein ß, aber ein ſ. Warum setzt man die Schrift heute anders und keiner beschwert sich? Warum darf ich eine Trajan-Schrift mit Umlauten, Leer- und Satzzeichen setzen? Das sind doch nicht die »zur Schrift gehörenden Regeln«!

Warum soll einer von unzähligen Schriftstilen im System der lateinischen Schrift so völlig anders behandelt werden als alle anderen?

Die Regeln gehören nicht zu den Frakturen als Schriftarten (fonts), sondern zu der Fraktur als einer Schrift (script).

Man kann Frakturen als Schriftarten (fonts) auffassen. Dann gehören sie zur selben Kategorie wie eine Helvetica oder eine Bodoni usw. – man kann einfach den Text auswählen und die Schriftart ändern. Nichts mit langem ſ oder Sperren oder sonstigen Abartigkeiten. Daran ist nichts auszusetzen.

Man kann aber die Fraktur auch als eine Schrift auffassen. Dann gehört sie in eine völlig andere Kategorie – nicht auf der gleichen Ebene wie Futura oder Bodoni usw., sondern auf der gleichen Ebene wie Antiqua und gälische Schrift. Nicht umsonst sieht der Standard ISO 15924 auch unterschiedliche Codes vor: Latn («Lateinisch»), Latf («Lateinisch - Fraktur-Variante») und Latg («Lateinisch - Gälische Variante»). Der Grund, warum es für diese Schriften (scripts) unterschiedliche Codes gibt, liegt darin, dass sie sich nicht einfach so ineinander umwandeln lassen. Es braucht zusätzliche Anpassungen. Bei der Fraktur betrifft dies etwa das lange ſ, das Sperren oder die Spezialzeichen ch, ck, ſt, ſz und tz (wovon kurioserweise das ſz als ß in die deutschländische und österreichische Antiqua-Rechtschreibung übernommen wurde). Bei der gälischen Schrift kenne ich mich weniger aus, aber da betrifft es etwa die Markierung der Lenisierung durch eine Punkt oberhalb anstatt durch ein folgendes h wie in der Antiqua.

 

Historisch gesehen könnte man wohl neben Antiqua, gälischer Schrift und Fraktur noch andere Varianten der lateinischen Schrift als eigene Schriften (scripts) definieren. Der Grund, warum in ISO 15924 nur diese drei definiert sind, wird darin liegen, dass nur diese drei bis in die Gegenwart eine gewisse Relevanz behalten haben (z.B. für Fachpublikum).

 

Und können wir bitte aufhören, hier so abwertend von so etwas wie Ahnungslosen zu sprechen? Ich wiederhole es nochmal: es ist weltweit der Standard, dass ein zeitgemäßer Text nach zeitgemäßen Regeln gesetzt und ihm beliebige Fonts ohne Speziel-Orthografie zugewiesen werden können. Das ist die Norm. Wer das so macht und/oder erwartet, ist nicht ahnungslos, sondern ein normaler Nutzer von Schrift und Sprache. Abweichende historische Satzweisen sind schlicht in aller Regel nicht relevant. Der Texter des Spiegel-Covers würde eben auch »dass« schreiben und Wörter in heutiger Bedeutung benutzen, nicht in früheren. Das ist doch selbstverständlich. Weder ist der Autor ahnungslos, wenn er sowas macht, noch biedert er sich irgendwie unnötigerweise einer vermeintlich ahnungslosen Leserschaft an. Er nutzt einfach Schrift und Sprache in üblicher Weise im Interesse (der Mehrheit) seiner Leser (→ zahlenden Kundschaft).

Ich begrüsse es sehr, dass du eine Lanze brichst für die Mehrheit, die nicht über typografische Feinheiten Bescheid weiss. Aber erlaube mir, die Gretchenfrage zu stellen. Die Mehrheit hat wohl genauso wenig Kenntnis von den typografisch Feinheiten der Antiqua wie von denjenigen der Fraktur. Die Sache verhält sich zwar ein bisschen anders, weil professionell erstellte Texte die typografischen Feinheiten der Antiqua meistens korrekt darstellen. Trotzdem sind diese Feinheiten ein elitäres Wissen, mit dem sich eine gebildete Minderheit von der Mehrheit abhebt. Beim Verfassen eines Geschäftsbriefs ist die Mehrheit auf Gedeih und Verderb der Textverarbeitungssoftware ausgeliefert. Doch selbst eine perfekt eingestellte Textverarbeitungssoftware bringt nur ein gewisse Korrekturen an. Microsoft Word kann beispielsweise keine Abstände anpassen oder keinen automatischen bis-Strich setzen oder verschlimmbessert das in der Schweiz als Tausendertrennzeichen verbreitete gerade Apostroph systematisch zu einem ‘ (left single quotation mark). Wie hältst du es mit Geschäftsbriefen? Soll man sich elitär von der Mehrheit abheben, oder soll man sich dem heute üblichen normalen Gebrauch der Mehrheit anpassen?

 

Ich ahne es schon: Du sagst bestimmt, dass es da gar keinen Zusammenhang gibt.

  

Den Rest lass ich mal unkommentiert, da eher Mutmaßungen und Wiederholungen bereits diskutierter Standpunkte. 

Ich konnte es mir halt nicht verklemmen, angesichts deiner Mutmassungen meine Gegenmutmassungen festzuhalten. Wir mutmassen mit gleichem Recht.

  • Gefällt 3
Geschrieben

Soll man sich elitär von der Mehrheit abheben, oder soll man sich dem heute üblichen normalen Gebrauch der Mehrheit anpassen?

 

Weder noch und falsches Dilemma. Die Antwort auf die Frage läge darin zu erklären, was Typografie und Grafikdesign sind. Ich fände es aber etwas albern, dass im Rahmen dieses Fachforums zu tun. 

Geschrieben

Zumindest nicht in diesem Thread. Als Thema an sich ist das ja schon interessant – und könnte im Bereich Café oder Allgemein von Interessierten erörtert werden. Oder?

Geschrieben

 

Soll man sich elitär von der Mehrheit abheben, oder soll man sich dem heute üblichen normalen Gebrauch der Mehrheit anpassen?

Weder noch und falsches Dilemma. Die Antwort auf die Frage läge darin zu erklären, was Typografie und Grafikdesign sind. Ich fände es aber etwas albern, dass im Rahmen dieses Fachforums zu tun.

 

Oha, du gehst ja viel weiter, als einfach nur – wie ich erwartet hatte – den Zusammenhang in Abrede zu stellen. Stattdessen behauptest du, es sei eine indiskutable Grundsatzfrage. Das weckt mein Interesse natürlich erst recht: Warum ist für dich der übliche Mehrheitsgebrauch bei der Typografie von Frakturtexten das Mass der Dinge, aber nicht bei der Typografie von Geschäftsbriefen?

  • Gefällt 1
Geschrieben

Dazu brauchste nicht mit CSS rumzufriemeln. Einfach eine entsprechend ausgebaute Schrift per Firefox-Einstellungen zuzuweisen reicht.

Sieht schon mal schön aus ;-)

In der Schrift ist ja bspw. auch das runde r ausgebaut.

Interessant wäre also, ob man div. Stile ein-/ausschalten kann, wenn ich z.B. an die Maguntia denke mit ihren jahrhunderspezifischen Stilen ... Was nähme FF da von sich aus? Spätestens dann braucht man wohl CSS?

Geschrieben

Oha, du gehst ja viel weiter, als einfach nur – wie ich erwartet hatte – den Zusammenhang in Abrede zu stellen. Stattdessen behauptest du, es sei eine indiskutable Grundsatzfrage. Das weckt mein Interesse natürlich erst recht: Warum ist für dich der übliche Mehrheitsgebrauch bei der Typografie von Frakturtexten das Mass der Dinge, aber nicht bei der Typografie von Geschäftsbriefen?

 

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Was für ein Haufen Unfug! Ich habe NICHT behauptet, es gäbe keinen Zusammenhang. Ich habe NICHT behauptet, ein Mehrheitsgebrauch sei das Maß der Dinge. Ich habe NICHT behauptet, es wäre eine indiskutable Grundsatzfrage. Wo nimmst du das nur her? Aber es ist genau dieser Unsinn der mich zögern lässt, ausführliche sachliche Antworten auf deine Fragen zu geben, wenn wir dann (wie in der Vergangenheit) in der Folge 10 Seiten aneinander vorbeireden und du jede Aussage verdrehst und ich jedem Satz 10 weitere hinterherschieben muss, um ihn zu erklären. 

Geschrieben

Gerade sah ich diese Schrift bei MyFonts und musste an Euch denken. Habe ich es übersehen oder hat die gar kein langes s? Dafür könnte man die Zahlen aber als gebrochen durchgehen lassen. Oder? Aber obwohl sie schöne Ansätze hat, erscheint sie meinem Gestalterauge recht unausgewogen …

 

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Geschrieben

Microsoft Word kann beispielsweise keine Abstände anpassen oder keinen automatischen bis-Strich setzen oder verschlimmbessert das in der Schweiz als Tausendertrennzeichen verbreitete gerade Apostroph systematisch zu einem ‘ (left single quotation mark). Wie hältst du es mit Geschäftsbriefen? Soll man sich elitär von der Mehrheit abheben, oder soll man sich dem heute üblichen normalen Gebrauch der Mehrheit anpassen?

Warum ist für dich der übliche Mehrheitsgebrauch bei der Typografie von Frakturtexten das Mass der Dinge, aber nicht bei der Typografie von Geschäftsbriefen?

So jetzt sonntags mit mehr Zeit doch noch eine Antwort. Deine unsäglichen Strohmann-Argumentationen kann man ja so nicht stehenlassen. 

 

Also generell muss ich wohl noch einmal wiederholen, dass es mir um Plausibilität und Wahrheitsgehalt von Argumenten (egal auf welcher Seite) geht. Wenn ich da im konkreten Fall Zweifel habe, heißt dies nicht, dass ich das Gegenteil von dem will, was diejenige Person sagte. Wenn ich konkrete Argumente gegen eine Abschaffung der Schreibschrift anzweifle, bin ich nicht automatisch für eine Abschaffung der Schreibschrift. Und wenn ich mich mit Argumenten rund um gebrochene Schriften und das lange s auseinandersetze und dabei Probleme oder schlicht Unwahrheiten aufzeige, bin ich entgegen entsprechender Aussagen einiger Fraktur-Freunde kein Fraktur-Hasser (Originalzitat), kein linker Ideologe (Originalzitat) und eben auch kein Gegner des langen s. Das steht hier auch schwarz auf weiß in der Diskussion und daher sind entsprechende Strohmänner nach so vielen eindeutigen Aussagen sehr ärgerlich. 

 

Aber man scheint schon zum Gegner/Buhmann zu werden, wenn man bloß die Realität beschreibt, die einigen nicht gefällt. Denn darin scheint mir das eigentliche Problem zu liegen. Wir haben keinen Konflikt zwischen Eliten und Nichteliten, zwischen meiner Position und eurer Position oder ähnlichem … Der Konflikt liegt darin, dass einige an einem bestimmten historischen Konventionsstand festhalten möchten, in der Realität aber etwas anderes passiert. Dann gegen mich zu argumentieren ist sinnlos, weil ich diese Realität nur beschreibe und nicht beeinflusse. Ich könnte es auch gar nicht. Selbst wenn ich alle Typografie.info-Mitglieder schwören ließe, fortan gebrochene Schrift nur noch mit langem s zu setzen – es würde nichts ändern. Das ſ verschwindet dennoch aus der deutschsprachigen Fraktur. Genauso wie es in jeder anderen historisch üblichen Anwendung verschwunden ist. Es verschwand aus der Anwendung in anderen Sprachen (obwohl dort ebenfalls historisch üblich), es verschwand aus der deutschsprachigen Antiqua (obwohl dort historisch üblich) und seit Mitte des 20. Jahrhunderts nun eben auch aus der gebrochenen Schrift für deutsche Texte. Und dazu hab ich ja schon meine »Gretchenfrage« mehrfach in diesem Strang gestellt: Warum könnt ihr problemlos akzeptieren, dass ein englischer Text in gebrochener Schrift oder ein deutscher Antiqua-Text kein ſ benutzt (obwohl jeweils historisch üblich), nur bei der deutschsprachigen Fraktur dürfe sich dieser schon so oft geschehene Wandlungsprozess nicht wiederholen und die historische Konvention müsse vor aktuellen Konventionen stehen. Das ist im Gesamtkontext einfach nicht plausibel. Der zentrale Faktor ist wohl nur der Zeitparameter. Die deutschsprachige gebrochene Schrift ist schlicht die allerletzte Stelle, wo das ſ ausstirbt. Mehr aber auch nicht. 

 

Die gesellschaftlichen Umstände lassen nichts anderes zu. Der Einsatz des ſ in aktuellen Texten tendiert gen Null. Es ist nicht Teil der Schulausbildung, noch ist es auf Tastaturen vorhanden. Das Zeichen hat so keine Chance mehr, sich über Wasser zu halten, also die nötige Bindung von Satzkonvention und Lesererwartung aufrecht zu erhalten. Und wo die Lesererwartung wegbricht, verschwindet auch der Nutzen. Das Zeichen wird zum Stolperstein und gerade eben nicht zur vermeintlichen, oft beschworenen Lesehilfe. Wenn das nicht gefällt – tja, Pech gehabt. Man kann diese Entwicklung für sich persönlich natürlich boykottieren, aber wie sinnvoll dies auf Dauer wäre, ist eine andere Frage. Und dies bringt mich zu den Fragen von Austerlitz. 

 

Du beschreibst gängige Satzfehler (Bis-Strich/Apostroph …) von Otto Normal und fragst, ob ich diese im Sinne eines Mehrheitsprinzips übernehmen würde oder doch abweichenden »Eliten-Satz« machen würde (der dann vermutlich auch Abweichungen wie historische Fraktursatz-Regeln einschließen könnte). 

 

Die Frage stellt aber ein falsches Dilemma in den Raum und impliziert meiner Meinung nach lauter seltsame Dinge. Zunächst einmal sind typische Fehler noch lange keine Mehrheitskonvention. Täglich lesen Millionen tausende neue Texte in kommerziellen Medien, die diese Fehler nicht aufweisen und auch die Rechtschreibwerke als Anker der aktuellen Konventionen empfehlen sie ja nicht und fördern die Verbreitung damit nicht. Dein Argument schlägt also schon hier fehl, weil es die Realität einfach nicht beschreibt. Typische Satzfehler sind noch lange keine Mehrheitskonvention. Sie sind einfach typische Satzfehler. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. 

Zumal ich hier auch zwischen Feintypografie und klarer orthografischer Relevanz unterscheiden würde. Ich würde behaupten, dass Otto Normal ohnehin nicht bewusst verarbeitet, ob z.B. ein Apostroph verdreht ist. Das sind höchst subtile Signale, die somit (selbst bei häufiger Fehlanwendung) nicht gleich eine neue Erwartungshaltung der gesamten Leserschaft auslösen, der man dann im Gegenzug wieder entsprechen müsste. 

Ein langes s ist aber kein subtiles Signal und auch nicht vergleichbar mit typografischen Alternativzeichen oder optionalen Ligaturen. Das ſ ist ein eigenständiges Zeichen, dass man lernen und durch Lesen beträchtlicher Textmengen als (dann nicht mehr störenden) Teil der eigenen Lesekonvention verinnerlichen muss. Die Umstände geben das heute für die Masse der Leser einfach nicht mehr her. 

 

Und nun zur Frage, wie ich denn setze, z.B. Geschäftsbriefe. Mache ich absichtlich die Fehler von Otto Normal oder mache ich »Elitensatz«?

Die Fehler von Otto Normal zu übernehmen ist freilich Blödsinn. (Und die Frage in diesem Sinne auch ein bisschen unfair und suggestiv.) Würde ich so setzen, wie es Otto Normal standardmäßig aus dem Word-Dokument fällt, würde man mich nicht beauftragen müssen. Logisch. Ich werde dafür bezahlt, es besser/anders zu machen.

Wenn ich den Geschäftsbrief setze, nutze ich mein Fachwissen und meine Erfahrung als eine Art professioneller Inhalte-Vermittler. Wenn es einen Auftraggeber gibt, muss ich dessen Ziele erfüllen und dazu muss ich selbstverständlich die Adressaten so gut wie möglich verstehen, um sie entsprechend ansprechen zu können. Ich hatte das ja zuvor schon mit Sprachwahl verglichen. Wenn ich zu einem Vortrag eingeladen werde, hängt meine Wortwahl vom Publikum ab. Wenn es ein allgemeines Publikum ist, werfe ich nicht mit Fachbegriffen oder Fremdwörtern um mich, die meine drei »Eliten-Kollegen« in der erste Reihe verstehen, aber 99% des Publikums nicht oder nur mit Mühe. Ich wäre ein schlechter (und schnell arbeitsloser) Redner, wenn ich dies tun würde. 

Ich gleicher Weise bin ich ein schlechter Grafiker, wenn ich den Kenntnisstand der Leser der von mir gesetzten Drucksachen ignoriere. Ich muss eine Vielzahl von funktionalen und ästhetischen Entscheidungen treffen und gegeneinander abwägen um zu einem bestmöglichen Ergebnis im Sinne der Auftraggeber und deren Adressaten zu kommen. Wenn es für Auftrag und/oder Leserschaft angemessen ist, historische Satzregeln zu benutzen, dann tue ich dies und empfehle es auch anderen so. Ich habe nie etwas anderes behauptet. 

 

Aber die deutsche Schriftkonvention bewegt sich in eine Richtung, die solche Fälle immer weniger werden lässt. Ich erlaube mir darauf hinzuweisen. Ich erlaube mir auch darauf hinzuweisen, dass dieser Prozess schon viele Male stattgefunden hat und somit nichts besonderes ist. Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass ihr alle hunderte solcher Wandlungsphänomene akzeptiert und praktiziert, wenn sich hinreichend lange in der Vergangenheit passiert sind. Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass die historischen Satzkonventionen eben historisch sind und somit der Verzicht darauf nicht automatisch »falsch« ist, wenn er mit den aktuellen Konventionen (siehe amtliche deutsche Rechtschreibung) konform geht. Das ist eigentlich alles. 

  • Gefällt 6
Geschrieben

(...)

Also generell muss ich wohl noch einmal wiederholen, dass es mir um Plausibilität und Wahrheitsgehalt von Argumenten (egal auf welcher Seite) geht.

(...)

Aber man scheint schon zum Gegner/Buhmann zu werden, wenn man bloß die Realität beschreibt, die einigen nicht gefällt. Denn darin scheint mir das eigentliche Problem zu liegen. Wir haben keinen Konflikt zwischen Eliten und Nichteliten, zwischen meiner Position und eurer Position oder ähnlichem … Der Konflikt liegt darin, dass einige an einem bestimmten historischen Konventionsstand festhalten möchten, in der Realität aber etwas anderes passiert. Dann gegen mich zu argumentieren ist sinnlos, weil ich diese Realität nur beschreibe und nicht beeinflusse.

(...)

In einigen Details deines Beitrages kann ich Übereinstimmungen mit meinen Gedanken finden, in anderen nicht, aber die sachliche Diskussion ist zur Genüge geführt. Anmerken möchte ich, daß es sich aus meiner Sicht durchaus um einen Meinungskonflikt handelt. Es ist nicht so, daß du Plausibilität, Wahrheit, Realität beschreibst. Du interpretierst. Denn jede Wirklichkeitsbeschreibung ist abhängig von Theorien. Auf eine Ansicht zu entgegnen, sie entspreche nicht der Wirklichkeit und sei nicht plausibel, ist eine Meinung. Du erhebst einen Anspruch, den du nicht einlösen kannst, wenn du in deiner Argumentation Wirklichkeit und Wahrnehmung verwechselst. Man kann tatsächlich schlecht miteinander reden, wenn jemand seine persönliche Wahrnehmung als undiskutable und einzig denkbare Wirklichkeit ansieht. Man spricht Andersdenken damit grundsätzlich ab, die Wirklichkeit aus eigener Wahrnehmung beschreiben zu können.

  • Gefällt 1
Geschrieben

Auf eine Ansicht zu entgegnen, sie entspreche nicht der Wirklichkeit und sei nicht plausibel, ist eine Meinung. Du erhebst einen Anspruch, den du nicht einlösen kannst, wenn du in deiner Argumentation Wirklichkeit und Wahrnehmung verwechselst. Man kann tatsächlich schlecht miteinander reden, wenn jemand seine persönliche Wahrnehmung als undiskutable und einzig denkbare Wirklichkeit ansieht. Man spricht Andersdenken damit grundsätzlich ab, die Wirklichkeit aus eigener Wahrnehmung beschreiben zu können.

Und weiter geht es mit den Strohmännern.  :neenee:

Ich behaupte nicht, dass eure generelle Haltung nicht der Wirklichkeit entspräche und ich spreche euch auch nicht die Fähigkeit ab, die Wirklichkeit zu beschreiben. Und ich habe auch keine Probleme Wahrnehmung und Wirklichkeit zu unterscheiden und ich stelle meine Wahrnehmung auch nicht als indiskutabel hin. Diese Vorwürfe stimmen allesamt nicht. Eure Position in dieser Frage ist doch auch überhaupt nicht, »die Wirklichkeit zu beschreiben«. Ihr wünscht euch einen bestimmten Konventionsstand für die Anwendung der gebrochenen Schrift. Das ist ein Wunsch – eine Haltung. Sie ist weder wahr noch unwahr und daher auch kaum angreifbar. Daher frage ich nach, welche sachlichen (und damit gegebenenfalls überprüfbaren) Gründe zu dieser Haltung führen und die kann man dann oft sehr wohl auf Wahrheitsgehalt oder zumindest Plausibilität prüfen. Man kann prüfen, was die amtliche Rechtschreibung zum ſ sagt oder nicht sagt. Man kann zählen, wie oft rundes und langes s in aktuellen Publikationen eingesetzt werden und was dies für die Konvention/Leseerwartung bedeutet. Man kann prüfen, ob ein als Grund angegebenes Prinzip auch wirklich selbst befolgt wird oder ob es mit den allgemeinen, auch wissenschaftlich beschreibbaren Prinzipien von Schrift- und Sprachkonventionen konform geht. Man kann prüfen, welche Parallelen es zwischen dem Konventionswandel des ſ und früheren Änderungen gibt und welche Folgen daher plausibel sind. Und so weiter und so fort. Wenn du es dann so hinstellst, als ob sich hier einfach verschiedene gleichberechtigte Meinungen gegenüber stehen, dann klingt das schon ein bisschen nach einem an Strohhalme klammern. So wie der Kreationist sagt, Evolution ist ja auch nur eine Theorie und damit auf gleichem Niveau wie religiöse Märchen. Sind sie nicht. Eines geht konform mit der Realität, das andere nicht. Die Beschreibung von Schrift- und Sprachphänomenen ist nicht ganz so randscharf wie etwa physikalische Gesetze, aber dennoch noch lange keine bloße Interpretations- und Meinungsfrage.

 

Und genau in diesem Sinne stelle ich meine Realitätsbeschreibung auch nicht als indiskutabel hin. Meine Realitätsbeschreibung erfolgt nach besten Wissen und Gewissen, aber sie kann natürlich unzureichend oder gar falsch sein, z.B. weil ich bestimmte Informationen noch nicht kannte. Dann bitte ich diese zu liefern und ich passe mich den neuen Informationen an. Aber meine Aussagen quasi pauschal als bloße persönliche Interpretationen zu degradieren ist ärgerlich, wenn du keine konkreten Belege lieferst. So kann ich die konkreten Aussagen meinerseits weder verteidigen, noch mich einsichtig zeigen, falls der Vorwurf berechtigt war. 

  • Gefällt 2
Geschrieben

Wohin soll uns das eigentlich führen?

Du hast auf diesen Beitrag hin ohne Antworten (die du immer von anderen einforderst) auf die darin gestellten grundsätzlichen Fragen kurz und knapp erklärt, daß du andere Ansichten zu diesen Fragen nicht akzeptierst:

 

MZS: Können wir uns nicht darauf einigen, daß es zu diesen Fragen unterschiedliche Ansichten gibt, deren Herleitungen wir zumindest halbwegs vernünftige Gedankengänge unterstellen, auch wenn wir sie nicht teilen? Oder ist das schon zu pazifistisch gedacht?

RH: Nein, darauf können wir uns nicht einigen, denn es ist gerade der Kern meiner langjährigen Beobachtungen solcher Diskussionen, dass dem leider nicht so ist.

Die Details sind alle schon besprochen worden, die du erneut ansprichst. Du nimmst sie nur nicht zur Kenntnis, weil du anderer Meinung bist, die du als Wahrheit bezeichnest. Du nennst meine Zustandsbeschreibung einen Wunsch und deine plausibel und wahr und objektiv. Du kannst mir und anderen in der s-Frage nicht einmal halbwegs vernünftige Gedankengänge unterstellen. So kann man schlecht streiten. Ich bin sehr für Subjektivität, gegen geschlossene Wahrheitssysteme komme ich nicht an.

 

Vielleicht liegt der Unterschied in einer viel größeren Wahrnehmungsfrage. Ich glaube, du bist jemand, der sich als modernen Menschen sieht, der in der Gegenwart das beste sehen will. Du bist ein Pragmatiker. Vielleicht auch ein Optimist. Ich bin ein Pessimist, nicht in meiner persönlichen Gegenwart, sondern in der Betrachtung von Phänomenen. Ich kann das gerade nicht weiterdenken, ich weiß nicht recht, wie ich es sagen soll. Ich finde zum Beispiel die Rechtschreibreform deprimierend. Und wenn jemand dazu sagt: Friß oder stirb, ist das für mich eine deprimierende Antwort. Denn ich weiß schon, daß die Reform nicht abgeschafft werden wird, aber die Reformen der Reform zeigen, daß sie geändert werden kann, geändert wurde und geändert werden wird, und zwar von Menschen, die die Reform nicht als unangreifbares System ansehen. Betrachte das als Versuch zur Gütlichkeit, vielleicht als nicht sehr geschickten, weil ich es gerade nicht besser kann. Aber wir sollten doch mit unterschiedlichen Ansichten gut leben können.

  • Gefällt 1
Geschrieben

Du hast auf diesen Beitrag hin ohne Antworten (die du immer von anderen einforderst) auf die darin gestellten grundsätzlichen Fragen kurz und knapp erklärt, daß du andere Ansichten zu diesen Fragen nicht akzeptierst:

Nein, habe ich nicht gesagt. Wieder ein falsche Unterstellung. Bin ich wirklich so schwer zu verstehen oder wird mir jedes Wort im Mund rumgedreht, weil ich in dieser Diskussion irgendwie als »Gegner« angesehen werde, an dessen Aussagen mit jedem möglichen rhetorischen Mittel herumgehackt werden soll?

Ich habe mich auf eine Beobachtung bezogen (und diese auch eindeutig so benannt): nämlich jene, dass Menschen mit konservativer Einstellung zu Schrift und Sprache immer wieder das gleiche Muster zeigen: aktuelle Entwicklungen sind tendenziell abzulehnen, aber was sich hinreichend lange in der Vergangenheit (durch ständigen Wandel!) entwickelt hat, solle statt des aktuellen Wandels (der formal identisch zu den historische Änderungen abläuft) beibehalten werden. Bohrt man hier nach, wird dies aber nicht mit der persönlichen Grundhaltung erklärt, sondern es wird ganz konkret und vermeintlich sachlich argumentiert. Nach dem Motto: ich habe die neue Rechtschreibung sachlich und völlig ergebnisoffen geprüft, aber wegen der Eigenschaft XY müsse sie dann doch grundweg abgelehnt werden. 

Hier liegt dann die Vermutung nahe, dass nicht die einzelnen, vorgebrachten Argumente zu einer Haltung führten, sondern umgekehrt Argumente gesucht wurden, die zur schon vorher bestehende Grundhaltung passen. Was nur allzu menschlich ist, aber dann gegebenenfalls wieder zu den besagten unplausiblen oder gar unwahren Aussagen führt, die man skeptisch hinterfragen sollte. Eigentlich doch ein selbstverständlicher Vorgang. Soll man Argumente nicht prüfen und alles in der Welt als gleichberechtige Meinungen akzeptieren‽ 

Übrigens ist dies alles auch ein Phänomen, dass wissenschaftlich beackert wird. Bei Schrift weniger, aber zum Sprachwandel gibt es ja jede Menge Lektüre, die sich dann auch mit den Denkstrukturen der Sprachkritiker beschäftigt. Schriftkonventionswandel ist dasselbe in Grün. 

Und auf Grund all dessen habe ich geäußert, dass ich nicht generell akzeptiere, dass den Ansichten gute Argumente zu Grunde liegen. Ich will die Argumente erstmal hören, um sie bedenken und prüfen zu können. Mehr wollte ich nicht sagen. Und auf keine Fall sollte dies heißen, dass ich andere Meinungen irgendwie schon im Voraus ablehne, wie du mir vorwirfst. 

 

Du nennst meine Zustandsbeschreibung einen Wunsch und deine plausibel und wahr und objektiv.

 

Warum versucht du immer völlig andere Dinge auf eine Ebene zu heben? Du stehst für die dauerhafte Beibehaltung der letztgültigen Fraktursatzkonventionen aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Was soll dies anderes sein als ein Wunsch und eine Erwartung? Eine Zustandsbeschreibung ist es nicht. Wäre es eine, würden wir die Diskussion nicht führen. Ich weise darauf hin, dass dein Wunsch zunehmend in Konflikt zur tatsächlichen Fraktur-Konvention in allgemeinen Textanwendungen steht (siehe Zeitungs-/Magazin-Anwendungen, Gasthaus-Schilder/-Speisekarten usw.) und dass darin (im Sinne allgemeiner Prinzipien von Schrift-Konventionen) ein Problem liegt. 

Beides sind grundverschiedene Dinge. Wenn meine Realitätsbeschreibung nicht der Wahrheit entspricht, dann widerlege sie. Aber du kannst sie nicht einfach auf die Ebene einer Ansicht runterstufen, um sie mit deiner Grundhaltung auf ein Niveau zu bringen.

 

 

Aber wir sollten doch mit unterschiedlichen Ansichten gut leben können.

Ja, solange wir uns auf einer Ebene reiner Ansichten bewegen. Du könntest in der Frage zum Beispiel einfach sagen: »Ich lese viele alte Frakturbücher und die meisten stammen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. So ist meine Lesekonditionierung und so würde ich persönlich gern alle Frakturtexte vorfinden.« Es gibt nichts, was ich dagegen einwenden könnte. Es wäre sogar völlig verständlich. 

Aber wenn du meinst, dass diese Lesekonditionierung generell die empfehlenswerte wäre, der sich auch alle Spiegel-Cover-Gestalter, Gasthaus-Schilder-Designer usw. anschließen sollten, dann brauchst du dafür Argumente – und die wird man wieder prüfen und bewerten können …

  • Gefällt 1

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