Ralf Herrmann Geschrieben Januar 27, 2021 Geschrieben Januar 27, 2021 Kann jemand sicher sagen, wie »brieflich« in diesem Kontext vor hundert Jahren gemeint war? Fernheilung? Ein Mittelchen per Post? Terminvereinbarung per Post? Oder hatte das Wort noch eine ganz andere Bedeutung?
Hans Schumacher Geschrieben Januar 27, 2021 Geschrieben Januar 27, 2021 Kann leider nur eine Vermutung äüssern, bei Arzneimitteln könnte sich brieflich auch auf die Verpackungsform beziehen, also ein gefaltetes Blatt Papier für die Aufbewahrung einer portionierten Arznei in Pulverform. Siehe hier: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Apothekerbriefchen 1
Norbert P Geschrieben Januar 27, 2021 Geschrieben Januar 27, 2021 vor 2 Stunden schrieb Hans Schumacher: Verpackungsform … war auch mein erster Gedanke. Irgendwie scheint da weit im Hinterkopf eine Erinnerung auf …
catfonts Geschrieben Januar 27, 2021 Geschrieben Januar 27, 2021 Zumindest hat sich der Setzer nicht grade mit Ruhm beklickert, da gibts dann auch noch einen Zwiebelfisch mit dazu. 1
Gast bertel Geschrieben Januar 27, 2021 Geschrieben Januar 27, 2021 Mittelchen und entsprechende Anweisung per Post. Der Arzt sieht den gar Patienten nicht. Damals gab’s sogar briefliche Kuren … Geradezu lächerlich fand ich mehrere Bandwurmkuren. Nachdem ein großes Glas voll häßlicher Arznei verschluckt worden war und nichts geholfen hatte, kam von einer andern Weltgegend eine Schachtel voll Pulver , welches für den Bandwurm ganz passend gewesen sein mag, den betreffenden Kranken brachte es aber nur Schaden , denn als ich die Ausleerungen derselben genau untersuchte, fand ich, daß das, was die armen Märtyrer mit Sicherheit als Bandwurm ansahen und mit schrecklichem Abscheu in Weingeist aufbewahrten, nur sehnige Theile des genossenen Rindfleisches waren. Die Täuschung war bei Laien sehr verzeihlich, denn die Aehnlichkeit mit Bandwurmstücken war manchmal recht groß. Man sieht aber daraus, in welche Gefahren sich Kranke begeben, welche Arzneien für Krankheiten gebrauchen, die sie nur vermuthen, ohne je von einem ordentlichen Arzt untersucht worden zu sein. Den Bandwurm wird kein gebildeter Arzt verkennen. Den größten Schaden sah ich von brieflichen Kuren bei chirurgischen Leiden. Bei einem Knäbchen, dessen Haltung sich täglich verschlimmerte, dessen Rücken sich krümmte, dessen Kniee sich bogen, wurde brieflich gerathen, mit Strenge auf gute Haltung zu sehen und täglich Gymnastik zu treiben. Da aber darauf hin das kranke Kind täglich schlechter winde, brachte man es zu mir, und ich fand, daß die angewandte Gymnastik in traurigster Weise den Beinfraß der Rückenwirbel zum vollsten Ausbruche brachte , während wir Aerzte uns in solchen Fällen Tag und Nacht mühen, dieses schreckliche Leiden durch Ruhe und Schonung zu verhüten. Bei einem andern Kranken, welcher seit einem Sturze vom Pferde kaum mehr gehen konnte und dessen rechter Fuß im Hüftgelenke nur mit ziemlichem Schmerz bewegt wurde, war brieflich der Rath gegeben worden, den Schmerz zu verbeißen und den Fuß kräftig täglich ein paarmal hin und her zu rotiren. Schon nach wenigen Tagen steigerten sich die Schmerzen so, daß man den Fuß nicht mehr berühren, viel weniger zum Gehen benutzen durfte. Der herbeigeholte Arzt erzählte mir, daß das erkrankte Hüftgelenk trotz sofort angewandter größter Ruhe alsbald aufgebrochen sei und solche Massen von Eiter abgeflossen seien, daß der Kranke rasch einem hektischen Zustande erlag. Wenn es nun bei so einfachen sichtbaren und greifbaren, Uebeln solch unglückliche Irrungen giebt, wie wird es erst bei Krankheiten, deren Symptome schwerer voll einander zu unterscheiden sind! Es gehört oft das ganze ärztliche Wissen und ein geübter Verstand dazu, um zu unterscheiden, ob ein schmerzhaftes Kopfweh von Blutüberfüllung oder Blutmangel, von überreizten Nerven oder einem leidenden Magen, oder von gichtischen Einflüssen herrührt, und jede Irrung, jede Verwechselung ist von gefährlichen und schweren Folgen denn was bei dem einen Uebel nützt, kamt bei dem andern sehr schaden. Aerzte, welche 10 und 12 Jahre fleißig gelernt und das Lesen und Studiren nie aufgegeben haben, müssen alle ihre Sinnesorgane anstrengen, Gesicht, Gehör und Gefühl im höchsten Maße ausnützen und nebst sorgfältiger Beobachtung mit mikroskopischer und chemischer Untersuchung nachforschen, um die krankhaften Behinderungen des komplicirten, wunderbar organisirten menschlichen Körpers richtig herauszufinden. Wer es weiß, welche Schwierigkeiten hierbei zu überwinden sind, der kann nun brieflichen Kuren mit sehr wenig Ausnahmen nur mit Abscheu sprechen und wird darin meist nur eine verbrecherische Ausbeutung der armen Kranken erblicken. Die lukrativsten brieflichen Kuren sind aber jene armen Hypochonder, die in ihrer Ueberspannung einen Jugendfehler irrtümlicher weise als die Ursache aller ihrer Leiden und Schmerzen betrachten von Jedem ehrlichen Arzte aber nach kurzer Besprechung und Untersuchung erfahren würden , daß ihre Uebel damit in keinem Zusammenhange stehen und vielleicht sehr einfach zu heben sind. Die Gartenlaube (1886)
Oliver Weiß Geschrieben Januar 27, 2021 Geschrieben Januar 27, 2021 Neben Scham und "Anstand", der viele wohl davon abhielt, mit einem vielleicht anrüchigen Leiden zum Arzt zu gehen, gehörten wohl auch die Kosten dazu. Ein Arztbesuch war damals auch teuer, und es gab keine Krankenversicherung. Eine Fernbehandlung war da bestimmt billiger. Ich habe hier ein ganzes Buch voll dieser Anzeigen liegen, in denen unter anderem die "Korrektur jugendzeitlicher Fehler" angepriesen wird. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Behandlungen für Geschlechtskrankheiten, die man sich anscheinend in jungen Jahren eingehandelt hat. So eine Kur hat der Durchschnittsbürger damals sicherlich lieber auf dem Postweg bezogen. 1
Mister Austin Geschrieben Februar 27, 2021 Geschrieben Februar 27, 2021 Das mit der "verbrecherischen Ausbeutung der armen Kranken" ist bis heute im Gebrauch geblieben , bzw. wieder im Gebrauch. Ich denke da an so genannte "Nahrungsergänzungsmittel", deren Notwendigkeit von Fachleuten in 99,9% der Fälle als vollkommen unnötig bezeichnet wird. Die Erkenntnis aus damaliger Zeit gilt noch heute: Teure Medizin hilft viel! Wenn nicht dem Kranken, dann dem Apotheker! 1
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