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Schriftmuster Tannenberg

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Geschrieben

Was aber nicht bedeutet, dass es nicht ebenso für die Tannenberg schon grobe Skizzen weit zuvor gegeben haben mag. Nur ist davon halt nicht so viel bekannt, weil danach eben auch nie gesucht wurde, wie es beim Käfer der Fall ist.

Geschrieben
vor 18 Minuten schrieb catfonts:

Was aber nicht bedeutet, dass es nicht ebenso für die Tannenberg schon grobe Skizzen weit zuvor gegeben haben mag. Nur ist davon halt nicht so viel bekannt, weil danach eben auch nie gesucht wurde, wie es beim Käfer der Fall ist.

Nicht ausgeschlossen, ja. Aber: Ich hab mich oben sehr salopp ausgedrückt, richtiger wäre nämlich, dass der «KdF-Wagen» in Wahrheit gar nicht ab 1934 von F. Porsche entwickelt worden ist, sondern bereits Jahre vorher vom Herrn Barényi 

Zitat

1953 setzte Barényi seine Ansprüche auf die von Ferdinand Porsche angemeldeten Patente vor Gericht durch. Barényi konnte nachweisen, dass er bereits in den 1920er Jahren das Konzept des Käfers detailliert dargelegt, aber nicht ausreichend durch Patente abgesichert hatte. 1955 verklagte Barényi die Volkswagenwerk G.m.b.H. auf Urheberrechtsverletzung, woraufhin seine Urheberschaft am VW Typ 1 gerichtlich anerkannt wurde.

bzw. von der Firma Tatra, Modell V 570, abgekupfert ist:

Zitat

Die Konstruktion von 1933 (?) mit Zentralrohrrahmen und Heckantrieb wurde später von Ferdinand Porsche unter Patentverletzung für den VW Käfer übernommen. Porsche soll später zugegeben haben („Car Wars“), bei der Entwicklung des KdF-Wagens bei Hans Ledwinka abgeschaut zu haben. 1961 wurden Tatra von der Volkswagenwerk AG wegen Patentverletzungen an Motor und Design 3 Mio. DM als Entschädigung gezahlt.

 

 

Geschrieben
vor 8 Minuten schrieb RobertMichael:

 

der erfinder war mitglieder der nsdap (was erstmal nichts heißt).

Schlimmer noch: F. Porsche steckte bis zur Halskrause in der Vernichtungsmaschinerie der Nazis drin. 

Was von den Schriftenschnitzern nicht bekannt ist...

 

 

Geschrieben
vor 5 Minuten schrieb RobertMichael:

... und damit ist der kdf-wagen und seine ideologie dahinter für dich reingwaschen?

der erfinder war mitglieder der nsdap (was erstmal nichts heißt).

 

Keineswegs «reingewaschen».

Aber immerhin hat F. Porsche für die diversen Patentverletzungen zahlen müssen, und Zwangsarbeiter entschädigen (zumindest in Österreich); hier stellt sich mE selbstverständlich die Frage, was diejenigen, die die in Rede stehenden Schriften geschaffen haben, welche — wie wir doch mehrfach gesehen haben — als Instrumente («Medium» hieß es oben einmal) des NS-Terrors dienten, später als Entschädigung geleistet haben?

Geschrieben
vor 5 Minuten schrieb Phoibos:

Schlimmer noch: F. Porsche steckte bis zur Halskrause in der Vernichtungsmaschinerie der Nazis drin. 

Was von den Schriftenschnitzern nicht bekannt ist...

 

 

das bezog sich auf Barényi 

Geschrieben
vor 5 Minuten schrieb Anderglan:

 

Keineswegs «reingewaschen».

Aber immerhin hat F. Porsche für die diversen Patentverletzungen zahlen müssen, und Zwangsarbeiter entschädigen (zumindest in Österreich); hier stellt sich mE selbstverständlich die Frage, was diejenigen, die die in Rede stehenden Schriften geschaffen haben, welche — wie wir doch mehrfach gesehen haben — als Instrumente («Medium» hieß es oben einmal) des NS-Terrors dienten, später als Entschädigung geleistet haben?

 

Erich Meyer hätte also Entschädigungen bezahlen sollen, weil seine Schriftart von den Nazis für deren Propaganda verwendet wurde?

Geschrieben
vor 6 Minuten schrieb Anderglan:

ier stellt sich mE selbstverständlich die Frage, was diejenigen, die die in Rede stehenden Schriften geschaffen haben, welche — wie wir doch mehrfach gesehen haben — als Instrumente («Medium» hieß es oben einmal) des NS-Terrors dienten, später als Entschädigung geleistet haben?

Mir ist zumindest nicht bekannt, das es in Schriftgießereien einen Einsatz von Zwangsarbeitern gegeben hat.

Geschrieben (bearbeitet)
Zitat

… Aber immerhin hat F. Porsche für die diversen Patentverletzungen zahlen müssen, und Zwangsarbeiter entschädigen (zumindest in Österreich); hier stellt sich mE selbstverständlich die Frage, was diejenigen, die die in Rede stehenden Schriften geschaffen haben, welche — wie wir doch mehrfach gesehen haben — als Instrumente («Medium» hieß es oben einmal) des NS-Terrors dienten, später als Entschädigung geleistet haben?

Sind das nicht zwei Paar Schuhe? Ich meine: Porsche zahlte Strafe für Patentverletzungen und für die Beschäftigung von Zwangsarbeitern, beides Vergehen, die einen wie auch immer gearteten Staftatbestand darstellen. Er wurde aber nicht für die Tatsache bestraft, dass er ein Auto entworfen hat, welches in der Folge unter anderem von Vertretern eines verbrecherischen Regimes genutzt wurde. Schriftgestalter, die eine Schrift entworfen haben, die in der Folge unter anderem von den Vertretern eines verbrecherischen Regimes genutzt wurde, werden hierfür ebenso wenig haftbar gemacht worden sein. Hätten sie mit der Veröffentlichung der Schrift Patente verletzt oder für die Fertigung Zwangsarbeiter eingesetzt, dann wären sie aber sicherlich analog zu Porsche zur Verantwortung gezogen worden. 

bearbeitet von Kathrinvdm
Zitat ergänzt
Geschrieben

 

vor 10 Minuten schrieb Phoibos:

Schlimmer noch: F. Porsche steckte bis zur Halskrause in der Vernichtungsmaschinerie der Nazis drin. 

Was von den Schriftenschnitzern nicht bekannt ist...

 

 

Hier darf auf eine gedankliche Inkonsistenz hingewiesen werden, denn gerade hieß es noch: 

vor 2 Stunden schrieb Phoibos:

Du kannst schon Medium von Inhalt trennen?

 

Geschrieben
vor 7 Minuten schrieb RobertMichael:

 

Erich Meyer hätte also Entschädigungen bezahlen sollen, weil seine Schriftart von den Nazis für deren Propaganda verwendet wurde?

 

Eine Ächtung des Herrn Meyer wäre das mindeste gewesen; denn schau, was geschah zB mit Frau Riefenstahl nach dem Zweiten Weltkrieg — während übrigens die meisten ihrer männlichen Kollegen, die sehr häufig mehr Dreck am Stecken hatten, keine berufliche oder sonstige Beeinträchtigung hinnehmen mussten.

Geschrieben

Zumindest bin ich mich über eines ziemlich sicher: Jeder der heute als Creativer hier aktiv ist, arbeitet irgendwie im Stil der heutigen Zeit, ohne dabei unbedingt an politische Ziele zu denkem, besonders wenn es beispielsweise um eine Produktwerbung geht.

 

Wer von denen schon länger im Gewerbe tätig ist, z.B. in den 1980er Jahren hat damals sicherlich auch im Stil der 80er gearneitet, und wer diese Zeit in der DDR lebte, wird wohl auch im Stil der 80er in der DDR gearbeitet haben, ohne nun zwangsläufig ein Anhänger der SED gewesen sein muss.

 

Und darum wage ich zu behaupten, dass ebenso jeder von uns gestaltern hier, hätten wir in den 30er Jahren Werbung gestaltet, das ebenso ganz selbstverständlich im Stil dieser Zeit gemacht, ohne uns auch nur die geringsten Gedanken darüber zu machen, dass dieser Stil eben auch von der NS-Partei für ihre Propaganda verwendet hat. Manch einer von und wäre möglicherweise sogar ein Bewunderer der damaligen Regierung geworden - und hätte sich möglicherweise keine gedanken über die verbrecherische Seite gemacht, und nur das gesehen, was er sehen wollte - aber so anders sind wir letztlich auch heute nicht, und das trotz der wesentlich verbesserten Informationsmöglichkeien, von denen wir aber nur hoffen können, das wir auch wirklich neutral informiert werden.

 

Aus dieser Überlegung heraus kann ich nicht fordern, mann müsse einen Menschen Ächten, weil er irgend etwas erstellt hat, das von der NS Propaganda verwendet wurde, und das dann wohlmöglich sogar in der Sprache, duie damals allgegenwärtig war auch angeprisen hat. (Wohlgemerk, wenn das dann nicht direkt mit den Verbrechen selbst geschah)

Geschrieben
vor 1 Minute schrieb catfonts:

Zumindest bin ich mich über eines ziemlich sicher: Jeder der heute als Creativer hier aktiv ist, arbeitet irgendwie im Stil der heutigen Zeit, ohne dabei unbedingt an politische Ziele zu denkem, besonders wenn es beispielsweise um eine Produktwerbung geht.

[…]

Aus dieser Überlegung heraus kann ich nicht fordern, mann müsse einen Menschen Ächten, weil er irgend etwas erstellt hat, das von der NS Propaganda verwendet wurde, und das dann wohlmöglich sogar in der Sprache, duie damals allgegenwärtig war auch angeprisen hat. (Wohlgemerk, wenn das dann nicht direkt mit den Verbrechen selbst geschah)

 

Das, was ich hier ankreide, ist, dass das Ächten, wie oben gesagt, in der Trizone sehr inkonsequent gehandhabt worden ist:

 

Frau Riefenstahl wurde zum Outcast —

 

Zitat

In der Nachkriegszeit wurde sie trotz ihrer Einbindung in die nationalsozialistische Filmpolitik laut eines Spruchkammerbeschlusses lediglich als „Mitläuferin“ eingestuft. Dennoch gestaltete es sich nach der militärischen und politischen Niederschlagung des NS-Regimes für Riefenstahl ab 1945 schwer, weitere Aufträge als Regisseurin und Produzentin zu erhalten, so dass sie ihr Filmschaffen nach Tiefland (gedreht bis 1944) für über ein halbes Jahrhundert einstellte.

— hingegen ein Herr Gründgens hat sehr gekonnt Networking betrieben und konnte alsbald wieder auf der Bühne und am Set wirken.

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb RobertMichael:

der erfinder war mitglied der nsdap (was erstmal nichts heißt).

Doch, natürlich heißt das etwas. Es ist sicher nicht völlig irrelevant. Klar, es reicht nicht, um den Erfinder allein deswegen auch nur ansatzweise zu verdammen, aber es ist doch wohl ein Puzzlestück von vielen, um das Wirken eines Menschen zu beurteilen, oder?

 

vor 40 Minuten schrieb catfonts:

Und darum wage ich zu behaupten, dass ebenso jeder von uns gestaltern hier, hätten wir in den 30er Jahren Werbung gestaltet, das ebenso ganz selbstverständlich im Stil dieser Zeit gemacht, ohne uns auch nur die geringsten Gedanken darüber zu machen, dass dieser Stil eben auch von der NS-Partei für ihre Propaganda verwendet hat.

Das hast du schon mehrfach behauptet; ich bin trotzdem skeptisch. Die Spannbreite der Beispiele zeitgenössischer Anwendungen, von denen wir hier mittlerweile so viele gesehen haben, dass wie uns m.E. schon ein Bild machen können,  reicht von ekelhaftester Nazipropaganda zu vermeintlich apolitischen Anwendungen, die nach allem, was ich gesehen habe, aber alle ins Bild der Nazis passten und mglw. durchaus mehr oder weniger subtil auf den neuen Geist der neuen Zeit (und der war eben braun!) aufspringen wollten. Trink mehr Milch in SSG – Subtext: gesunder Volkskörper usw. usf. Zeitgenössische Beispiele von Anwendungen, die nicht ins Nazibild vom neuen arischen Menschen passten, hat bisher noch niemand gezeigt.

 

Also ja, ich denke, der Verdacht liegt sehr, sehr nah, dass die Gestalter meist bewusst mit dem propagierten neuen Geist spielen wollten – und der war eben alles andere als unpolitisch.

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Geschrieben
vor 12 Minuten schrieb Þorsten:

Also ja, ich denke, der Verdacht liegt sehr, sehr nah, dass die Gestalter meist bewusst mit dem propagierten neuen Geist spielen wollten – und der war eben alles andere als unpolitisch.

Da muss ich vollinhaltlich zustimmen (auch und gerade nachdem man vor etwa einer Stunde mir höchst unsachlich vorgeworfen hat, dass ich «mit [m]einer depersonalisierten Rösselsprungargumentation [nerve]», was immer das insinuieren soll).

Geschrieben
vor 5 Stunden schrieb RobertMichael:

die kneipe […] die eine schriftart aus ns-zeiten verwenden welche in keinem verbindung zur damaligen geschichte steht sondern vollkommen losgelößt und anders eingesetzt verwendet wurde?

[…]

ich vermute die tannenberg wird deshalb verwendet, weil sie sich aus tradition auf den alten schriftzuges der brauerei bezieht, der sicherlich aus den 30ern stammt.

Ich finde nicht, dass sich das so leicht auflösen lässt. Die 30er Jahre sind doch (mehrheitlich) »die NS-Zeit«. Wer also bewusst eine Schriftgestaltung aus den 30er Jahren aufgreift, nimmt Bezug auf diese Zeit – oder nicht?

 

Ob das jetzt legitim ist oder nicht, hängt freilich vom konkreten Fall ab.

Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb Þorsten:

Doch, natürlich heißt das etwas. Es ist sicher nicht völlig irrelevant. Klar, es reicht nicht, um den Erfinder allein deswegen auch nur ansatzweise zu verdammen, aber es ist doch wohl ein Puzzlestück von vielen, um das Wirken eines Menschen zu beurteilen, oder?

 

Das hast du schon mehrfach behauptet; ich bin trotzdem skeptisch. Die Spannbreite der Beispiele zeitgenössischer Anwendungen, von denen wir hier mittlerweile so viele gesehen haben, dass wie uns m.E. schon ein Bild machen können,  reicht von ekelhaftester Nazipropaganda zu vermeintlich apolitischen Anwendungen, die nach allem, was ich gesehen habe, aber alle ins Bild der Nazis passten und mglw. durchaus mehr oder weniger subtil auf den neuen Geist der neuen Zeit (und der war eben braun!) aufspringen wollten. Trink mehr Milch in SSG – Subtext: gesunder Volkskörper usw. usf. Zeitgenössische Beispiele von Anwendungen, die nicht ins Nazibild vom neuen arischen Menschen passten, hat bisher noch niemand gezeigt.

 

Also ja, ich denke, der Verdacht liegt sehr, sehr nah, dass die Gestalter meist bewusst mit dem propagierten neuen Geist spielen wollten – und der war eben alles andere als unpolitisch.

 

das beispiel mit dem käfer habe ich nicht herausgeholt. ich wollte nur darauf eingehen weil anderglan versuchte den ball von porsche zu barényi zu spielen. es relativiert nichts.

ich bin es zwar langsam leid diese diskussion zu führen aber ich betone es gern nochmal: ich streite nicht ab das diese schriften für ns-propaganda gebraucht oder missbraucht wurden, es macht sie deshalb aber nicht so schlecht schriften genau wie die farbe oder das papier auf dem sie gedruckt wurden. ich wäre mich gegen den gedanken die schrift zu verteufeln und in gute und böse schriften zu unterteilen.

was sagt das beispiel mit der milch aus? ich kann dir auch propaganda in einer anderen schrift zeigen. milch wird auch heute noch mit dem gleichen hintergedanken beworben. oder anders.. ist die futura jetzt zu meiden weil die afd futura nutzt?

 

zeitgenössische anwendungen? wir haben doch jede menge an beispielen gebracht, zuletzt erst das schneewittchen-beispiel.

briefköpfe, beschriftungen an gebäuden sowie verwendung in damaligen logos (siehe überbleibsel: biermarken) usw.

hier ein weiteres beispiel:

_57.jpg

https://picload.org/view/rgogpwop/_57.jpg.html

 

Zitat

Wer also bewusst eine Schriftgestaltung aus den 30er Jahren aufgreift, nimmt Bezug auf diese Zeit

richtig, und? wer bewusst schwarz, weiss, rot einsetzt nimmt auch bezug auf etwas? ich habe jedenfalls den zusammenhang zwischen speisekarte und logo sofort gesehen, liegt vielleicht auch daran das ich dort vor ort war und die tradition zu sehen bekam, welche die brauerei rüberbringen will und nicht gleich die pc-schere im kopf habe.

  • Gefällt 1
Geschrieben

Die 30er Jahre sind in der Schriftgeschichte zum Glück nicht nur NS-Zeit. Es war auch die Zeit von Gilgengart- und Zentenar-Fraktur, von Futura und Gill. Wenn man diesen Gedanken konsequent weiterverfolgte, daß jeder Schrifteinsatz auf einen geschichtlichen Kern allein im Sinne der Entstehungszeit zurückzuführen sei, erschiene schon die Verwendung einer Antiqua als Folge des Frakturverbots. Hitlers persönliche Abneigung gegen die gebrochenen Schriften habe ich hier sicherlich schon irgendwo zitiert, aber das kann im Umkehrschluß nicht bedeuten, daß die Antiqua zur Schrift des Nationalsozialismus geworden und deshalb verbrannt ist. Das Problem an den SSG ist, daß sie in ihrer Form die Verschmelzung von deutschem Nationalismus und Moderne in der Schrift zeigen, daß sie aus finsterem Zeitgeist entstanden sind, wie ihre sprechenden Namen ganz offen mitteilen. Wenn ich diese Schriften in aktueller Anwendung sehe, finde ich sie durchaus häßlich, aber ich würde dem Anwender nicht pauschal politische An- und Absichten unterstellen, weil ich weiß, daß nicht jeder meine Ansicht teilt und auch, daß viele Designer sich keine Gedanken machen. Ich sehe es allerdings wie CLMNZ, der auf die Qualität der Schriften Bezug nimmt:

Am 3.5.2016 um 17:06 schrieb CLMNZ:

die Frage ist da final dann zu welchem Sinn / Hintergedanken setzt man solche Schriften ein – Schaftstiefel aus Provokation – Schaftstiefel aus »Altbackenheit« ... mir fällt da nix ein, wofür man die Schrift sonst verwenden sollte – es gibt eleganteres, vor allem auch mit etwas unbelasteterer Vergangenheit (und diese sollte einem als Gestalter bekannt sein)

und ich fand dessen Frage nach »unbelasteten« SSG interessant, die es meiner Ansicht nach nicht gibt, und die auch nicht beantwortet wurde. Mir fällt nicht ein, wofür ich diese Schriften heute einsetzen könnte, ohne daß sie Bezug zur NS-Zeit vermitteln. Gebrochene Schriften verwende ich heute in Akzidenzen ohnehin schon ganz selten. Mal eine Visitenkarte aus Zentenar, eine Hochzeitseinladung aus Unger-Fraktur, ein Initial aus einer reich verzierten Fraktur. Gotische Schriften habe ich in Auftragsarbeiten noch nie verwendet. Die Sinkwitz-Gotisch liegt bei mir im Setzkasten, aber es gibt keinen Bedarf dafür. Und für eine noch stärker modernisierte Gotische mag ich mir keine unpolitische Anwendung vorstellen. Wenn jemand ausdrücklich eine solche von mir haben wollte, würde ich doch verpflichtet sein, ihre Bedeutung anzusprechen. Ich kann mir den Auftraggeber nicht vorstellen, der dann meint, die politische Seite dieser Schriftgeschichte wäre ihm zugunsten der Form egal. Wenn es eine Gotische aus den 30ern sein soll, dann doch eher die Ballade – von dem Mann, der mit der Futura bewiesen hat, was Moderne in der Schrift bedeutet, der mit seinem 1932 in der Schweiz erschienen Text »Kulturbolschewismus?« eine Position bezog, die schon vor der Hitlerei in Deutschland keinen Verleger fand und der eben auch keine SSG erschaffen hat, sondern diesen vielmehr etwas entgegensetzte.

  • Gefällt 2
Geschrieben
vor 8 Stunden schrieb Þorsten:

Also ja, ich denke, der Verdacht liegt sehr, sehr nah, dass die Gestalter meist bewusst mit dem propagierten neuen Geist spielen wollten – und der war eben alles andere als unpolitisch.

Und gerade hier behaupte ich, dass sie sich dessen sogar nicht immer bewusst waren. Der "gesunde Volkskörper" war einfach die gängige Redewendung, wenn es um Gesundheit für jeden ging. Man war dieser NS-Propagandasprahe ja praktisch von Morgens bis Abends ausgesetzt, und so hat man dann auch diese Sprache zur eigenen geacht.

Das sehe ich ja an mir selbst: Jeder, der mich hier kennt, weiß, das ich wahrlich kein Fan des "Denglischen" bin, auch ist mir sehr wohl bewusst, dass etwas nicht Sinn macht was ja einfach eine 1:1 Übersetzung des Englischen "that makes sense" ist, und im Deutschen eigentlich "das ist sinnvoll" heißen müsste, und trotzdem erwische ich mich immer wieder (oder andere erwischen mich dabei), dass mit englische, oder gar denglische Redewendungen und Schlagworte heraus rutschen, wenn ich mich nur auf die Aussage meiner Rede konzentriere, und ich wieder besseren Wissens schon mal antworte: "Das macht Sinn wenn wir das so machen."

 

Umgekehrt habe ich eine ganze Reihe von DDR-Fachbüchern. Diesen fachlich hervorragenden Bänden merkt mnan an, dass sich hier vdie Autoren die allergfrößte Mühe gegeben haben, die fachlichen Dinge so exakt wie irgend möglich herüber zu bringen, Trotzdem schleichen sich immer wieder Redewendungen ein, die sozialistische Ziele betonen und man als SED-Propagandasprache bezeichnen könnte.

 

Und daher glaube ich auch, was ich auch aus den Erzählungen meiner Mutter gehört hatte, das praktisch jeder sich dieser Sprachweise bediente - selbst die eigentlich verfolgten des Regimes - ohne auch nur über diese Redewendungen bis ins Detail nachzudenken.

Geschrieben

Entschuldigungsarien! Dafür ist nun Klemperer (»LTI«) der beste Gegenbeweis. Oder die Jugenderinnerungen von Joachim Fest. Oder die Erinnerungen von Georg Witkowski. In der DDR gehörte ebenfalls die Politik überall dazu. Beispiel Kaprs »Gestalt und Funktion (...)«, wo er das sehr geschickt auf die Einleitung begrenzt. Die Fortwirkung der LTI (Sprache des dritten Reichs) in der DDR führt Klemperer exemplarisch vor (an Begriffen wie »Garant« etwa).

PS: Ich empfehle als Mittel gegen allzuviel Scheinverständnis fürs dritte Reich den »Volksstaat« von Götz Aly. Und das Buch »Ich nicht« von Joachim Fest.

Geschrieben

Das soll wirklich keine Entschuldigungsarie sein, sondern ist schlicht eine Feststellung.

 

Ich bestreite ja überhaupt nicht, dass es auch während der NS-Herrschaft Menschen gegeben hat, welche ihre Sprache bewusst und durch aktives Nachdenken von Propaganda-Sprechblasen frei gehalten haben, oder sogar sprachlich hierzu in Opposition getreten sind, wie es eben auch viele Menschen gegeben hat, welche die NS-Propagandasprache sehr bewusst und aus vollster Überzeugung heraus benutzt haben.

 

Trotzdem behaupte ich noch immer, dass das Gros der Menschen damals diese Sprache kritiklos und ohne diese zu hinterfragen einfach in ihre tägliche Redeweise übernommen hatten, und so eben auch im dem Bereich, der heute ja auch ganz selbstverständlich englisch Marketing heißt (sagt eigentlich noch jemand Werbung?) einsetzten.

  • Gefällt 1
Geschrieben

Ach Mann, eine Gruppe hab ich noch vergessen. Neben denen, welche typische NS-Propaganda Redewendungen und Begriffe bewusst vermieden, denen welche sie in ihrem Wortsinn gemäß der Partei einsetzten, und denen, die einfach das nachplapperten und als normale Sprache empfanden, was ihnen die Propaganda eingehämmert hatte, gab es ja noch die Gruppem, welche diese Redewendungen in ironischer weise einsetzten, sodass ebenfalls nicht parteitreue Gesprächspartner die Ironie entdekten, und bemerkten, dass hier eigentlich das Gegenteil ausgedrückt wurde, Parteianhänger und offizielle dies aber nicht bemerken konnten, da sie ohnehin nur noch in diesen Worten zu denken pflegten, bzw bestimmte Begriffe aus dem totalitären Systemn auch scherzhaft einsetzten. In etwa so, wie ich Ralf hier schon mal als Brigadeleiter tituliert habe, er möge es mir verzeihen.

Geschrieben

Es wurde hier schon in ähnlicher Form erwähnt:

Würde man vor jeder Schriftanwendung hinterfragen, für welche Regime und welche Werke diese Schrift bereits zum Einsatz kam, bliebe wenig Verwendbares übrig.

Dazu käme noch ein moralisch einwandfreier Leumund des Schriftkünstlers hinzu.

Will man dem gerecht werden, greift man mit den Schaftstiefelgrotesk-Schriften zu kurz. 

Es werden hier Schriften gefordert, die moralisch hinterfragt sind und an denen kein Blut klebt.

 

Zu jeder Zeitepoche wurden Schriften verwendet, die in erster Linie den Machthabern der jeweiligen Zeit dienten.

Dass die Schrift auch den Menschen des einfachen Volkes diente, ist im Vergleich zur Schriftgeschichte erst seit kurzer Zeit. 

Man könnte als Schnittpunkt die Französische Revolution annehmen. Es ist Ansichtssache, je nachdem aus welchem Gesichtspunkt man es betrachtet. 

Alles was vorher geschrieben oder gedruckt wurde, diente in erster Linie einer Feudalherrschaft zum Machterhalt. Gleich ob Kirche oder Kaiser oder sonstiger Herrscher.

Bücher die den Herrschenden nicht in den Kram passten kamen auf den Index. Und Drucker, die so etwas druckten auf den Scheiterhaufen.

Also Schrift wurde nicht für das Volk verwendet, sondern oft gegen das Volk. Und das auf grausame Weise.

 

Eines dieser unseligen Bücher war der „Hexenhammer“. 

 … („lat. Malleus Maleficarum) ist ein Werk zur Legitimation der Hexenverfolgung, das der Dominikaner Heinrich Kramer (lat. Henricus Institoris) nach heutigem Forschungsstand im Jahre 1486 in Speyer veröffentlichte und das bis ins 17. Jahrhundert hinein in 29 Auflagen erschien …“ (Auszug aus wikipedia)

 

Nachdem sich dieses Werk über zwei Jahrhunderte hielt, wurden auch versschiedenste Schriften dafür verwendet.

Zum Beispiel eine Renaissance-Antiqua. 

Überboten wurden die grausamen Texte nur noch durch die Holzschnitte mit denen die Bücher ausgestattet waren.

Jeder kann sich über dieses Machwerk genauest informieren.

 

Hier liegen klare Fakten vor.

Verwendete Schrift: Renaissance-Antiqua, Fraktur, Gotische.

Art der Illustration: Holzschnitt

Zur wesentlichen Verbreitung dieses unmenschlichsten Werkes trug der Buchdruck bei.

 

Verteufelt nun irgendjemand diese Schrift, den Holzschnitt oder den Buchdruck?

Techniken die von Künstlern und Handwerkern ausgeführt wurden. Gestaltet im Stile der Zeit unter der Verwendung von Schriften, die der Zeitgeist hervorbrachte.

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