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Reproduktion von Holzlettern - How To

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Geschrieben

Ich bin in meinem Leben mit einigen sehr unterschiedlichen Gewerken in Kontakt gekommen, und damit auf Methoden gestoßen, die in einem gäzlich anderen Zusammenhang nützlich sein können. Daher schreibe ich mal ein How-To, welches auf Methoden aus einer ganz anderen Branche zurückgreift. Ich hab das in diesem Zusammenhang zwar noch nicht selbst probiert, in anderen aber sehr wohl, daher denke ich, dass sich das genau so umsetzen lässt. Aber worum geht es?

 

Reproduktion von Holzlettern mittels Polyurethan-Gießharzen, die zur Herstellung von Gießereimodellen gedacht sind.

 

Problem: Ein Drucker, der noch Holzlettern verwendet besitzt eine Schrift, die nur noch eingeschränkt genutzt erden kann, weil wichtige Glyphen nicht mehr in genügender Zahl zur Verfügung stehen. Die Schrift wird aber nicht mehr gefertigt, und ist auch selten, dass Ersatzlettern nicht mehr verfügbar sind.

 

Was wird benötigt?

 

Erst einmal ein Arbeitstisch, eine genaue Waage, Pappbecher, Holzspatel, Zugang zu einer Tischkreissäge, Bohrmaschine, Schraubendreher, ein paar Spanplatten-Schrauben.

Dann als Werkstoffe Reste von beschichteten Spanplatten, Kurze Anschnitte von gehobelten Dachlatten, Massivholz oder dicke Multiplex-Plattenabschnitte für die späteren Lettern-Kegel.

Abform-Silikon-Gießmasse, z.B. Ebalta Silikongießmasse hochfest,  Polyurethan-Schnellgießharz z.B. Ebalta SG 130 / PUR 11

 

Schutzausrüstung: Latexhandschuhe bei der Harzverarbeitung, Schutzbrille und eine Schürze ist empfohlen.

 

Vorbereitung:

 

Als erstes benötigt man die Gießform. Hierzu baut man aus beschichteter Spanplatte einen kleinen Kasten, dessen Innenmaße etwa 1cm rundherum größer sein sollten, als die größte Letter, die man reproduzieren möchte. Gut geeignet sind Platten vom Sperrmüll von alten Möbeln, da kann man gut die beschichteten und industriell mit Umleimer versehenen Kanten verwenden, sodass der kleine Kasten auch oben glatt ist. Dieser Formkasten sollte etwa 1cm höher sein, als die kompletten Lettern.

 

Als nächstes braucht man ein Stück gehobelter Leiste, die lang genug ist, über den Formkasten hinüber zu passen. Diese befestigt man an der Standfläche der Letter, die man kopieren möchte. Die Leiste sollte dazu Bohrungen besitzen, durch die die Spanplattenschrauben leicht hindurch gesteckt werden kann, damit die Leiste dann flächig auf der Unterseite der Letter befestigt werden kann.

 

Nachdem man also die Tragleiste auf die Letter geschraubt hat (es empfiehlt sich, in die Unterseite auch kurze Bohrungen für die Schrauben ein zu senken, damit das Holz hier nicht aufplatzt) hängt man diese mittig in den Formkasten, Man kann die Wände des Formkastens leicht mit Vaseline einfetten (aber sehr dünn!) aber das ist eigentlich nicht unbedingt erforderlich, da Silikon selbsttrennend ist.

 

Formenbau:

 

Jetzt wird die Silikonabformmasse angerührt, ca 100g sollten reichen. auf diese kommen genau 3g Härter. Diese gut aber vorsichtig ein rühren, ohne zu viel Luft ins Silikon zu rühren, da man ja eine Vakuum-Kammer besitzt, um das Silikon zu entlüften. Das Silikon sollte in ca 20 Minuten in die Form kommen, also mit kontinuierlichem Strahl in den Spalt zwischen Letter und Formkasten gießen. Die Letter sollte dabei etwa 4cm in das Silikon eintauchen, mehr sollte nicht erforderlich sein.

 

Nach einer Aushärtezeit von 24 Stunden kann die Letter entformt werden. Vor dem Formen der neuen Lettern sollte die Silikonform weitere 24 Stunden aushärten. dies kann außerhalb des Formkastens passieren, sodass man schon die nächste Gießform für weitere Glyphen anfertigen kann

 

Nach dem Entformen die Silikonform wieder ganz in den Formkasten einlegen, sodass diese glatt unten aufliegt. Haben sich durch Spalte im Formkasten Häute gebildet, diese vollständig entfernen, eventuell die Kanten dieser Silikonform rundherum leicht mit einer Schere anfasen, damit sich diese wieder leicht in den Formkasten einführen lässt.

 

Schriftguss...

 

Jetzt aus festem Holz, hinreichend dich übereinander verleimten MDF-Platten oder Multiplex-Platten sehr genau die späteren Kegel zurecht schneiden. Diese sollten etwa 1cm niedriger als die Letter sein. Diese mit einer etwa 1cm - 1,5cm Bohrung zum eingießen des PU-Harzes versehen, und die Kopfseite ausgehend von dieser Bohrung sternförmig mit etwa 5mm tiefen Einschnitten versehen, in denen sich das Harz gut verkrallen kann. Das lässt sich gut auf der Tischkreissäge machen, stellt man das Blatt seht tief. Es ist ratsam, das Blatt auch schräg zu stellen, dass sich durch diese Rillen Hinterschneidungen ergeben.

 

Jetzt die Tragleiste auf der Standseite der späteren Letter befestigen, und den Holzklotz in die Silikonform einstecken.

 

Jetzt das PU-Harz an mischen. Schnellgießmasse, z.B. Ebalta SG 130 / PUR 11, hier beträgt die Topfzeit nur 2,5 Minuten, und die Letter kann schon nach einer halben Stunde entformt werden. Das Mischungsverhältnis hier 1 : 1, also für z.B. 100g fertiges Harz 50g SG130 und 50g PUR11

 

Achtung: Die weiße Harzkomponente ist Hygroskopisch und verklebt den Schraubdeckel der Flasche recht stark. Nach Entnahme daher den Flaschenrand sofort abwischen und Flasche sofort schließen. Hat das Harz Wasser aufgenommen, schäumt das Harz bei der Verarbeitung, und härtet eventuell auch nicht mehr richtig aus.

 

Das Harz dann durch die Füllbohrung in einem dünnem Strahl in die Form einfüllen - Besonders das Schnellgießharz ist sehr dünnflüssig und fast geruchlos.

 

Ich würde mich freuen, wenn sich so alte Schriften retten lassen, und so wieder gernutzt werden können.

 

  • Gefällt 2
Geschrieben

Schön.

 

Das erinnert mich an meine NVA-Zeit ganz zum Ende der DDR. Mit ganz ähnlichen Verfahren hatten unserer Vorgänger dort heimlich die Petschaften¹ kopiert, die unsere Vorgesetzten zum Versiegeln der Räume benutzten, die uns Zwangskasernierten abends und an den Wochenenden verschlossen bleiben sollten. Normalerweise hüteten sie diese Dinger wie ihre Augäpfel, aber ganz selten bekam einer von uns eine¹ mal für ein paar Sekunden in die Finger (z.B. weil ein Offizier zu faul war, zum Dienstschluss noch mal zum anderen Ende des Flurs zu latschen, um dort eine Tür zu versiegeln). Da musste dann heimlich in Windeseile ein Siegelabdruck in ein Stück Seife gemacht werden. Davon wurden dann in mehreren Schritten Gussformen und Ersatzpetschaften¹ erstellt. Das lief ab wie bei der Olsenbande. Der kleine Widerstand war wichtig, um angesichts des verhassten Zwangsdienstes den Humor zu bewahren – und nach Feierabend der Berufssoldaten am eigentlich versiegelten Fernseher die Westsender einstellen zu können.

 

_____________

1. Wikipedia meint, es heiße das Petschaft und die Petschafte. Ich verwende die Formen so, wie ich sie in der NVA kennengelernt habe.

Gast Schnitzel
Geschrieben

Ich habe im Wohnzimmer keine Tischkreissäge rumstehen – also, ich habe weder Tischkreissäge noch Kopierfräse ...

Und dieses Silikon- und PU-Gepansche würde ich auch nicht im Wohnzimmer machen.

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