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Schriftmuster Tannenberg

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Gerade brachte der Postbote eine hübsche Mappe mit zahlreichen Schriftmuster der Tannenberg welche recht gut zur Diskussion passen dürften.

 

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Ich selbst habe als Schulkind (mit neun oder zehn Jahren) ganze Bücher in Fraktur gelesen - unter anderem Nils Holgersson und Heidi. Die Bücher waren von meiner Großmutter und es gab in der DDR schlicht keine Ausgaben in Antiqua. Ich erinnere mich, dass ich nach einer kurzen Eingewöhnung alles problemlos lesen konnte und auch stolz darauf war. Und trotzdem amüsiert mich heute der Einsatz des langen s in dem gezeigten Schriftmuster doch sehr. 

  • Gefällt 9
Geschrieben

Wenn es einem gelingt, z. B. das SparkassenSparkaſſen-Muster rein graphisch, also vom Inhalt losgelöst zu betrachten, macht die Tannenberg doch durchaus eine bella Figura (da stört die Ehmcke-Zeile im Muster noch eher als unpassender Fremdkörper). So richtig kann ich die pauschale Verurteilung der Schlichten Grotesk, die es hier ja teilweise aus graphischen, und nicht nur aus Gründen einer tatsächlichen oder angenommenen Ideologieverhaftung gibt, da nicht verstehen. Graphisch kann die nämlich durchaus etwas.

  • Gefällt 3
Geschrieben

Ich finde es schön, »Die schöne deutsche Schrift«, die hier im Wiki zweimal als scheinbar neutraler Ausschnitt auftaucht, in ihrem wahren Kontext zu sehen. Zum »Kampfbund für deutsche Kultur« paßt sie ganz ausgezeichnet.

  • Gefällt 3
Geschrieben

Ich selbst habe als Schulkind (mit neun oder zehn Jahren) ganze Bücher in Fraktur gelesen. […] Ich erinnere mich, dass ich nach einer kurzen Eingewöhnung alles problemlos lesen konnte und auch stolz darauf war. Und trotzdem amüsiert mich heute der Einsatz des langen s […]

:gimmifive:

 

So richtig kann ich die pauschale Verurteilung der Schlichten Grotesk, die es hier ja teilweise aus graphischen, und nicht nur aus Gründen einer tatsächlichen oder angenommenen Ideologieverhaftung gibt, da nicht verstehen.

Ich kläre dich gerne auf. Die oft wenig begeisterten Reaktionen auf heutige Lobgesänge auf diese Schriften dürfte weniger mit der Gestaltung der Glyphen als eben mit solchen Äußerungen ihrer Lobsinger zu tun haben.
  • Gefällt 1
Geschrieben

Hier noch ein kleiner Nachschlag ... schon erschreckend wie schnell die Schriftgiessereien sich angepasst haben und die Nachfrage bedient wurde. Das Musterblatt mit dem Adler beinhaltete, wie auch einige andere, ein Hakenkreuz welches ich entfernt habe. Interessant finde ich auch, dass die Tannenberg oft mit der Neuzeit Grotesk kombiniert wurde.

 

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  • Gefällt 2
Geschrieben

Auch nach Kriegsende, wohl aus Ermangelung anderer Typen,

wurden die schlichten gotischen Schriften noch eingesetzt.

Hier drei Beispiele von 1946, 1950 und 1953.

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  • Gefällt 2
Geschrieben

Ohne die Hakenkreuze sind das allerdings keine wahren Ansichten. Das Hakenreuz harmoniert deutlich mit dieser Schrift. Muß das in der Wiedergabe historischer Dokumente entfernt werden?

 

Ich war mir nicht sicher ...

Geschrieben

Auch nach Kriegsende, wohl aus Ermangelung anderer Typen,

wurden die schlichten gotischen Schriften noch eingesetzt.

 

 

Bis heute ...

 

Volksbuehne.jpg

  • Gefällt 1
Geschrieben

Interessant finde ich auch, dass die Tannenberg oft mit der Neuzeit Grotesk kombiniert wurde.

 

Das paßt jedenfalls deutlich besser als die Mischungen mit Fraktur.

 

 

Bis heute ...

 

Na, das Beispiel ist ja wohl eher ironisierend.

Geschrieben

Auch nach Kriegsende, wohl aus Ermangelung anderer Typen,

wurden die schlichten gotischen Schriften noch eingesetzt.

Hier drei Beispiele von 1946, 1950 und 1953.

 

 

Ob es an anderen Schrift-Typen mangelte, bezweifle ich. 

 

Vielleicht hatte man aber auch damals nur ein etwas ungezwungeneres Verhältnis zur Schrift, als das heute manchmal dargestellt werden möchte.

 

Würde man den Einsatz der Schriften von der jeweiligen Ideologie unter der sie dienten, abhängig machen, bliebe ja nicht mehr viel übrig.

  • Gefällt 1
Geschrieben

 

Würde man den Einsatz der Schriften von der jeweiligen Ideologie unter der sie dienten, abhängig machen, bliebe ja nicht mehr viel übrig.

 

Oder vom Ersteller. Eric Gill z.B. ist für mich ob seiner Kindesmissbrauch und andere Abscheulichkeiten umfassenden Biographie wirklich belastet. Gill Sans ist eine wertvolle und wichtige Schrift, aber ich zucke jedesmal innerlich zusammen, wenn ich sie einsetze.

 

Und bitte, erklärt mir nicht, dass das irrational ist, ich weiß es ja.

  • Gefällt 2
Geschrieben

generell finde ich hat der context viel mit dem (heutigen) erscheinungsbild der schrift zu tun. wir hatten ja schon beispiele im schaftstiefel-fred gesammelt, die belegen das tannenberg und co. nicht immer 'brutal' wirken muss. ich zeig gerne nochmal welche (zu sehen sind gotenburg, tannenberg, national und element)

 

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National Ludwig & Mayer by robertmichael, on Flickr

 

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National Ludwig & Mayer by robertmichael, on Flickr

 

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National Ludwig & Mayer by robertmichael, on Flickr

 

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National Ludwig & Mayer by robertmichael, on Flickr

 

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Gotenburg D. Stempel by robertmichael, on Flickr

 

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Gotenburg D. Stempel by robertmichael, on Flickr

 

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Gotenburg D. Stempel by robertmichael, on Flickr

 

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Gotenburg D. Stempel by robertmichael, on Flickr

 

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Tannenberg D. Stempel by robertmichael, on Flickr

 

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Element Bauersche Gießerei by robertmichael, on Flickr

 

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Element Bauersche Gießerei by robertmichael, on Flickr

 

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Element Bauersche Gießerei by robertmichael, on Flickr

 

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Element Bauersche Gießerei by robertmichael, on Flickr

 

 

Zitat
schon erschreckend wie schnell die Schriftgiessereien sich angepasst haben und die Nachfrage bedient wurde.

 

da gebe ich dir recht.

heute ist das aber auch nicht anders, da wird doch auch jeder aktuelle typostil aufgenommen und wie die sau durchs dorf getrieben, was sich verkauft wird nachgemacht, trends halt.

 

ein beispiel das sich die gießereien auch vor schon 1933 'patriotischen schriften' zugewandt haben habe ich auch noch:

 

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patriotische schriften d. stempel by robertmichael, on Flickr

 

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patriotische schriften d. stempel by robertmichael, on Flickr

 

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patriotische schriften d. stempel by robertmichael, on Flickr

 

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patriotische schriften d. stempel by robertmichael, on Flickr

 

Hier werden Schriften wie Jaecker Grotesk und Buhe Fraktur beworben.

 

edit: sehe gerade mir ist teilweise die deutsche werkschrift/anzeigenschrift (bsp. gotenburg)  reingerutscht. benamung stimmt also teilweise nicht.

  • Gefällt 6
Geschrieben

Ob 1933 oder 1914 ist doch egal - die Giessereien haben auf die Grundstimmung der jeweiligen Zeit reagiert. Und die war eben nicht besonders freundlich. Das ist schon ein bisschen etwas anderes als wenn heute massenhaft geometrische Serifenlose auf den Markt gebracht werden weil es gerade in ist ...

  • Gefällt 1
Geschrieben

RobertMichael, du wolltest doch jetzt Beispiele zeigen, die keine idiologische Nähe zu den Nationalsozialisten haben.
 

22005971941_b1726728e1.jpg


Bei »Braun und gesund« musste ich jetzt aber doch schmunzeln. ;-)

  • Gefällt 5
Geschrieben (bearbeitet)

Ich kann mir nicht helfen, aber bei

Braun%20und%20ge%C5%BFund!.png

in solch einer Schrift¹ habe ich das Braun zuerst nicht mit einem Hautton assoziiert. :-? Aus welcher Zeit stammt das Muster? Wenn alt, war meine doppeldeutige Assoziation vielleicht doch gar nicht so unerwartet?

 

____________

1. dieselbe ist es natürlich nicht, aber die Wirkung ist zumindest bei mir ähnlich

 

EDIT: :gimmifive:

bearbeitet von Þorsten
  • Gefällt 1
Geschrieben

Ob 1933 oder 1914 ist doch egal - die Giessereien haben auf die Grundstimmung der jeweiligen Zeit reagiert. 

 

Das steht außer Frage. Man bot entsprechend der Zeit moderne und gebrochene Schriften an. Aber dass die Schriftformen dann quasi die nationalsozialistischen Ideen grafisch darstellten steht sehr wohl infrage. 

  • Gefällt 1
Geschrieben

Ob 1933 oder 1914 ist doch egal - die Giessereien haben auf die Grundstimmung der jeweiligen Zeit reagiert. Und die war eben nicht besonders freundlich. Das ist schon ein bisschen etwas anderes als wenn heute massenhaft geometrische Serifenlose auf den Markt gebracht werden weil es gerade in ist ...

 

sicher. ich würde aber nicht soweit gehen und behaupten das nur weil die 'grundstimmung' schlecht war man schriften so und so gestaltet (... scharf, spitz ohne schnürkel) hat. das die gießereien voneinander abgekupfert haben ist ja weitgehend bekannt (beton vs. memphis, futura vs. kabel usw.) nach dem erfolg der tannenberg die den zeitgeist getroffen hat, haben die anderen gießereien halt nachgezogen.

das diese dann der zeit entsprechend vermarktet wurden, versteht sich für mich von selbst. je nachdem wie linientreu der inhaber der gießerei war und ich vermute das war zur damaligen zeit jeder großbetrieb. da druckt man dann auch gerne mal ein zitat vom "volkskanzler adolf hitler" in die broschüre der prof.-krause-fraktur (die im übrigen nicht so stark nach schaftstiefel riecht). auch sprüche wie "deutsche drucksachen verlangen deutsche schrift" zeigt ja die anbiederung der gießereien an die damaligen zeitungen etc.

rückblickend mag das alles erschreckend wirken, im kontext gesehen find ich das aber verständlich.

  • Gefällt 1
Geschrieben

@torsten, du meinst die broschüre will sagen, man kann zwar braun sein wie ein 'neger' aber gleichzeitig gesund wie ein weisser, weil die braunen alle krank sind? das kommt aus dem text aber so nicht hervor. hier geht es um braun sein im sinne von sonnenbräune aber gesund bleiben weil man sich mit nivea schützt.

das muster der national dürfte von ca. 1937 sein.

Geschrieben

Nein, meine spontane Assoziation war: (ideologisch) braun (wie ein Nazi). Dass es im Text zumindest vordergründig um angeblich gesunde Sonnenbräune geht, ist klar.

 

Ich weiß aber nicht genau, wie weit akzeptiert „braun“ damals als positiv belegte Eigenbezeichnung war.

 

Ansonsten gefällt mir Pachulkes Frage von neulich. Wie wahrscheinlich wäre eine Entwicklung solcher Schriften in einem völlig anderen politischen Umfeld gewesen? Ich vermute: nicht besonders. Dem Selbstverständnis der Nazis liegt doch eigentlich ein Paradox zugrunde. Einerseits verstanden sie sich als äußerst modern (und deshalb mochten viele Nationalkonservative sie zuerst nicht), andererseits gaben sie ständig vor, lange Vergangenes (von Odin über Gotik  bis zu Traditionen des letzten Kaiserreichs) zu restaurieren. Und für mein vielleicht naives Verständnis illustrieren die Schaftstiefelgrotesken dieses Drängen in entgegengesetzte Richtungen nahezu perfekt. Einerseits sollten alte Zöpfe abgeschnitten werden (Rüssel und andere Schnörkel der Fraktur), andererseits brauchte die Ideologie einen historisierenden Unterbau.

  • Gefällt 2
Geschrieben

sehe ich ähnlich, darum habe ich ja auch immer von 'modernisierung der fraktur gesprochen'. ich vermute auch das die schaftstiefler in einem anderem umfeld nicht zustande gekommen wären. beispiele von deren einsatz aus dem ausland gibt es fast nicht. das liegt evtl. auch daran, dass die frakturschriften vorallem in deutschland ausgiebig genutzt wurden. sicher gab es gebrochene schriften auch in übersee aber aber sie wurden dort nie so übermäßig eingesetzt, somit bedurfte es auch keiner überarbeitung bzw. reform.

Geschrieben

Ich bin immer ganz enttäuscht, dass diese schlichten Gotischen ideologisch so belastet sind. Mein erster bewusster Kontakt mit ihnen war ein ausgesprochen humanistischer: die Beschriftung alter (aber noch in Gebrauch befindlicher) Orchestermappen. Aber vielleicht liegt die positive Anmutung auch daran, dass der Schriftzug handgeschrieben ist (und sich im Detail von den gezeigten Druckschriften unterscheidet).

violoncello.pdf

Geschrieben

Ich weiß aber nicht genau, wie weit akzeptiert „braun“ damals als positiv belegte Eigenbezeichnung war.

War sehr akzeptiert, siehe Braunes Haus in München. Überhaupt, Braunau, Eva Braun, Braunhemden, ... Und dann überall diese ekligen Khaki-Hosen, in denen man ein Heck wie ein Flugzeugträger hat: ich amüsiere mich immer noch über die Szene in "Triumph des Willens", in der man Hitler mit ein paar Spackos ewiglich von hinten auf die Bühne zumarschieren sieht -- wirkt ein bißchen wie eine Nilpferd-Herde...

  • Gefällt 2
Geschrieben (bearbeitet)
Ansonsten gefällt mir Pachulkes Frage von neulich. Wie wahrscheinlich wäre eine Entwicklung solcher Schriften in einem völlig anderen politischen Umfeld gewesen? Ich vermute: nicht besonders.

 

Das ist ja nicht wirklich meine Frage, sondern eine der permanenten Streitfragen fachlicher Rezeption der Schlichten Gotisch. Und hier neige ich den Argumenten zu, die eine Synthese von Fraktur und Grotesk aus den damaligen allgemeinen Zeitgeistströmungen jenseits des Nationalen Sozialismus heraus für naheliegend halten (sozusagen »der Bauhausgedanke auf die gebrochene Schrift angewendet«). Es gibt übrigens ein wahnsinnig spannendes e-Book von Dr. Wolfgang Prabel zum Thema der Verwurzelung des National-Sozialismus in den gesellschaftlichen Strömungen von Kaiserreich und Weimarer Republik (Jugendbewegung, Bauhaus etc.), leider habe ich bisher mangels eines e-Book-Readers nur längere Ausschnitte lesen können, aber die waren schon ziemlich aussagekräftig. Wenn man sich von dem Gedanken löst, daß der National-Sozialismus nur immer ursächlich für alle möglichen Erscheinungen seiner Zeit war, sondern umgekehrt eben auch seinerseits von diesen beeinflußt und geprägt wurde — mithin eingebunden war in ein komplexes Geflecht aus Ursachen und Wirkungen — dann kommt man sicher zu einem realistischeren Zeitbild und da paßt dann auch die Schlichte Gotisch mit hinein als ein Deteil innerhalb eines vielfältigen soziokulturellen Biotops, den sie mit beeinflußt hat und von dem sie mit beeinflußt wurde.

bearbeitet von Ralf Herrmann
Link auf Anfrage entfernt
  • Gefällt 3

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