micha14 Geschrieben August 24, 2018 Geschrieben August 24, 2018 Gibt es gestalterische Regeln, wie das Verhältnis von Buchrückenstärke zu Bundsteg im Optimalfall sein sollte? Ich gestalte aktuell ein Buch von ca. 900 Seiten Umfang und bin mir nicht sicher, ob hier ein Bundsteg von 20mm ausreicht. Danke und Grüße Michael
Gast bertel Geschrieben August 24, 2018 Geschrieben August 24, 2018 Ein nicht klebegebundenes Buch mit 900 Seiten schlägt nicht anders auf als eines mit 160 Seiten, daher sehe ich hier keine Verbindung zwischen Bundsteg und Rückenstärke. Auch optisch sind Rücken und Bundsteg für mich zwei Paar Stiefel, da ich entweder nur den Rücken oder nur die aufgeschlagene Doppelseite sehe, aber niemals beides gleichzeitig.
micha14 Geschrieben August 24, 2018 Themen-Ersteller Geschrieben August 24, 2018 Diese Erklärung leuchtet mir ein. Alleine wäre ich allerdings nicht darauf gekommen. 😉 Danke!
Martin Z. Schröder Geschrieben August 27, 2018 Geschrieben August 27, 2018 Ich würde aus Erfahrung das Gegenteil behaupten. Das Aufschlagverhalten wird beeinflußt von Format, Proportion, Papier, Umfang und Bindung. Je dicker das Buch, desto stärker können sich die Seiten aufwölben. Man muß so eine Arbeit zuerst, vor der Festlegung des Satzspiegels, mit dem Buchbinder besprechen. Die Kosten eines Blindbandes können sich lohnen. Es gibt dicke Bücher, die lassen sich gut aufschlagen, andere nicht. Das liegt am Einbandmaterial, an der Bindung und der Qualität der Verarbeitung. Das muß man aber wissen, wenn man den Bundsteg festlegt, sonst kann man am Ende vor einem Buch sitzen, dessen Seiten sich derart aufwölben, daß man in den Bund schielen muß, um den Text zu finden. Ich hatte schon mal das Problem des zu engen Bundstegs, weil das Buch sich anders verhielt als erwartet. Und ich habe einmal auch die Druckerei gebeten, für ein kleines Projekt in einem Betrieb für große Projekte zu höheren Kosten zu produzieren, weil dieselbe technische Beschreibung in den Proben zu zwei völlig unterschiedlichen Ergebnissen führte. Eine Theorie und gestalterische Regel in Zahlen gibt es nicht, nur die Regel: Der Buchbinder muß in die Entwurfsarbeit einbezogen werden. 1
Gast bertel Geschrieben August 27, 2018 Geschrieben August 27, 2018 vor 26 Minuten schrieb Martin Z. Schröder: Es gibt dicke Bücher, die lassen sich gut aufschlagen, andere nicht. Das liegt am Einbandmaterial, an der Bindung und der Qualität der Verarbeitung. Das ist völlig richtig. Damit widersprichst du dir aber – das Aufschlagverhalten liegt (bei gleicher Verarbeitung) eben nicht an Dicke und Seitenumfang des Buchblocks. Das lehrt mich auch meine Erfahrung. Ich spreche wie gesagt nur von Rückstichheftung.
Martin Z. Schröder Geschrieben August 27, 2018 Geschrieben August 27, 2018 Nicht? Wenn ich ein dickeres Buch habe, vergrößere ich doch wahrscheinlich den Bundsteg, außer ich habe eine schöne Bindung mit Dünndruckpapier. Ein optischer Bundsteg von 20mm ist in einem dicken Buch technisch breiter als in einem dünnen. Wie kommst du jetzt auf die Rückstichheftung? Die Rückstichheftung ist nach meinem Vokabular etwas für Broschüren, nicht für Bücher. Rückstichheftung hat keinen Rücken, das ist ja nur für geringen Umfang überhaupt machbar. Bei der Drahtrückstichbroschur spielt der Umfang für den Bundsteg fast keine Rolle, mehr als 80 Seiten bekommt man sowieso nicht unter. Ob Fadenheftung oder Klebebindung ist für das Buch durchaus entscheidend. Wenn die 900 Seiten fadengeheftet sind, erschwert das die Funktion, die Seiten heben sich von selbst. Die Klebebindung läßt sich in der Regel besser aufschlagen; wie leicht, das hängt aber auch wieder vom Leimverfahren und vom Papier und vom Format und vom Umfang ab. Ich würde mir auf jeden Fall Musterbücher aus der Druckerei senden lassen und mit dem Buchbinder oder dem Hersteller in der Druckerei darüber reden.
Gast bertel Geschrieben August 27, 2018 Geschrieben August 27, 2018 Wir scheinen von unterschiedlichen Dingen zu reden. Mir geht es nicht um eine Drahtrückstichbroschur, sondern um ein fadengeheftetes Buch mittels Rückstichheftung, nicht mittels Blockheftung. Rückstichheftung beschreibt nur die Bindeart "von innen durch den Rücken nach außen" und kommt bei der Broschur (z.B. Drahtrückstichbroschur) als auch beim Buch (mehrlagiges Buch) zur Anwendung. Ein blockgeheftetes Buch lässt sich dabei sehr schwer aufschlagen, bei einem rückstichgehefteten mehrlagigen Buch ist es fürs Aufschlagverhalten unerheblich, wie viele Lagen aufeinanderliegen.
Martin Z. Schröder Geschrieben August 27, 2018 Geschrieben August 27, 2018 Verstehe. Jedenfalls den Sprachgebrauch. Ich würde bei Fadenheftung nicht von Rückstich sprechen, aber das können wir vernachlässigen. Ich würde nur nicht zustimmen, daß die Anzahl der Seiten für das Aufschlagverhalten keine Rolle spielt. Und ich würde @micha14 nahelegen, über diese Fragen mit der Druckerei zu sprechen. Hier ein Erfahrungsbericht, den ich aus meiner Erfahrung bestätigen kann: https://buchlayout.info/das-problem-mit-der-ach-so-steifen-bindung/
Gast bertel Geschrieben August 27, 2018 Geschrieben August 27, 2018 Den Erfahrungsbericht kann ich aus meiner Erfahrung ebenfalls bestätigen – er betrifft aber nun mal nur die Klebebindung! Diese hatte ich bei meiner Aussage »Ein nicht klebegebundenes Buch mit 900 Seiten schlägt nicht anders auf als eines mit 160 Seiten“ ja aus diesem Grund bewusst ausgeschlossen.
Martin Z. Schröder Geschrieben August 27, 2018 Geschrieben August 27, 2018 Ich würde das so nicht sagen, als Buchbenutzer. Als Buchausstatter hatte ich schon lange nichts mehr mit Fadenheftung. Der Erfahrungsbericht schließt mit dem Hinweis: »Auch bei der Ausstattungsvariante Hardcover mit Fadenheftung neigen viele On-Demand-Dienstleister oft zu wesentlich „steiferen“ Ergebnissen als die Dienstleister, mit denen Verlage zusammenarbeiten.« Das heißt zumindest, man weiß nicht, was man bekommt, wenn man ohne Muster bestellt. 1
Erwin Krump Geschrieben August 27, 2018 Geschrieben August 27, 2018 Das Aufschlagverhalten des Buches und somit auch die Breite des Bundsteges sind nicht grundsätzlich vom Seitenumfang des Buches abhängig. Voraussetzung ist Fadenheftung. Bei Fadensiegelung oder Klebebindung spielt der Seitenumfang schon eine Rolle. Bei Büchern mit Fadenheftung spielt aber das Format, die Stärke der Lagen – ob 16 oder 32 Seiten –, die Art des Papiers und die Papiergrammatur die Hauptrolle. Ein wenig spielt auch noch die Art des Rückens mit – runder oder gerader Rücken. Zwei Bücher, die ich selbst produziert und gestaltet habe, in genau gleicher Ausführung für den selben Verlag, nur mit unterschiedlichem Umfang. Das eine Buch hat 264 Seiten, das andere Buch 746 Seiten, jeweils 16er Lagen: Beide Bücher haben das gleiche Aufschlagverhalten. 1
Gast bertel Geschrieben August 27, 2018 Geschrieben August 27, 2018 Danke für deine Bestätigung, das deckt sich auch mit meiner Erfahrung fadengebundener Bücher.
Rima Geschrieben September 11, 2018 Geschrieben September 11, 2018 Um mal meinen Senf dazuzugeben: Das Aufschlageverhalten hängt von sehr vielen Faktoren ab. Als Buchbinderin würde ich meinen Kunden bei dicken Büchern eher zur Fadenheftung raten. Einfach, weil ein gehefteter Buchblock die Kräfte beim Aufschlagen besser aushält. Bei der Klebebindung muss man zwischen Klebebindung Industrie und Fächerklebebindung (Handwerk) unterscheiden. Das Aufschlageverhalten von industrie-klebegebundenen Büchern kann einmal gut sein – danach ist Lose-Blatt-Sammlung angesagt, weils den Verbund sprengt. Weitere Faktoren des Aufschlageerhaltens sind Papierqualität, Rückenbehandlung, Rückenform, Rückendicke, Klebstoffauftrag, Art des Einbands … Wie schon empfohlen – Muster machen lassen. Zur Rückstichheftung: Meine Fachbücher sind grade nicht zur Hand, aber im buchbinderischen Sprachgebrauch ist bei mehrlagigen Büchern der Begriff Fadenheftung üblich. Im Gegensatz zur Blockheftung. die aber auch mit Draht erfolgen kann. Rückstichheftung selbst wird heutzutage eher für einlagige Broschuren (Hefte) gebraucht. 4 1
catfonts Geschrieben September 11, 2018 Geschrieben September 11, 2018 Fächerbindung ist doch das Lumbeck-Verfahren? "Das Aufschlageverhalten von industrie-klebegebundenen Büchern kann einmal gut sein – danach ist Lose-Blatt-Sammlung angesagt" Davon kann ich auch ein Lied singen. Im Kunststofflabor in der FH Hambureg hatten wir als Arbeitsmittel für die von uns auch durchgeführten Materialprüfungen DIN-Taschenbücher, die zerfielen praktisch bei der ersten Benutzung in eine Loseblattsammlung, bis sie von unserem Fachhochschul-Drucker von Hand neu gebunden wurden. Und die Blockheftung mit Draht hatte ich schon in Extremform in der Hand. Es war auch so in den 1980ern das Hamburg Hafen-Handbuch. Über 250 Seiten als Heft in A6. Wie die diesen Rundrücken so hin bekommen haben, dass der die Form hält, war mir ein Rätsel.
Gast bertel Geschrieben September 12, 2018 Geschrieben September 12, 2018 vor 7 Stunden schrieb catfonts: Fächerbindung ist doch das Lumbeck-Verfahren? Richtig.
Gast bertel Geschrieben September 12, 2018 Geschrieben September 12, 2018 vor 10 Stunden schrieb Rima: Das Aufschlageverhalten von industrie-klebegebundenen Büchern kann einmal gut sein – danach ist Lose-Blatt-Sammlung angesagt, weils den Verbund sprengt. Das hängt sehr stark von der verwendeten Technik ab. "Die" industrie-klebegebundenen Bücher gibt es nicht – eine aktuelle Hotmelt-Klebung mit vorher ordentlich gefrästem Buchblock ist genauso haltbar wie eine eilig durchgeführte PUR-Klebung.
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