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Bizarrer Fraktursatz

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Geschrieben

Das lässt sich mit Kurrent noch toppen. Wahrscheinlich ist das der Grund für die Erfindung des i-Punktes und des Häkchens über dem u. Ohne den i-Punkt und das u-Häkchen säh das so aus:

latein.JPG

Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das im Diktat endet, wenn man jetzt an der richtigen Stelle die i-Punkte und u-Häkchen setzen soll...

 

latein2.JPG

  • Gefällt 8
Geschrieben
vor 2 Stunden schrieb catfonts:

Wahrscheinlich ist das der Grund für die Erfindung des i-Punktes und des Häkchens über dem u.

...und vermutlich auch dafür, dass U und V überhaupt getrennte Wege gingen.

Geschrieben

Weiß eigentlich jemand genau, wann u und v eindeutig den Graphemen /u/ und /f/ zugeordnet wurden, denn zu Dürers Zeit waren ja u und v stellungsabhängige Allographen für jeweils beide Grapheme, also ähnlich wie ſ und s, nur irgendwie Spiegelverkehrt, v am Wortanfang und nach einer Wortfuge, u im Wortinneren und am Wortende.

 

(Wie maskiert man hier eigentlich die eckigen Klammern, wenn man sie im Text mal braucht?)

Geschrieben
Am 3. Oktober 2016 um 09:46 schrieb Schwalbenkoenig:

Nicht leicht zu lesen.

Kann gar nicht sein, Fraktur ist doch die leserlichste aller ... ach nee, ist ja kein ſ an irgendeiner Fuge ...

  • Gefällt 6
  • 4 Wochen später...
Geschrieben
Am 4.10.2016 um 10:59 schrieb catfonts:

Weiß eigentlich jemand genau, wann u und v eindeutig den Graphemen /u/ und /f/ zugeordnet wurden, denn zu Dürers Zeit waren ja u und v stellungsabhängige Allographen für jeweils beide Grapheme, also ähnlich wie ſ und s, nur irgendwie Spiegelverkehrt, v am Wortanfang und nach einer Wortfuge, u im Wortinneren und am Wortende.

Wobei das auch immer mal wechselte und stellenweise frei kombinierbar war. Wie die meisten Merkmale "nichtmittelalterlicher"  Orthographie geht auch Unterscheidung von u und v als phonetische auf das 16. Jahrhundert zurück. (etwa bei Schottel(ius) oder von Zesen)

 

zum eigentlichen Thema: Ein mittelalterlicher Schreiber (und die Fraktur geht ja auf Schreibschriften zurück), hätte den ganzen Text eher wie folgt geschrieben:

 

51b9272c46.png

 

Am 6.10.2016 um 11:42 schrieb Norbert P:

Kann gar nicht sein, Fraktur ist doch die leserlichste aller ... ach nee, ist ja kein ſ an irgendeiner Fuge ...

Die gebrochenen Schriften waren ja auch nicht dazu entwickelt, besonders leserlich, sondern besonders platzsparend zu sein. :-D

Geschrieben

Der Dozent meines universitären Paläographie-Kurses. Gut, „sie wurden dazu entwickelt“ ist etwas übertrieben ausgedrückt, da auch andere Faktoren (z.B. Schreibgeschwindigkeit) die Entwicklung beeinflussen.


Zur Begründung der Aussage: Die gebrochenen Schriften wurden in einer Zeit entwickelt, in der Beschreibstoff noch teuer war (vier Quartseiten Pergament kosten nunmal ein Schaf+Arbeitsaufwand, Papier kam erst später auf und konnte noch später erst zu Preisen produziert werden, die so große Verbesserung aufweisen konnte, dass das Papier tatsächlich allgemein erschwinglich und „verschwendbar“ war), wobei gleichzeitig immer mehr Personengruppen Interesse an Büchern hatten (am Anfang, d.h. im Frühmittelalter, hatten eigentlich nur kirchlich/klösterliche Einrichtungen Bücher, später kamen erst Höfe, dann städtische Eliten hinzu), sodass der Preis immer mehr eine Rolle spielte. Und der kann (bei feststehender Textmenge und Beschreibstoff) nur gesenkt werden, indem der Platz stärker ausgenutzt wird, dies zeigt auch die Entwicklung:

Zum Vergleich: Bibel-Handschriften des 9. Jahrhunderts(noch kaum gebrochen), des 12. Jahrhunderts und des 13. Jahrhunderts.

 

Diese Platzersparnis wird im Wesentlichen durch drei Faktoren erreicht:

  1. Die Verringerung von Abständen, ins Besondere am Rand, aber auch zwischen den Zeilen und Buchstaben.
  2. Die Verwendung von Ligaturen Abbreviaturen, letztere habe ich versucht, in meinem Beispiel zu simulieren, in dem Beispieltext ist eine starke Verkürzung jedoch nicht möglich, da die Wörter entweder zu selten oder zu kurz sind, um „Ganz-Wort-Abbreviaturen“ auszubilden. Während die Ligaturen bis in den modernen Satz erhalten blieben, finden sich die Abbreviaturen nur noch in frühen Drucken, etwa in der Gutenberg-Bibel. (vgl. quē für quem (Z.1, Mitte) und dicim⁹ für dicimus (Z.2, Ende) in der folgenden Seite
  3. Die Entwicklung von Schriften mit geringerer Laufweite. Kann man in den oben gelisteten Beispielen zeigen, findet sich aber auch in der Literatur, so bei Kapr/Schäfer: Fotosatzschriften. Leipzig 1989 (S. 144) über die Lutherische Fraktur: „In Bezug auf die Papierökonomie überflügelt sie mühelos alle Antiquaschriften, was ihr aber als Vertreter der nahezu in Vergessenheit geratenen gebrochenen Schriften wenig Dank einträgt.“
    Hierzu tragen auch Schaftbrechungen bei (ein Bogen „verbraucht” mehr Platz als eine schräge Linie, wie man sehen kann, wenn man e und e bzw. n und n bei gleicher Schriftgröße vergleicht).
    Gleichzeitig führt diese Entwicklung zu einer schlechteren Lesbarkeit (vgl. etwa das diskutierte Beispiel, aber auch das folgende Zitat: „Bei der Gestaltung [der textura formata]  hatte die künstlerisch-graphische Wirkung Vorrang vor der bequemen Lesbarkeit. Die klare Unterscheidbarkeit der Buchstaben wurde der ästhetischen Gleichförmigkeit untergeordnet. Dies betraf vor allem die Buchstaben n, m, u und i, die in Textura formata schwer zu unterscheiden sind, wenn sie hintereinander stehen, aber auch e und c.“ (Quelle: Wikipedia).
    Dies wäre anders, wenn man, wie in der neuzeitlichen Schriftgestaltung und Typographie den primären Fokus auf leichte Lesbarkeit gelegt hätte, was im Prinzip das war, worauf ich hinweisen wollte.

Die Entwicklung zur verbesserten Lesbarkeit betrifft dabei natürlich auch den Schriftsatz in gebrochenen Schriften, wobei erste Entwicklungen schon zur Handschriftenzeit entstanden, ins Besondere in solchen Handschriften, die als Gebrauchshandschriften bestimmt waren und daher besser lesbar sein mussten (und die gotische Kursive verwendeten), entwickelt/verbreitet sich etwa der i-Punkt, dessen Folgen Schwalbenkoenig bereits hervorgehoben hat.

  • Gefällt 3
Geschrieben
vor 3 Stunden schrieb crB:

Die Entwicklung von Schriften mit geringerer Laufweite. Kann man in den oben gelisteten Beispielen zeigen, findet sich aber auch in der Literatur …

Das würde mich halt interessieren, ob irgendwo die Ökonomie der frühen gebrochenen (also dann gotischen) Schrift als zentraler Motor der Schmalheit der Entwürfe belegt wird. Denn das hier ist nix:

vor 3 Stunden schrieb crB:

so bei Kapr/Schäfer: Fotosatzschriften. Leipzig 1989 (S. 144) über die Lutherische Fraktur: „In Bezug auf die Papierökonomie überflügelt sie mühelos alle Antiquaschriften …

Das ist nur eine Feststellung. Über Kausalitäten sagt das gar nichts. Und auch die stichprobenartigen Beispiele können das freilich nicht. Im Nachhinein kann man immer vieles reininterpretieren, insbesondere wenn man schon weiß, was man finden will. 

Geschrieben

Die Kausalität wird in der Form schwer zu beweisen sein, schließlich gibt es keine Zeugnisse über die Schreibmotivation der „Erfinder“ dieser Handschriften. Das einzige, was zu belegen ist, ist, dass im Verlauf des Mittelalters die Schriften zur Textualis (im 14. Jh.) hin immer mehr mit (gebrochenen) geraden Schäften statt mit Rundungen gearbeitet wird¹, und das Schriftbild enger und platzsparender wurde, wozu zwar die Brechungen beitrugen², aber auch andere Merkmale, etwa Ligaturen³, Abbreviaturen⁴ und weniger großzügige Satzspiegel⁵. Das Rückgängigmachen dieser Schritte ins Besondere der Brechungen im 15./16. Jh. zugunsten einer höheren Schreibgeschwindigkeit fällt dann wieder zusammen mit dem zunehmenden Aufkommen von Papier als billigem Schreibstoff, wo gleichzeitig das Platzproblem geringer wird⁶ (aber mit den sinkenden Materialkosten steigt die Kundschaft; die Abschreibegeschwindigkeit erhöht sich)

Wie ich bereits festgestellt habe, war die Platzökonomie sicherlich nicht der einzige Grund für die Verwendung der gerbochenen Schriften, so spielen auch ästhetische Faktoren (vgl. die gleichzeitige Entwicklung der Architektur) eine Rolle, im Gegensatz zu anderen Merkmalen der Schrift spielt für die Schaftbrechung selbst (die den „gebrochenen“ Schriften ihren Namen gab) keine oder kaum eine Rolle, eher verringert sie (in ihrer Extremform) die Schreibgeschwindigkeit weshalb die Kursiven diese auch wieder abbauen.

Kurzum, wir können eine Parallelentwicklung aufzeigen, welche auf eine gewisse Kausalität hinweist, wirklich bewiesen (oder widerlegt) werden kann diese jedoch nicht.

 

 

________________

 

¹ z.B. Schneider, Karin: Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. 3. Aufl. Berlin/Boston 2014, S. 29 f.: „Die wesentlichen Veränderungen und die Hauptmerkmale der gotischen Buchschriften sind mehrfach dargestellt worden [es folgt eine Fußnote mit Literatur]. Das Schriftbild wird durch zunehmende Engerstellung der Schäfte […] verändert […]. Es ist dies eine Entwicklung, deren Anfänge schon in der spätkarolingischen Minuskel zu erkennen sind.

Das zweite wichtige Element ist die Brechung […] Einfache Umbrechungen sind schon frühzeigtig vereinzelt in der spätkarolingischen Minuskel festzustellen, noch bevor überhaupt von Gotisierung der Schrift gesprochen werden kann [Fußnote verweist auf N.F. Palmer, Von der Paläographie zur Literaturwissenschaft]. Zunehmend ist aber die Tendenz zu erkennen, sämtliche Schaftenden auf der Zeile völlig gleich zu gestalten.“ Zur weiteren Entwicklung vergleiche die einzelnen Beschreibungen der Schriften in diesem Werk (oder einem anderen paläographischen Handbuch)

² vgl. ebd. S. 31: „Zu dem insgesamt durch die Brechung härteren, gestreckteren und enger zusammgengeschobenen Schriftbild und der Unterscheidung zwischen starken und feinen Strichen sind neu aufkommende Buchstabenformen zu beachten.“

³ Schäfer datiert die Entwicklung der or-, der st- (späteren ſt- ) und der et-Ligatur auf die karolingische Minuskel (a.a.O., S.21.), wobei letztere „im letzten Jahrhundertviertel [des 12. Jh.] zunehmend durch die  7-förmige Abbreviatur ersetzt wird“ (ebd. S. 26.), auf die zweite Hälfte des 12. Jh.s die de-Ligatur (ebd. S. 33), weiterenoch später, wobei die alten Ligaturen weiterhin verwendet werden, alsozuunehmend mehr werden.

⁴ vgl. ebd., S. 87: „Die Kürzungen, die in der karolngischen Minuskel gebraucht wurden, sind relativ überschaubar und folgen überwiegend festen Regeln […]. Die Blütezeit der lateinischen Abbreviaturen  fällt in das 13. und 14. Jahrhundert […].“ Schneider macht hier allerdings hauptsächlich die Schreibgeschwindigkeit für diese Zunahme verantwortlich.

⁵ eigene Erfahrung und Gespräche mit Fachkräften.

⁶ „Einen wichtigen Anteil am Aufkommen der Kursive als Buchschrift hate nicht zuletzt die Einführung des Papiers als neuer, gegenüber dem bisherigen  Pergament billigerer Schreibstoff“ (Schneider, S. 58) „Daß aber die Wahl von Kursive oder Textualis auch vom Beschreibstoff abhing, beweisen etwa gleichzeitige Exemplare des oberbayerischen Landrechts auf Pergament, für die die Textualis alks Schriftart gewählt wurde [während die Papierfassung in einer Kuriven geschrieben wurde]“ (ebd. S. 60, Fußnote 109.)

 

  • Gefällt 3

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